Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Dieter Obele: Rigide Erziehungsmethoden
In Leserbriefen an die "taz" (20. 12. 00); respektive
"Berliner Morgenpost" (24. 12. 00) brachte obiger Verfasser nachstehende
Ausführungen zum Vortrag:
Loyalität gegenüber dem
Staat darf von den Zeugen Jehovas nicht eingefordert werden, wenn sie eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts werden wollen. Und dass den Zeugen Jehovas
von der Führung ihrer Religionsgemeinschaft verboten ist, an demokratischen
Wahlen teilzunehmen, reicht nicht aus, um ihnen diesen Status zu verwehren. So
entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag - eine Institution, die es
ohne einen durch Wahlen legitimierten Rechtsstaat gar nicht gäbe. Es ist gute
Tradition in Deutschland, sich mit Kritik am höchsten deutschen Gericht
zurückzuhalten. Dieser Tradition folge ich.
Das Bundesverwaltungsgericht
in Berlin muss nach dem Richterspruch aus Karlsruhe nun prüfen, ob die Zeugen
Jehovas wichtige Verfassungsprinzipien beachten, etwa in Fragen der
Kindererziehung. Zur Klärung dieser Fragen kann ich beitragen.
Ich entstamme einer Familie,
die den Zeugen Jehovas angehört, und habe mich erst nach einem psychisch sehr
belastenden Prozess von dieser Religionsgemeinschaft befreien können. Ich
erinnere mich gut daran, dass meine Eltern innerhalb der "Versammlung" (wie die
Zeugen ihre Kirchengemeinde nennen) schief angesehen wurden, weil sie uns Kinder
nicht so streng und mit weniger Prügel erzogen. Üblich war nämlich, dass Kinder
nicht nur nicht Geburtstag und Weihnachten feiern durften und Rockmusik verpönt
war, sondern auch dass Kinder häufig und heftig geprügelt wurden. Solche
Erziehungspraktiken wurden von der Führung der Zeugen Jehovas auf Kongressen und
in Schriften immer wieder gefordert.
In unserer Gemeinde gingen
Eltern, deren kleine Kinder während der Zusammenkünfte allzu unruhig auf dem
Stuhl herumrutschten, eine Treppe nach unten. Vor den Toiletten wurden die
Kinder dann geschlagen. Mein Onkel, damals wie heute ein "Ältester" (Vorsteher
einer Gemeinde) bei den Zeugen Jehovas, schlug seine Kinder zu Hause nicht nur
mit der Hand und Küchenutensilien, sondern immer wieder auch mit einem
Bambusrohr. Die Erziehung, die mein Onkel seinen Kindern angedeihen ließ, gilt
bei den Zeugen Jehovas als vorbildlich, schließlich blieb der Nachwuchs allesamt
"in der Wahrheit". "Wahrheit" ist bei den Zeugen Jehovas das, was ihre Führung,
die "leitende Körperschaft", sagt.
Die gewalttätigen
Erziehungspraktiken bei den Zeugen Jehovas mögen sich in den letzten Jahren
etwas abgeschwächt haben, "die Rute der Zucht" im Sinne einer sehr rigiden
Kindererziehung bleibt aber nach wie vor im Einsatz.
Es ist zu hoffen, dass das
Bundesverwaltungsgericht in Berlin dies ebenso wie beispielsweise auch die
Ablehnung von Bluttransfusionen, die den Zeugen Jehovas von ihrer Führung
abverlangt werden, bei seiner Entscheidung so wertet, dass den Zeugen Jehovas
der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verwehrt werden muss. Auch
steht die Hinarbeit der Zeugen Jehovas auf eine "theokratische
Herrschaftsordnung" konträr zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im
Sinne des Grundgesetzes. ...
Siehe auch noch: