Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Wenn puritanische Wahrheit sich als Lüge erweist

Die jetzigen Zeugen Jehovas gibt es zwar, rund gerechnet, erst 130 Jahre. Das Buch auf dass sie sich berufen, die Bibel, ist allerdings sehr viel älter. Und nicht nur die Zeugen Jehovas berufen sich auf die Bibel. Vor- und nach ihnen tun es etliche andere Gruppen und Bewegungen ähnlich.

Nehmen wir als Beispiel die Reformationszeit in Deutschland. Ihr herausragender Vertreter, Luther, hatte eine seiner Motivationsgrundlagen, auch in dem wachen Wahrnehmen des zeitgenössischen papistischen Systems. Hätte Luther keine Kritik am Papsttum gehabt, wäre es nie zu jener sogenannten Reformation gekommen. Man muss ihm also zugestehen, dass Gesellschaftskritik mit einer jener Auslöser dafür war.

Luther etablierte sich in der Folge. Er sah, dass er Verbündete brauchte, wollte er nicht schmählich untergehen. Die Fürsten, soweit sie ihn unterstützten, sah er als seine natürlichen Helfer an. Nun mag Luther wohl die Initialzündung ausgelöst haben. Gleichwohl gab es noch einige mehr, die mit ihm in der Kritik des Papsttumes einig waren. Das war dann aber auch schon so das einzigste worin Einigkeit bestand. Ansonsten gab es auch tiefe Gräben im Lager der Reformatoren.

Eine weitere Persönlichkeit dieser Zeit ist als herausragend noch zu nennen. Thomas Müntzer. Er und Luther wurden alsbald so etwas wie gegenseitige "Lieblingsfeinde". Aus einer Lexikondefinition über Müntzer sei einmal auszugsweise zitiert:

Müntzer, Thomas, vor 1490 - 27. 5. 1525 (hingerichtet), Vertreter einer volkstümlichen Auffassung der Reformation, bedeutender Ideologe und Führer des linken Flügels im … Deutschen Bauernkrieg 1525 … entwickelte 1520/21 in Zwickau und 1523/24 in Allstedt eine eigene Weltauffassung, in der kühn ein Gesellschaftszustand ohne Klassen und ohne sich über das Volk erhebende Obrigkeit antizipiert wird. … Sein Plan, die über weite Teile Deutschlands verbreitete Bewegung zu zentralisieren und alle weltliche und auch geistliche Obrigkeiten zu entmachten, scheiterte nach anfänglichen bedeutenden Erfolgen am Unvermögen der Bauern und des oppositionellen Bürgertums, die lokalen Schranken zu überwinden. Mit seinen engsten Anhängern wurde er am 15. 5. 1525 bei Frankenhausen geschlagen und gefangengenommen; er bekannte lediglich, zu Großes zu früh erstrebt zu haben.

Soweit diese Lexikondefinition. Es gibt Autoren, die bei der Einschätzung von Müntzer und seinem Scheitern, besonders noch auf den Umstand hinweisen, dass Müntzer der biblischen Terminologie verhaftet war. Das diese ihn aber gleichzeitig in den entscheidenden Kampfsituationen, behinderte, ja sogar lähmte. Indem Kämpfe auch dann ausgetragen wurden, wenn objektiv betrachtet, von vornherein klar war. Es bestehen keine Erfolgschancen. Das verhaftet sein der biblischen Gedankenwelt bewirkte beispielsweise, auf göttliche Wunder zu hoffen ("Sonne stehe still im Tal Ajalon") die aber nicht eintreten. Müntzer nahm eine Zwitterstellung ein zwischen einem "weltfremden Theologen" und einem Tagespolitiker. Er hätte sich für eine von beiden Varianten klar entscheiden müssen, tat dies aber nicht. Und damit ist sein Scheitern letztendlich erklärbar.

Soweit erst einmal dieser kleine geschichtliche Rückblick.

Nun sei zur Bibelforscherbewegung den jetzigen Zeugen Jehovas übergeleitet.

