Re: Die Antwort von August Bebel


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von D. am 02. Oktober 2006 12:59:33:

Als Antwort auf: Re: "Herrmann".....? geschrieben von gert am 02. Oktober 2006 11:24:30:

Da dieses Thema offenbar zur Domäne konservativer Ansichten ausgeartet, sollen als (relativer) Kontrast dazu mal ein paar Sätze aus dem Buche von August Bebel "Die Frau und der Sozialismus" (zitiert nach der 50. Auflage 1909) gebracht werden.
Bebel war bekanntlich ein führender zeitgenössischer Funktionäre der Sozialdemokratie (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen "Beamten- und Pfarrerpartei" gleichen Namens von heute).
Die Bibelforscher-Religion verstand sich zeitgenössisch (und auch in der Gegenwart) als "Konkurrenz bis aufs Messer" zur ihr. Theoretisch - wirklich nur theoretisch - ähnlichen "Idealen" huldigend besteht der wesentliche Unterschied zwischen beiden Strömungen darin.
Die eine will durch eigenes Handeln Veränderungen herbeiführen. Die andere sieht sich als "Hallejuja-Verein" unter dem Vorwand Endzeit-Naherwartung, die in Wahrheit nur die faktische Konservierung, wenn es sein muss auch der allerschlimmsten gesellschaftlichen Verhältnisse ist.

Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema kann man auch finden in:

Edgar: Der Sozialismus und die Bibel


Nachfolgende Zitate erheben nicht an den Anspruch "alle" Facetten dieses Buches "erfasst" zu haben. Gleichwohl geht es in erster Linie die nun hier schon xmal vorgetragenen konservativen Positionen, nicht ohne Widerspruch zu lassen. Auf einen Nachweis der Seitenangaben der einzelnen Stellen wird verzichtet. Das Buch ist mit etlichen, unter anderem auch auf einer CD-ROM-Ausgabe "Philosophie von Platon bis Nietzsche" enthalten.

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Während die einen das Buch als das nichtsnutzigste und gefährlichste Buch bezeichnen, das in neuerer Zeit erschienen sei (in diesem Sinne sprach sich eine in Berlin erscheinende antisemitische Zeitung aus), erklären andere – darunter zwei evangelische Geistliche – es für eines der sittlichsten und nützlichsten Bücher, die es gebe. Ich bin mit dem einen Urteil so zufrieden wie mit dem anderen. Ein Buch, das über öffentliche Dinge geschrieben ist, soll wie eine Rede, die über öffentliche Angelegenheiten gehalten wird, zur Parteinahme zwingen. Nur dann erreicht es seinen Zweck.

Was das Buch bezweckt, und wie ich wohl sagen darf, in hohem Grade erreichte – Bekämpfung der Vorurteile, die der vollen Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sowie die Propaganda für die sozialistischen Ideen, deren Verwirklichung allein der Frau ihre soziale Befreiung verbürgen –, wird es auch in der nunmehr vorliegenden Gestalt und, wie ich hoffe, in noch höherem Grade erreichen. Vergeht doch kein Tag, der dem Denkenden nicht immer neue Belege dafür bringt, daß nur eine Umgestaltung von Staat und Gesellschaft von Grund aus der immer größer werdenden Zerrüttung unserer staatlichen und sozialen Zustände ein Ende bereiten kann.

Es muß daher, wer die Lösung der Frauenfrage in vollem Umfange erstrebt, mit jenen Hand in Hand gehen, welche die Lösung der sozialen Frage als Kulturfrage für die gesamte Menschheit auf ihre Fahne geschrieben haben,

Frau und Arbeiter haben gemein, Unterdrückte zu sein. Die Formen dieser Unterdrückung haben im Laufe der Zeiten und in den verschiedenen Ländern gewechselt, aber die Unterdrückung blieb.

