Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Dieter Obele: Selbstgerecht, geschönt, gelogen

Der Journalist Dieter Obele schrieb an den (seinerzeitigen) Leiter des Geschichtsarchives der Zeugen Jehovas, Herrn Johannes W. einen Brief. Von letzterem keiner Antwort für würdig befunden. Die Kompetenz von W. in den anstehenden Fragen kann man vielleicht auch daran ermessen, dass W. auf einer eigenen Webseite, schon nach ganz kurzer Zeit wieder, eigenverantwortete Beiträge löschte. (Bewertung; Stand vom April 2001). Kurz darauf bot er nur noch eine automatische Weiterleitung auf eine englischsprachige Webseite, was ihm wohl als "ausreichend" erschien.

Das allerdings ist Vergangenheit, da es jene Webseite heute so nicht mehr gibt.

home.t-online.de/home/johannes.wrobel/

(Nachfolgend dieser Obele-Brief etwas gekürzt und gestrafft).

Obele hatte sein besonderes Augenmerk jener "Erklärung" gewidmet, die auf dem kurzfristig für den 25. Juni 1933 in Berlin-Wilmersdorf einberufenen Kongreß der Zeugen Jehovas verabschiedet wurde. Obele meint dazu:

"Meine Vorwürfe richten sich weniger auf den Kongreß und die 'Erklärung' selbst, sondern vor allem darauf, wie die Wachtturm-Gesellschaft/der 'treue und verständige Sklave' das Geschehen bis heute dargestellt hat.

Um es noch einmal zu betonen: Durch diese Kritik soll nicht das mindeste von der Hochachtung weggenommen werden, die den verfolgten Zeugen Jehovas für ihr Verhalten in der Nazi-Zeit gebührt - und ich weiß, daß zu den Betroffenen auch Mitglieder Ihrer Familie gehörten.

Die Darstellung der Ereignisse im Jahre 1933 durch die Führung Ihrer Religionsgemeinschaft während der letzten 60 Jahre zeigt jedoch, daß Ihre Organisation dann bereit ist, die Unwahrheit zu sagen, wenn sie meint, die Wahrheit schade ihr.

Überhaupt sind apologetische Darstellungen der eigenen Geschichte typisch für die Wachtturm-Gesellschaft. ... Für mich war die 'Erklärung' in erster Linie ein Versuch der Rechtfertigung vor den NS-Machthabern, der zum Teil anbiedernde Züge trägt und auf Kritik an der nationalsozialistischen Regierung nicht nur weitgehend verzichtet, sondern sogar den (vermeintlichen) Gleichklang bestimmter Ziele betont. Für G. steht sie dafür, daß der 'in den zurückliegenden Monaten eingeschlagene Kurs der Loyalitätsbekundungen (...) nunmehr auch offensiv gegenüber der eigenen Anhängerschaft vertreten' wurde."

Im weiteren zitiert Obele als Bestätigung diverse male die einschlägige Arbeit von G..

Offensichtlich erweist sich G. als geeigneter "Steinbruch" sowohl für pro als auch kontra-Argumentationen. Es kann hier jetzt an dieser Stelle nicht um eine Wertung des Falles G. gehen. Er soll daher im nachfolgenden, soweit nicht zwingend geboten, nicht im Vordergrund der Argumentation stehen.

Hauptthema ist und bleibt die Haltung der Wachtturmgesellschaft zum Tatbestand.

Bereits vor dem 25. 6. 1933 gab es untrügliche Zeichen für das "Gewitter" das sich da zusammenbraute:

"In dieser Situation, in der die Existenz des Werkes auf dem Spiel stand, schlug die Leitung des deutschen Zweiges (sicher nicht nur Herr Balzereit, der Ihrer Organisation später als 'Buhmann' diente) einen Kurs der 'Anpassung der Vereinigung an die nationalen Verhältnisse in Deutschland' ein - so eine Formulierung der Zeugen Jehovas selbst. ... Dieser Kurs stieß bis Ende des Jahres 1933 offenbar auch nicht auf eindeutigen Widerstand der Zentrale der Zeugen Jehovas in Brooklyn. ... Dazu gehörte, daß man sich nicht nur bemühte, unberechtigte Vorwürfe zu entkräften, sondern offensiv versuchte, den neuen Machthabern zu gefallen.

