Re: Kirchhoff wurde gestorben


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 08. August 2001 19:19:46:

Als Antwort auf: Kirchhoff wurde gestorben geschrieben von Onkel Franz am 08. August 2001 15:24:45:

Wieder so eine nichtssagende Banalität; die Antwort in Sachen Kirchhoff. Der genannte Fakt ist bereits seit geraumer Zeit bei Y... nachlesbar. Wenn dieser "Onkel Franz" da mit seinem Wissen so prahlt und andere beschulmeistern will und dann bietet er nur einen Abklatsch von dem was in der Literatur bereits veröffentlicht wurde; dann fragt man sich: was will er eigentlich? Großartig auf den Putz hauen.
Offenbar eine hohle Fassade, hinter der nicht viel steckt.
Man fragt sich weiter, ob derjenige überhaupt D., H., Y. gelesen hat?

Nun ist einzuräumen, dass wenn man das D.-Buch benutzt und versucht dort über das Personenregister in Sachen Wolfgang Kirchhoff fündig zu werden. Das man dann dort nicht fündig wird. Die Aufnahme in das Personenregister erschien D. wohl nicht opportun. Nichts desto trotz, findet man im eigentlichen Text den Sachverhalt Wolfgang Kirchhoff sehr wohl. Ich zitiere (D. S.728, 733-735 ):

"Eine der wichtigsten und aktivsten Bezirksverwaltungen des MfS, was die operative Bearbeitung der Zeugen Jehovas betraf, war die BV Gera. … Daneben konnte das MfS hier einen Zeugen Jehovas "umdrehen" und bis in die Position eines Kreisdieners bringen. …
In dem Gebiet von Gera war es nach dem Mauerbau am 13. August 1961 gelungen, den IM "Albert" als Gebietsdiener zu qualifizieren (BStU MfS ANS AOP 15388/89, Bd. V, Bl. 285, Analyse der Organisation der Zeugen Jehovas im Bereich Thüringen v. 4. 11. 1969. Der IM "Albert" hatte zuvor schon viele Jahre als IM "Max" für das MfS die Zeugen Jehovas in Gera unterwandert.)

Die BV Gera wollte ihn allerdings noch besser qualifizieren, so daß er stellvertretender Kreisdiener würde. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Verhaftungsaktion 1965 genutzt werden:
"Laut Anweisung der Zentrale 'Zeugen Jehovas' Wiesbaden wird bei Inhaftierung oder sonstigem Ausscheiden des Kreisdieners automatisch der Stellvertreter als Kreisdiener eingesetzt. Unter Kenntnis und Ausnutzung dieser vorhandenen Anweisung der Zentrale wurde die operative Bearbeitung vorgenommen und durchgeführt. IMF 'Albert' erhielt den Auftrag, das Vertrauen von [… B.] zu gewinnen und ständig auszubauen. Das Ziel bestand darin, bei Einsatz des [… B.] als Kreisdiener so zu arbeiten, daß IMF 'Albert' als Stellvertreter des KD eingesetzt wird.

Als am 23. November 1965 die Bezirksdiener und einige Kreisdiener, darunter auch der dort zuständige Kreisdiener, festgenommen wurden, rückte B. in die Funktion eines Kreisdieners auf. Kurze Zeit später suchte er in völligem Unwissen den Gebietsdiener IMF "Albert" auf und beauftragte ihn zur Begeisterung des MfS tatsächlich, als sein Stellvertreter zu fungieren. Aufgrund der IM-Tätigkeit von "Albert" war das MfS nun in der Lage, den gesamten Bereich von Thüringen organisatorisch aufzuarbeiten, die Gruppennummern sowie den Mitgliederbestand sämtlicher Gebiete herauszufinden. Anfang November 1969 waren Hauptmann Teichmann von der MfS-Abt. XX/4 in Gera im Bereich Thüringen ein Bezirksdiener, im Bereich von Halle ein Kreisdiener sowie für die Bereiche Gera, Suhl und Erfurt je ein Kreisdiener bekannt. … Es wurden die Kurierfahrer bekannt, des weiteren die internen Besprechungen zwischen den Kreisdienern und den Gebietsdienern. Daneben die Anzahl der Taufen sowie die Durchführung des Gedächtnismahls und dessen Teilnehmer. Auch der Pionierdienst und die Hausbesuche konnten so in Erfahrung gebracht werden … Einige dieser Pioniere wurden auf frischer Tat gestellt, gehört und aus dem jeweiligen Kreis ausgewiesen. …

Nun unternahm das MfS Störungen der Tätigkeit des Kreisdieners B. und versuchte Widersprüche zwischen Kreisdienern und den Gebietsdienern hervorzurufen.
"Das Ziel der operativen Bearbeitung besteht darin, durch konkrete operative Massnahmen den Kreisdiener [… B. ] stetig zu kompromittieren, um zu erreichen, dass er von seiner Funktion abgelöst wird. Gleichzeitig müssen operative Massnahmen getroffen werden, die das Ziel einer ständigen Zersetzung der feindlichen Organisation beinhalten. Mit der Realisierung dieser Massnahmen besteht die Möglichkeit, den IM 'Albert' in die Funktion des Kreisdieners zu bringen. …

Als gezielte operative Maßnahme gelang es dem MfS am 18. Oktober 1969, einen eingeschleusten Film der Zeugen Jehovas mit dem Titel "Eine frohe Botschaft geht um die Welt" sicherzustellen. Durch diese Beschlagnahmung wurde Aufregung unter den Zeugen Jehovas ausgelöst. Dennoch zog sich der betreffende Kreisdiener weiterhin nicht von seiner Funktion zurück. …
Um den Kreisdiener […B.] auszuschalten, war es erforderlich, ihn mit wichtigem Material, unter anderem Kuriermaterial, zu stellen.
B. hatte immer große Vorsicht walten lassen, daß er nicht entdeckt wurde. Deshalb hatten sich in einem Zeitraum von ca. vier Monaten Unterlagen und Dokumente angesammelt, und er beschloß, dieses Material am 21. Februar 1971 nach Weimar zu einer internen Besprechung in einer Treff-Wohnungt zu transportieren. Das war eine gute Gelegenheit für das MfS, den Kreisdiener endgültig auszuschalten:

