Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Die Zeugen Jehovas-Problematik aus der Sicht eines Psychologen bewertet

(entnommen [auszugsweise] aus "Brücke zum Menschen" Nr. 145 (2001) )

Beitrag von Diplom-Psychologe Manfred Neumann

Menschen, die nach dem Ausscheiden aus einer extrem-religiösen Gruppe wieder ins "weltliche" Leben zurückfinden müssen, erleben diese Phase so, als fielen ihnen Schuppen von den Augen. Bei den Aussteigern oder Ausgeschlossenen können wir von drei Typologien ausgehen, die durch die Sozialisation in der Gruppe gewachsen sind, wobei es darauf ankommt, wie die Person in ihr eingebettet war:

Lebte sie a) in einer Familie oder Partnerschaft, in der alle dieser Gruppe voll ergeben waren? - Oder b) allein - als "Single" - ohne das Korrektiv in der Familie, wohl aber in der Versammlung zu haben? - Und c) Währte der Einfluß der Gruppe mehr als zwei Jahre? In dem Fall wird der Ausstieg bzw. die Trennung umso schwieriger.

Ein wichtiger Faktor ist auch, ob die Normen der Gruppe voll abgespeichert wurden, und ob die Person danach lebte. Eine andere Variante läge ja dann vor, wenn diese Person im Kontakt mit der Gruppe ihr Verhalten nur nach den anderen Gruppenmitgliedern ausrichtete, also gewissermaßen sich nur mittreiben ließ und allein die Normen nicht verwirklichen konnte. …

Es gibt also auch die Möglichkeit, in der Gruppe nur "mitzuschwimmen", ohne sich gleich in allen Bereichen um deren Normen zu kümmern. Man begnügt sich dann mit der wohltuenden Annahme, die eigene Gruppe sei im Vergleich zur Kirche doch die bessere und ernsthaftere Glaubensrichtung. Dieser Typ genießt die Sauberkeit und Disziplin im Königreichssaal.

Wie aber sieht es aus, wenn einer dieser Sozialisationstypen "mit der Welt da draußen" zurecht kommen muß, nachdem er die Gruppe hinter sich ließ oder lassen mußte?

Oft werden erst einmal die neuen Freiheiten genossen. Vieles - wie das Vergnügen in der Disko oder das Feiern von Festen mit Freunden - wird oft zum ersten Male erlebt und dies mit Genuß. Das kann zu Exzessen führen, wenn der Aussteiger das 180-Grad-Wendeprogramm praktiziert . . . Ähnliches kann man in den neuen Bundesländern beobachten, wenn Jugendliche aus der SED-Sozialisation neue Werte nicht erfassen können und einfach nach dem Muster "aus Rot mach Braun" vorgehen. Sind die Wachtturm-Normen sehr verinnerlicht, so kann es sein, daß die Person gegen die neuen Freiheiten sprichwörtlich "verriegelt" ist. Ich erinnere mich an einen jugendlichen Klienten, der in seiner Wachtturm-treuen Familie es nicht mehr aushielt und über den Jugendnotdienst in eine Pflegefamilie wechselte. Weil es kurz vor Weihnachten war, wollte man ihm sein Weihnachtsgeschenk, einen Fernseher, schon vor dem Fest geben, damit er ihn nutzen konnte. Als ihm das Gerät feierlich überreicht wurde, mußte er sich übergeben, weil er es kognitiv noch nicht ertragen konnte, ein Weihnachtsgeschenk zu bekommen!

Zurück zu dem Typ, der die neuen Freiheiten "erst einmal genießen" kann. Möglicherweise übertreibt der in seiner Lebenslust derart, daß er in einen exzessiven Lebensstil absinkt, in dem er sich bald nicht mehr selbst erkennen kann. Auf dem Tiefpunkt könnte er dann zu der Überzeugung kommen, daß die Prophezeiung der Zeugen sich an ihm bewahrheitet hat, ein "Abtrünniger" werde tief sinken und danach den Weg zurück suchen . . . Findet er ihn aber nicht, so können Suizidgedanken sehr real werden. Das gilt auch für den Fall, daß jemand gegen seine neue Umwelt, gegen das "weltliche Leben" und gegen kirchliche Alternativen so "verriegelt" ist, daß ihn das zur Verzweiflung treibt und er den Weg in eine noch extremere Sekte sucht. Gelingt auch dies nicht, können auch in diesem Fall Suizidgedanken als vermeintlicher Ausweg aufkommen.