Hier einige Beispiele für diesen Anpassungskurs: Schon vor den Verboten in den deutschen Ländern ersetzte die deutsche Leitung die Körperschaft 'Internationale Bibelforschervereinigung (deutscher Zweig)' durch die beiden neuen Rechtspersonen 'Norddeutsche Bibelforschervereinigung' und 'Süddeutsche Bibelforschervereinigung', offenbar um den in Nazi-Deutschland mißliebig gewordenen Begriff 'international' zu tilgen.

Einem Schreiben an Hitler vom 26. April 1933 fügte die Führung der deutschen Zeugen ein 'Memorandum' bei, für dessen Inhalt G. 'deutliche Zugeständnisse an den Zeitgeist' konstatiert. ... Diese Zugeständnisse gingen so weit, daß Ihre Organisation in diesem Memorandum Maßnahmen der Hitler-Regierung gegen 'Atheisten und Freidenkertum' ausdrücklich begrüßte, also die Verfolgung anderer der NS-Ideologie widersprechender Gruppierungen gut hieß.

Ins Bild paßt ebenfalls, daß Ihre Organisation im 'Goldenen Zeitalter' vom 15. Mai 1933 die Parteizugehörigkeiten ihrer Rechtsbeistände besonders hervorhob, und die lauteten DNVP und NSDAP. Zeugen-Anwalt Karl Kohl hatte 1924 Hitler im Putsch-Prozeß verteidigt und sich später als Verteidiger auch anderer Nazis einen Namen gemacht. Mehr noch: In der genannten Publikation versicherte man der inzwischen nationalsozialistisch gewendeten deutschen Öffentlichkeit, man werde weiterhin alles tun, um die 'Greuelpropaganda' über die Zustände in Deutschland zurückzuweisen. ... Die Weigerung 'an der Greuelpropaganda gegen Deutschland teilzunehmen', welche von 'Geschäftsjuden und Katholiken' betrieben werde, wird übrigens auch im Begleitbrief der "Erklärung" betont."

Obele weiter: "Sie wissen, Herr W., mit dem Begriff 'Greuelpropaganda' versuchte die Nazi-Regierung die im Ausland laut gewordene Kritik am demokratiefeindlichen, menschenrechtsverletzenden Handeln des Regimes zu diskreditieren. Das 'Goldene Zeitalter' gebraucht den Begriff in gleichem Sinn. Später, Herr W., konnten im KZ gequälte Zeugen Jehovas allerdings nur hoffen, daß dieser 'Greuelpropaganda' im Ausland geglaubt wurde!! ...Offene Kritik an der Hitler-Regierung, an ihrer Ideologie und an ihren Handlungen, wird in der 'Erklärung' nicht geübt. ...

Überhaupt erscheint die Hitler-Regierung in der 'Erklärung' so, als wolle sie eigentlich das Gute und werde nur durch böswillige irdische Werkzeuge Satans, namentlich 'die politischen Geistlichen, Priester und Jesuiten', dazu getrieben, die Bibelforscher zu verfolgen. ... Nirgends dagegen wird der (prinzipiell auch gegen die etablierten Kirchen gerichtete) Totalitätsanspruch der nationalsozialistischen Weltanschauung als ursächlicher Verfolgungsgrund genannt, nirgends findet sich ein Wort der Solidarität, des Mitgefühls gegenüber anderen Verfolgten des Nazi-Regimes, von denen einige ja zur Zeit der Veröffentlichung der 'Erklärung' bereits in deutschen Gefängnissen saßen.

Statt dessen bemüht sich die (deutsche) Führung der Wachtturm-Gesellschaft in der 'Erklärung' hauptsächlich darum, gegen sie erhobene Vorwürfe zu entkräften. Dabei belassen es die Autoren jedoch nicht bei einer Richtigstellung von falschen Anschuldigungen, sondern sie betonen darüber hinaus einen Gleichklang der Einschätzungen und Zielsetzungen von Bibelforschern und nationalsozialistischer Regierung auf verschiedenen Themenfeldern, nämlich Juden, Anglo-Amerika; Völkerbund, Einfluß der Geistlichen auf die Politik. Daß dies bis zur Übernahme von gängigen rechten Propagandaphrasen ging, läßt sich an dem mit 'Juden' überschriebenen Abschnitt der 'Erklärung' zeigen. ...

