Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Einige Statistikzahlen

Einige Zahlen über die Ostblock-Verbotsländer der Zeugen Jehovas, nennt der "Wachtturm" vom 15. 3. 1956.

Bezüglich Polen erfährt man: 1939 gab es dort 1.039 predigende Zeugen Jehovas. 1946 seien es dann 6.014 gewesen.

"Im Jahre 1947, trafen Gileadmissionare ein ... im Jahre 1948 gab es 10.385 predigende Evangeliumsdiener, und im Jahre 1950 war die überraschende Gesamtzahl von 18.116 erreicht."

Bezüglich der Tschechoslowakei heisst es, um 1938 gab es dort "1.166 tätige Evangeliumsdiener." Im Jahre 1946 dann 1.209. Und 1950 2.882.

Über Bulgarien wird eine Zunahme von 130 im Jahre 1944 auf 1.164 im Jahre 1954 berichtet.

Für Russland will man im Jahre 1948 einen Bestand von rund 8.000 wahrgenommen haben.

Bezüglich Jugoslawien werden 130 im Jahre 1944; angewachsen auf 1.164 im Jahre 1954 genannt

Alle Ostblockländer zusammen einschließlich der DDR, werden zum Zeitpunkt der Berichterstattung (um 1955) auf 64.123 aktive Zeugen Jehovas veranschlagt.

Außerhalb des Ostblocks liegend, aber von der Zahlenarithmetik nicht uninteressant, ist auch die Angabe für Österreich. Dort notierte man im Jahre 1945 einen Sockelbestand von 421.

Auch die Zahl der Schweizer Zeugen Jehovas im Jahre 1945 (nämlich 1.644) ist wohl eher nicht zu den "berauschenden" zu zählen. Pikanterweise, obwohl nach 1945 die Schweiz einen höheren "Sockelbestand" an Zeugen Jehovas hatte, wurde sie in den nachfolgenden Jahren, zahlenmäßig, selbst noch von Österreich überrundet.

Zieht man die Entwicklung der nachfolgenden Jahre mit in Betracht, insbesondere der Jahre nach der Aufhebung der Ostblock-Verbote, zeigt es sich. Relativ liberale Länder wie Österreich und Schweiz, sind nicht der "Humus", auf dem die WTG-Religion sonderlich gut gedeiht. Ganz anders hingegen Staaten mit Diktatur-Vergangenheit. Auch dort feststellbar. Sollte diese Diktatur-Vergangenheit eins Tages einmal halbwegs überwunden und liberale Verhältnisse tatsächlich eingekehrt sein, sind auch für die Zeugen Jehovas, die Zeiten der "großen Zuwächse" vorbei.

Nochmals auf Russland zurückkommend. Der "Wachtturm" vom 1. 4. 1956 (als Sonderausgabe firmierend) macht schon mal mit der reißerischen Schlagzeile auf:

"Kommunistenführer fürchten die Wahrheit der Bibel".

Auch an "Abrechnungen" mit letzteren mangelt es in dieser Ausgabe nicht. etwa wenn man da die markigen Sätze liest:

"Haben sich die achtunddreißig Jahre des kommunistischen Experiments so segensreich erwiesen, daß wir nun den Wunsch hegen, die ganze Menschheit durch totalitäre Herrschaft vereint zu sehen? Nein, sagen jene, die sie von Grund auf kennen. In der Praxis hat eine solche einen Polizeistaat zur Folge. Als Ganzes wird sie von Furcht beherrscht. Furcht bei hoch und niedrig. Die Männer in hoher Stellung, die die Plätze der Macht einnehmen, haben Angst, es könnte ein Volksaufstand ausbrechen, um sie zu stürzen; und sie mißtrauen einander. Sie fürchten sich vor den schrecklichen Säuberungsaktionen, durch die sie wegen eines unbeabsichtigten Fehltrittes aus der Partei ausgestoßen werden könnten. Die Leute unter ihnen sind ebenfalls fortwährend in einem Zustand der Furcht, einer Furcht vor Strafe, wenn sie sich nicht auf die Seite der machthabenden Männer stellen."