Alle soziale Abhängigkeit und Unterdrückung wurzelt in der ökonomischen Abhängigkeit des Unterdrückten vom Unterdrücker. In dieser Lage befindet sich von früher Zeit an die Frau, das zeigt uns die Geschichte der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Anders als auf dem Wege des Inzestes ist uranfänglich die Vermehrung der Menschen nirgend möglich, namentlich wenn, wie in der Bibel, die Abstammung von einem Menschenpaar angenommen wird. Die Bibel widerspricht sich selbst in diesem heiklen Punkte; sie erzählt, daß Kain, nachdem er seinen Bruder Abel erschlagen hatte, von dem Angesicht des Herrn ging und im Lande Nod wohnte. Dort erkannte er sein Weib, die schwanger ward und ihm einen Sohn gebar. Aber woher stammte sein Weib? Waren doch Kains Eltern die ersten Menschen. Nach der jüdischen Tradition wurden Kain und Abel auch zwei Schwestern geboren, mit denen sie im Inzest Kinder zeugten. Die christlichen Bibelübersetzer scheinen diese ihnen fatale Tatsache unterdrückt zu haben.

Huldigte die Männerwelt Griechenlands der Knabenliebe, so verfiel die Frauenwelt in das andere Extrem, sie verfiel der Liebe zu Angehörigen des eigenen Geschlechts. Es war dieses besonders bei den Bewohnerinnen der Insel Lesbos der Fall, weshalb diese Verirrung die lesbische Liebe genannt wurde und noch genannt wird, denn sie ist nicht ausgestorben und besteht unter uns fort. Als Hauptrepräsentantin dieser Liebe galt die berühmte Dichterin Sappho, »die lesbische Nachtigall«, die um 600 vor unserer Zeitrechnung lebte.

Entgegengesetzt den Gewohnheiten der Römer zur Kaiserzeit, Ehe- und Kinderlosigkeit immer mehr überhandnehmen zu lassen, handelten die Juden. Zwar besaß die Jüdin kein Recht zur Wahl, der Vater bestimmte ihr den Gatten, aber die Ehe war eine Pflicht, die sie getreulich befolgte. Der Talmud rät: »Wenn deine Tochter mannbar ist, so schenke einem deiner Sklaven die Freiheit und verlobe sie mit ihm.« Ebenso befolgten die Juden redlich das Gebot ihres Gottes: »Seid fruchtbar und mehret euch.« Dementsprechend haben sie allen Verfolgungen und Unterdrückungen zum Trotz sich fleißig vermehrt; sie sind die geschworenen Gegner des Malthusianismus.
Schon Tacitus sagt von ihnen: »Unter ihnen herrscht hartnäckiges Zusammenhalten und bereitwillige Freigebigkeit, aber gegen alle anderen feindseliger Haß.

Die Frau ist nach dem Christentum die Unreine, die Verführerin, welche die Sünde in die Welt brachte und den Mann zugrunde richtete. Daher haben die Apostel und die Kirchenväter stets die Ehe nur als ein notwendiges Übel angesehen, wie man das heute von der Prostitution sagt. Tertullian ruft: »Weib, du solltest stets in Trauer und Lumpen gehen, dem Blick deine Augen voll Tränen der Reue darbietend, um vergessen zu machen, daß du das Menschengeschlecht zugrunde gerichtet hast. Weib! Du bist die Pforte zur Hölle!« Und: »Ehelosigkeit muß gewählt werden, wenn auch das Menschengeschlecht zugrunde geht.« Hieronymus sagt: »Die Ehe ist immer ein Laster, alles, was man tun kann, ist, sie zu entschuldigen und zu heiligen«, weshalb man sie zum kirchlichen Sakrament machte. Origenes erklärt: »Die Ehe ist etwas Unheiliges und Unreines, Mittel der Sinnenlust«, und um der Versuchung zu widerstehen, entmannte er sich. Augustin lehrt: »Die Ehelosen werden glänzen am Himmel wie leuchtende Sterne, während ihre Eltern (die sie gezeugt) den dunklen Sternen gleichen.« Eusebius und Hieronymus stimmen darin überein, daß der Ausspruch der Bibel: »Seid fruchtbar und mehret euch«, nicht länger der Zeit mehr entspreche und die Christen nicht kümmere. Es ließen sich noch Hunderte von Zitaten der einflußreichsten Kirchenlehrer anführen,