Dann aber fährt die 'Erklärung' wie folgt fort:

Ein wenig unappetitliche Brühe in diesen 'Strom der Stimmungen' gegen Juden floß auch aus der 'Erklärung'. Die 'Handelsjuden', die durch das 'Großgeschäft' die Völker ausbeuten, ihre politisch-geographische Verortung im überhaupt zur Feindmacht erklärten Anglo-Amerika (dies besonders peinlich, weil es Regierungsvertreter der USA waren, die sich kurz zuvor für die bedrängten Zeugen Jehovas in Deutschland eingesetzt hatten) - Herr W., die Auslassungen der 'Erklärung' zum Thema 'Juden' hätten genauso in deutschnationalen oder nationalsozialistischen Postillen stehen können!...

Am Pranger stehen in der 'Erklärung' nicht das nationalsozialistisch gewendete Deutschland, das zur Zeit der Veröffentlichung dieser Schrift bereits schon deutlich auf dem Weg zum totalitären Herrschaftssystem vorangekommen war, politische Gegner verhaftet, Menschen jüdischen Glaubens diskriminiert hatte - sondern angeklagt werden vergleichsweise demokratische und humane Rechtsstaaten wie Großbritannien und die USA, die man von ausbeuterischen 'Geschäftsjuden' beherrscht sieht....

Um sich bei den nationalsozialistischen Machthabern in ein besseres Licht zu rücken, malt die 'Erklärung' ein gegensätzliches Bild der Verhältnisse in Anglo-Amerika und im nationalsozialistisch dominierten Deutschland. Leidet in der anglo-amerikanischen Sphäre das Volk unter der 'Mißwirtschaft des Großgeschäfts' und 'gewissenloser Politiker', unterstützt von 'politischen Religionsvertretern' ..., so konstatiert man für die Einflußsphäre der nationalsozialistischen deutschen Regierung bessere Aussichten:

Im Gegensatz zu diesen Gruppen sieht die 'Erklärung' die nationalsozialistisch bestimmte deutsche Regierung nicht an der Seite Satans, sondern gemeinsam mit den Zeugen Jehovas eigentlich auf der Seite des Guten:

Man sollte es doch einmal ganz deutlich sagen: Diese Passagen der 'Erklärung' sagen aus, Jehova Gott und die Hitler-Regierung hätten teilweise die gleichen Grundsätze und Ziele, wenn auch ihre vollständige Verwirklichung erst in Christi Königreich erreicht sein würden! Das ist doch Blasphemie erster Güte, Herr W.

Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, daß die 'Erklärung' auch in ihrer Polemik gegen den Völkerbund ... bis in die Wortwahl sich unisono mit rechten Politikern und Publizisten jener Zeit ausläßt. Hitler konnte sich also auch in seiner Bewertung dieser Institution von der "Erklärung" bestätigt fühlen. ...

Die Verfälschung der historischen Wahrheit im ... war kein einmaliger "Fehltritt", sondern nur das erste Glied einer Kette von Darstellungen, die den Wilmersdorfer Kongreß ausschließlich positiv beschreiben. Diese Kette reicht bis in die Gegenwart und wird nur einmal durch die konträren Ausführungen des Jahrbuchs 1974 unterbrochen.

Den Versuch, die Geschichte umzulügen, setzt Ihre Organisation fort in dem Buch 'Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben', in Deutschland 1960 erschienen. Dieses Buch ist übrigens auch sonst ein hervorragendes Beispiel für geschönte Geschichtsdarstellung. ...

Statt um die Wahrheit, geht es der Wachtturm-Gesellschaft hier darum, das Geschehen im Juni 1933 jenem von ihr selbst geprägten Erwartungsmuster anzugleichen, die Zeugen Jehovas hätten ohne Ausnahme entschieden, unzweideutig und kompromißlos gegen die Hitler-Regierung Stellung bezogen. Deshalb müssen Kongreß und 'Erklärung' offenbar auf Teufel komm' raus (Sie gestatten diese Redewendung, denn Jahwe steckt hinter solchem Treiben sicher nicht!) unter das Signum des Protests gestellt werden, so verkehrt das in diesem Fall auch ist."

