Zu kurz gegriffen

Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 05. Dezember 2006 07:41:02:

„Kunstgerecht" findet man schon auf dem Buchumschlag einige Wirtschaftsunternehmen verzeichnet, deren „Abdeckungsgebiet" (Immobilien, Briefmarkensammlung, Reisebürotätigkeit) offenbar weitgehend kongruent mit den Individual-Interessen des Autors sind, was sich dann auch in der Floskel niederschlägt
„Folgende Unternehmen, haben zur Veröffentlichung beigetragen ..."

Erinnert man sich recht, gab es da im alten Infolink (nicht das jetzige unter einer anderen URL) mal vor Jahren ein „Angebot" just jenes in Rede stehenden Autors, Reisebürotätigkeit speziell auch für Ex-ZJ-Kreise anbieten zu wollen. Man darf wohl mutmaßen, dass die Nachfrage nach jenem seinerzeitigen Angebot, sich wohl in sehr überschaubarem Rahmen gehalten hat.

Nun also lässt uns dieser Reisebüro-Anbieter (außerhalb dieser doch wohl als seine berufliche Tätigkeit zu bezeichnenden Sachen), an seinen „Reflektionen über Gott und die Welt" in der Form eines Buches teilhaben.
Schon auf dem Buchumschlag liest man:

„Religionen, Extrem-Religionen und Sekten bieten Schutz und Zuflucht, doch manche sind wahre Gefängnisse, aus denen es kaum ein Entrinnen gibt. Aufklärung wird nicht nur weitgehend verweigert, sie wird verteufelt.
Wie steht es um die religiösen Versionen von Leben und Tod, Himmel und Hölle und die Forschung zum Angstthema Tod?"

Und weiter, dass Religionen „bisher nie zum Frieden für die Menschheit beigetragen haben, sondern verantwortlich gewesen sind für Kriege, Leid, Unterdrückung von Frauen und Minderheiten sowie Fanatismus."

Schon an dieser Stelle würde ich partiellen Widerspruch einlegen. Solcher Art Thesen sind mir zu Holzschnittartig. Wenn ein Hitler beispielsweise, der Menschheit den zweiten Weltkrieg beschert hat, dann lag die Motivation dafür sicherlich nicht vordergründig im Religiösen, sondern in ökonomischen Interessen. Damit ist in der Tat Religion an sich noch nicht „entschuldigt". Auch das ist unbestritten.

Aber auf dem Kopf zugesagt, würde ich auch diesem Autor das antworten, was Erich Kästner, angesichts des Umstandes, zweimal mit Bücherverbrennungen, auch der eigenen Bücher, konfrontiert, diesen Tätern ins „Stammbuch" schrieb:

„Sie kannten die Apostelgeschichte. Nicht aber die deutsche Geschichte."

Dies scheint mir so ein Kernsatz zu sein, angesichts solcher Buchautoren wie etwa Lothar Richard Riehl und Uwe Räder, und in Fortsetzung nun eben auch eines Raimund P. Kurz.
Man vergleiche zum Thema auch:
Riehl und Räder

Einen Buchautor kann man doch in erster Linie auch als eine Art Lehrer bezeichnen. Und da stellt sich schon die Frage, was denn für Inhalte er lehrt. Nicht selten (so auch in diesem Fall) drängt sich der Eindruck auf. Es wäre besser, wenn der vermeintliche Lehrer selbst erstmal einiges gelernt hätte, bevor er die Menschheit mit seinen Erkenntnissen „beglückt". Damit ist durchaus noch nicht gesagt, dass alles ausgeführte auch grundlegend falsch wäre. Aber wie sagt schon eine Volksweisheit:
Hätte er geschwiegen, hätte man ihn für weise gehalten. Nun aber, hat er nicht geschwiegen ...

Auf seiner Webseite bietet er denn auch eine Leseprobe aus seinem Buch an. Vielleicht kann man die auch als die „Schokoladenseite" der fraglichen Buches bezeichnen.
Man vergleiche:
www.raimundkurz.de/leseprobe.htm

Nun muss man schon grundsätzlich feststellen. Wer nur eine Zeugen Jehovas bezügliche Abhandlung erwartet, der sieht sich nicht bestätigt.
Dafür steht auch schon mal der Satz:
„Besonders angesprochen werden sollen mit diesem Buch Endzeitreligionen und Sekten, aber auch Weltreligionen, wie zum Beispiel die Katholische und Evangelische Kirche und Muslime."