Der ZJ-Aussteiger, dessen bisheriges Leben bis zur letzten Minute verplant war, weiß nun plötzlich mit seiner Zeit nichts mehr anzufangen. Er kommt ins Grübeln, und Gedanken schleichen sich ein wie "werde ich als Abtrünniger jetzt in Harmagedon vernichtet?" Auch kollidiert sein Leben, das noch immer Produkt einer Sektensozialisation ist, immer häufiger mit der "Welt da draußen". Das kann sich in einer extremen Nikotin-Unverträglichkeit und eine entsprechende extreme Unduldsamkeit gegen Raucher manifestieren. Die reale Welt gerät in Kontrast zur Kunstwelt der Sekte, obwohl von ihr durchaus auch für Außenstehende eine gewisse Faszination ausgehen kann.

Religiöse Inhalte sind zum Zeitpunkt des Ausstiegs noch die der Sekte, wobei dem Gottesbild des Aussteigers besondere Bedeutung zukommt. Die Psychoanalyse kennt den Begriff der ekklesiogenen Neurose. Eine solche Neurose tritt dann auf, wenn der "liebe Gott" zum "Drohgott" wird. Der Gläubige leidet unter dem Gefühl, es Gott nicht recht machen zu können, und darum ein Versager zu sein. Er fühlt sich von seinem Rachegott durchleuchtet und bedroht, was zu einem Dauerstreß führen kann. Dieser ist mit einer vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol verbunden, was wiederum zu Denkblockaden, sensorischen Störungen und Vergeßlichkeit führen kann. Ein Jugendlicher, der von mir psychotherapeutisch betreut wird, litt verzweifelt unter dem Leistungsdruck, den seine alleinerziehende Mutter ihm gegenüber aufgebaut hatte. Immer, wenn sie ihn wegen seiner Schulleistungen kritisierte, versprach er Besserung. Dann aber litt er unter genau diesem Versprechen. Fühlte er sich doch völlig unfähig, es zu erfüllen.

Das Gefühl der unerträglichen Nähe des Drohgottes ist mit dem Ausstieg aus der Gruppe - etwa der ZJ oder der Neuapostolischen Kirche - nicht ohne weiteres abzulegen. Wer jahrelang bis zu zwanzig Stunden pro Woche seiner Glaubensgemeinschaft widmete, hat deren Grundwerte verinnerlicht, und dieser Zustand hält auch nach dem Ausstieg an. Zu den "Werten" extremer Gemeinschaften gehört z. B. auch die Verachtung "Abtrünniger". Deren von der Gruppe prognostizierte "Vernichtung in Harmagedon" darf nicht bemitleidet werden. Dies führt zu einer geminderten Mitleidsfähigkeit, wie dies bei Jugendlichen zu beobachten ist, die extrem viele aggressive Videospiele spielen.

Besonders gefährlich ist der Umstand, daß ein mitleidloses Szenario schon öfter im Kopf oder in Vorträgen im Königreichssaal durchgespielt wurde. Diese Praxis ist ähnlich dem mentalen Training bei Sportlern: Man spielt in Gedanken die Kür durch, die zu turnen ist, und ist dann um so treffsicherer bei der Ausführung. So wird die Hemmschwelle zwischen bloßer Theorie und ihrer praktischen Ausführung niedriger. Hier tickt beim Aussteiger, der seine Vergangenheit noch nicht aufarbeiten konnte, eine Zeitbombe. Da man auf Dauer nicht in permanenter Disharmonie leben kann, bekommt die Sekte für ihn einen rosa Schimmer. Da kommen Gedanken wie: "Das konnte doch nicht alles schlecht sein". Gibt es aber für ihn in dieser Phase kein Zurück dorthin - oder in eine vergleichbare andere Gruppe - so kann die antrainierte Aggression gegen "Abtrünnige" sich gegen sich selbst richten: Aggression wandelt sich in eine Autoaggression.