Und weiter geht es mit der Einschätzung:

"Die Freiheit, deren man sich rühmt, erweist sich lediglich als die Freiheit, sich der kommunistischen Partei anzuschließen oder für ihre Kandidaten zu stimmen. So wird jeder unter ihr Stehende zwangsweise gleichgeschaltet; Religion, Politik, Literatur, Erziehung, Presse, Handel, Landwirtschaft, Wissenschaft, Medizin, gesellschaftliches Leben und Schauspielkunst, ja alle Gebiete der menschlichen Bestrebungen werden staatlich organisiert, und alles wird so ausgerichtet, daß es einem Monolith gleicht, der unter den wenigen herrschenden Köpfen steht. Staatsanbetung wird von allen Niederstehenden verlangt, aber diese Staatsanbetung wird nicht von allen gerne gezollt."

Es dürfte wohl kaum einen zeitgenössischen westlichen Politiker gegeben haben, der nicht angesichts dieser "Wachtturm"-Ausführungen bestätigend gesagt hätte: Ja genau so ist es!

Weiter diesen Faden spinnend. Welche Konsequenzen pflegten westliche Politiker daraus zu ziehen? Nun, Winston Churchill brachte es durchaus treffend auf den Punkt, als er beklagte, man habe im zweiten Weltkrieg eigentlich doch "das verkehrte Schwein geschlachtet!"

Aus der zeitgenössischen US-Generalität, etwa General Mc Arthur weis man weiter, dass man es am liebsten nicht nur bei dieser Feststellung hätte bewenden lassen wollte, sondern praktische Schritte daraus ableiten wollte. Korea beispielsweise war solch ein "Ersatz-Schlachtfeld". Mc Arthur war fest entschlossen, das dortige Schicksal dergestalt zu bestimmen, indem dort die Atombombe erneut tatsächlich eingesetzt werden sollte.

Da wurde es selbst den Herren im Weißen Haus angesichts dessen etwas mulmig. Der damalige dortige Hausherr, Truman, pflichtete im inneren seines Herzens sicherlich auch Churchill bei. Aber wie er nun von Mc Arthur in die konkrete Entscheidungssituation gedrängt wurde: da machte er dann doch einen "Rückzieher". Er konnte es nur dergestalt machen, indem er Mc Arthur (der keinen Millimeter von seinen Positionen abwich) seines Postens entsetzte. Die Folgewirkungen dessen, haben sich - auch auf "religiöser" Ebene bis weit in die 1980er Jahre hinein fortgesetzt. Insbesondere in der Religion des Sun Myung Moon (Vereinigungskirche) der dort ansetzte, wo Mc Arthur zwangsweise aufhören musste. Es müsse den Dritten Weltkrieg geben, wusste Mister Moon zu tönen. Und weiter. Moon sah sich als Testamentsvollstrecker des Mc Arthur.

Da wurde es wieder einmal selbst einigen Falken in den USA (ansonsten nicht gerade "zart" besaitet), etwas mulmig. Dieser Moon als Mc Arthur-Verschnitt, selbst schon im Besitz einer eigenen Tageszeitung ("Washington Post") kann und darf nicht den politischen Ton angeben.

Als "Denkzettel" wanderte Moon einige Zeit dafür ins Gefängnis. Die Gummiparagraphen der Steuergesetzgebung machten es möglich.

Zum Fall Moon kann man auch vergleichen:  Moon

Egal wer es laut aussprach: Churchill, Mc Arthur, Mc Carthy, Moon und noch einige andere. Letztendlich wurden sie doch im letzten Moment "zurückgepfiffen". Die Verantwortung, einen tatsächlichen Dritten Weltkrieg losbrechen zu lassen, wollte bislang keiner der "Zurückpfeifer" wirklich auf sich nehmen. Und also lebte "das verkehrt geschlachtete Schwein", einstweilen weiter. Diese Zurückhaltung ist aber in der Tat keineswegs als "Sympathieerklärung" mißzuverstehen. Ganz sicher nicht. Nur in realer Einschätzung der tatsächlichen Machtverhältnisse, lies man es dann doch lieber beim ballen der "Faust in der Hosentasche" bewenden. Eines aber glaubte man doch tun zu können. Den Propagandakrieg in voller Schärfe anzufahren. In dieser Konsequenz wurde schon alsbald eine Institution wie der RIAS in Westberlin angefahren und zielstrebig ausgebaut. In dieser Konsequenz wurde dann auch Westberlin als hochsubventioniertes "Schaufenster des Westens" und anderes mehr in Szene gesetzt. Und in dieser Konsequenz stimmte auch die WTG lautstark (es wurde vorstehend schon zitiert) in das Konzert der kalten Krieger mit ein.