Ein Zeugen Jehovas-bezügliches Zitat aus dieser „Schokoladenseite" ist beispielsweise das nachfolgende:
„Ein trauriges, nahezu unglaubliches Beispiel dafür bildet das Impfverbot für Jehovas Zeugen, das die Entscheidungsträger der Bibelforscher, wie sich die Jehovas Zeugen zu dieser Zeit bezeichneten, ihren Mitgliedern bereits Anfang der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts auferlegten und das erst im April 1952 offiziell aufgehoben wurde.
Unter anderem wurde in der Leitschrift dieser Glaubensgemeinschaft, dem „Golden Age", immer wieder darauf hingewiesen, dass Impfungen gleichzustellen seien mit Blutessen, Dämonismus, Hurerei und anderer sexueller Unmoral. Das Impfen wurde als Akt des Verbrechens dargestellt, als eine Erfindung des Teufels mit den Folgen von Syphilis, Krebs, Dämonismus und Sittenlosigkeit (The Golden Age, 3. Januar 1923, Seite 214 und 1. Mai 1929, Seite 502).
Noch Anfang der dreißiger Jahre wurden die Mitglieder darauf hingewiesen, dass eine Impfung bisher noch nie ein Menschenleben gerettet und keinerlei Pocken verhütet habe (The Golden Age, 26. September 1934). Selbst medizinische Zeitschriften waren zu diesem Zeitpunkt Angriffsziel dieser religiösen Kriegsführung gegen die Wissenschaft, was Impfungen anbelangte. Dieselbe Ausgabe des Golden Age bezeichnete die Fachzeitschrift der American Medical Association als das „schmutzigste Blatt, das mit der Post befördert wird. Nichts Neues und Nützliches in der Therapie entgeht ihrer unqualifizierten Verurteilung. Ihr Herausgeber gehört zu dem Typ von Juden, die Jesus Christus kreuzigten."
In dem von den Zeugen Jehovas herausgegebenen Buch „Consolation" vom 22. März 1939 wurde auf Seite 21 auf die Spätfolgen des satanischen Treibens durch Impfungen hingewiesen, die sich bis in die dritte und vierte Nachfolgegeneration der Kinder auswirken könnten.
Leider gibt es keine zuverlässigen Berichte, ob oder wie viele Mitglieder von Jehovas Zeugen aufgrund dieses Erlasses ihrer Führungselite ums Leben gekommen sind. Da es 1921 aber allein in den USA mehr als hunderttausend Pockenfälle mit einer Mortalitätsrate von vierzig Prozent gab und Jehovas Zeugen als Hauptrisikogruppe galten, da sie Impfungen verweigerten, ist von sehr vielen vermeidbaren Todesfällen auszugehen."

Hierzu muss man dem Autor schon sagen, dass er mit dieser Aussage keineswegs „originell" ist. Vor ihm haben schon andere auch darauf aufmerksam gemacht. Aber genau diese „anderen" nimmt er nicht ausreichend zur Kenntnis. Wäre es anders, würde er beispielsweise auch auf den Fall Sigrid Raquet zu sprechen kommen. Wäre es anders, wurde er seine Wortwahl präziser gestalten. Und etwa anstelle des Begriffes „Verbot" eher von „Impfgegnerschaft" reden.
Man vergleiche dazu auch:
Das Thema Impfen

Zu den positiv beachtlichen Thesen seines Buches rechne ich beispielsweise die nachfolgende:
„Wie im alten Mesopotamien sollte sich heute jeder darüber bewusst sein, dem Tod nicht entrinnen zu können. Zu spät erkennen manche Betroffene, wie es bei Gilgamesch der Fall war, dass sie ihr wertvolles und kurzes Erdenleben darauf verschwendet haben, für eine scheinbar gute Sache große persönliche Opfer zu bringen, deren Verheißung niemals eintreten wird. Zu spät wird erkannt, dass es besser gewesen wäre, sein Leben mit den gegebenen Möglichkeiten zu genießen."

Genau mit dieser These aber wird Religion das Wasser abgegraben. Was wären denn die Jenseitsverkäufer ohne ihr „Jenseits" (wie immer sie es im Einzelnen auch ausgestalten mögen)?" Doch wohl eher ein Nichts. Da sie aber von Religion leben (nicht selten auch materiell gut) kann nicht sein, was ihren Interessen nicht förderlich.

Dennoch bleibt der Autor bei solchen Thesen auf halber Strecke stecken. Etwa, wenn er den Esoteriker Erich von Däniken und andere Geistesverwandte, bemüht (Literaturverzeichnis). Auch Esoterik ist nichts anderes als vagabundierende Religiosität. Lediglich dass ihre „Autoritäten" ziemlich beliebig auswechselbar sind, was bei der konventionellen Religiosität eher weniger der Fall ist.