Russells "Schriftstudien" Band 4 ("Der Krieg von Harmagedon") beispielsweise, machen deutlich, dass auch Russell ein wacher Beobachter seiner tagespolitischen Situation war. Er nannte auch etliche kritikwürdige Umstände beim Namen. Gleich wie Müntzer, war aber auch er nicht in entscheidender Hinsicht konsequent. Man wird Russell nicht nachsagen können, dass er ein "Nur Halleluja-Prediger" war, wie man dieser Sorte in etlichen Konkurrenz-Religionsorganisationen in Vergangenheit und Gegenwart mehr als genug, begegnen kann. Er ließ es nicht nur beim "frommen Augenaufschlag" bewenden. Russell las auch die Tagespresse und kommentierte sie dann allerdings religiös verbrämt. Sein hinfiebern auf das Jahr 1914 fand dann noch dergestalt eine makabre Erfüllung, indem sich in diesem Jahre die tatsächlich vorhandenen Spannungen noch entluden. Man vergleiche dazu auch: Mister Bush und Mister Rumsfeld ins Stammbuch geschrieben

Allerdings besteht dergestalt schon ein wesentlicher Unterschied. Im Gegensatz zu Müntzer, wurde Russell nicht in der Form politischer Aktion aktiv. Er hielt es weit mehr mit dem warten "auf die stillstehende Sonne und Mond zu Gibeon/Ajalon". (Josua 10:12). Letzteres trat eben nicht ein. Und das ist auch das Grunddilemma dieser Religionsbewegung.

Wie man weiß stieß relativ spät auch ein Jurist zu der Bibelforscherbewegung, der später in ihr noch eine herausgehobene Rolle spielen sollte. Wie unschwer zu erraten ist, handelt es sich um den Ende 1869 geborenen J. F. Rutherford.

Als der erste Weltkrieg ausbrach, aus dem die USA sich eigentlich heraushalten wollten, letztendlich aber doch noch in ihm mit hineingezogen wurden, befand sich der Jurist Rutherford in seinem vierten Lebensjahrzehnt (also wie man sozusagen pflegt "in seinen besten Mannesjahren"). Als Erbe von Russell hatte er es ohne Zweifel mitbekommen, auch die Tagespresse zu lesen und es keineswegs dabei bewenden zu lassen, den "Halleluja-Predigern" der anderen Religionsorganisationen es gleich zu tun. Auch Rutherford registrierte wach. Wie verhalten sich denn nun die "Halleluja-Prediger" in der Herausforderungssituation des ersten Weltkrieges. Sein Urteil fiel über diese Sorte Speichellecker der staatlichen Macht nicht günstig aus. Schon in dem berühmt-berüchtigten Band 7 der "Schriftstudien" sollte diese Kritik an die "Halleluja-Prediger" mit einfließen. Das hatte zugleich handfeste Folgen für ihn, indem in der aufgeheizten Situation des ersten Weltkrieges, sich Rutherford alsbald im Gefängnis wiederfand.

Es gab zwar für ihn dann doch noch so etwas ähnliches wie ein Happyend. Aber diese Erfahrung hat ihn ohne Zweifel geprägt und sein ganzes weiteres Leben maßgebend mitbestimmt.

Nicht nur einen Weltkrieg erlebte Rutherford und seine Generation mit. Nein, ihnen war es beschieden gar noch einen zweiten Weltkrieg erleben zu müssen.

Auch der brach nicht "aus heiterem Himmel" aus. Auch der hatte eine Vorgeschichte. Auch schon im Vorfeld konnte man klar sehen - so denn man wollte - was für ein neues Unheil sich da anbahnte. Und auch noch etwas ist bemerkenswert. Das Gefühl das viele unheilvoll beschlich. Diesem drohendem Unheil letztendlich machtlos gegenüberzustehen. Wieder der Ruf nach der "stillstehenden Sonne zu Ajalon". Sie stand aber nicht still.

Das Unheil hätte zwar abgewendet werden können. Aber mit Sicherheit nicht von der Sorte "Halleluja-Prediger" und auch nicht von der Sorte "warten auf die stillstehende Sonne".

So trat es eben doch ein, das Unheil.

Meines Erachtens ein bemerkenswertes Dokument ist das diesbezügliche, 1939 erschienene Buch von Rutherford "Salvation". Seine deutschen WTG-Übersetzer schwankten, wie sie diesen Titel sachgemäß übersetzen sollten. Zuerst wollten sie das Buch in Deutsch als "Das Heil" benennen. So wird es etwa in einer Vorankündigung der Rutherford-Broschüre "Herrschaft und Friede" angekündigt. Angesichts der weltpolitischen Umstände erschien den Übersetzern diese Titelwahl wohl doch nicht so recht geheuer. Und sie legten sich in der Endfassung dann auf den Titel "Die Rettung" fest. Unter diesem Namen ist es dann 1939 auch in der Schweiz herausgekommen.