Petrus ruft mit Nachdruck: »Frauen, seid gehorsam euren Männern.« Paulus schreibt an die Epheser: »Der Mann ist das Oberhaupt des Weibes, wie Christus das Oberhaupt der Kirche«, und an die Korinther: »Der Mann ist das Ebenbild und der Ruhm Gottes und die Frau der Ruhm des Mannes.« Danach kann sich jeder Pinsel von Mann für besser halten als die ausgezeichnetste Frau, und in der Praxis ist es bis heute so. Auch gegen die höhere Bildung der Frau erhebt Paulus seine gewichtige Stimme, indem er, 1. Timotheum 2, 11 usw., sagt: »Ein Weib lerne in der Stille mit aller Untertänigkeit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei.« Und Korinther 14, 34 und 35: »Eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeinde, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so laßt sie daheim die Männer fragen. Es stehet den Weibern übel an, unter der Gemeinde zu reden.« Der heilige Thomas von Aquino (1227 bis 1274) sagt: »Die Frau ist ein schnell wachsendes Unkraut, sie ist ein unvollkommener Mensch, dessen Körper nur deshalb schneller zur vollständigen Entwicklung gelangt, weil er von geringerem Wert ist und weil die Natur sich weniger mit ihr beschäftigt.« »Die Frauen werden geboren, um ewig unter dem Joch ihres Herrn und Meisters gehalten zu werden, den die Natur durch die Überlegenheit, welche sie in jeder Hinsicht dem Manne übertragen, zur Herrschaft bestimmt hat.«

Das Konzil zu Macon, das im sechsten Jahrhundert darüber stritt, ob die Frau eine Seele habe, und mit einer Stimme Mehrheit sich dafür entschied, spricht ebenfalls gegen jene frauenfreundliche Auffassung. Die Einführung des Zölibats der Geistlichen durch Gregor VII. das veranlaßt war, um in den ehelosen Geistlichen eine Macht zu besitzen, die durch keine Familieninteressen dem Dienst der Kirche entfremdet würden, war nur möglich bei den der Kirche zugrunde liegenden Anschauungen über die Sündigkeit fleischlicher Begehren. Auch verschiedene Reformatoren, namentlich Kalvin und die schottischen Geistlichen, haben durch ihr Wüten gegen des »Fleisches Lüste« an der frauenfeindlichen Auffassung des Christentums keinen Zweifel gelassen.
Indem die katholische Kirche den Marienkultus einführte, setzte sie mit kluger Berechnung denselben an Stelle des Kultus der heidnischen Göttinnen, der bei allen Völkern, über die das Christentum sich damals ausbreitete, vorhanden war. Maria trat an die Stelle der Kybele, Mylitta, Aphrodite, Venus, Ceres usw. der südlichen Völker, an die Stelle der Freia, Frigga usw. der germanischen Völker, sie wurde nur christlich-spiritualistisch idealisiert

Besonders verhängnisvoll für den moralischen Zustand der Zeit wirkten auch die Kreuzzüge, die Zehntausende von Männern auf Jahre der Heimat fern hielten und die namentlich im oströmischen Reich Sitten kennenlernten, die bis dahin in Westeuropa so gut wie unbekannt waren.

Phantasiereiche Romantiker und Leute von schlauer Berechnung haben den Versuch gemacht, das Mittelalter als besonders sittlich und als beseelt von wahrer Frauenverehrung darzustellen. Dazu muß besonders die Zeit der Minnesänger – vom zwölften bis zum vierzehnten Jahrhundert – die Folie geben. Der Minnedienst (Liebesdienst) des Rittertums, den es zuerst bei den Moriscos in Spanien kennenlernte, soll Zeugnis für die hohe Achtung ablegen, in der zu jener Zeit die Frau stand. Da ist an einiges zu erinnern. Erstens bildete die Ritterschaft nur einen sehr geringen Prozentsatz der Bevölkerung und dementsprechend auch die Ritterfrauen von den Frauen; zweitens hat nur ein sehr kleiner Teil der Ritterschaft jenen so verherrlichten Minnedienst geübt; drittens ist die wahre Natur dieses Minnedienstes stark verkannt oder entstellt worden. Das Zeitalter, in dem dieser Minnedienst blühte, war das Zeitalter des schlimmsten Faustrechtes in Deutschland, in dem alle Bande der Ordnung gelöst waren und die Ritterschaft sich ungezügelt der Wegelagerei, dem Raub und der Brandschatzung hingab. Eine solche Zeit der brutalsten Gewalttätigkeiten ist keine, in der milde und poetische Gefühle vorherrschen. Im Gegenteil. Diese Zeit trug wesentlich dazu bei, die etwa noch vorhandene Achtung vor dem weiblichen Geschlecht zu zerstören

