Re: Warum sich um den Kram anderer kümmern?

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 13. Mai 2004 09:59:24:

Als Antwort auf: Re: Warum sich um den Kram anderer kümmern? geschrieben von Abaddon am 13. Mai 2004 08:20:28:

Abaddon schreibt unter anderem, und dazu möchte ich denn „meinen Senf" noch wie folgt dazu geben:

„Bei uns in der Versammlung wurde immer gesagt und kein Geheimnis daraus gemacht, daß einige Zeugen Jehovas in den 1. Weltkrieg verstrickt waren und auch vom 2. WK weiß ich ein paar Details (von wegen Schweiz usw.) …
Aber ich denke der Unterschied zu den anderen Glaubensgemeinschaften ist doch immer noch RIESENGROSS!"

Bis Ende 1916 war der Unterschied keineswegs „riesengroß". Faktisch haben alle Bibelforscher, bis zur Kurskorrektur durch Rutherford, die staatlicherseits in Sachen Wehrdienst belangt wurden, diesen auch angetreten. Auch dann, wenn ihrer Bitte, wie Russell in den „Schriftstudien" empfohlen hatte, (die Bitte zu Sanitätseinheiten oder ähnliches zugeteilt zu werden), nicht stattgegeben wurde.

Das es im Hitlerregime dann grundlegend anders aussah, ist als wesentlichem Faktor auch der Obrigkeitslehre, Made in Rutherford 1929, zuzuschreiben. Bekanntlich gilt auch in der Gegenwart diese Variante der Obrigkeitslehre nicht mehr. In Friedenszeiten lässt sich leicht schwätzen. In Friedenszeiten begegnet man auch in den Reihen der „Großkirchen" Wehrdienstverweigerern. Ob selbige dass in tatsächlichen Kriegszeiten auch noch sind (die hoffentlich nie kommen mögen. Die als Option aber nach wie vor als Damoklesschwert umherschwirren) wage ich zu bezweifeln.
Im Falle Zeugen Jehovas kam noch die akute Endzeit-Naherwartung hinzu. Einer der hingerichteten Kusserows hat das in seinem Begründungsschreiben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Insofern sage ich auch im Falle Zeugen Jehovas:
Nichts ist so alt, wie der Ruhm von gestern!

„Das mit 1975 wurde leider nicht hart genug dementiert - das ist richtig. Wahrscheinlich sind einige in der Schreibabteilung auch dieser Irr-Hoffnung erlegen. Ich weiß nur, daß mein Vater schon damals gesagt hat, daß das totaler Blödsinn sei."

Da wären wir wieder einmal an dem Punkt angelangt, dass in Natura die Zeugen Jehovas keine „homogene" Masse sind, als die sie sich in der Theorie doch so gerne sehen.
Besonders bei ihren zweiten und dritten Generationen usw. ist auch bei ihnen ein gewisser Drang zu mehr „Liberalität", oder anders formuliert, die Tendenz zum Taufschein-Christentum verspürbar. Abaddon scheint mir auch ein Beispiel dafür zu sein.
Es ist nichts neues, dass Christentum auch eine Kulturersatzfunktion wahrnimmt. Man frage doch mal die aktiven Taufschein-Christen andernorts, warum sie denn zur Kirche gingen. Rationale Argumente wird man da weniger vernehmen. Aber sehr wohl solche der Art: Weil es so schön feierlich ist; weil es den gesellschaftlichen Umgang erleichtert; weil es das Vitamin „B" (sprich Beziehungen) fördert; und dass kann ja wohl jeder im heutigen Existenzkampf gut gebrauchen. Abaddon ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein ZJ mindestens der zweiten Generation (er selbst spricht ja davon, dass auch sein Vater schon ZJ ist). Also ist auch in seinem Fall das „Kulturchristentum" ein wesentliches Element.

Nur, wenn es nach der WTG geht, dann sieht sie das eigentlich nicht so gern. Man vergleiche mal den Kommentar zum Wilting-Buch.
Wilting

Eigentliches Ziel der WTG ist die totale Vereinnahmung. Der Totalitarismus im eigentlichen Sinne des Wortes. Um um das „letzte" aus dem Einzelnen herauszupressen, dazu gehört auch die Forcierung der Endzeit-Naherwartungen. Das ist kein „Betriebsunfall". Das ist systembedingt. Ob etliche jener, die im Hitlerregime ihren Kopf aufs Schafott legten, auch dies dann noch getan hätten, wären sie nicht von der Endzeit-Naherwartung durchdrungen, darf bezweifelt werden. Es darf auch bezweifelt werden, dass die WTG-Funktionär Adler, im 1950er DDR-Zeugen Jehovas-Schauprozess (wo er zu lebenslänglich verurteilt wurde), ohne diese vorhandene Indoktrination, auch zu seinem Urteil noch kommentierend gesagt hätte:
„Meine Herren - sie meinen wohl ein Jahr!"

„UN-Mitgliedschaft … ja weiß ich … wobei ich mit NGO-Organisationen GRUNDSÄTZLICH kein Problem habe … nie hatte. (bin auch bei anderen aktiv und auch sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch aktiv - nur nicht parteipolitisch)."

In diesem Punkt habe ich in der Tat eine andere Meinung als etliche andere Ex-ZJ und ZJ, die daran Anstoß nahmen.
Nicht die Mitgliedschaft war das eigentliche „Sakrileg". Viel eher ist es deren Wiederaufkündigung!
Aber klar ist auch. Eine solche Mitgliedschaft ist nicht kongruent mit der jahrzehntelang gepredigten WTG-Ideologie. Die WTG stand somit, nachdem dass ruchbar wurde, vor einer Weggabelung. Meines Erachtens hat sie sich entschlossen den objektiv falschen Weg einzuschlagen.

„Meines Erachtens ist die UNO ein gut gemeintes Projekt, das aber zum Scheitern verurteilt ist, weil es MENSCHEN einfach nicht auf die Reihe bringen in Frieden zu leben.
Für mich ist auch die Idee des KOMMUNISMUS eine gute Idee … Karl Marx („Das Kapital", „Das kommunistische Manifest") und Friedrich Engels usw. waren intelligente Leute, die durchaus gute Ideen hatten. Nur waren die Menschen nicht in der Lage sie richtig umzusetzen … deshalb scheiterte das Projekt.
Meine Meinung: Wenn ich mir gewisse WERTE aus dem Kommunismus zu eigen mache, ist das doch gut, wenn ich aber kommunistisch WÄHLE, so weiß ich von vorn herein, daß irgendwelche Menschen ihre Machtposition wieder ausnutzen."

Auch hier offenbart sich wieder der Grundfehler der Zeugen Jehovas, schon bei Russell nachweisbar. Der Abstraktion. Nur Gott könne die Probleme der Welt lösen.

Lösungsangebote von Menschen sind fehlerhaft - ohne Zweifel. Wenn Fehler erkannt werden, dann sollten oder müssten sie ausgemerzt werden. Bis zum nächsten Fehler, der sich mit Sicherheit wieder melden wird.
Ich weiss, das ist keine „berauschende" Perspektive. Es ist aber die einzig reale Möglichkeit.
ZJ hingegen predigen nur das hoffen und harren auf Gott.

Darauf ist mit Marx zu antworten: Die Philosophen (und Religionen) haben zwar die Welt unterschiedlich erklärt. Worauf es aber eigentlich ankäme wäre - sie zu verändern.


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