Schon in seinem vom Juni 1939 datierten redaktionellen Vorwort schreibt Rutherford:

Alle Geschehnisse deuten darauf hin, daß die Nationen sich dem großen Höhepunkt nähern. Harmagedon steht vor der Tür

Mit Sicherheit ist auch dies kein Buch im Stil der "Halleluja-Prediger". Der wache Leser der Tagespresse Rutherford, redet auch in diesem Buch an etlichen Stellen Fraktur. Etwa, wenn er schreibt:

Viele glauben, daß ein bewaffneter Konflikt, in den alle Völker der Erde verwickelt werden, vor der Türe stehe, und daher suchen sich alle Nationen gegen eine solche Gefahr zu wappnen (S. 10).

Besonders während des Weltkrieges hatte jedes Regiment seine Geistlichen, die bei vollem Bewußtsein die Männer auf ihrem Marsch zum Kampf zu segnen versuchten. Ebenso billigten die religiösen Systeme den Krieg, solange es volkstümlich zu sein scheint. Der Krieg Italiens gegen Abessinien und der Rebellenkrieg in Spanien gegen die Regierung hatte die volle Gutheißung, Mitwirkung und Unterstützung der römisch-katholischen Hierarchie-Religionsorganisation (S. 82, 83).

Während des Weltkrieges wurden viele junge Männer gezwungen, in die Armee einzutreten und zu kämpfen. Täglich sahen sie, wie die religiösen Geistlichen breitspurig daherkamen, manchmal nüchtern, manchmal auch nicht. Sie erkannten die Doppelzüngigkeit jener Geistlichen, die sich stets bei den Truppen in der Etappe aufhielten (S. 85).

Die Anzeichen beweisen heute überwältigend, daß die politischen Diktaturen und die römisch-katholische Hierarchie, das führende Religionssystem auf der Erde, zusammenwirken, wobei der politische Flügel das hervortretende Herrscherelement ausmacht, während die römisch-katholische Hierarchie als geistlicher Oberherr oder Ratgeber amtet und so einen Teil der totalitären Herrschaft bildet. Mussolini regiert Italien mit eiserner Hand. Zu Beginn seiner Herrschaft war er ein Gottesleugner, später erklärte er katholisch zu sein und traf mit dem Papste ein Abkommen zwecks Zusammenarbeit; und der Vatikan, worin natürlich die ganze Hierarchie eingeschlossen ist, hat seither Mussolini in der grausamen Kundgebung seiner Macht in Spanien, seinem tückischen Angriff auf Abessinien und dessen Zerstörung und seinen gesetzlosen Taten anderwärts unterstützt. Hitler desgleichen ist grausamer Diktator Deutschlands. Zwischen ihm und dem Papste ist ein Abkommen zu gegenseitiger Unterstützung getroffen worden, und sie wirken zusammen; und die römisch-katholische Hierarchie unterstützt Hitler in der Grausamkeit, womit er gegen gottesfürchtige Menschen in Deutschland vorgegangen ist, sowie in seinem grausamen Angriff auf Österreich, die Tschechoslowakei und auf andere Nationen.

Nachdem er so auf seine Weise die tagespolitische Situation beschrieben und kommentiert hat, stellt Rutherford sich der Frage. Wie soll man sich diesbezüglich verhalten? Soll man zu allem "Ja und Amen" sagen? Oder soll man Opposition anmelden? Und wenn ja in welchem Umfang.

Im Prinzip ist diese Frage für Rutherford schon im Vorfeld eindeutig beantwortet gewesen. Gleichwohl nimmt er die angespannte Situation Mitte des Jahres 1939, nochmals zum Anlass, das diesbezügliche zu wiederholen.

Kommentierend auf die Frage des Hitlergrußes in Deutschland eingehend und zugleich auf die Flaggengrußkontroverse in den USA hinweisend. Beide Sachverhalte stehen für Rutherford auf einer Ebene, ist seine schon im voraus bekannte Antwort die: Solchen Regimen, die genannte Entwicklung herbeigeführt, bzw. nicht abgewendet haben, kann man nicht noch zusätzlich "zu Kreuze kriechen", indem man den von diesen Regimen erwarteten Huldigungsakten stattgibt. Das ist für Rutherford eine prinzipielle Frage. Etwa der "Fürstenpredigt" des Thomas Müntzer vergleichbar, in der dieser den Fürsten auch die "Leviten las" und ihnen keineswegs zu Kreuze kroch.

In einer ähnlichen Mentalitätsverfassung befand sich auch Rutherford. Diesen Regimen, die genanntes Unglück nicht verhindert haben und gar noch weiteres Unheil heraufbeschwören, irgendeine Form von Huldigung erweisen - Niemals, ist seine glasharte Erkenntnis!