Die verheiratete Frau des Bürgerstandes lebte in jener Zeit in strenger häuslicher Zurückgezogenheit; die Zahl ihrer Arbeiten und Verrichtungen war eine so große, daß sie als gewissenhafte Hausfrau von früh bis spät auf dem Posten sein mußte, um ihren Pflichten zu genügen, und das war ihr nur mit Hilfe ihrer Töchter möglich. Es waren nicht bloß die täglichen häuslichen Arbeiten zu verrichten, die auch noch heute die kleinbürgerliche Hausfrau zu verrichten hat, sondern auch noch viele andere, von welchen die Frau der Gegenwart durch die moderne Entwicklung befreit worden ist. Sie mußte spinnen, weben, bleichen, die Wäsche und die Kleider selber fertigen, Seife kochen, Lichter ziehen, Bier brauen, kurz, sie war das reine Aschenbrödel und ihre einzige Erholung der Kirchgang am Sonntag. Eheschließungen kamen nur innerhalb desselben gesellschaftlichen Kreises vor, der strengste und lächerlichste Kastengeist beherrschte alle Verhältnisse. Die Töchter wurden in dem gleichen Geiste erzogen und in strengster häuslicher Klausur gehalten; ihre geistige Ausbildung war unbedeutend, und ihr Gesichtskreis ging nicht über den Rahmen der engsten häuslichen Beziehungen hinaus. Dazu kam ein leeres und hohles Formenwesen, das Bildung und Geist ersetzte und das Leben der Frau zu einem wahren Tretmühlengang machte. Der Geist der Reformation war in das ärgste Zopftum ausgeartet, die natürlichsten Triebe im Menschen und seine Lebensfreudigkeit wurden unter einem Wust von »würdig« vorgetragenen, aber geisttötenden Lebensregeln erstickt. Hohlheit und Beschränktheit beherrschten das Bürgertum, und was hinter diesem stand, lebte unter einem bleiernen Drucke und unter den kümmerlichsten Bedingungen.

In der bürgerlichen Welt rangiert die Frau an zweiter Stelle. Erst kommt der Mann, dann sie. Es besteht also fast das umgekehrte Verhältnis wie im Zeitalter der Mutterfolge. Die Entwicklung vom primitiven Kommunismus zur Herrschaft des Privateigentums hat in erster Linie diese Umwandlung herbeigeführt.
Plato dankte den Göttern für acht Wohltaten, die sie ihm erwiesen hätten. Als die erste Wohltat betrachtete er, daß sie ihn als Freien und nicht als Sklaven geboren sein ließen, aber die zweite war, daß er als Mann und nicht als Frau geboren wurde. Ein ähnlicher Gedanke spricht sich im Morgengebet der Judenmänner aus. Diese beten: »Gelobt seist du Gott unser Herr und Herr aller Welt, der mich nicht zu einem Weibe gemacht hat.« Dagegen beten die Judenfrauen an der entsprechenden Stelle: »... der mich nach seinem Willen geschaffen hat.« Der Gegensatz in der Stellung der Geschlechter kann nicht schärfer zum Ausdruck kommen, als es im Ausspruch Platos und im Gebet der Juden geschieht. Der Mann ist der eigentliche Mensch nach zahlreichen Stellen in der Bibel, wie nach der englischen und französischen Sprache, in der für Mann und Mensch das gleiche Wort vorhanden ist.

