Re: "Wachtturm" 1. 11. 1957 (Vor fünfzig Jahren)


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 01. November 2007 02:06:38:

Als Antwort auf: Re: "Erwachet!" 22. 10. 1957 (Vor fünfzig Jahren) geschrieben von Drahbeck am 22. Oktober 2007 07:08:12:

Über eine spektakuläre „Petition an Generalissimus Trujillo" (Dominikanische Republik) berichtet der „Wachtturm" auf insgesamt sieben Druckseiten in seiner Ausgabe vom 1. 11. 1957. Darin findet man auch solche Angaben wie, jene Regierung habe insgesamt zehn Bürger mit USA-Pass (sprich WTG-Missionare) des Landes verwiesen. Weiter gibt es die Angabe, man habe erst seit 1945 in jenem Lande Fuß gefasst. Bis zum Jahre 1957 war also Zeit genug, die Ergebnisse dieser „Mission" (oder in anderer Lesart: Kolonisation) etwas näher zu besichtigen.

Bereits im Jahre 1950 gab es dann die erste größere Konfrontation. Zitat:
„Im Juni 1950 änderte sich ihre Lage. Die Regierung Ihres Landes erklärte in einem Erlaß, daß diese religiöse Gruppe christlicher Leute eine ungesetzliche Tätigkeit entfalte und daß man alle ihre Versammlungen und ihre Propaganda als etwas betrachte, das sich gegen den Staat richte."
Das wiederum bewirkte dann wohl ein erstes Verbot.
Im 1972er ZJ-Jahrbuch kann man dazu lesen:

„Der Grund für das Verbot bestand gemäß dem Erlaß darin, daß Jehovas Zeugen ihren Anhängern verbieten würden, sich an der Politik zu beteiligen, und ihnen gebieten würden, das Gesetz nur dann zu achten, wenn es mit gerechten Grundsätzen in Übereinstimmung sei, so daß der Anarchie und Unordnung Tür und Tor geöffnet würden. Es hieß, den Anhängern werde verboten, in die bewaffneten Streitkräfte einzutreten und der Flagge Verehrung zu zollen. Es wurde erwähnt, das langjährige Bestehen anderer Religionsgemeinschaften im Lande zeige, daß man einen religiösen Glauben beibehalten und dabei die Gesetze gebührend respektieren könne und somit tätig sein könne, ohne behindert zu werden oder Schwierigkeiten mit der Regierung zu bekommen."

Im August 1956 wurde das Verbot dann wohl wieder aufgehoben. Während dieser Verbots-Zeit hätten die Zeugen gemäß WTG-Angaben eine Zunahme um 400 erreicht. Nun ohne Verbot, errechnete sich die WTG weiter potenzierte Zuwächse. Und damit witterte die WTG erneut „Morgenluft". Eine Folge davon eben die Sendung einer massiven „Portion Missionare" in jenes Land.

Des einen Freud, des anderen Leid. Die nächste Phase liest sich dann so:
„Dann am 30. Juni 1957, leitete ein römisch-katholischer Priester einen offenen Angriffsfeldzug gegen Jehovas Zeugen ein. Zeitungen, Radio und Tonwagen wurden dafür mobilisiert. Von seiten der römisch-katholischen Hierarchie wurde ein religiöser Druck auf die Politiker und die Führer der Regierung ausgeübt ... Zwischen dem 2. und 25. Juli dieses Jahres in den lokalen Zeitungen Nachrichten, die über sechzehn Meter Doppelspalten füllten, die Gefühle der Leute gegen Jehovas Zeugen aufpeitschten. ...

Alle diese ... Anklagen wurden von den Radiostationen, die von der Regierung gefördert werden, aufgegriffen und mit weiteren Kommentaren wiedergegeben.

In Gegenwart eines Missionars, der die Zeugen Jehovas vertrat, sagte ihr Generalmajor Espallat bei einem Telefongespräch, das er mit dem stellvertetenden amerikanischen Gesandten in Ciudad Trujillo hatte, folgendes:
„Was man aus den Zeitungen und durch den Rundfunk über diese Leute vernimmt, zwingt uns, gegen sie einzuschreiten. Deshalb werden wir ein Gesetz erlassen, durch das ihre Tätigkeit im Lande verboten wird."
Dies geschah, als der stellvertretende amerikanische Gesandte sich mit der Bitte an den Generalmajor wandte, nicht zu streng mit Jehovas Zeugen zu verfahren. Schon bevor das Verbot von neuem erlassen wurde, hatte eine heftige Verfolgung der Zeugen Jehovas begonnen."

Man muss diesen Bericht wohl so deuten, dass es der katholischen Kirche in jenem Lande gelang, die wie man so zu sagen pflegt „öffentliche Meinung" gegen die Zeugen zu mobilisieren. Die WTG Ihrerseits sucht nun mittels dieses sieben Seiten umfassenden Artikels in ihrer Zeitschrift, selbiges auch zu tun.

Bei Raymond Franz kann man ergänzend noch zum Fall Dominikanische Republik lesen:

„Außerdem bat mich die Gesellschaft, in bestimmten Abständen in die Dominikanische Republik zu reisen, wo das Werk der Zeugen Jehovas unter der Regierung von Diktator Rafael Trujillo verboten worden war. Dabei ging es vor allem darum, Wachtturm-Literatur ins Land zu schmuggeln. Ich tat dies mehrere Male und sollte dann, im Jahr 1955, versuchen, dem Diktator eine Bittschrift persönlich zu übergeben. Da bekannt war, daß Leute, die sein Mißfallen erregt hatten, einfach verschwanden, war mir bei der Übernahme dieses Auftrags nicht sehr wohl.