Das alles muss natürlich, da man sich vermeintlicherweise der Bibel verpflichtet weiß, auch mit entsprechenden Argumenten garniert werden. Und so liest man denn auch in diesem Buch die entsprechenden Ausführungen zum Thema "Obrigkeitliche Gewalten":

Ist nicht allen Menschen befohlen, den "obrigkeitlichen Gewalten" zu gehorchen? Und sind nicht die Herrscher der verschiedenen Nationen die "Obrigkeit"? Alle, die sich bereit erklärt haben, den Willen Gottes zu tun, müssen gehorchen und den "Obrigkeitlichen Gewalten" untertan sein, wie geschrieben steht: "Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten; denn es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott, und diese, welche sind, sind von Gott verordnet. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen" (Römer 13; 1, 2).

Die hier erwähnten "Obrigkeitlichen Gewalten" sind jedoch nicht die Könige und Diktaturen und Staatspräsidenten oder andere politische Herrscher der Nationen, noch sind die Religionsführer ein Teil der "obrigkeitlichen Gewalten". Nicht einer von ihnen vertritt Gott und Jesus Christus, sondern sie stehen im Gegenteil unter der Gewalt Satans, des unsichtbaren Herrschers dieser Welt … Diejenigen unterweisend, die den rechten Weg kennen möchten, sagt die Heilige Schrift: "Denn die Regenten sind nicht ein Schrecken für das gute Werk, sondern für das böse. Willst du dich aber vor der Obrigkeit nicht fürchten? So übe das Gute, und du wirst Lob von ihr haben; denn sie ist Gottes Dienerin, dir zum Guten. Wenn du aber das Böse übst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe für den, der Böses tut" (Römer 13: 3, 4).

Ein jeder weiß, daß die Herrscher dieser Welt böse sind und viel Übles tun, und statt bei guten Werken mitzuhelfen verfolgen sie die, die gute Werke tun. Dies zeigt, daß sie nicht die in der Schrift erwähnten "obrigkeitlichen Gewalten" sind.

Wer sind denn die "obrigkeitlichen Gewalten"? Jehova Gott ist der Höchste, und Christus Jesus ist sein Haupt-Beauftragter, dem er aller Macht und Gewalt übertragen hat, sein Vorhaben auszuführen; und mithin sind die "obrigkeitlichen Gewalten" Jehova Gott und Christus Jesus … Die oben erwähnte Schriftstelle über die "Obrigkeitlichen Gewalten" ist besonders an die gerichtet, die gelobt haben, Gottes Willen zu tun, und die Gott angenommen und in seine Organisation berufen hat (Römer 1:7). Gott handelt nicht mit den Herrschern dieser Welt noch autorisiert er sie, ihn zu vertreten (S. 267, 268).

Und weiter Rutherford

Wenn in einem Staat die gesamte Tätigkeit des Volkes in der Gewalt eines Diktators liegt, so bildet die betreffende Herrschermacht einen "totalitären Staat oder eine totalitäre Regierung." Unter einer solchen Herrschaft wird System ins Volk gebracht, oder es wird in Klassen eingeteilt, und alle seine privaten Rechte werden vom Staate festgelegt, sofern es überhaupt noch welche hat. Deutschland ist solch ein Staat unter der Herrschaft eines Diktators. In jenem Lande wird von allen verlangt, daß sie einen besonderen Gruß leisten und "Heil Hitler" rufen, was sagen will: "Heil und Schutz kommen von Hitler". Wer sich in einem Bunde befindet, den Willen Gottes des Allmächtigen zu tun, könnte diesem Gesetz des deutschen Staates nicht gehorchen, das von ihm verlangt, einen besonderen Gruß zu leisten und die oben erwähnten Worte zu sprechen, und zwar, weil dies eine offenkundige Übertretung des in 2. Mose 20:2-5 niedergelegten ausdrücklichen Befehles Gottes ist. "Von Jehova ist die Rettung" und nicht von einem Menschen, und ein Christ, der dies verleugnet und eher dem Staat als Gott gehorcht, schlägt den weg ein, der zu sicherem Verderben führt (S. 270).

Thomas Müntzer blieb kein Einzelgänger. Mit seiner Mixtur Kritik an der politischen Führung des Landes und "chiliastische Zukunftsvisionen" vermochte er einige anzusprechen und sogar zu motivieren, von der passiven in die aktive Opposition überzugehen. Gleichwohl hinderte ihn seine Befangenheit in der biblischen Mythologie, die Sachlage wirklich real einzuschätzen. Er stürzte seine Anhängerschaft in ein Abenteuer, dass letztendlich mit ihrer totalen Niederlage endete.

