Sie wurden selber zu "Fürsten"

Eigentlich wollten die seinerzeitigen Bibelforscher schon 1914 "gen Himmel fahren". Daraus wurde nichts. Der Begründer dieser Thesen, Charles T. Russell, segnete zwar 1916 das Zeitliche, indes seine verbliebene Anhängerschaft musste sich weiterhin - wie auch andere - mit den unwirtlichen Bedingungen auf Erden, namentlich im Ersten Weltkrieg, herumplagen.

Russells Nachfolger, J. F. Rutherford, elektrisierte "die Treuen" mit einer neuen These. 1925 hieß das Zauberwort. Seine diesbezügliche Programmschrift: "Millionen jetzt Lebender werden niemals sterben", kann man noch heute im Internet nachlesen,

Darin wusste er auch mitzuteilen, das die "Getreuen aus alten Zeiten", wie Abraham, Isaak und andere aus "vorgeschichtlicher Epoche", "demnächst" als "Fürsten einer neuen Erde" regieren würden. Auch daraus wurde nichts. Nach 1925 wurde die diesbezügliche These sang- und klanglos dem Vergessen überantwortet. Indes den diesbezüglichen Fehler einzugestehen; dazu fühlte man sich nicht in der Lage.

"Den Getreuen" wurde alsbald ein neues Schauspiel geboten. Eine pompöse Villa in Kalifornien, genannt "Beth Sarim" (Haus der Fürsten) wurde auf Kosten der Spendengelder der "Getreuen" erstellt. Man vergleiche dazu: In sie sollten "dereinst" mal die immer noch erwarteten "altestamentlichen Überwinder" eine würdige Wohnstatt finden. Da sie es so permanent vorzogen, doch nicht zu erscheinen, zog kurzerhand Rutherford selbst dort ein. Das vom rauen Meeresklima geprägte New York behagte ihm nicht sonderlich. In Kalifornien fand er angenehmere Bedingungen vor, und auch ein fürstliches Ambiente in "Beth Sarim".

Auch die Tage von Rutherford waren gezählt. Nachdem "ungläubige weltliche Behörden" auch die Planung, nach Rutherford's Tod, aus "Beth Sarim" einen Wallfahrtsort für die Anhängerschaft zu machen. Nachdem also "ungläubige weltliche Behörden" einen Strich durch die Rechnung machten, stellte sich für die nachfolgende WTG-Führung die Frage: Was nun mit "Beth Sarim"?

Man kam alsbald zu einer Lösung. Klanglos wurde jene Villa an "Weltliche" verkauft und damit den anvisierten "Fürsten" ihre potentielle Heimstatt entzogen. Man vergleiche: Beth-Sarim

Die Rutherford-Nachfolger veranstalteten im Jahre 1950 in New York einen großen internationalen Kongress, zudem schon eine in die Hunderttausend zählende Anhängerschaft herangekarrt wurde. Versteht sich, dass man ihnen auch was bieten musste. Das man auf der Endzeitklaviatur spielte, verstand sich fast von selbst: "Es wird darum nicht mehr lange dauern bis zur Schlacht von Harmagedon" (Wachtturm 1951 S. 54). Oder wenn das 1951-er Jahrbuch verkündet (S. 13): "Die Zeit ist nicht sehr fern, da Jehova Gott die Nationen plündern und vernichten wird."

Ein besonderer Höhepunkt dieses Kongresses war auch eine Neuinterpretation der Fürstenlehre. Dem damaligen WTG-Vizepräsidenten F. W. Franz war es vorbehalten, sie als große "neue Wahrheit" zu verkaufen. Der Bericht in dem WTG-Buch "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 252) vermerkt dazu:

"Seit vielen Jahren hatte der Wachturm die Auffassung vertreten, daß die treuen Männer der alten Zeit, die Gott vor der Zeit Jesu treu gedient hatten, noch vor Harmagedon vom Tode auferweckt würden … Viele Zeugen Jehovas erwarteten zufolge des Verständnisses dieses Textes, das so lange vorherrschte, bei jedem Kongreß, Abraham, Isaak, Jakob, David und die anderen, die aus den Toten zurückkehren sollten, willkommen heißen zu können. Ihr könnt euch deshalb vorstellen, welch elektrisierende Wirkung folgende Worte des Redners auf die Zuhörerschaft hatten:

'Würde sich dieser internationale Kongreß freuen, zu erfahren, daß sich heute abend hier, in unserer Mitte eine Anzahl der voraussichtlichen Fürsten der neuen Erde befinden?' …

Ein gewaltiger, anhaltender Applaus gaben dem Redner die Gewißheit, daß die Zuhörer im Augenblick nichts anderes mehr interessierte als dieses. Eine atemlose, tiefe Stille herrschte im Yankee-Stadion. Alles lausche gespannt, um sich kein Wort dessen entgehen zu lassen, was Bruder Franz .... sagte."

"Und der Berg kreiste und gebar ein Mäuslein." An diesen Spruch fühlt man sich erinnert, wenn man nun das darauf folgende zur Kenntnis nimmt.

Franz führte aus: "daß nichts in der Bibel dagegen spreche, daß Christus, je nach den Bedürfnissen, viele dieser 'anderen Schafe' zu 'Fürsten auf der ganzen Erde' einsetze, wurde seine denkwürdige Rede wiederum durch donnernden Beifall unterbrochen."

Nun war es heraus: Die eigene Funktionärsschicht bildet die vermeintliche Fürstenklasse. Folgerichtig nahm man dann etliche Jahre später auch noch eine andere analoge Korrektur der Wortwahl vor. Redete man bis dahin von den eigenen Funktionären als "Dienern", so wurde aus ihnen nunmehr "Aufseher", was ja dem Fürstenimpetus etwas näher kommt. Diener zu sein, ist nunmehr für die WTG-Fürsten verpönt!

Diese wichtige neue Wahrheit, musste natürlich postwendend der gesamten Anhängerschaft beigebracht werden. Und so findet man denn schon in der ersten Ausgabe der (deutschen) Ausgabe des "Wachtturms" vom Jahre 1951 einen entsprechenden Artikel.

ZurIndexseite