Die nachträgliche Geschichtsklitterung in dieser Sache, durch führende WTG-Funktionäre kommentiert Obele mit den Worten:

"Was brachte einen begabten Musiker wie Erich Frost dazu, statt ein ehrliches Spiel zu spielen, in das bekannte, unschöne Lied vom Protest einzustimmen, indem er zu unserem Thema folgendes zum Vortrage brachte:

'Sonst ist Ihnen an der Resolution nichts aufgefallen, Herr Frost', möchte man fragen, 'nicht die Töne gegen die 'Geschäftsjuden', nicht das Hohelied auf die 'nationale Regierung' wegen ihrer 'hohen Ideale', nicht ein falscher Ton? Falsch nachsingen ehrt nicht, Herr Frost!'

Erwärmen könnte man sich dagegen für den Augen- und Ohrenzeugen Konrad Franke, jedoch nur, wenn seine Ausführungen zum Thema so ironisch gemeint wären, wie sie klingen:

Mein Vorrecht ist es, auf das Denkwürdig-Bedenkliche solcher Lebenserinnerungen hinzuweisen: Die führenden Funktionäre der Wachtturm-Gesellschaft Frost und Franke geben nicht das wieder, was sie wirklich erlebt haben, sondern sie halten sich ganz offenkundig an die offizielle Linie der Wachtturm-Gesellschaft, die sie vielleicht selbst mit vorgezeichnet haben, egal wie weit diese von der Wahrheit entfernt verläuft. Deshalb hat der Kongreßteilnehmer Franke natürlich keine Gegenstimmen bei der Abstimmung über die 'Erklärung' gesehen und berichtet überhaupt in begeistertem Ton von der Veranstaltung.

1976 erinnert sich Konrad Franke ganz anders an die Ereignisse in Berlin! Kein Wunder, denn zuvor war im Jahrbuch 1974 das Stück ganz neu inszeniert worden ... Franke äußert sich 1976 in einem Vortrag über die Geschichte der Zeugen Jehovas in Deutschland. ...

Frankes Wilmersdorfer Erzählungen 1963 und 1976 - man glaubt kaum, daß der Mann am 25. Juni 1933 in ein und derselben Tennishalle stand. Franke 1963 - da präsentiert sich ein freudiger Teilnehmer eines 'denkwürdigen' (welche Doppeldeutigkeit Wörter manchmal annehmen können!) Kongresses, der ohne Zögern die 'einstimmig' angenommene 'Erklärung' in Umlauf bringt. Franke 1976 - da erinnert sich plötzlich einer an Hakenkreuzfahnen am Veranstaltungsort, an religiöse Liedtexte, die zur Melodie des 'Deutschlandliedes' gesungen wurden, beschreibt seinen Gefühlszustand als 'schockiert' und stellt das Handeln der damaligen Führung der Wachtturm-Gesellschaft (in Deutschland) in Frage. ...Brachte Ihre Glaubensgemeinschaft vor 1974 die Inszenierung 'Wilmersdorf - ein starker Protest' zur (seltenen) Aufführung, so überrascht sie 1974 das Publikum mit einer Neudeutung des Stoffes, nennen wir sie 'Böser Bruder Balzereit'. ...

War der Kongreß in den Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft bis dahin stets als uneingeschränkt positive Protestveranstaltung verkauft worden, so kehren nun plötzlich im Jahrbuch 1974 'die Kongeßteilnehmer ... müde und zum Teil enttäuscht nach Hause zurück'. ... War die 'Erklärung' nicht nur im Jahrbuch 1934, sondern auch in den Publikationen danach stets 'einstimmig' angenommen worden, so entdeckt man im Jahrbuch 1974 plötzlich 'viele Anwesende', die "von der 'Erklärung' 'enttäuscht' gewesen seien und 'eine große Anzahl Brüder', die sich weigerte, 'die Resolution anzunehmen'. Und die Autoren des Jahrbuchs entdecken plötzlich einen gewissen Bruder Balzereit und besetzen mit ihm die Rolle des Bösewichts. Zuvor war der Leiter des deutschen Zweigbüros am Anfang der Nazizeit niemals in Zusammenhang mit dem Berliner Kongreß auch nur genannt worden. Mit Balzereit taucht der Vorwurf auf, er habe 'den ursprünglichen Text [der 'Erklärung'] abgeschwächt' und 'verwässert' - was immer 'verwässern' angesichts des Gesamtcharakters der 'Erklärung' auch bedeuten mag.

