Re: Kunstfehler


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 30. November 2007 06:37:00:

Als Antwort auf: Re: Albert Wandres (Dokumente) geschrieben von D. am 14. August 2007 07:08:41:

Wenn man in neueren WTG-Voten vernimmt, der zeitgenössische WTG-Funktionär Albert Wandres, habe sich als ein besonders „standhaftes" Exemplar erwiesen. So etwa in einer von Herrn Lorsbach herausgegebenen, Köln bezüglichen Broschüre. Worauf schon früher eingegangen wurde
Siehe dazu
Parsimony.21212
Parsimony.23400
Parsimony.23401

Dann möge man es nachsehen, wenn als Kommentar dazu angemerkt wird. Solcherart Voten wirken geradezu „beflügelnd" sich auch ein eigenes Bild solcher Standhaftigkeit zu verschaffen.

Nun ist der Haken bei der Sache wohl der. Auch zeitgenössische Gestapo-Funktionäre befassten sich verschiedentlich schon mit Herrn Wandres, und ließen ihre Eindrücke, in Aktenform, auch für die Nachwelt zurück. Ein solches Dokument überschrieben „An die SD-Führer aller SD-Oberabschnitte", schließt mit der abschließenden Forderung an die Empfänger, bis zum 25. 12. 1937 „ausführlich" (in Sachen Zeugen Jehovas) zu berichten.

Und damit die Herren Empfänger jenes Schreibens (etwa auf den September 1937 zu datieren), auch wüssten, wie und was sie den so zu berichten hätten, gibt es in diesem Schreiben auch eine Zusammenfassung des Standes in der Zeugen Jehovas-Angelegenheit.
Und siehe da. In eigenen Kreisen redete die Gestapo durchaus relativ ungeschminkt.
Dieses Schreiben ist auch deshalb als interessant einzustufen, dieweil es noch ein paar mehr Namen nennt. Was Herrn Wandres darin anbelangt, so kann man ihm allenfalls „Kunstfehler" attestieren, von denen aber die Gestapo profitieren konnte. Indes darf man wohl auch „Kunstfehler" eben als Fehler bezeichnen. Es sei hier nicht unbedingt der erhobene Zeigefinger präsentiert. Aber ich könnte mir vorstellen. Auch andere werden diese Gestapo-Ausführungen als nicht uninteressant einstufen. Daher seien sie im nachfolgenden kommentarlos, einmal vorgestellt:

Nachdem im März d. J. die zweite illegale Organisation der IBV zerschlagen worden war, begann der flüchtige Bezirksdienstleiter Heinrich Dietschi, B. D. für Westfalen, Oldenburg und Schleswig-Holstein, die dritte illegale Bibelforscher-Organisation aufzubauen. In wenigen Wochen war diese Organisation bis auf Ostpreussen Mecklenburg und Pommern vollkommen intakt und die einzelnen Bezirksdiener setzten ihre illegale Tätigkeit mit verstärktem Eifer fort.

Nachdem die Bezirksdienstleiterin für Bayern, Elfriede Löhr, durch die Staatspolizei festgenommen worden war, konnte durch einen bei ihr vorgefundenen Sicherheitsschlüssel die illegale Wohnung des Reichsdieners Dietschi ermittelt werden. Die Wohnung wurde durch Beamte der Geheimen Staatspolizei besetzt und am 28. 6. 37 konnte Dietschi bei einem Anlauf festgenommen werden.

Es wurde festgestellt, dass als Nachfolger des Dietschi der Bezirksdiener Albert Wandres, B. D. für Rheinland, Baden und Württemberg, die Reichsleitung der illegalen IBV übernommen hatte. Dieser wurde am 3. September 1937 in Dresden festgenommen und dem Geheimen Staatspolizeiamt, Berlin überführt.
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Aufgrund der bei ihm vorgefundenen Aufzeichnungen wurden weitere Ermittlungen angestellt, die zur Festnahme von folgenden Bezirksdienern geführt haben:
1. Emter, Hermann, wohnhaft in Freiburg i. B. D. für Schlesien; dort war als Nachfolgerin der bereits festgenommenen Bezirksdiener Fehst und Rothe.
2. Bötzinger, geb. Mende, Gertrud, tätig, die gleichfalls festgenommen werden konnte; ihr Nachfolger war Emter.
3. Stickel, Ludwig, B. D. für Württemberg.
4. Ebert, Georg, war als Nachfolger von Stickel bestimmt und sollte auch in dessen Bezirk sich einarbeiten.
5. Schneider, Auguste, B. D. von Baden.
6. Förster, Arthur, Hannover, war als Nachfolger von B. D. Friese, Walter, gedacht und war im Besitz von Adressenmaterial aus dessen Bezirk.

