Re: Gerald Hacke


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 20. Juli 2002 18:19:34:

Als Antwort auf: Falko Schilling geschrieben von Drahbeck am 20. Juli 2002 14:31:33:

Über einen zweiten potentiellen Dissertationskandidaten gibt es neues zu berichten. Gerald Hacke, bekannt durch seine vom Dresdner Totalitarismusinstitut verlegte Studie über die Zeugen Jehovas in der DDR, ist nun erneut "einschlägig" in einer einer Publikation aus dem Jahre 2001 in Erscheinung getreten. "Münchner Platz, Dresden. Die Strafjustiz der Diktaturen und der historische Ort" ist ein von Norbert Haase und Birgit Sack herausgegebenes, im Gustav Kiepenheuer Verlag Leipzig erschienenes Buch betitelt.

Als institutioneller Herausgeber wird die "Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft" genannt. In der beigefügten Autorenvita liest man dass sowohl Haase als auch Sack und nicht uninteressant auch Hacke, beruflich vorgenannter Stiftung angehören; während beispielsweise der in diesem Buch auch vertretene Manfred Zeidler, nunmehr als "freier" Historiker bezeichnet wird. Jene Vokabel "frei" bedeutet in der Regel eine Existenz ohne festes reguläres institutionell abgesichertes Einkommen.

Verlassen wir das personale. Bereits in seiner als Buch vorliegenden Studie machte Hacke die Auskunft, dass selbiges als Diplomarbeit anerkannt wurde und dass er perspektivisch die Absicht habe auch eine Dissertation zum Thema zu verfassen.
Festzuhalten ist weiter, dass die Anforderungen an eine Dissertation in der Regel größer sind, als wie an eine Diplomarbeit. Insoweit bleibt abzuwarten, ob Hacke sein Ziel erreicht.

Der Beitrag von Hacke in diesem Buch (S. 243f.) ist überschrieben:
"Von 'Opfern des Faschismus' zu 'imperialistischen Spionen'. Politische Strafjustiz gegen Zeugen Jehovas am Münchner Platz."
Einleitend erwähnt er über die Zeugen Jehovas:
"Ihre Abkehr vom politischen und gesellschaftlichen Leben und die Erwartung des baldigen Zusammenbruchs der bestehenden Zustände wurde und wird häufig als politische Herausforderung verstanden. Besonders wenn Systeme die politische Parteinahme einforderten, mussten die Zeugen Jehovas in Konflikt mit den Herrschenden geraten."

Zur Politik der Sowjets in dem von ihnen beherrschten Teil Deutschlands merkt er an:
"Im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien und den Sozialdemokraten verspürten die Religionsgemeinschaften vorerst noch keinen Druck seitens der sowjetischen Militär- und der bald kommunistisch dominierten Verwaltungsbehörden. Die SMAD, wie auch die anderen Besatzungsmächte, räumte den Kirchen und Glaubensgemeinschaften einen herausragenden Einfluss auf die geistige Erneuerung Deutschlands ein. Die von der KPD/SED proklamierte Trennung von Staat und Kirche verhalf den kleineren Glaubensgemeinschaften erstmals in der deutschen Geschichte zu einer gleichberechtigten Behandlung gegenüber den etablierten Großkirchen.
Viele Zeugen Jehovas wurden als 'Opfer des Faschismus' … anerkannt."

Hacke erwähnt auch: "In Anbetracht der nicht mehr vorhandenen eigenen Versammlungsmöglichkeiten stellten die sächsischen Kommunen bereitwillig Schulen und andere Räumlichkeiten zur Verfügung."
Den Beginn der Konfrontation im größeren Ausmaß datiert er auf das Jahr 1947. Dazu führt er Details an. Sie sind im Prinzip auch andernorts schon genügend genannt. Als herausragendes diesbezügliches bei Hacke genanntes Event sei noch zitiert:
"Nachdem im Juni 1948 in Dresden die für den dortigen Kreiskongress bereits zugesagte Nutzung der Nordhalle mit ihren 3500 Plätzen kurzfristig abgelehnt worden war, verweigerte die SMA im August auch die Nutzung der Messehallen in Leipzig für die SBZ-weite Bezirksversammlung.

Die Eskalation auf beiden Seiten nahm ihren Fortgang. Die Verlautbarungen des Westberliner Zeugen Jehovas-Kongresses von 1949, schreckten selbst solche SED-Funktionäre wie Walter Ulbricht hoch. Der SED bescheinigt er:
"Da die politisch Verantwortlichen der DDR selbst in einem quasi religiösen Freund-Feind-Denken verhaftet waren, konnten sie zwischen dem realen Gehalt und der religiösen Fiktion der Ankündigungen der Zeugen Jehovas nicht unterscheiden." Die Sachlage spitzte sich weiter zu bis zum Verbot von 1950.

Als einen der tatsächlichen Verbotsgründe (abgesehen von den vorgeschobenen propagandistischen), nennt auch Hacke die Wahlverweigerungsideologie der Zeugen Jehovas.

Zur Verurteilungspraxis der DDR-Justiz wird berichtet, dass allein in Sachsen im Jahre 1950 sieben Urteile mit dem Strafmaß lebenslänglich ausgesprochen wurden. Zitat bei Hacke, um die besondere Rigorosität der sächsischen Justiz herauszustellen:
"Der führende Funktionär der Zeugen Jehovas in Dresden, Georg Bär, wurde vor dem OG in Berlin angeklagt. Dort bekam er eine zeitliche Zuchthausstrafe. Dagegen erhielten in Dresden drei Angeklagte, die in der Funktionärshierarchie unter Bär standen, Zuchthausstrafen auf Lebenszeit."

Der Bericht von Hacke endet mit einem lediglich ½ Seite umfassenden Abschnitt der Zeit nach dem Mauerbau, was man lediglich als Stichwortreferierung ansehen kann. Haupttenor seiner 15-seitigen Ausführung ist demzufolge die Zeit vor 1950. Seine zitierten Ausführungen unterscheiden sie dabei wohltuend von der einer Gabriele Y. oder eines H.-H. D..

Gerald Hacke

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