Solche Phänomene im Sinne von Festingers Theorie der Kompensation der kognitiven Dissonanz werden immer dann beobachtet, wenn Anspruch und Realität nicht vereinbar sind . .. Das Gefühl, unschuldig bestraft zu werden, kann man dadurch kompensieren, daß man sich selbst umbewertet und sich für schlecht und strafwürdig erklärt. Diesem Phänomen begegnete man oft in der Konzentrationslager-Forschung. So sind viele Fällle von Juden dokumentiert, die zugaben, schlecht und minderwertig zu sein und zu Recht im KZ zu leiden.

Für Sektenaussteiger ist es deshalb überaus wichtig, die eigene Vergangenheit unter fachkundiger Begleitung aufzuarbeiten. Günstig sind immer Gruppen Betroffener, die jedoch einen externen Coach hinzuziehen sollten, um nicht in eine Antisekte oder Ausstiegssekte abzugleiten. Hierbei wird der Aussteiger durch Menschen, die ähnliches erlebt haben, eine Form der sozialen Unterstützung erleben, die ihm nicht von jemandem gegeben werden kann, der die "Ausstiegsgruppe" nicht von innen kennt. Soziale Unterstützung ist wiederum wichtig bei Menschen, die sich in ihrer Existenz in Frage gestellt fühlen.

Eine besondere Gefahr für den Aussteiger ist das lähmende Gefühl, unverstanden zu sein. Ähnliches erlebt beispielsweise der Flugängstliche, dem sein Nachbar vom herrlichen Anflug auf Mallorca vorschwärmt, während er selbst nur den Absturz auf Mallorca im Kopf hat. Daß der durchschnittliche Kirchenchrist nicht in eine ekklesiogene Neurose verfällt, liegt unter anderem daran, daß er von anderen Glaubensinhalten ausgeht. So ist für den bewußt evangelischen Christen der Glaube an die durch Jesus Christus vollbrachte Erlösung und die "Versöhnung mit Gott" eine wichtige Stütze. Bei einem katholischen Christen mag dabei zugleich der Beichte eine wichtige Rolle zufallen.

Die Abhängigkeit - auch des "Aussteigers"! - von der Gruppe, die ihn geprägt hat, darf nicht unterschätzt werden. Dafür gibt es im Buch von Detlef G., "Jehovas Zeugen zwischen Widerstand und Martyrium" ein eindrucksvolles Beispiel: Die SS bot den im KZ inhaftierten Zeugen Jehovas eine baldige Entlassung an, wenn sie sich in einer schriftlichen Erklärung von von ihrem bisherigen Glauben distanzierten. Zwischen der Unterschrift und der Entlassung mußten sie allerdings eine Beobachtungsphase durchleben, während der die anderen Glaubensgenossen 'dem Abtrünnigen die Gemeinschaft entzogen', also eine totale Kontaktsperre verhängten. Nur wenige standen diese Phase durch. Die meisten zogen ihre Unterschrift zurück. Dies Beispiel läßt uns die Einsamkeit erahnen, in die ein Zeuge Jehovas fällt, wenn er die Gruppe verläßt oder ausgestoßen wird. Deswegen rate ich dringend vor Experimenten, Zeugen Jehovas in ihrem Glauben zu verunsichern, ohne ihnen eine sichere Perspektive zu bieten.

Beim Thema Kulte, Psychogruppen, richtet sich der Blick sofort auf die Gruppe. Sie erregt Besorgnis, weil Kinder, Angehörige oder Freunde, die dort einsteigen, schon nach kurzer Zeit nicht wiederzuerkennen sind. Ihr Leben vollzieht sich bis in kleinste Details nach den Regeln dieser Gruppe. Woanders erscheint uns solche Uniformität nicht einmal unangenehm. Wer viel auf Reisen ist, fühlt sich in "uniformen Restaurants" wie Wienerwald, Mac Donald's oder Möwenpick immer ein wenig heimisch, egal ob er in München oder in Flensburg einkehrt. Wegen ihres einheitlichen Standards nennt man solche Restaurants auch Systemgastronomie. Ich möchte daher religiöse Gruppen, die in ihren Reihen eine extreme Einheitlichkeit realisieren, analog als Systemreligionen bezeichnen. Wer in einer solchen Systemreligion Hoffnung und Verheißung findet, fühlt sich erst einmal auserwählt und erlebt einen euphorischen Aufbruch. Die betroffenen Angehörigen dagegen versinken oft in tiefe Depression oder verbeißen sich in einen feurigen Aktionismus: Sie sammeln Informationen über die Gruppe und bekommen sie von Aussteigern, die natürlich tief enttäuscht wurden. So erwarten Angehörige vom euphorischen Einsteiger den Nachvollzug eines Gruppenbildes des enttäuschten Aussteigers. Da dies dem des Einsteigers diametral entgegensteht, kommt es beim Einsteiger zum Gefühl, unverstanden zu sein, und das genau in einer Phase, wo er sich in der Gruppe hochgradig verstanden und angenommen fühlt.