Bei der Neubewertung der Ereignisse im Jahrbuch 1974 verschweigt die Wachtturm-Gesellschaft allerdings völlig ihre früheren gegenteiligen Aussagen. ...

In Frage stellen muß man vor allem die Schuldzuweisung allein an Paul Balzereit. Als Beleg für den Vorwurf, Balzereit habe den ursprünglichen Text 'abgeschwächt', genügt es ja wohl nicht, 41 Jahre nach dem Ereignis ohne nähere Angaben einen 'Bruder Mütze aus Dresden' zu zitieren. (Bei Bruder Mütze handelt es sich doch wohl um Dr. Alfred Mütze, Amtsgerichtsrat i. R. und seit März 1933 Schriftführer der 'Norddeutschen Bibelforschervereinigung', mithin mitverantwortlich für den Kurs der deutschen Zeugen im Jahre 1933; ... ) Sollte der ursprüngliche Text der 'Erklärung' tatsächlich ein 'starker Protest gegen Hitler' gewesen sein, dann müßte Balzereit ihn nicht nur 'abgeschwächt', sondern in seinem Grundcharakter verändert haben. Welchen Wortlaut, Herr W., hatte denn die mit Rutherford/Knorr abgesprochene Version im Unterschied zu der in Wilmersdorf verabschiedeten? Dokumentieren Sie, Herr W., da Ihre Organisation ja höchst ehrenrührige Vorwürfe gegen Balzereit erhebt, doch bitte die von ihm veranlassten Änderungen!

Oder existiert vielleicht gar keine andere Fassung als die von Wilmersdorf?

Die nämlich zeigt gerade in einer ihrer peinlichsten Passagen nicht die Handschrift Balzereits, sondern klar die Rutherfords, bekannt für seine nicht gerade sehr feinfühlige Art.

Sie kennen, Herr W., den Abschnitt über die 'Handelsjuden' in Anglo-Amerika..., die angeblich durch das 'Großgeschäft' die Völker ausbeuten. Dieser Vorwurf wird durch ein 'Sprichwort' illustriert, das in New York (!) kursieren soll. Ich brauche diese Sätze nicht zu wiederholen, bitte Sie jedoch um Ihre Zustimmung, wenn ich sage, daß durch ihre Aufnahme in den Text wohl kaum der ehemalige Kieler Werftarbeiter Paul Balzereit seine intime Kenntnis von antisemitischen Stimmungen in der Stadt des Hauptquartiers der Watch Tower Bible and Tract Society demonstrieren wollte. Diese Ressentiments kannte ja wohl eher der dort amtierende Präsident Rutherford, und es bedarf wenig Phantasie sich vorzustellen, wie er in der Vorbereitung der 'Erklärung' gegen die New Yorker "Geschäftsjuden" vom Leder zog und dabei jenes Sprichwort von den reichen Juden und den armen zahlenden Amerikanern beisteuerte, das heute peinlich berührt.

Nur ein Beispiel: Um die Verhandlungen mit den deutschen Behörden nicht zu gefährden, forderte Martin Christian Harbeck, der Leiter des Zentraleuropäischen Büros der Wachtturm-Gesellschaft, am 28. August 1933 im Namen der Watch Tower Bible and Tract Society 'und speziell als Beauftragter des Präsidenten Richter Rutherford' die deutschen Ortsversammlungen auf, ihre Tätigkeit vorübergehend einzustellen und sich behördlichen Maßnahmen zu fügen: 'Vor allen Dingen möchte ich Euch ersuchen, keine verbotenen Schriften zu verbreiten und ohne polizeiliche Bewilligung keinerlei Versammlungen oder Vorlesungen abzuhalten.' ...

