Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Schweizer "Wehrdienstverweigerer"

In seinem Buch „Auf der Suche nach christlicher Freiheit" berichtet Raymond Franz (S. 234) auch über das Memorandum eines Hardliners in der Wehrdienstfrage. Dieser Lloyd Barry hatte seinerzeit eine Liberalisierung mit der Begründung abgelehnt: „Wenn die leitende Körperschaft eine Änderung des Standpunktes befürwortete, wäre das sehr bestürzend für die Brüder in diesen Ländern, in denen sie lange für ihre kompromisslose Haltung gekämpft haben."

Nun 1996 wurde doch noch eine Änderung vorgenommen, indem die umstrittene Frage des Wehrersatzdienstes, nunmehr zur „individuellen Gewissensentscheidung" zurück qualifiziert wurde. Und wundersamer Weise, dass Gewissen vieler Zeugen Jehovas erlaubte ihnen plötzlich Ersatzdienste zu leisten, wo ihnen dasselbe Gewissen das vor 1996 nicht gestattete.

Die Klientel jener, die ihren beruflichen Lebensunterhalt als Mitarbeiter von KZ-Gedenkstätten und ähnliches verdienen, können sich nicht genug tun das Loblied der Zeugen Jehovas in der Rutherford-Ära zu singen. Einige von ihnen bringen auch kritische Aspekte mit zum Vortrag. Andere unterlassen es und bieten nur eine selektierte Sichtweise.

Letztendlich gab es schon mal eine Liberalisierung in dieser Frage, und zwar regional begrenzt in der Schweiz der 1940-er Jahre. Die diesbezügliche Erklärung aus der ZJ-Zeitschrift „Trost" vom 01. 10. und 15. 10. 1943 (sie wurde gleich zweimal hintereinander in der WTG-Literatur abgedruckt!) ist schon verschiedentlich in der Literatur zitiert worden. Ihre Kenntnis kann als allgemeinen bekannt, vorausgesetzt werden.

Letztendlich ging es damals darum, auch ein Verbot des ZJ-Werkes in der Schweiz abzuwenden. Also Nützlichkeitserwägungen waren damals und heute motivbestimmend.

Ein äußerst müde Apologie dazu kann man aus der Feder von Max W. lesen, der in der Schweiz an exponierter Stelle für die Zeugen Jehovas eingesetzt wird. W. weiß zur Entschuldigung zu berichten:

"Die Schweiz befand sich in einer besonderen Situation: Ihre Armee war eine reine Verteidigungsarmee, und sie wurde nie wirklich in den Strudel des Krieges hineingezogen. Bedrohlich wirkte auch die massive Forderung der (meist nazifreundlichen) Gegner der Zeugen, das Werk sei angesichts der Militärdienstverweigerer staatsgefährdend und deshalb zu verbieten. Ein solches Verbot hätte unter anderem die Hilfeleistungen der Schweizer Zeugen zu Gunsten ihrer verfolgten Glaubensbrüder erschwert oder gar verunmöglicht. Eine Abstimmung des Vorgehens mit dem Hauptsitz in Amerika war infolge der Kriegsereignisse nicht mehr möglich.

Dieser Hintergrund erklärt, wie es 1943 zur sogenannten «Schweizer Erklärung» der Zeugen Jehovas kommen konnte. In ihr betonte die Berner Leitung, jegliche Aufforderung zur Militärdienstverweigerung liege ihr fern, und viele Mitglieder und Freunde würden ihren Militärdienst leisten. Die Erklärung war im Vergleich zum 1939 veröffentlichen Verständnis ein Rückschritt. Trotz ehrlichen Absichten stellte sie einen Kompromiss dar, der die eigenen Dienstverweigerer in gewissem Sinne desavouierte. Dies war eine der heikelsten Seiten der «Neutralität», und alle Gefahren einer «Gratwanderung» zeigten sich."

So ist das also. Man kann diese salbungsvollen Worte auch kürzer fassen: "Wenn zwei das gleiche tun oder lassen. So ist es doch nicht dasselbe." W. und seine Vorgänger haben also den "Stein der Weisen" gefunden. Wo man sich politischem Druck beugen darf und wo nicht. Die Schweizer Organisation in einer heiklen Krise zu retten, war also das Nonplusultra. Das Hitlerregime war verrufen (das bestreitet auch niemand). Folgerichtig war es d o r t legitim ein Fanal der Selbstaufopferung zu setzen. Nur eben nicht in der Schweiz; dieweil den W.'s die zeitgenössische Erkenntnis dämmerte. Dort darf man sich selbst retten. Aber nur dort!

Im Jahre 1994 erschien im Herder-Verlag Freiburg/Br. das Buch von Herbert Weber „Die Zeugen Jehovas. Zwischen Bewunderung und Befremdung". Das diese katholischen Kreise auch einiges an Befremdung bei den Zeugen Jehovas registrieren und beim Namen benennen, steht außer Frage und bedarf hier keiner näheren Verifizierung. Aber die zugleich mit verwandte Vokabel von der „Bewunderung" schein es angezeigt sein zu lassen, doch noch ein paar Worte darüber zu verlieren.