Bei den Angehörigen, die den Einsteiger offenen Auges in sein Unglück rasen sehen, kommt der Punkt der extrem empfundenen Hilflosigkeit, oft in Verbindung mit Schuldgefühlen. Das ist der Punkt, wo die Angehörigen nicht mehr aus dem Kopf, sondern aus dem Bauch reagieren. Es kommt zu Herabwürdigungen der Gruppe und ihrer Anführer. Gerade durch solche Erfahrungen aber fühlt der Einsteiger sich in seiner Entscheidung bestätigt: Haben die "Brüder" ihm nicht vorhergesagt, der Satan werde alle Kräfte mobilisieren, ihn aus dem neuen Rettungsboot herauszubekommen? Und dann der aggressive Ton der Angehörigen! Hatte man ihm nicht Bibelworte vorgelesen, wonach in der Endzeit "die Liebe in vielen erkalten" werde. So wird das Verhalten der ratlosen Angehörigen zum "Beweis, daß wir in der Endzeit leben". Um so dringender wird es für den Einsteiger, den Normen der Gruppe gerecht zu werden, damit er das nahe Endgericht von "Harmagedon" überleben kann. Auf diese Weise können Angehörige ungewollt zu Helfern der Gruppe werden. Ein Modell, das man "sich selbst erfüllende Prophezeiung" nennt. D. h., daß jemand "einen Wahrnehmungsfilter" aufgesetzt bekommt.

Wir kennen dies von harmlosen Fällen her. Wir haben uns - wie wir meinen - ein ganz seltenes Auto gekauft, und dann erleben wir, daß uns so ein "seltenes" Auto x-mal am Tag begegnet! Im Fall der Systemreligion bekommt der Einsteiger gesagt: 'Deine Angehörigen werden vom Satan mobilisiert, um dich in Versuchung zu führen. Wie wird ein Christ in einer solchen Situation sich verhalten, wenn er auf sein biblisch geschultes Gewissen hört?' Das Perfide an dieser Vorgehensweise ist, daß dem Einsteiger nicht direkt gesagt wird, wie er sich verhalten soll… Das Stichwort "biblisch geschultes Gewissen" ist ein Codewort für die Regeln der Gruppe. Auf diese Weise vermeidet sie es, das gewünschte Handlungsmuster zu benennen, vielmehr überläßt sie dies dem Einsteiger selber. So bekommt er das Gefühl, selbstverantwortlich zu handeln, und die Gruppe kann im Konfliktfall immer sagen, sie habe ein derartiges Handeln nicht gemeint und nicht gefordert.

Die "sich selbst erfüllende Prophezeiung" wurde mehrfach experimentell untersucht. In einem dieser Experimente sagte man Lehrern vor Beginn eines neuen Schuljahres: Man habe die Schüler einem Intelligenztest unterzogen. Der Lehrergruppe der ersten drei Klassen erklärte man, diese Kinder seien überdurchschnittlich intelligent. Der zweiten Gruppe sagte man, einige seien schlau, andere wieder eher dumm. Der dritten Gruppe sagte man, daß man keine Erklärung dafür hätte, warum die Testergebnisse einen erschreckenden Intelligenz verrieten. - Am Ende des Schuljahres stimmten die nun vorliegenden Resultate mit den fiktiven Prognosen überein. Die als super intelligent Ausgegebenen hatten extrem gute Leistungen erbracht, die durchschnittlich Etikettierten waren durchschnittlich, und die als mäßig intelligent deklarierten Kinder galten nach Vorliegen der Ergebnisse als dumm! Die Lehrer hatten ihr Unterrichtsverhalten den jeweiligen Prognosen angepaßt… Es ist also äußerst wichtig, wie wir über unser Gegenüber denken oder denken sollten.