Interessiert liest man auch jene breit dargestellten Passagen, welche eine Kritik (frontaler Art) des Alten Testamts der Bibel darstellen. Nun solche Kritik ist wahrlich nicht neu, flammt gelegentlich auch in diesem Forum auf.

Dann aber gälte - es eigentlich - wieder Erich Kästner mit seiner zitierten Aussage zu bemühen:

„Sie kannten die Apostelgeschichte - aber nicht die deutsche."

Und zu dieser deutschen Geschichte gehört eben auch, dass schon ganz andere das Alte Testament abschaffen wollten, es letztendlich aber doch nicht schafften. Und diese Strömungen, verfolgt man sie zurück, landeten allesamt in einer noch größeren Strömung namens „Nationalsozialismus"..

Zur berechtigten Aechtung des Schrifttums der Nazis in deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken gehört auch der Umstand, dass heutzutage kaum einer der „Bildzeitungs-Gebildeten" einen persönlichen Eindruck von solchen Nazischriften hat, wie etwa Alfred Rosenberg „Der Mythus des XX. Jahrhunderts". Es ist wohl war. Die „Bildzeitungs-Gebildeten" würden es auch gar nicht schaffen, diesen „Schinken" von Anfang bis zum Ende zu lesen. Die würden schon alsbald entnervt aufgeben. Interessant, auch Hitler höchstpersönlich gehörte zu jenen, welche es nicht schafften dieses „Elaborat" bis zum Ende durchzulesen. Immerhin ist von letzterem aber auch die Anekdote überliefert. Die einzigsten die sich in diesem „Werke" wirklich auskennten, wären die kirchlichen Gegner Rosenbergs.

Nun liegt es mir fern, für Nazi-Schriften Reklame zu machen. Wohl aber muss der fragwürdige Geschichtsunterricht in diesem Lande sich schon die Frage gefallen lassen, ob sein Unterricht nicht eben doch aus zu vielen „weißen Flecken" besteht. Wäre es nämlich anders, brauchte man sich nicht immer wieder von neuem mit jener Sorte „Apostelgeschichtskenner" herumschlagen, denen im gleichem Atemzug die deutsche Geschichte fremd ist.

Wäre es anders, dürfte auch ein Herr Robin de Ruiter in diesem Lande keine buchhändlerischen Erfolge feiern. Leider ist das eben so nicht. Wäre es anders würden die Kritiker des Alten Testamentes, zugleich auch die deutsche Geschichte mit im Blick haben. Schon allein aus diesem Umstand würde sich manche vermeintliche Ungereimtheit, auf einen niedrigeren - ihr zustehenden Level - reduzieren.

Interessant, durchaus interessant, empfand ich auch seine Aussage bezügliches des „apokryphen" Buches Henoch. Die „Apostelgeschichte-Gebildeten" pflegen ja in der Regel keine der sogenannten „Apokryphen" aus dem Umfeld der Bibel zu lesen. Hier, aber, der Herr Kurz, ist offenbar eine Ausnahme von dieser Regel. Und das sei ihm ausdrücklich positiv anerkannt. Und so sei den seine Zusammenfassung nicht vorenthalten, welche er besagtem Henoch-Buch widmet:

„Im Gegensatz zum biblischen Bericht der Riesen, der Nephilims, ist die Aufzeichnung in der Henoch-Apokryphe mehr als einzigartig. Nicht nur die detaillierten Aufzeichnungen sprechen für sich, sondern auch die Tatsache, dass diese in vielen Einzelheiten im Widerspruch zur biblischen Lehre stehen und diese plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Würde man der Henoch-Apokryphe vollständig Glauben schenken, dann müsste die konservative Auslegung der Bibel durch die Kirchen und Religionen völlig neu überarbeitet werden. Es würde festgestellt werden, dass Moses tatsächlich nur Abschreiber von Ereignissen gewesen ist, die er nur zum Teil vom Hören und Sagen kannte, oder nur das überlieferte, was zu seinem Nutzen gewesen ist."