Aus den Aufzeichnungen des B. D. Wandres ging hervor, dass am 11. 9. 37 in Berlin, Ostenderstr. 28b, Erdgeschoss, links, ein Reichstreff der verbliebenen Bezirksdiener stattfinden sollte. Dieser Treff wurde von Beamten des Gestapa überwacht und hier wurden folgende Personen fetstgenommen:
1. Friese, Walter aus Halle/S., B. D. für Thüring. Friese galt nach der Verhaftung des Wandres als der neue B. D.
2. Stoldt, Franz, Berlin, B. D. für Berlin.
3. Venhofen, Erich, B. D. für Rheinland und Hannover, war als Nachfolger von Dietschi für dessen Bezirk vorgesehen.
4. Frau Jansen, Hamburg, B. D. für Schlesw.-Holst.
5. Kasellowski, Berlin, Kurier für den B. D. Stoldt. (K. war nach Aussagen des B. D. Stoldt vorgesehen als B. D. f. Mecklenburg und Pommern und sollte an diesem Reichstreff vom B. D. Friese als B. D. Bestätigt werden).
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6. Perske, Charlotte, Berlin, Gruppendienerin in Gross-Berlin, Deckname „Posaune".

Weiter wurden im Verlauf der Aktion 27 Gruppendiener und andere Funktionäre festgenommen und den zuständigen Stapostellen übergeben. Im Reichsgebiet wurden bisher 7 Vervielfältigungsapparate mit den dazu gehörigen Schreibmaschinen sichergestellt. Ein weiterer Vervielfältigungsapparat befindet sich in Bochum und wird in Kürze beschlagnahmt werden. In Hannover konnte ein Bücherlager mit etwa 1.000 Karton IBV-Schriften sichergestellt und beschlagnahmt werden. Auch sind etwa 7.000,- IBV-Gelder erfasst worden.

Nach dem Stand des hiesigen Ermittlungsergebnisses sind jetzt sämtliche B.D.-Leiter Deutschlands festgenommen worden. Es ist aber anzunehmen, dass von seiten der IBV-Anhänger versucht wird, die Organisation von neuem aufzubauen.

Zur Ermittlung der IBV-Organisationen, insbesondere der noch freien Gruppen- und Zellendiener, sind folgende Hinweise von Wichtigkeit:

Die IBV-Funktionäre sind angewiesen, Treffs und Bestellungen entweder 7 Tage vor- oder 7 Tage nachher in Notizbücher einzutragen. Es ist allerdings auch schon festgestellt worden, dass Treffs am richtigen Tage notiert worden sind.

Angeblich wollen sich die einzelnen IBV-Funktionäre nicht mit richtigem Namen kennen und nennen sich mit Spitznamen z. B. Posaune, Simpel, Gideon, Oskar u. ä. In den meisten Fällen sind ihnen aber die richtigen Namen bekannt.

Dietschi hatte die Anweisung gegeben, dass alle IBV-Angehörigen die Anschriften von Bekenntnispfarrern und Bekenntnischristen feststellen sollen. Auch solche Leute sollen namentlich gemeldet werden, die an nationalen Feiertagen wie z. B. 1. Mai, Geburtstag des Führers u. ä. nicht flaggen.

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Die Anschriften gingen vom Zellendiener über den Gruppendiener an den Bezirksdiener, der sie bei monatlichen Reichstreffs in Berlin dem Reichsdiener übergab. Zum Sammeln der Anschriften waren 2 besondere Stellen (Berlin und Bremen) eingerichtet, wo diese mit Schreibmaschinen auf Bogen geschrieben wurden. Abschriften hiervon übergab Dietschi dem Bibelhaus in Bern. Bei der nächsten Aktion der IBV sollten an erster Stelle an diese Anschriften Flugblätter verteilt werden.

Vom 21. bis 24. August fand in Paris ein Kongress sämtlicher Bibelforscher der Welt statt, an dem etwa 3 - 4.000 Personen, darunter 1.200 Deutschsprechende, teilgenommen haben. Aus Deutschland waren nur Dietschi, Wandres, Venhofen und Stickel, sowie einige Glaubensbrüder zugegen. Unter diesen ist ein gewisser Weiß, der Rheinschiffer sein soll. Es ist möglich, dass dieser mit dem Sender, über den bereits berichtet wurde, in Verbindung zu bringen ist.

Zu dem Sender ist noch folgendes zu sagen:
Dietschi beabsichtigte, einen Kurzwellensender aufzubauen, der entweder auf einem Rheinboot oder einem Kraftwagen aufgestellt werden sollte. Angeblich wird dieser Sender in der Schweiz hergestellt. Da bisher noch keine Sendungen abgehört werden konnten, muss angenommen werden, dass der Sender noch nicht aufgebaut worden ist, bezw. sich noch in der Schweiz befindet. Festgestellt werden konnte nur, dass bereits unter den Glaubensbrüdern eifrig für diesen Sender gesammelt worden ist.

Die einzelnen vom Gestapa festgenommenen Bezirksdiener werden in Kürze den zuständigen Stapostellen übergeben; damit diese örtlich die restlose Zerschlagung der IBV durchführen können. Die Oberabschnitts-Referenten werden hiermit angewiesen, sich sofort mit den Stapostellen in Verbindung zu setzen und dafür zu sorgen, dass diese Aktion gegen die IBV gründlichst durchgeführt wird.

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Es ist nunmehr zu hoffen, dass die illegale Betätigung der Zeugen Jehovas in Deutschland endgültig ihr Ende findet. Die Oberabschnitte haben über das Ergebnis der Aktion bis zum 25. 12. 37 ausführlich zu berichten.


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