Re: Im Zeitspiegel


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 10. Januar 2008 06:01:50:

Als Antwort auf: Re: Im Zeitspiegel geschrieben von D. am 28. Dezember 2007 06:03:13:

Was so alles passierte ...
In der Tageszeitung „Volksecho" (Detmold) vom 10. 1. 1948 gelesen:

„Um die Formen des Meinungskampfes
Die katholische Kirche klagt gegen ernste Bibelforscher
Detmold, 7. Januar (Eigener Bericht)
Vor dem Amtsgericht Detmold wurde am Mittwoch gegen die Prediger der ernsten Bibelforscher Viktor Erdmenges und Oskar Hamann verhandelte.
Erdmenges hatte in einer öffentlichen Versammlung der Bibelforscher in Detmold im Februar vorigen Jahres einen Ausspruch Luthers zitierend - in Bezug auf gewisse Lehren der katholischen Kirche erklärt, sie gehörten auf den „Misthaufen der Dekretalien".
Hamann verglich eine Woche später, im Anschluss an ein Bibelwort, die katholische Kirche mit der größten Hure, und machte dem Papst für den Regierungsantritt Hitlers mitverantwortlich und beantwortete eine Frage aus der Versammlung dahingehend, dass, nach seiner Erfahrung aus acht Jahren Konzentrationslagerhaft, 80% der Geistlichen evangelischen und katholischer Konfession, wegen krimineller Delikte inhaftiert gewesen sei.

Der Staatsanwalt vertrat in seinem Plädoyer den Standpunkt, dass der Staat, das Zusammenleben seiner Bewohner regeln müsse, Glaubens-, Rede- und Kritikfreiheit gestatten müsse. Zugleich aber müsse er die Formen des Meinungskampfes regeln, damit nicht der eine dem andern durch Worte, oder wir es zu unserem Schaden erlebten, durch Taten niederknüppele.

Das sei hier nach § 166 StGB geschehen, das öffentliche beschimpfende Äußerungen über eine Religionsgemeinschaft oder ihre Gebräuche unter Strafe stellt. Sein Antrag lautete gegen Erdmenges auf eine Geldstrafe von RM. 300,- gegen Hamann auf RM 600,- oder 6 Wochen bzw. 3 Monate Gefängnis.
Das Gericht erkannte auf je 250,- RM an Stelle von an sich verwirkten 25 Tagen Gefängnis. Es schloss sich der Urteilsbegründung in rechtlicher Hinsicht den Ausführungen des Staatsanwaltes an. Auch wenn die inkriminierten derben Äußerungen von Luther oder in der Bibel gebraucht sind, hindere das nicht, dass wir sie heute als Beschimpfungen empfänden, die das Gefühl des Gegners über die sachliche Kritik hinaus verletzten.

Wegen der Äußerung über den Papst und die Geistlichen wurde Anklagte Hamann freigesprochen. Er habe damit nicht die Institutionen der Kirche oder des Priesterstandes an sich angegriffen, sondern Einzelpersonen, und das ist im Rahmen des § 166 StGB. nicht strafbar. Die Angeklagte und der Staatsanwalt haben Berufung eingelegt.

Das war dann wohl schon der zweite Fall der Art, welcher vor die Schranken des Kadi gelangte.
Der erste war wohl der des August Seck.

Siehe dazu auch:
Parsimony.12533
Auch der WTG-Funktionär Wolfram Slupina erwähnt in einem seiner Texte den Fall Seck mit. Allerdings in einer Form, die doch wohl eher geeignet ist darauf zu antworten. Es wird bagatellisiert, heruntergespielt. Bei Slupina liest man den Satz:
„Auch sind mindestens zwei Fälle dokumentiert, in denen in nicht-sowjetischen Besatzungszonen Zeugen Jehovas wegen ihrer christlichen Tätigkeit zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt wurden (Alma Dickmann in der Französischen Besatzungszone am 13. August 1947; siehe Anklageschrift des Militärgerichts Mainz vom 9. August 1947; und August Seck in der Britischen Besatzungszone am 3. September 1947)."

Herr Slupina muss sich schon zum einem erst mal sagen lassen. Seine Wendung: „Siehe Anklageschrift ..." ist dergestalt unvollständig, dass er dem Leser selbige weder mitteilt noch einen Quellenbeleg für sie nennt. Er geht also davon aus, dass der gewöhnliche Leser den Aktenbestand der WTG, der ihm ja zugänglich ist, kennen könnte: oder was eher wahrscheinlich ist, garnicht es so genau wissen will. Damit entspricht Herr Slupina zwar den gängigen Gepflogenheiten unter Seinesgleichen. Wer sich zu diesen „Seinesgleichen" eben nicht zählt, dürfte das wohl etwas anders sehen. Noch makabrer hingegen wirkt die Wendung „wegen ihrer christlichen Tätigkeit ... verurteilt." Worin denn diese zur Verurteilung führende „christliche" Tätigkeit bestanden haben soll, dass, man ahnt es schon, hält Herr Slupina wiederum nicht für mitteilenswert.

Die „Krone" der Verirrungen-Verwirrungen aber liefert aber Frau Y.... In ihrem „Visier"-Buch (S. 85f. Dok. 9), zitiert sie wortwörtlich eine, wie die WTG-Apparatschicks grundsätzlich zu formulieren belieben „zersetzende Schrift" des Willy Müller vom 22. 5. 1959. Und selbige soll dessen erste „zersetzende Schrift" gewesen sein.
Das mit der ersten mag ja so stimmen, denn die gedruckte Ausgabe der „Christlichen Verantwortung" begann ja erst ab Oktober 1965 zu erscheinen. Es handelt sich somit um einer der diesbezüglichen Vorläufertexte.
Nun denn, im Gegensatz zu Herrn S..., mag denn besagte „zersetzende Schrift" im nachfolgenden, aus genanntem Y...-Buch, einmal dokumentiert werden.

http://www.manfred-gebhard.de/Yonan85.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Yonan86.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Yonan87.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Yonan88.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Yonan89.jpg
Deren Tenor ist klar. Der vermeintliche politische Antikommunismus der WTG, den man im Osten eben nicht hinzunehmen bereit war. Das der Müller da von den Stasi-Funktionären „inspiriert" wurde, bei Thematik und Diktion seiner Ausführungen, kann nicht strittig sein.

Festzustellen ist aber auch. In diesem Text erwähnt Müller mit den August Seck, in der falschen Schreibweise „Sekt" Und er unterstellt, dessen Verhaftung habe etwas mit dem WTG-Antikommunismus zu tun. Da liegt er in der Tat grundlegend schief. Das makabre an der ganzen Sache ist jedoch dass. Einerseits wird zwar von Y... dieser Text dokumentiert; aber andererseits, gibt es keinerlei richtigstellende Detailhinweise. Y... verbreitet somit selbst Falschmeldungen, ohne diese in Detail richtig zu stellen.

Und im Fall Seck gibt es sogar eine interne Stellungnahme der WTG dazu, welche im nachfolgendem als Repro vorgestellt sei.
http://www.manfred-gebhard.de/Seck1.jpg
http://www.manfred-gebhard.de/Seck2.jpg


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