Als Mitautor des Buches von Weber wird zugleich Friederike Valentin genannt. Valentin ist zugleich auch Redakteurin der seitens der katholischen Kirche in Österreich verlegten Broschürenreihe „Werkmappe Sekten, religiöse Sondergemeinschaften, Weltanschauungen". In deren Nr. 56 (1990) hatte sie schon mal eine Arbeit von Weber übernommen. In der Einleitung dazu (S. 2) wird vermerkt:

„Der vorliegende Text ist eine stark gekürzte und von Friederike Valentin bearbeitete Fassung der von Herbert Weber verfassten Dissertation 'Religiöse Mobilität. Religiöse Sondergemeinschaften und katholische Kirche. Am Beispiel der Zeugen Jehovas'. Wien 1990".

Man wird wohl nicht zuviel sagen, wenn man anmerkt, dass die Mitautorenschaft von Valentin am oben genannten Buch von Weber sich in der Hauptsache auf die Kürzungen und in zweiter Linie auf stilistische Glättungen bezieht.

Es ist aber nicht uninteressant zu sehen, was da alles von dem Valentin'schen Kürzungsedikt erfasst wurde.

Aus meiner Sicht als besonders gravierend würde ich es bewerten, dass auch jene Passagen gestrichen wurden, die auf die oben genannte „Trost"-Erklärung Bezug nehmen. In seinem Dokumentenanhang hatte Weber auch zwei Dokumente mit abgedruckt, die meines Wissens so noch nicht veröffentlicht wurden und die es verdienen nicht dem vergessen anheimzufallen.

Als Tafel 24/5 zitiert er ein Schreiben des Österreichischen Zweigbüros der Zeugen Jehovas vom 24. 4. 1980. Offensichtlich war letzteres von einem ZJ bezüglich der "Trost"-Erklärung angefragt worden. In der Antwort wurde ausgeführt:

„In Bezug auf die Erklärung in der Zeitschrift 'Trost' vom 15. Oktober 1943, haben wir von unserem Zweigbüro in Thun folgende Stellungnahme erhalten:

'Die zahlreichen Fälle von Dienstverweigerung durch die Zeugen Jehovas lösten natürlich viele Prozesse vor den Militärgerichten aus, die ihren Niederschlag auch in der Presse des Landes hatten. Die Feinde der Wahrheit benützten diesen Umstand, um Jehovas Zeugen und ihr Werk in der Öffentlichkeit falsch darzustellen. Man verdächtigte uns als eine Organisation, die es darauf abgesehen habe, die Armee der Schweiz planmäßig zu untergraben.

Als aus diesem Grunde die Situation für das Werk immer kritischer wurde, rieten uns unsere Anwälte, mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit zu treten. Das geschah dann auch durch die besagte 'Erklärung.' Sie war gut gemeint und zum Teil auch richtig formuliert, zum Teil leider nicht. Die Brüder im allgemeinen verstanden, wie diese Erklärung gemeint war, dass sie zum Zwecke hatte, die Verleumdung zu entkräftigen, Jehovas Zeugen seien eine Bewegung zur Bekämpfung der Schweizer Armee.

Der vom theokratischen Gesichtspunkt betrachtete unrichtige Teil der 'Erklärung' wurde anlässlich des Landeskongresses im Jahre 1947 in Zürich von den Brüdern richtig gestellt. Diese Sache fand also vor beinahe 30 Jahren ihre Erledigung."


Als Tafel 24/8 druckt Weber dann auch noch die genannte Stellungnahme (ohne Datum) des Schweizerischen Zweigbüros der Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania (mit Sitz Thun, Schweiz) ab. Sie enthält nochmals die vorgenannten Argumentationselemente zugleich in Nuancen auch noch zusätzliche Angaben. In ihr konnte man lesen:

„Die erwähnte 'Erklärung' erschien tatsächlich in jener Ausgabe von 'Trost'. Warum? Die zahlreichen Fälle von Dienstverweigerung durch die Zeugen Jehovas lösten viele Gerichtsverfahren vor den Militärgerichten aus. Darüber wurde in der Presse viel berichtet. Die Feinde der Wahrheit benützten diesen Umstand, um Jehovas Zeugen und ihr Werk in der Oeffentlichkeit falsch darzustellen. Schlimm war, dass man uns verdächtigte als eine Organisation, die es darauf abgesehen hatte, die Armee der Schweiz planmäßig zu untergraben.