Sicherlich hatte sie, aufgrund ihrer spezifischen Erfahrungen mit den östlichen Regimen, auch ihre ganz persönlichen Gründe der "Abrechnung" mit ihnen. Wenn dem zwar so ist; muss sie sich dennoch sagen lassen, dass ihre "Schaufenmsterreden" letztendlich dem Bereich kontraproduktiv, zuortbar sind. Letztendlich war zwischen der Politik des Mister Moon und der Politik der WTG, der Unterschied nur graduell. Wer sich so "aus dem Fenster hängt", kann kaum erwarten, von seinem Widerpart mit "offenen Armen" empfangen zu werden.

Auch der WTG war es nicht vergönnt, das "verkehrt geschlachtete Schwein" doch noch zur Strecke zu bringen. Ihre Alternative hätte nur wie im Falle der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften, im taktieren und lavieren bestanden. Davon indes war man Lichtjahre entfernt. Weil das so ist, musste aber auch der Preis einer solchen Politik bezahlt werden. Und der war bekanntermaßen hoch. Nicht so sehr für die Herrschaften in Wiesbaden und Brooklyn. Sehr wohl aber für jene, die z. B. der ostzonale Staat tatsächlich in die Gefängnisse beförderte.

In diesem Kontext sind, um jetzt wieder auf Russland zurückzukommen, die in dieser WT-Ausgabe noch mitgeteilten Details, bezüglich Russland, als ausgesprochene, heuchlerische "Schaufensterreden" zu bewerten.

Nachstehend noch als Zitierung, einige Passagen aus den Russland bezüglichen Ausführungen.

"Unsere Brüder in Rußland sind ganz und gar nicht zurückhaltend gewesen in dem Versuch, größere Freiheit zum Predigen der Königreichsbotschaft zu erlangen, und sie haben der Kommunistenregierung die Gelegenheit gegeben, Jehovas Zeugen als eine Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Im Jahre 1948 sandten sie eine Petition durch den Innenminister an das Präsidium des Obersten Sowjetrates der UdSSR. Diese Petition beschrieb das Werk der Zeugen Jehovas in Rußland. Sie erhielten aber keine Antwort darauf. So begab sich eine kleine Delegation von drei Brüdern in das Innenministerium nach Moskau und unterbreitete die Petition persönlich. Auf die Frage, woher sie gekommen seien, erwiderten sie: 'Aus der Ukraine'. Deshalb wurde ihnen mitgeteilt, sich ans Innenministerium der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik in Kiew zu wenden.

Dort zeigte es sich, daß die Amtspersonen des Ministeriums auf ihr Kommen vorbereitet waren, denn nachdem diese drei Zeugen Jehovas ihre Petition unterbreitet hatten, wurden ihnen von der Regierung gewisse Vorschläge gemacht:

Wollen Jehovas Zeugen in der Armee dienen?

Wollt ihr euch an den Wahlen der Sowjetbehörden beteiligen?

Wollt ihr euch jedem Erlaß des Staates unterwerfen und mit anderen Religionsorganisationen zusammenarbeiten? ...

Die Vertreter der Zeugen Jehovas durften das Büro des Innenministeriums zwar verlassen, aber innerhalb weniger Tage drang man in ihre Wohnungen ein, sie selbst wurden durchsucht und später zu langen Gefängnisstrafen verurteilt."

Weiter erfährt man, dass am 1., 7. und 8. April 1951 "die Kommunisten eine große Säuberungsaktion durchführten. Jene Tage werden Jehovas Zeugen in Rußland nicht vergessen. An jenen drei Tagen wurden nämlich alle Zeugen Jehovas, die in der westlichen Ukraine, in Weißrussland, Bessarabien, in der Moldau, in Lettland, Litauen und Estland aufgetrieben werden konnten - mehr als siebentausend Männer und Frauen - verhaftet und weggeführt. Es wurde ihnen nicht gestattet, Kleider oder Nahrungsmittel mit zu nehmen. Ganze Familien wurden auf Fuhrwerken nach Bahnstationen abtransportiert, dort in Viehwagen verfrachtet und weit weg verschickt. Alle diese Verhaftungen erfolgten bei Nacht, und wenn man bis 7 Uhr früh nicht alle Zeugen Jehovas zusammengetrieben hatte, wartete man wieder bis zur Dunkelheit an jenem Tage."

1956er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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