Der allerneueste Schrei


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 10. März 2004 06:59:35:

Er war mal maßgeblicher Mitarbeiter der "Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen", als die noch ihren Sitz in Stuttgart hatte. Dann fällte diese Kirche die Entscheidung, dieses Institut wird ins "heidnische Berlin" verlegt. Nicht jeder ihrer Mitarbeiter war über diese Entscheidung "glücklich". Weiß man doch, dass kleinere Religionsgemeinschaften (ein Hauptthema dieses Institutes) in Baden Württemberg, geschichtlich bedingt, in weit relevanterem Umfang anzutreffen sind, als wie im "halbheidnischen" Berlin, dessen Ostteil während der DDR-Zeit auch eine spürbare Entkirchlichung erfuhr.

Indes trotz Protestes einiger Mitarbeiter der EZW blieb es bei der Entscheidung. Maßgebliche Überlegung bei den Kirchenoberen, Berlin nimmt wieder Hauptstadtfunktionen war. Und auch aus lobbyistischen Gründen, wolle man doch lieber in der Nähe der politischen Entscheidungsträger sein. Des einen Freud, des anderen Leid. So auch in diesem Fall. Jedenfalls machte der zeitweilig für die Zeugen Jehovas in der EZW zuständige Werner Thiede den Umzug nicht mit. Er zog es vor, lieber seinen Dienst bei der EZW zu quittieren und sich in der Württembergischen Landeskirche nach einer ihm geeignet erscheinenden Stelle umzusehen. Damit ist die Phase, dass man Thiede als besondere "Kapazität" in Sachen Zeugen Jehovas anredete, mehr oder weniger zum Abschluss gekommen.

1994 war es noch nicht so weit. Da hatte er noch was in Sachen Zeugen Jehovas zu sagen. Einiges davon hat er so "lautstark", unter faktischem Ausschluss der relevanten Öffentlichkeit gesagt, dass man fast sicher sein kann, es wurde nicht gehört.

Denn wer tut es sich schon an, eine weitgehend außerhalb des Buchhandels erscheinende "Festschrift", die Querbeet viele Themen abhandelt, einmal zu sichten? Wohl kaum einer. Kaufen werden solch ein Exemplar die allerwenigsten. Und bestenfalls greift der eine oder andere "Experte" mal gelegentlich auf ein Bibliotheksexemplar davon zurück, sollte ihm der ihn interessierende Aufsatz, darin mal bekannt werden.

Also Thiede kann sicher sein. Zielstellung: Veröffentlichung unter weitgehenden Ausschluß der Öffentlichkeit - erreicht. Zudem die gewählte Überschrift: "Gnostisierende Fundamentalisten? Zur Mythologie der Zeugen Jehovas"
ist kaum geeignet, einen "Run" auf diesen Aufsatz auszulösen. Schon bezeichnend, dass er seine Überschrift einer anderen Theologenpublikation entnahm, und demjenigen, der dieses Wortungetüm kreierte Oberflächlichkeit bescheinigte. Das kann man nur bestätigen.

Wenn das oberflächlich ist; warum übernimmt es dann Thiede, muss man weiter fragen. Eine plausible Antwort darauf ist er jedenfalls schuldig geblieben. Offenbar erschien ihm das als geeigneter Aufhänger, um einmal zu zwei Kernthesen der Zeugen Jehovas etwas näher Stellung zu beziehen.

Bekanntlich hatte es Russell die Lehre von der "Feuerhölle" besonders angetan. Und er hielt sich auch viel darauf zugute, auf sie seinen "Wasserstrahl" gehalten zu haben. Gleichfalls schon seit Russells Tagen, die Ablehnung des Glaubens an eine "Seele".

Sichtet man einschlägige "Publikumsbücher" zum Thema Zeugen Jehovas, die von "gestandenen Theologen" verfasst wurden, fällt schon mal auf, dass um diese beiden Thesen ein großer Bogen des Schweigens gezogen wird. Ist das nicht der Fall, dann eher hilfloses Gestammel. Oder auch das gibt es. Ideologische Rückkehr ins Mittelalter, und von dieser Basis die ZJ "widerlegend". Letztere sind aber doch wohl eher eine Randgruppe. Dominierend drängt sich der Eindruck des "großen Schweigens" bei der Theologenzunft aus. Offenbar aber mit einer Ausnahme, besagtem Herrn Thiede. Der hat doch tatsächlich mal in einer Festschrift (die Otto Normalverbraucher nie lesen wird), dazu Stellung genommen. Welch "großer Fortschritt".

Wie aber "löst" Thiede das Problem? Nun er verkündet vollmundig:
"Diesen Widerspruch gegen eine in der Kirche zumindest noch im vorigen Jahrhundert verbreitete Höllenpredigt halten die ZJ bis heute aufrecht - wobei sie freilich bei vielen Theologen inzwischen offene Türen einrennen. In der Tat wird kaum jemand, der eine ewige Hölle theologisch auch nur für möglich hält, den Grausamkeiten der Harmagedon-Botschaft überzeugend entgegentreten können."

Hört, hört, kann man da nur sagen.

Er weiss weiter zu sagen:
"Kirchliche Eschatologie sollte sich durch die Botschaft von der größeren Liebe und nicht durch die vom größeren Zorn Gottes abgrenzen von den 'Propheten der Angst'"

.

Es liegt mir fern, die Höllenlehre "verteidigen" zu wollen. Mir drängt sich aber im Gegensatz zu Thiede der Eindruck auf, auch in Kenntnis der "Petrusapokalypse", die auch Thiede als Universitätstheologen nicht unbekannt sein dürfte (auch wenn sie in späteren Jahrhunderten den "Neutestamentlichen Apokryphen" zugeschlagen wurde). Mir drängt sich jedenfalls der Eindruck auf. Im Urchristentum wurde das durchaus real als Feuerhölle verstanden.
Davon setzen sich nun die "liberalen", die Universitätstheologen heutzutage mehr kleinlaut ab. Ihnen geht es ja nur um eines. Um die Aufrechterhaltung ihrer jeweiligen Organisationen. Der Wahrheitsgehalt einer Aussage, mutiert in diesem Kontext zum Spielball.

Interessant auch wie sich Thiede in Sachen Seelenlehre windet. Zitat:
"Gänzlich ungnostisch fällt hingegen die Haltung zur Frage der Unsterblichkeit aus. Die vor allem von katholischer Seite tradierte Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird hier in einer Weise korrigiert, die durchaus Luthers Beifall finden könnte: Zu reden sei vom bewußtlosen Schlaf der Seele bis zur Auferstehung. Der 'Wachtturm' … zitiert denn auch als Beleg die berühmte Studie des evangelischen Neutestamentlers Oscar Cullmann mit dem Titel 'Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten?' (1989), um allerdings sogleich wieder pauschal auf den Vorwurf zu verfallen: 'Die Kirchen der Christenheit glauben an die Unsterblichkeit der Seele …' (WT 1. 5. 1990, S. 26).
In Wahrheit gehören in den evangelischen Konfessionen unserer Zeit die Anhänger der Lehre von der Seelenunsterblichkeit, namentlich im Sinne eines wachen 'Zwischenzustandes', eher zur Minderheit."

Um nicht falsch verstanden zu werden. Es geht hier nicht um Verteidigung der Höllen- oder Seelenlehre. Die wird meinerseits nicht erfolgen. Stören tut mich eigentlich nur die "Kaltschnäuzigkeit", wie hier ein ideologischer Bankrott, als der "allerneueste Schrei" verkauft wird.
...

Was 1912 Wahrheit war

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