Wir sehen also, daß die Frauen mehr als zwei Drittel aller Anträge auf Ehescheidung stellten4). Und ein ähnliches Bild zeigt uns Italien. Es wurden dort in den Jahren 1887 und 1904 1.221 und 2.103 Ehescheidungsklagen erledigt. Von diesen hatten die Frau 593 und 1.142, der Mann 214 und 454, beide Ehegatten 414 und 507 veranlaßt.
Die Statistik belehrt uns aber nicht allein, daß die Frauen die meisten Anträge auf Ehescheidung stellen, sie belehrt uns auch, daß die Zahl der Ehescheidungen in rascher Zunahme begriffen ist

Unser christlicher Staat, dessen Christentum man in der Regel dort vergeblich sucht, wo es angewendet werden sollte, und dort findet, wo es überflüssig oder schädlich ist, dieser christliche Staat handelt wie der christliche Bourgeois, was den nicht wundert, der weiß, daß der christliche Staat nur der Kommis unseres christlichen Bourgeois ist. Der Staat entschließt sich schwer zu Gesetzen, welche die Frauenarbeitszeit auf ein erträgliches Maß beschränken und die Kinderarbeit verbieten, wie er auch vielen seiner Beamten weder ausreichende Sonntagsruhe noch eine normale Arbeitszeit gewährt und so ihr Familienleben schädigt. Post-, Eisenbahn-, Gefängnisbeamte usw. müssen häufig weit über das zulässige Zeitmaß ihren Dienst versehen, aber ihre Entlohnung steht im umgekehrten Verhältnis

Daß gegenwärtig das weibliche Geschlecht geistig im Durchschnitt unter dem männlichen steht, darüber dürfte keine Meinungsverschiedenheit bestehen. Balzac, der durchaus kein Frauenfreund war, behauptet zwar: »Eine Frau, die eine männliche Bildung erhalten, besitzt in der Tat die glänzendsten und fruchtbarsten Eigenschaften zur Begründung ihres eigenen Glückes und des ihres Gatten«, und Goethe, der Frauen und Männer seiner Zeit gut kannte, äußert bissig in Wilhelm Meisters Lehrjahren (Bekenntnisse einer schönen Seele): »Man hat die gelehrten Weiber lächerlich gemacht, und man wollte auch die unterrichteten nicht leiden, wahrscheinlich, weil man für unhöflich hielt, so viel unwissende Männer zu beschämen«, aber dadurch wird an der Tatsache, daß im allgemeinen die Frauen geistig hinter den Männern zurückstehen, nichts geändert. Dieser Unterschied muß auch vorhanden sein, weil die Frau nur ist, wozu sie der Mann als ihr Beherrscher gemacht hat. Die Bildung der Frau ist noch mehr als jene des Proletariers von jeher vernachlässigt worden, und was gegenwärtig Besseres geleistet wird, ist unzulänglich. Wir leben in einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Ideenaustausch in allen Kreisen wächst, und da stellt sich die vernachlässigte geistige Ausbildung der Frau als ein großer Fehler heraus, der sich an dem Manne rächt.

Schon den Alten war der Herd heilig, und neben ihm stellten sie ihre Laren und Schutzgötter auf –, lasset auch uns den Herd heilig halten, auf dem die pflichttreue deutsche Bürgerfrau einen langsamen Opfertod stirbt, um das Haus behaglich, den Tisch gedeckt und die Familie gesund zu erhalten.«
Das ist der Trost, den die bürgerliche Welt der an der gegenwärtigen Ordnung der Dinge elend zugrunde gehenden Frau bietet.

Der Rat an die Frau, in der Ehe, als ihrem eigentlichen Beruf, ihr Heil zu suchen, ein Rat, dem von der Mehrzahl der Männer gedankenlos applaudiert wird, klingt aber wie der bitterste Hohn, wenn Ratgeber wie Beifallklatscher das Gegenteil tun. Schopenhauer, der Philosoph, hat für die Frau und ihre Stellung nur das Verständnis des Spießbürgers. Er sagt: »Das Weib ist nicht zu großen Arbeiten berufen. Sein Charakteristikon ist nicht das Tun, sondern das Leiden. Es bezahlt die Lebensschuld durch die Wehen der Geburt, Sorge für das Kind, Unterwürfigkeit unter den Mann. Die heftigsten Äußerungen der Lebenskraft und Empfindung sind ihm versagt. Sein Leben soll stiller und unbedeutsamer sein als das des Mannes. Zur Pflegerin und Erzieherin der Kindheit ist das Weib berufen, weil es selbst kindisch, zeitlebens ein großes Kind bleibt, eine Art Mittelstufe zwischen Kind und Mann, welcher der eigentliche Mensch ist.... Zur Häuslichkeit und Unterwürfigkeit sollen die Mädchen erzogen werden.... Die Weiber sind die gründlichsten und unheilbarsten Philister.«