Der 'Wachtturm' konnte nicht mehr erscheinen. Im Jahr 1940 besetzte das Militär in einer Überraschungsaktion das Zweigbüro der Gesellschaft in Bern und beschlagnahmte praktisch das gesamte Literaturlager. Gegen den verantwortlichen Leiter des Werkes wurde ein militärgerichtliches Strafverfahren eingeleitet. Als die Lage für das Werk in der Schweiz immer kritischer wurde, (man erwartete ein generelles Verbot), rieten unsere Anwälte, mit einer Erklärung an die Oeffentlichkeit zu treten, um diesem Klima der Verleumdungen entgegen zu wirken und darzutun, dass unsere Organisation nicht zum Ziele habe, die Armee zu bekämpfen.

Das geschah dann auch durch die besagte 'Erklärung'. Sie war sicher gut gemeint und weitgehend auch völlig richtig formuliert, zu einem kleinen Teil leider nicht, weil die Brüder sich etwas zu viel von den Rechtsanwälten beeinflussen liessen, wenn diese es auch gut meinten und bestrebt waren, dass dem Werk hierzulande drohende Verbot abzuwenden. Die Brüder in der Schweiz im allgemeinen verstanden denn auch, wie diese 'Erklärung' gemeint war, dass sie nämlich bezweckte, die Verleumdungen zu entkräften, welche gegen das Werk im Umlauf waren.

Mit den Hunderten von 'Mitgliedern und Glaubensfreunden', welche die militärische Pflicht erfüllten, waren natürlich vor allem die interessierten Freunde der Wahrheit gemeint, die in der Frage der Neutralität noch nicht Stellung bezogen hatten.

Der vom theokratischen Standpunkt aus betrachtet unrichtige Teil dieser 'Erklärung' wurde anlässlich des Landeskongresses im Jahre 1947 in Zürich vor der ganzen Bruderschaft richtiggestellt."


Da wundert man sich.

Das der General Eisenhower einer Bibelforscherfamilie entstammt ist hinlänglich bekannt. Hatte durch Russell in seinem "Komitee der sieben" auch einen handfesten General, William Hall. Wenn Russell sich also mit Militärs umgab, warum sollte der jugendliche Eisenhower, dessen Ausbildungsphase ja noch der Russellära zuzuordnen ist, nicht auch eine militärische Laufbahn einschlagen? Wie man weiß tat er es und dem pro Zeugen-Autor Cole ist denn auch prompt der Fall Eisenhower eine Story wert.

"Honoratioren" im Dienste der WTG. So wie es der heutigen WTG recht und billig ist, Theologieprogessoren (ist Herr B. eigentlich Raucher oder Nichtraucher - eine interessante, aber von der WTG unbeantwortete Frage) in ihren Dienst zu stellen. Rutherford würde sich vermutlich noch heute im Grabe umdrehen, könnte er wissen, wenn da seine Nachfolger alles so als Lobbyisten zu verwerten gedenken.

In diese Rubrik der Skrupellosigkeit (diesmal zu Lasten Rutherfords) ist auch der nachfolgende Vorgang einzuordnen. Da berichtet das interne Blatt "Bulletin" (Schweizer Ausgabe) in seiner Ausgabe vom April 1931 über einen Brief, der im Berner WTG-Büro einging. Jenes WTG-Büro das rund ein Jahrzehnt später noch mit der sensationellen Mitteilung Furore machte:

"Hunderte unserer Glaubensfreunde leisten Wehrdienst". Bekanntlich war dies zur selben Zeit, als die deutschen Zeugen Jehovas lieber ihren Kopf aufs Schafott legten, als wie Wehrdienst zu leisten. Niemand hat das Schweizer WTG-Büro genötigt, nachstehenden anrüchigen Brief zu veröffentlichen.

Es hätte sehr wohl in seiner Freiheit gelegen, ihn unter den Tisch fallen zu lassen, was es sicherlich mit etlichen anderen Briefen auch getan hat. Denn solche Veröffentlichungen stellen immer Auswahlveröffentlichungen mit Signalcharakter dar. Immerhin ein "merkwürdiges" Signal. Da konnte man also in jener Bulletin-Ausgabe einen relativ harmlosen Auszug aus einem Brief lesen, der da ausführte:

"Es tut einem wirklich wohl, wenn man von ferner Heimat einige gute Bücher aus Richter Rutherfords Feder zu lesen bekommt. Im Namen aller Kameraden, spreche ich Euch meinen besten Dank aus, für Euer gutes Werk an verlassenen Menschen, die sich an einer guten geistigen Speise Jehovas zu sättigen suchen …"

Pikant wird das ganze nur durch die hinzugefügte Absenderangabe:

AUS DER FRANZÖSISCHEN FREMDENLEGION

Erinnert sei auch daran, dass bereits im Ersten Weltkrieg als "Tornisterschrift" eigens für die "Brüder im Felde", eine eigene Ausgabe ihres Liederbuches publiziert wurde. Wohl getreu dem Grundsatz: "Mit Gesang kämpft es sich besser".

Zur Schweizer Wehrdiensterklärung, siehe auch den nachfolgenden Link:

Zeugen Jehovas Wehrdiensterklärung

Bibelforscher-Soldaten im Ersten Weltkrieg

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