Sahnwaldt, Albert

"Die Botschaft vom nahen Weltende. Methoden und Tendenzen in der Lehr- und Verkündigungsliteratur der Zeugen Jehovas".

Hüttental-Weidenau 1972. Arbeit zur Ersten Staatsprüfung an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe Abt. Siegerland.

Sahnwaldt vertritt in seiner Studie die Auffassung, dass er als für sein Thema von Bedeutung, gewisse prinzipielle Vereinfachungstendenzen in der Zeugen Jehovas-Literatur wahrnimmt. Als Beispiel führt er an: "Im Laufe der Menschheitsgeschichte ist viel Böses geschehen. Und wenn man sich heute in der Welt umsieht, bietet sich überall das gleiche Bild: Blutvergießen, Verbrechen, Hass, Sittenlosigkeit." ("Die Wahrheit die zu ewigem Leben führt" S. 65).

Sein Kommentar dazu: "Die Eingangsthese in diesem Beispiel ist kaum zu bezweifeln. Das die Welt 'heute … überall' das von den Zeugen beschriebene Bild bietet, ist mehr eine Frage der verengten Blickrichtung und stimmt nur unter starker nichtssagender Vereinfachung. Die Intention ist auch hier deutlich."

Weiter kommentiert er zu den in diesem Zusammenhang verwendeten Bibelhinweisen:

"Für einen bibelkundlich wenig gebildeten Menschen ist das unter Umständen bestechend. Nur wenige Überlieferungsgeschichtliche Kenntnisse würden ihm allerdings zeigen, dass die Bibel solche Ableitungen nicht zulässt. Aber diese Kenntnisse haben viele nicht und es ist auch nicht einfach zu vermitteln. Die Zeugen können daher leicht mit ihrer Inspirationsprämisse an die landläufig-einfache Vorstellung anknüpfen, die Bibel ist Gottes Wort. Sie verfängt erst recht, wenn sie auf Anhänger der Kirchen trifft, die eben jene vereinfachte Gotteswortvorstellung in ihren Kirchen vermissen und sie als einzig mögliche Vorstellung zur Bibel betrachten."

"Als Anknüpfungspunkt zeigte sich immer wieder das latente Vorurteil, dass wir in schlimmen Zeiten leben. Die Zeugen pflegen und konditionieren es. Es ist jenes Vorurteil, dass in Wendungen wie 'Wo soll das noch hinführen?' Und 'So kann es nicht mehr weitergehen, sonst gibt es ein böses Ende' zum Ausdruck kommt. Jehovas Zeugen zeigen in ihrem Schrifttum nicht nur großes Verständnis für solche Empfindungen der Zeitgenossen. Sie legen ihnen solche Fragen und Anmutungen geradezu in den Mund und bieten ihnen ihre Erklärung vom Untergang des 'verderbten Systems' an. Von hier aus versuchen sie den Leser in Katastrophenstimmung zu versetzen und ihn zur Entscheidung zu drängen. Er soll das Gefühl bekommen, dass die Zeit reif ist - überreif - und das schnell gehandelt werden muss."

Als weiteren gewichtigen Punkt seiner Einschätzung betont er:

"Die Zentrale oder die leitende Körperschaft bleibt über lange Zeiträume anonym und für das Mitglied in weite Ferne gerückt. Dieses Phänomen wird durch das andere verstärkt. Es besteht darin, dass die Kommunikation weitgehend in einer Richtung, nämlich von oben nach unten verläuft."

"Die Legitimation der leitenden Körperschaft schließt die Befugnis ein, 'die geistigen Bedürfnisse der Brüder zu befriedigen', also die ideologischen Ziele zu setzen. Die 'Gesellschaft' gibt anonym (theokratisch) die 'Wahrheiten' aus, verantwortlich zeichnet die Watchtower Society. Damit sind diese 'Wahrheiten' auch kaum anfechtbar. Es kann sich wohl ein einzelner irren, die 'Gesellschaft' bleibt darüber erhaben. Der Legitimationsanspruch der leitenden Körperschaft ist also auch gegen inhaltliche Kritiker abgesichert.

Die Zentrale liefert dazu in hohen Auflagen einheitliches Grundlagenmaterial und aktuelle Interpretationen der Lehre. Wie die 'Prawda' für die KPdSU ist der 'Wachtturm' für die Zeugen ihr 'offizielles Organ' … Dem 'Wachtturm' vom 15. 3. 72 ist zu entnehmen, dass spätestens seit 1938 die als Theokratie kaschierte straffe Durchorganisation im Sinne einer autoritären Einheitsorganisation zum Abschluss gebracht wurde.

'Fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen' heißt: permanente Schulung, permanente Indoktrinierung, permanente Aktivierung in einer Richtung und permanente Kontrolle aus der gleichen Richtung. Die Indoktrination ist gekoppelt mit dem vermittelten Exklusivitätsbewußtsein (die 'wahre' und erwählte Kirche zu sein) und der Erziehung zur Parteilichkeit gegen Andersdenkende."

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