Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Esther Rettberg
Erziehung im Umfeld einer Religionsgemeinschaft
Eine empirische Untersuchung zur Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas

Als Abschluss ihres Studienganges am Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität Bochum, fasste Esther Rettberg ihre Erkenntnisse in ihrer Staatsexamensarbeit vom Juli 1994 zusammen. "Erziehung im Umfeld einer Religionsgemeinschaft" wählte sie als Thema. Laut Untertitel: "Eine empirische Untersuchung zur Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas". Eine ihrer Kernthesen besteht in der Feststellung (S. 37):

Es "wird deutlich, daß sich ein Zeuge Jehovas nicht nur innerhalb der Gemeinschaft zu seinem Glauben bekennen muß, sondern gerade auch außerhalb der Gemeinschaft seine vollständige Identifikation mit der 'Wachtturm'-Organisation unter Beweis stellen muß. Individuelle Entscheidungen oder die Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit müssen zugunsten der Gemeinschaft zurückgestellt werden."

Dies manifestiert sich auch auf dem Bildungssektor, zudem die Autorin ausführt:
"Die in der Stichprobe am häufigsten realisierte Verhaltensvorschrift ist die Anweisung der WTG, die Schulbildung auf ein Minimum zu reduzieren und insbesondere auf gymnasiale bzw. universitäre Bildungsabschlüsse zu verzichten. Insgesamt absolvierten nur 21 % der befragten Personen die gymnasiale Oberstufe und 9,9% einen universitären Studiengang. Auf dem Hintergrund, daß in der vorliegenden Erhebung der Bildungsstand zum Untersuchungszeitpunkt erfragt wurde, ist zu berücksichtigen, daß die befragten Personen möglicherweise erst nach ihrer Ablösung von den Zeugen Jehovas höhere Bildungsabschlüsse erreicht haben. Der Anteil von Personen mit Abitur und akademischen Abschluß wäre vermutlich noch geringer ausgefallen, wenn nur der Schulabschluß, der noch innerhalb der Zeit der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas erreicht worden ist, erfragt worden wäre."

Unter Bezugnahme auf eine Studie von Eimuth zitiert sie ihn mit den Worten S. 43):
"Eimuth betrachtet die Erziehung in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas als eine Form der 'psychischen Kindesmißhandlung.' Anhand der von der WTG herausgegebenen Broschüre 'Jehovas Zeugen und die Schule' skizziert Eimuth die Forderungen der WTG an die in ihrer Gemeinschaft aufwachsenden Kinder und kommt zu dem Schluß, 'daß eine normale Entwicklung', eine Kindheit und Adoleszenz, die sich mit der Entwicklung anderer Kinder vergleichen läßt, unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich ist."

Bezugnehmend auf den von ihr befragten Klientenkreis vermerkt Frau Rettberg, dass nach ihrer Einschätzung der Kreis jener, die sich ganz ohne Hilfestellung von der WTG wieder zu lösen vermochten "auffallend gering erscheint … Nach den vorliegenden Ergebnissen fanden die meisten Personen Hilfsangebote auf privater Ebene."

Weiter vermerkt sie (S. 150): "Die Gruppe von Personen, die angaben, keine Schwierigkeiten während ihrer Ablösung von der Zeugen-Gemeinschaft gehabt zu haben … umfaßt lediglich ein Viertel der gesamten Stichprobe. … Die hohe Anzahl von Personen, die innerhalb dieser Religionsgemeinschaft erzogen wurde, (hatte) relativ schwerwiegende Begleiterscheinungen."

In einer Liste gliedert sie diese Begleiterscheinungen auf. Im einzelnen nennt sie als Schwierigkeiten der von ihr Befragten:
Orientierungslosgigkeit 43,2%
Depressionen 42,0 %
soziale Isolation 35,8%
Angstträume 27,2%
Selbstmordgedanken 25,9%
Schlafstörungen 23,5%
körperliche Beschwerden 21,0%
neurotische/psychotische Störungen 18,5 %
berufliche Probleme 17,3%
Wahnvorstellungen 6,2%
Abhängigkeit von Alkohol, Tabletten etc. 6,2%
Selbstmordversuch 2,5%

Anzumerken wäre noch, das Frau Rettberg sich auch auf die diesbezügliche Studie von Bergman stützt (aber nicht nur). Sie verwendet dabei noch die englischsprachige Ausgabe. Das die mittlerweile auch in deutscher Übersetzung zugänglich ist, hat sich offenbar noch nicht bis zu ihr rumgesprochen.

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