Tide, Renate

"Problematik und Folgewirkungen der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas und der Ablösung von ihnen (dargestellt mit Hilfe von Fallbeispielen)".

Frankfurt/M. 1989, Diplomarbeit im Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule Frankfurt/M. 118 + 8 Seiten.

Aus der Arbeit von Renate Tide seien die folgenden Sätze zitiert:

"Bis zu meinem 23. Lebensjahr stand auch ich mit diesen Heften auf der Straße und ging 'von Haus zu Haus' predigen.

Das Verlassen dieser Gemeinschaft war damals für mich mit Problemen verbunden.

Andererseits wird im gesellschaftlichem Kontext durch das Bestehen von Sekten auch deutlich, dass es eine Unzufriedenheit mit den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und den Wunsch nach Veränderungen in der Bevölkerung gibt.

Wie inhuman dieser Glaube ist, wird deutlich an den rigiden Vorgehensweisen gegenüber Menschen, die gegen die strengen Regeln verstoßen und die Gemeinschaft der ZJ verlassen müssen. Bei den Betroffenen können entstandene Schuldgefühle zur Depression und sogar Selbstmord führen. Die ZJ entziehen sich der sozialen Verantwortung gegenüber Kranken und Menschen mit auffälligem Verhalten. Solche, die ganz offensichtlich Probleme haben (z. B. Alkohol und Drogen) werden aus diesem Grund ausgegrenzt. Nur leistungsfähige und angepasste Menschen haben Platz in der 'reinen Organisation Gottes.' Wer aufgrund eigener Entscheidung den Glauben der ZJ aufgibt, wird geächtet, seine familiären Beziehungen und sozialen Kontakte werden eingeschränkt oder zerstört.

Dagegen erwarten die ZJ von anderen Menschen Toleranz. Bei der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen berufen sie sich oft auf Verfassungen, die eine Benachteiligung aus Glaubens- oder Gewissensgründen verbieten.

Dieser autoritäre Führungsstil ist für mich ein besonderer Kritikpunkt, weil er zwangsläufig dazu führt, unmündige Menschen und in besonderer Weise unmündige Frauen zu schaffen.

Die Beeinflussung ist so stark, dass Frauen sich selbst gar nicht als diskriminiert betrachten. Sie verdrängen die Existenz der Unterordnung oder sie akzeptieren sie bewusst. Unmündige Menschen kommen mit der heutigen Lebensrealität nur eingeschränkt zurecht und sind gesellschaftlich gesehen für jeden autoritären Zugriff besonders gefährdet.

Der Prozess der Ablösung aus der Sektengemeinschaft der ZJ ist verbunden mit Gefühlen wie Wut, Trauer und Enttäuschung. Die Betroffenen tragen diese zum Teil durch aktive Handlungen (öffentlicher Protest durch Zeitungsartikel und Flugblätter), aber auch in Form von psychischen und physischen Krankheiten aus. Gleichzeitig ist bei einigen ein Gefühl der Stärke und gewonnener Eigenständigkeit vorhanden. Der Rückzug ins Privatleben … und die Suche nach einem neuen Rahmen für den Glauben gehören ebenfalls zu den Reaktionen der von mir befragten Personen.

Es ist auffällig, dass eine Ablösung meist durch Schwierigkeiten mit der Gruppe beginnt. Erst in späteren Verlauf oder erst nach vollzogener Ablösung werden die Lehrinhalte überprüft, oft auch nur variiert. Folgerichtig werden als Grund für die Ablösung die Lehren der Gemeinschaft angegeben und die persönlichen Schwierigkeiten treten in den Hintergrund."

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