Bei meiner Ankunft in Cludad Trujillo (heute Santo Domingo) schickte ich ein Telegramm an den Generalissimo, in dem ich mich lediglich vorstellte als "nordamerikanischer Erzieher mit höchst bedeutsamen Informationen für Sie und Ihr Land".

Man gewährte mir eine Unterredung im Nationalpalast, und ich konnte die Petition seinen Händen übergeben. Zu meiner Überraschung wurde ich nicht des Landes verwiesen und konnte auch in Zukunft unbehelligt regelmäßig meine Schmuggelreisen durchführen.
Im Jahre 1957 wurden alle amerikanischen Missionare der Zeugen aus der Dominikanischen Republik ausgewiesen, nachdem eine Woge brutaler Verfolgung hereingebrochen war, während der viele einheimische Zeugen grausam geschlagen und ins Gefängnis geworfen wurden. Der Hauptgrund dafür war, daß sich die Männer weigerten, am Exerzieren teilzunehmen, wie es das Gesetz über die Wehrübungen vorschrieb.
Doch auch von religiöser Seite kam starke Opposition, die sich in Hetzartikeln von Priestern und Nonnen in den Zeitungen kundtat. Die Gesellschaft bat mich, hinzufahren und die Lage der dominikanischen Zeugen genauer zu erforschen. ...

Der Generalissimo empfing mich in vollem Uniformschmuck mit allen seinen Auszeichnungen (die er sich zum Teil selbst verliehen hatte). Als er herausfand, in welcher Mission ich in Wirklichkeit vorsprach, endete das Gespräch recht schnell. Trotzdem schien es einen günstigen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, denn einige Zeit später wurde das Verbot aufgehoben, nach etwa einem Jahr aber wieder erneut verhängt."

Im 1972er ZJ-Jahrbuch gibt es auch einen Bericht über diese Franz-Mission. Selbige liest sich dort so:
„„Am darauffolgenden Tag erhielt ich im Hotel telefonisch die Nachricht, ich solle am nächsten Morgen um acht Uhr im Nationalpalast erscheinen. An jenem Morgen ging ich zu den Toren des Palastes, und nachdem ich hatte warten müssen, während die Kapelle die Nationalhymne spielte, wobei das ganze Personal der Regierung auf den vielen Balkonen des Palastes stand, durfte ich das Schilderhaus am Tor passieren und die vielen breiten Stufen zum Palast hinaufgehen.
Nachdem man mich in verschiedene Zimmer gebracht und dort nahezu eine Stunde lang allein gelassen hatte und nach einer anschließenden kurzen Unterhaltung mit einem dominikanischen General wurde ich durch eine Halle und durch einen Raum geführt, in dem vier Offiziere standen, und dann wurde ich durch einen Wink aufgefordert, durch einen ziemlich engen Durchgang zu gehen, der in einen großen Raum mündete. Erst als ich in den großen Raum gelangte, sah ich den Diktator, der neben einem großen Schreibtisch stand. Ich hatte kaum erwartet, ihn so leicht zu erreichen.

Nachdem wir uns begrüßt hatten und ich einige günstige Bemerkungen über das Land gemacht hatte, erklärte ich auf spanisch meinen Auftrag, nämlich eine internationale Organisation als deren Abgesandter zu vertreten, um ihm eine Petition zu überreichen. Ich gab ihm zuerst einen Empfehlungsbrief und händigte ihm dann die Petition aus. Trujillo hatte nach der einleitenden Begrüßung nichts gesagt, so daß er den Eindruck erweckte, er sei nervös, weil er nicht wüßte, was er zu erwarten habe. Er fing an, die Petition zu lesen, hielt aber bald inne und schaute mich nur an. Ich sagte ihm, unsere Gesellschaft wolle ihm mitteilen, daß wir es bedauerten, daß wir die einzige religiöse Organisation sein sollten, über die in seinem Land ein Verbot verhängt worden sei, und daß Jehovas Zeugen in der ganzen Welt als friedliche, ehrerbietige, fleißige Bürger bekannt seien. Dies war die erste Erwähnung der Bezeichnung ,Jehovas Zeugen', und offensichtlich hatte er in der Petition den Namen noch nicht gesehen. Nun ,explodierte' er und sagte, Jehovas Zeugen verweigerten den Militärdienst und würden auch nicht das Symbol des Landes grüßen. Ich wies darauf hin, daß der Grund dafür in der Petition erklärt würde und daß hierbei keine politischen, sondern ausschließlich religiöse Beweggründe und Gewissensgründe eine Rolle spielten. Nach einigen weiteren kurzen Äußerungen beiderseits stand er auf, womit das Interview beendet war. Zu meiner Überraschung reichte er mir die Hand. Ich nahm sie, versicherte ihm, daß ich bereit sei, irgendwelche Fragen zu beantworten, die er vielleicht nach dem Lesen der Petition hätte, und ging."

Weiter berichtet Raymond Franz in seinen Erinnerungen:
„ Wir blieben bis 1961 im reisenden Dienst und wurden dann in die Dominikanische Republik versetzt, wo Trujillo gerade kurz zuvor ermordet worden war. In den fünf Jahren unseres Aufenthalts erlebten wir, wie vier verschiedene Regierungen gestürzt wurden, und im April 1965 wurden wir Augenzeugen eines Krieges, der sich in dem Gebiet der Hauptstadt abspielte, in dem wir wohnten. Die meisten Amerikaner und anderen Ausländer verließen das Land. Unsere Missionargruppe wollte die dominikanischen Zeugen Jehovas nicht im Stich lassen, und so erfuhren wir am eigenen Leibe, was Krieg ist. ..."

Man vergleiche zum Thema auch:
Parsimony.19676

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