"Durch rechtzeitige umfassende Information des IMF 'Albert' an unser Organ (zum Beispiel genaue Zeitangaben, Durchfahrtzeiten u. a.) war es gelungen, eine operative Kombination durchzuführen und den ehemaligen Kreisdiener [… B.] auf dessen Fahrt nach Weimar zu stellen. […]Die aufgeführten Maßnahmen waren ausschlaggebend dafür, daß der Bezirksdiener […H] den ehemaligen Kreisdiener anwies, die Funktion an den … (IMF 'Albert') zu übergeben. Am 18. 03. 1971 wurde IMF 'Albert' endgültig als Kreisdiener bestätigt …

IMF "Albert" sollte aber in der weiteren Perspektive durch gezielte politisch-operative Maßnahmen noch in die Funktion eines der fünf vorhandenen Bezirksdiener in der DDR gebracht werden. Tatsächlich wurde er in der Folgezeit stellvertretender Bezirksdiener und hatte dadurch die Möglichkeit, große Teile des Schriftverkehrs zwischen der Zentrale in Wiesbaden und der Leitung in der DDR an das MfS weiterzuleiten. Er war einer der wertvollsten IM, die das MfS in der DDR in der Organisation der Zeugen Jehovas hatte.
Das spätere Schicksal des IM "Albert" ist noch unklar. Möglicherweise kam es nochmals zu einer Umregistrierung. Schließlich verstarb er unter mysteriösen Umständen noch vor dem Ende der DDR. Hinweis von M. J."

In Ergänzung zu vorstehendem sei noch nachfolgendes aus dem Y...'schen "Visier"-Buch (S. 196) zitiert:
"GI "Max" ist identisch mit dem späteren IM "Albert" (ab 1987: IM "Alex") alias Wolfgang Kirchhoff aus Gera. Ihm wurde 1977 der "Vaterländische Verdienstorden", eine der höchsten Auszeichnungen der DDR, verliehen (Abschrift der BStU-Kopie:
Im Auftrag des Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, auf Vorschlag des Ministers für Staatssicherheit verleihe ich in Anerkennung besonderer Verdienste beim Aufbau und bei der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und der Stärkung der DDR dem Gen. [Wolfgang Kirchhoff] den "Vaterländischen Verdienstorden" in Bronze. Diese Auszeichnung anläßlich des 28. Jahrestages der DDR ist eine Würdigung der besonderen Verdienste eines Patrioten, der seit über 20 Jahren aufs engste mit dem Ministerium für Staatssicherheit verbunden ist und einen entscheidenen Abteil an der Lösung spezifischer Aufgaben hat.

Diese Auszeichnung ist eine Würdigung und Anerkennung für die stets disziplinierte, zuverlässige und treue Pflichterfüllung im Dienste unseres sozialistischen Staates. Diese Auszeichnung ist eine Würdigung der großen Opferbereitschaft bei der Lösung der übertragenen operativen Aufgaben.

Werter Genosse [Kirchhoff]! Sie haben in den über 2 Jahrzehnten als Patriot in den Reihen des Ministeriums für Staatssicherheit jederzeit Ihr gesamtes persönliches Leben der Lösung der operativen Aufgaben untergeordnet. Mit ihrem festen Willen, durch tschekistische Höchstleistungen die Feinde unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Gestalt der feindlichen Organisation "Zeugen Jehovas" und ihrer subversiven Zentren in Wiesbaden und Brooklyn aufzuklären, unter Kontrolle zu halten bzw. zu liquidieren, haben Sie einen entscheidenden Anteil an der Stärkung unserer DDR. Unter ständigen persönlichen Entbehrungen und Opfern im persönlichen, familiären und beruflichen Leben haben sie eine entscheidende Grundlage für das kontinuierliche Eindringen in die feindliche Konspiration geschaffen. So gelang es Ihnen, das uneingeschränkte Vertrauen der Zentralen in Wiesbaden und in den USA zu erzielen. Dies fand seinen Ausdruck in ihrer Bestätigung als Spitzenfunktionär im DDR-Maßstab durch die WTG-Zentrale […] Ihrem Willen und Ihrer Energie der Entwicklung vom einfachen Sektenmitglied bis zum Spitzenfunktionär gehört unsere Hochachtung.

Durch Ihren Einsatz war eine ständige Kontrolle der Aktivitäten innerhalb des ZJ-Bezirks und darüber hinaus gewährleistet und feindliche Aktionen konnten unterbunden bzw. eingeschränkt werden. Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der nachrichtendienstlichen Verbindungen zwischen der Leitung des Ostbüros in Wiesbaden und den Leitungen in der DDR. Ihr operatives tschekistisches Geschick und Können und Ihre erreichte Stellung innerhalb dieser illegalen Organisation bilden die Grundlage für die weitere perspektivvolle inoffizielle Arbeit. Aus diesem Grunde kann Ihre heutige Auszeichnung nur unter den Bedingungen der Konspiration erfolgen. Im Namen der Leitung unseres Ministeriums und der Bezirksverwaltung Gera beglückwünsche ich Sie zu dieser Auszeichnung und wünsche Ihnen weitere Erfolge bei der Bekämpfung der Feinde unserer Entwicklung, Gesundheit und Schaffenskraft.

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