Auf die Waage gelegt


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 14. September 2006 07:05:49:

Bei der Bewertung der Frühzeit der jetzigen Zeugen Jehovas, man vergleiche etwa die Jahrgangsdatei zum Jahre
1908
drängte sich mir nicht selten der Eindruck auf; „Landeskirchliche Gemeinschaften", (zeitgenössische) „Freikirchen" und eben die Russell-Bewegung, erweisen sich in wesentlichen Parametern als aus „ähnlichem Holz" geschnitzt; was Differenzen im Detail nicht ausschließt.

Gerade verwandte Brüder, sollen manchmal die härtesten Fehden untereinander austragen.

Es gibt in der Kirchengeschichte, namentlich dort, wo es auch „verweltlichere Formen" selbiger gibt, einen Grunddissenz. Der zwischen „Fundamentalismus und Offenbarungsgläubigkeit" auf der einen, und „anpassen" an die Welt auf der anderen Seite. Wohin der Fundamentalismus im Falle der Russell-Bewegung führte, kann man beispielsweise an ihrer Technik- und Radio-Euphorie ablesen. Gemäß Rutherford etwa, wurde das Radio schon vor vielen Jahrtausenden „in der Bibel vorausgesagt" und „zur rechten Zeit" sichtbar. Ursprünglich wollte er es gar in einer Art Allein-Verwendungszweck für sich usurpieren, da es ja „von Jehova gegeben sei". Die rauen Realitäten lehrten aber auch dem Spinner Rutherford noch, was die Welt wirklich beherrscht: nämlich ökonomische Gesetze.

All seine Purzelbäume, welche auch ihm nicht erspart blieben, erwiesen sich letztendlich als ein verspätetes anpassen an selbige. Den gesamten vermeintlich ideologisch Ballast, sogenannter Bibelauslegungen, der da mitgeschleift wurde, war lediglich eine (sich wandelnde „Tarnkappe") für ökonomisch-politische Interessen und ihrer Durchsetzung, getreu dem Motto:

„Früher hatten wir das Land und ihr die Bibel. Jetzt haben wir die Bibel – und ihr das Land".

Die heutige Evangelisch-methodistische Kirche, war schon C. T. Russell bekannt. In ihr sah er besonders bezüglich der von Russell abgelehnten Höllenlehre, „den" Widerpart, welcher im Rang gleich nach der katholischen Kirche kam. Ein evangelisch-methodistischer Theologe, Dr. Karl Zehrer, dessen Dissertation ich gelesen, hatte in ihr herausgearbeitet, wie denn diese Form des Christentums die Nazizeit überlebte. Zeitweise waren diese Freikirchen, im Gegensatz zur aufmüpfigen „Bekennenden Kirche" aus dem Bereich Evangelische Kirche, dem Naziregime lammfromm gegenüber. „Lammfromm" war man schon zu Kaisers Zeiten und rühmte sich, allen etwaigen sozialistischen Bestrebungen gegenüber, besonders resistent zu sein.

Diese – ich nenn es mal soziologischen Aspekte – interessieren die fundamentalistischen Strömungen des Christentums nicht sonderlich. Sie wähnen, hätten sie die „rechte Bibelauslegung", sprich bei solchen Fragen wie etwa „Hölle" und „Dreieinigkeit", dann wäre schon „alles in Butter". Ob jene Butter „ranzig" tangiert ihren Horizont schon nicht mehr. Aus ihrer Selbstgerechtigkeit werden sie allenfalls dann mal „herausgeschüttelt", wenn man ihnen die Detail's der Zehrer'schen Dissertation mal unter die Nase reiben sollte. Der Anstoß dazu muss dann allerdings von außen kommen und der wird keineswegs „geschätzt". Das mit dem nicht „geschätzt" kennt man auch andernorts. So schließt sich der Kreis.

Rutherford's Radioeuphorie als Spinnererei eines Geisteskranken zu klassifizieren, wäre dann wohl eine ähnliche Ebene. Was die angedeuteten Detail's im Falle Karl Zehrer anbelangt, verweise ich auf „Geschichte der Zeugen Jehovas. Mit Schwerpunkt der deutschen Geschichte" (S. 260f Abschnitt: „Der Fall Neef", welcher von Zehrer in Besonderheit dargestellt wird).

Lese ich jetzt das Buch eines 1963 geborenen Autors, welcher heute der Evangelisch-methodistischen Kirche angehört, und der zwei Jahre lang mit den Zeugen „studierte". Dann aber kurz vor der Zeugentaufe doch noch den „Absprung" schaffte, drängt sich mir der Eindruck auf, mit einem Karl Zehrer (eben von jener Kirche), kann er es wohl nicht aufnehmen. Er bewegt sich allenfalls auf der Ebene des „Gemeinde-Schrifttums".
Lese ich des weiteren in der fraglichen Schrift solche Sätze wie:

„Die Fehler und Unzulänglichkeiten der WTG als Organisation sollen daher in diesem Buch in den Hintergrund treten.";

dann denke ich mir meinen Teil dazu. Und diese Gedanken gehen in die Richtung. Das ist nicht meine Position. Solche „unter den Teppich-Kehrer" werden meinen Beifall jedenfalls nicht finden.