Gegen alle allgemein vorstellbaren Interventionen ist der Einsteiger geimpft, nicht aber gegen die unvorstellbaren. Das bedeutet, daß wir situativ auf den Einsteiger eingehen müssen, denn ein solches Eingehen ist von der Gruppe nicht im Voraus planbar. Dieses Eingehen impliziert eine Technik, die man nennen könnte "mit dem Widerstand gehen". Verweigert der Einsteiger etwa das Feiern von christlichen Festen oder auch eines Geburtstags, so fragen wir ihn, ab wann er sich am Festgeschehen beteiligen könne. Auf diese Weise wird eine für ihn "unmögliche" Sache in eine annehmbare umdefiniert. Diese Technik ist ihm aus der Gruppe durchaus vertraut (wenn er nur genügend darauf achtet). So definieren Zeugen Jehovas, die das Essen von Blut bekanntlich verweigern, das aus einem nicht ganz durchgebratenen Steak oder der Leber tropfende Blut einfach als "den Saft", womit es dann eßbar wird. Genauso könnte man einen Geburtstag als "Jahresfest", Weihnachten im Kreis der Familie als "Wintertreffen" deklarieren und dadurch das Problem für ihn entschärfen.

Dies sollte jedoch seine Grenze da haben, wo vom Angehörigen auch außerhalb dieser Hilfskonstruktion die Festverweigerung verlangt wird. "Mit dem Widerstand gehen" darf niemals bedeuten, daß sich die Angehörigen voll den Regeln der Systemreligion unterwerfen, und so von deren Führern abhängig werden. Also: Wintertreffen mit dem Einsteiger feiern; aber für sich selbst nicht den Weihnachtsgottesdienst verweigern lassen! Damit geben wir dem Einsteiger die Chance, beim Wintertreffen die emotionale Wärme vergangener Weihnachten zu erleben. Der Einsteiger wird sehr gut die Kälte in seiner Systemreligion mit dem über Jahre erlebten Geborgenheitsgefühl vergangener Weihnachten zu vergleichen wissen. Wir dürfen nur nicht gleich erwarten, daß er dies offen eingesteht. Fehler nicht zugeben zu können, ist nicht nur ein Charakteristikum von Systemreligionen …

So also wäre Umgang mit dem Einsteiger möglich. Viel wichtiger ist in dieser Phase, wie wir mit uns selbst umgehen. Ein guter Freund erkrankte schwer, und sein Überleben wurde als ein kleines Wunder betrachtet. Der Betroffene erklärte sich dies mit seiner sportlich trainierten Konstitution. Kaum genesen, machte er sich gegen ärztlichen Rat wieder in Richtung Trainingsstrecke auf. Die Sportkameraden, die dies nicht verhindern konnten, schickten dem Läufer einen Sportler mit einem Ersthelferköfferchen hinterher. Es dauerte aber nicht lange, und der Kranke hatte den Helfer mit seiner Notausrüstung hinter sich gelassen. Dieses Bild sollten wir uns vor Augen halten, wenn wir dem Angehörigen, der in eine Systemreligion geriet, helfen wollen. Es gilt, dem euphorischen Aufbrecher, der auf dem Wege zu Erleuchtung und ewigen Leben Superkräfte entfalten kann, nicht hinterherzulaufen, sondern mit dem Fahrrad zu begleiten und alle fünf Kilometer nach dem Rechten zu schauen! Der sich total verausgabende Einsteiger wird schnell an die Grenzen seiner Kraft kommen. Für diesen Moment müssen wir Kraft haben und eine Phase durchstehen können, die es uns verbietet, aus dem Bauch zu handeln. "Raus aus dem Bauch; hinein in den Kopf" muß das Motto unseres Handelns sein. Um den Kopf kühl zu halten, brauchen wir aber Hilfe von außen. Feedback oder Rückmeldung, wie man auf deutsch sagt. Die kann eine gute Selbsthilfegruppe leisten, die sich gelegentlich einen Fachmann als Begleiter gönnen sollte. Dieser Coach ist mit dem Sporttrainer vergleichbar, der darauf achtet, dass wir eine gute Technik praktizieren und keine Kräfte vergeuden.

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