Die Statistik zeigt, daß die sozial bessergestellten und gebildeten Klassen durchschnittlich in einem höheren Alter eine Ehe zu schließen pflegen als die unteren. So betrug das durchschnittliche Heiratsalter in Kopenhagen 1878 bis 1882 (nach Westergaard) für freie Berufe, Fabrikanten, Großhändler und Bankiers 32,2 Jahre; für Handwerker und Kleinhändler 31,2; für Handelskommis und Angestellte 29,7; für Kellner und Dienstboten 28; für Fabrikarbeiter, Matrosen und Taglöhner 27,5. In Preußen betrug 1881 bis 1886 das durchschnittliche Heiratsalter beim männlichen Geschlecht für Bergbau 27,6; Fabrikarbeiter 27,7; Metallarbeiter 28; Industrie der Steine 28,2; Baugewerbe 28,6; Holzindustrie 28,7; Maschinenfabrikation 29; Erziehung, Unterricht 29,1; Landwirtschaft 29,6; Verkehrsgewerbe 30; Handel 30,9; Gesundheitspflege, Kirche, Beamte 31,8 bis 33,4. In England betrug von 1840 bis 1871, nach Ansell, das Heiratsalter der Bessersituierten und Gebildeten durchschnittlich 29,95 Jahre, seitdem hat es sich aber für diese Klassen erhöht.

Die sogenannte Nymphomanie bei Frauen wie zahlreiche Arten der Hysterie entspringen in den meisten Fällen dieser Quelle. Zu hysterischen Anfällen fährt ferner das Unbefriedigtsein in der Ehe, das oft auch Unfruchtbarkeit verschuldet.
Das ist in den Hauptzügen unser heutiges Eheleben und seine Wirkungen. Das Resultat ist: Die heutige Ehe ist eine Einrichtung, die mit dem bestehenden sozialen Zustand aufs engste verknüpft ist und mit ihm steht und fällt. Aber diese Ehe ist in der Auflösung und im Verfall begriffen, genau wie die bürgerliche Gesellschaft selbst. Denn was stellten wir über die bürgerliche Ehe fest?
1. Es sinkt relativ die Zahl der Geburten, obgleich die Bevölkerung im ganzen wächst, was dafür spricht, daß die Lebenslage der Familie sich verschlechtert.
2. Es steigt die Zahl der Ehescheidungsanträge, und zwar erheblich stärker, als die Bevölkerung sich vermehrt, und in der Mehrzahl der Fälle sind es die Frauen, welche die Anträge stellen, obgleich sie wirtschaftlich und gesellschaftlich am meisten unter der Scheidung leiden. Das spricht dafür, daß die ungünstig wirkenden Faktoren in der Zunahme begriffen sind, die Ehe sich also auflöst und zerfällt.
3. Es sinkt relativ die Zahl der Eheschließungen, obgleich die Bevölkerung wächst, was beweist, daß die Ehe in den Augen vieler ihren sozialen und moralischen Zwecken nicht mehr entspricht und als wertlos oder bedenklich angesehen wird.
4. Es besteht in fast allen Kulturstaaten ein Mißverhältnis in der Zahl der Geschlechter, und zwar zuungunsten des weiblichen Geschlechts, das nicht durch die Geburten erzeugt wird – denn es werden durchschnittlich mehr Knaben als Mädchen geboren –, sondern ungünstig wirkenden sozialen und politischen Ursachen geschuldet ist, die im Staats- und Gesellschaftszustand liegen.
Da alle diese unnatürlichen, vorzugsweise der Frau schädlichen Zustände im Wesen der bürgerlichen Gesellschaft begründet sind und mit der Dauer ihres Bestandes sich steigern, so erweist sich dieselbe als unfähig, diese Übel zu heben und die Frau zu befreien. Es ist also hierzu eine andere gesellschaftliche Ordnung nötig.


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