Zu den Bedenklichkeiten in dem Buch, rechne ich beispielsweise auch die Darstellung des Nostradamus als Propheten. Das liegt dann zwar auf der Zeugen Jehovas-Linie welche auch permanent auf der Suche nach Propheten sind. Gleichwohl kann solche Wertung (zumindest von meiner Seite) nicht kritiklos hingenommen werden. Und diese Kritik wurde schon mal in die Worte zusammengefaßt:

„Kommentar zu Nostradamus.
Er prophezeite in der Sache wenn auch nicht in der Wortwahl:
"Wenn der Hahn kräht auf dem Mist - ändert sich das Wetter oder es bleibt so wie es ist!"
Danke; auf solche Art von "Propheten" kann ich auch verzichten!
In dem 1981 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch von Charles Berlitz (auch so ein USA-Import) liest man auch den Satz:
"Nostradamus, der französische Gelehrte und Seher jüdischer Abstammung des 16. Jahrhunderts, der sonst eher vage und verschleierte Andeutungen machte, nannte ein ganz präzises Datum, als er diesbezüglich vorhersagte:
Im siebten Monat neunzehnneunzigneun kommt vom Himm'l ein großer Schreckenskönig …
Diejenigen unter uns, die das Jahr 1999 noch erleben, werden ja, wenn es soweit ist, die Zuverlässigkeit dieser so genau datierten Prophezeiung des Nostradamus beurteilen können."

Berlitz, 1913 geboren, beruft sich da zwar ausnahmsweise mal nicht auf die Bibel. Das macht aber seine versalzene Suppe auch nicht besser. Mit oder ohne Bibel, wird Irrationalismus in den Vordergrund gestellt. Traurig ist nur, dass es offensichtlich nach wie vor Leute gibt, die nach so etwas "dürsten". Und noch trauriger sind die Geschäftemacher anzusehen, die da dieses offenbar unausrottbare "Bedürfnis" glauben befriedigen zu können oder sollen. Ob jener Herr Berlitz sein Jahr 1999 noch erlebte ist mir nicht bekannt. Er darf sich einreihen in das Heer jener, die da einen anderen "Charles" ebenfalls zum Propheten hochstilisierten, nebst Nachfolgern.
Windige Scharlatane sind sie allesamt!"

Aus einem grundsätzlichen Dilemma konnte sich auch dieser Autor (aber nicht nur er) nicht befreien. Dieses Dilemma ließe sich in dem Satz zusammenfassen:
Das die Philosophen (und Religionen) die Welt nur unterschiedlich erklärt hätten. Worauf es aber ankäme wäre - sie zu verändern.

Jener Herr der diesen sinngemäß zitierten Sinnspruch zuerst zu Papier brachte, ist in weiten Kreisen nicht gut gelitten. Wissen sie doch, der meinte seine Aussage primär politisch. Und genau diese Erkenntnis läßt ihnen dann den „Angstschweiß" auf die Stirne treten.
Ob eine politische Argumentation den Zeugen Jehovas gegenüber sinnvoll ist, mag man zu Recht anzweifeln. Es kann auch nicht darum gehen, selbige nun zum politischen Handeln zu bekehren. Das wäre wohl weitgehend erfolglose Liebesmüh. Aber man muss ja den genannten Sinnspruch keineswegs nur politisch auffassen.

Was wäre beispielsweise (das Impfthema ist durchaus ein solches) hätten wissenschaftlich orientierte Kreise sich eben nicht von den Religiösen abgenabelt. Ob es dann schon zur wirksamen Bekämpfung einiger (keineswegs „aller") Krankheitsgeiseln der Menschheit gekommen wäre, ist doch sehr die Frage. Ist doch die Motivation der Impfgegner zum nicht unwesentlichen Teil in dem Aspekt begründet. „Da wird ja Gott ins Handwerk gepfuscht". Offenbar hat dieser Gott dieses ins „Handwerk pfuschen" mehr als notwendig!

Insofern hat der Sinnspruch von der notwendigen Veränderung auch auf dieser Ebene seine Berechtigung.
Im Gesamtresümee indes hat der Autor Raimund P. Kurz nur ein Buch mehr abgeliefert, dass die Welt wieder mal unterschiedlich „erklärt".

Zu seinen Erklärungsversuchen gehört auch die Zitierung der „Nahtod-Forscherin" Kübler-Ross mit der Aussage:
„Der Tod ist ein Hinübergehen in einen neuen Bewusstseinszustand, in dem man fortfährt zu fühlen, zu sehen, zu verstehen, zu lachen und befähigt ist, weiterhin zu wachsen."

Und damit wäre der Autor wieder auf dem Boden der Religion zurückgekehrt, die bekanntliche viele Gesichter trägt ...
Der Religions-Interpreten sind viele. Die Welt ist nun um einen „reicher"!


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