Erst gegen Ende des Jahres 1933 gab die Brooklyner Führung der Zeugen Jehovas den Kurs der taktischen Zugeständnisse auf, weil er ihr offenbar erfolglos schien. ...

Eine wirklich ehrliche und ausführliche Darstellung der Ereignisse liefert also auch das Jahrbuch 1974 nicht. Vor allem ist es nicht gerade fein, einer einzelnen Person, die sich nicht mehr wehren kann, Paul Balzereit, die alleinige Schuld zuzuschieben, während die (Mit)Verantwortlichkeit der Führung in Amerika weder für den Inhalt der 'Erklärung' noch für die späteren Falschdarstellungen des Kongresses angesprochen wird. Und schämen sollten sich die Verantwortlichen der Wachtturm-Gesellschaft auch dafür, daß der Text in diesem Jahrbuch bis heute der einzige kritische Blick auf 1933 geblieben und seither offenbar wieder bestrebt sind, zu vernebeln statt aufzuklären.

Nach dem Jahrbuch 1974 dauerte es fast zwanzig Jahre bis der Wilmerdorfer Kongreß in den Schriften der Wachtturm-Gesellschaft wieder erwähnt wurde, obwohl in der Zwischenzeit mehrfach das Thema Jehovas Zeugen und der Nationalsozialismus behandelt worden war. ...

Fazit: Nach dem kritischen Ansatz des Jahrbuchs 1974 fällt die Wachtturm-Gesellschaft in ihren jüngsten Äußerungen wieder in verlogene Schönfärberei zurück.

Herr W., ich bin am Ende der üblen Geschichte. Ich glaube, ich habe den Vorwurf belegt, den ich am Anfang dieses Textes gemacht habe. Klar geworden sollte sein, daß die Darstellungen der Wilmersdorfer Ereignisse durch Ihre Organisation die Attribute 'selbstgerecht', 'geschönt', 'gelogen', in keinem Fall aber 'wahr' verdienen.

Auch im Jahrbuch 1974 steht nicht die ganze Wahrheit, nicht nur weil die Schuld allein auf Paul Balzereit abgeladen wird. Klar geworden sollte auch sein, daß in dieser Sache nicht 'einfach mal ein Fehler gemacht' worden sein kann, sondern daß hier über Jahrzehnte bewußt eine Strategie der Verschleierung betrieben worden sein muß. Anders sind gerade die jüngsten Äußerungen zum Thema nicht zu verstehen.

Und klar ist auch, daß der 'treue und verständige Sklave' (nicht nur) dadurch seinen Anspruch verspielt hat, ein solcher zu sein. Wer so mit der Wahrheit umgeht, wie es die Wachtturm-Gesellschaft im Falle der 'Erklärung' getan hat, dürfte sich eigentlich nicht "Zeuge Jehovas" nennen, wollte er sich nicht der Gotteslästerung schuldig machen. Denn Jahwe ist ja eigenen Angaben zufolge ein 'Gott der Wahrheit' und nicht der Halbwahrheit oder noch kleinerer Teile vom Ganzen. Und er paßt die Wahrheit auch nicht opportunistisch den Erfordernissen der Zeit an...."

Der Volltext des Obele-Briefes ist unter anderem erreichbar bei:

http://www.sektenausstieg.net/index.php?option=com_content&task=view&id=757&Itemid=99999999

Siehe ergänzend auch noch:

www.jehovahs-witness.net/watchtower/beliefs/26942/1/German-Letter-in-case-of-nazi-practice-for-COWBOY

Zum im Text mit genannten Alfred Mütze; siehe auch:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,70326,72516#msg-72516 (Dort der Eintrag vom 28. Juli 2010 15:57)

Generell sei auch noch auf die thematische Linksammlung verwiesen:

Hitlerzeit

Bezüglich der weiteren Biographie des genannten Herrn Wrobel ist auch aufschlußreich:

MySnip Geschichte und Gegenwart der Zeugen Jehovas Johannes Wrobel#msg-20203#msg-20203#msg-20203

Zu Obele kann man auch noch vergleichen dessen thematischer Leserbrief in der "Berliner Morgenpost" vom 24. 12. 2000

Obele Erziehungsmethoden

 

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