Auch die WTG (egal, ob Russell oder Rutherford; ja bis in die Neuzeit hinein) hat aus einer ähnlich mythisch gespeisten Motivation, vorhandene Politikkritik aufnehmend, ihre Anhängerschaft partiell in ähnliche Vernichtungssituationen hineinmanövriert, wie weiland Thomas Müntzer die seinigen im großen deutschen Bauernkrieg. Letztendlich ist durch diese Form der Opposition, die im Falle der WTG doch mehr passiv ist (das gilt es auch zu benennen). Letztendlich ist durch diese Oppositionsform, die nicht den Schritt eines Dietrich Bonhoeffers weitergeht und vom passiven zum aktiven übergeht, keine wirkliche Änderung der Situation zu befördern.

Eines steht auf jeden Fall fest. Für ihre Gefolgschaft hat sie in nicht seltenen Fällen die Folge, den vollen Zorn auf diese Form politischer Oppositionshaltung auf sich zu ziehen, bis einschließlich zu Morden ausartend (so geschehen noch nach 1945 in Malawi). Eine echte Destabilisierung jener Regime indes tritt dadurch nicht ein, weil wie schon im Falle Thomas Müntzer, diese Oppostionshaltung durch ihre gleichzeitige Gefangenschaft in der biblischen Mythologie, daran gehindert wird, wirklich sinnvoll konsequent zu sein.

Noch einen Unterschied gilt es zu benennen. Thomas Müntzer hielt sich nicht in der "Etappe" auf. Er kämpfte an den Brennpunkten mit. Das kann man von jenen Guru jenseits des großen Teiches nicht so sagen. Im Gegenteil nutzte dieser die ihm willkommene Umdeutung der konventionellen biblischen Obrigkeitslehre auch noch mit dazu, um sich selbst ein fürstliches Ambiente zu verschaffen. Auch davon ist in diesem Buche verklausuliert die Rede. So liest man dazu etwa:

In San Diego, Kalifornien, ist im Jahre 1929 auf einem kleineren Grundstück ein Haus erbaut worden, das die Bezeichnung Beth-Sarim trägt und unter diesem Namen bekannt ist. Die hebräischen Worte "Beth Sarim bedeuten "Haus der Fürsten". Mit der Erwerbung des Grundstückes und dem Bau des Hauses wurde bezweckt, einen greifbaren Beweis zu schaffen, daß es heute Menschen auf der Erde gibt, die völlig an Gott, an Christus Jesus und an sein Königreich glauben und auch glauben, daß der Herr die treuen Männer alter Zeiten bald auferwecken wird, sodaß sie auf der Erde zurück sein werden und die sichtbaren Angelegenheiten der Erde in die Hand nehmen. Den Titel auf Beth-Sarim verwaltet die Watch Tower Bible and Tract Society, und dieses Besitztum soll gegenwärtig von dem Präsidenten der Gesellschaft und seinen Gehilfen benutzt werden und hernach immerdar den vorhin erwähnten Fürsten auf Erden zur Verfügung stehen.

Aber es wurde als gut und Gott wohlgefällig erachtet, daß das vorhin erwähnte Haus als ein Zeugnis für den Namen Jehovas gebaut wurde, sowie als eine Kundgebung des Glaubens an Gottes angekündigte Vorsätze. Vielen Menschen der ganzen Erde hat dieses Haus bereits als ein Zeugnis gedient, und während sich die Ungläubigen darüber in Spott und Hohn ergangen haben, steht es doch da als ein Zeugnis für den Namen Jehovas, und wenn dann die Fürsten tatsächlich zurückkehren und jemand von ihnen das Besitztum benutzt, so wird das eine Bestätigung des Glaubens und der Hoffnung sein, die der Antrieb gewesen waren, das Haus Beth-Sarim zu bauen (S. 326).

Jener Fürst in Beth Sarim nahm sich auch die Freiheit seinen blutrünstigen Phantasien in diesem Buch Ausdruck zu geben. Etwa, wenn er auf Seite 125 deutsche Ausgabe (englisch S. 121) auf Jonathan den Sohn Saul's und seinem Verhältnis zu David zu sprechen kommt. Kritiker haben sich schon mal die Freiheit genommen das als das Verhältnis zweier Homosexueller zu bezeichnen und zu bewerten. Man vergleiche dazu mal 1. Samuel Kapitel 18.

Das will allerdings der Fürst in Beth Sarim nicht gelten lassen. Und so lässt er denn an der entsprechenden Stelle seiner Auslegung einen anderen Akzent setzen, unterstrichen durch eine einschlägige Zeichnung.

Die Ära Rutherford

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