Was Herr Martin Doering da so unterm Strich bietet, ist eigentlich banal. Dann kann man also wieder die Feuerhöllenlehre akzeptieren, und auch die Dreieinigkeit (auch wenn er das expressis verbi so deutlich nicht ausspricht) und dann wäre alles „gut".

Das mag für ihn eine Individal-Antwort sein; dass sei akzeptiert. In größerem Rahmen jedoch ist sie gewogen und als zu leicht befunden. So leicht wie der Umstand, dass von den rund 140 Seiten seines Buches, rund ein Drittel „Anhang" (Register, Bibelstellenregister usw. ist (ich möchte mal den sehen, der davon in der Praxis einen realen „Nutzen" hätte). Also sein eigentlicher Text zum Thema reduziert sich so schon mal auf bescheidenere etwa 90 Seiten des Buches. Davon wiederum der Löwenanteil „Darstellung" der Zeugenlehre. Das mag ja für jemand der die noch nicht kennen sollte, vielleicht „interessant" sein. Für unsereins drängt sich bei diesen Passagen doch eher das Gefühl gähnender Langeweile auf. Nun ja, wie ich es „Gewichtmäßig werte" sagte ich schon.

Immerhin es soll nicht nur kritisiert werden. Notierenswert erschien mir beispielsweise seine Antwort auf die Frage, ob denn alle Christen predigen „müssten". Die Antwort von Doering:
„Die Bibel spricht jedoch nie davon, dass alle predigen sollten oder gepredigt hätten." Und dabei verweist er auf Bibelstellen wie etwa Epheser 4:11.

„Nun stützt sich aber die WTG mit ihrer Behauptung, dass alle »wahren« Christen predigen müssten, auf Berichte der Apostelgeschichte: Apostelgeschichte 20,20: (...) wobei ich mich nicht davon zurückhielt, euch alles, was nützlich war, kundzutun und euch öffentlich und von Haus zu Haus zu lehren. (NW)
»Hier steht's doch«, werden ZJ sagen, »von Haus zu Haus«! - Leider nein, denn wörtlich heißt es öffentlich und in [den] Häusern'!, also sowohl im öffentlichen als auch im Privatbereich - kein Hinweis auf eine Hausiererei nach ZJ-Art."

Noch so ein Doering'scher Kardinalsatz:

„Da unzweifelhaft das Königreich auf der Erde noch nicht aufgerichtet ist, leben wir noch in der Zeit des Glaubens und nicht in der Zeit des Schauens. Für diesen Fall aber lehrt uns die Bibel eindeutig die himmlische Hoffnung: Jeder, der an Jesus Christus glaubt, erhält ewiges Leben im Himmel".

Genau so sah es auch Russell. Dann kam jedoch Rutherford. Der befand. Klinkenputzen ist angesagt. Nur so wird man eine „starke Organisation". Diese geschichtlichen Aspekte indes im Detail aufgezeigt, sucht man schon wieder vergebens im Doering'schen Buch.

In einem Fallbeispiel, dass er „Claudia" nennt, und das man „übersetzt" sehr wohl auf den Autor selber übertragen kann, offenbart er dann auch noch, weshalb es in seinem Falle wohl nichts mit dem Zeugen Jehovas-werden, wurde. Besagte „Claudia" lässt er wie folgt reflektieren:

„Claudia bekommt aber auch mit, dass gegen die, die sich nicht völlig der WTG unterordnen und es wagen, eigene und unbequeme Gedanken oder gar Kritik zu äußern, die schlimmsten Drohungen ausgesprochen werden."

Den "Trost" seiner Ausführungen sieht der Verfasser wohl in der Aussage:
"Die eigentliche Tragik der Wachtturm-Religion ist, dass sie (den Eifer jedes einzelnen Zeugen Jehovas in allen Ehren!) ihre Anhänger damit vom biblisch verbürgten ewigen Leben ausschließt."

Tja, da wären wir dann wieder mal beim "Patentrezept" aller Religion. Das Jenseits soll es richten! Pech, wenn man dabei an solche (abgewandelte) Jenseits-Akrobaten, wie die Zeugen gelangt, die dafür gar den Verzicht auf ein angemessenes "diesseitiges" Leben in Kauf nehmen, oder gar - faktisch - fordern.

Tja das "Jenseits". Emanuel Kant würde zu ihm sagen, und er hat es bereits so gesagt in seinem "Träume eines Geistersehers", dass
"nach den obigen Sätzen zu urteilen, kann die anschauende Kenntnis der andern Welt Allhier nur erlangt werden, indem man etwas von demjenigen Verstande einbüßt, welchen man für die gegenwärtige (Welt) nötig hat."


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