Re: Kohlhofer


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 24. Dezember 2001 10:56:33:

Als Antwort auf: Re: vorgelagerte Gewissensentscheidung geschrieben von Mumpitz am 19. Dezember 2001 11:45:43:


Die Bundesrepublik Deutschland (alte BRD) machte in den sechziger Jahren auch dadurch von sich reden, dass es Fälle von Wehrdienstverweigerungsurteilen gab, wo die Betreffenden für den gleichen Sachverhalt, zum zweiten oder gar zum dritten mal verurteilt wurden. Das war denn selbst einigen engagierten Juristen zuviel und sie machten aus ihrem diesbezüglichen Missmut keinen Hehl. Etliche Gerichtsinstanzen mussten sich mit dem Fall der Zeugen Jehovas befassen und der Düsseldorfer Albert Grandath, ließ seinen Fall gar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vortragen.

Dann im Jahre 1967 wurde die Situation dergestalt entschärft, dass der staatliche Verfolgungsanspruch in der Folge auf Zweit- und Drittverurteilungen verzichtete. In der Republik Österreich hingegen ist festzustellen, dass dort anfänglich relativ liberal agiert wurde. Später jedoch die Sachlage sich verschärfte und drohte in Verhältnisse "umzukippen", wie sie Anfang der sechziger Jahre in der BRD bestanden. Jedenfalls kann man diesen Eindruck so gewinnen, wenn man sich das von dem Zeugen Jehovas, Rechtsanwalt Dr. Reinhard K. herausgegebene Buch "Gewissensfreiheit und Militärdienst" näher ansieht.

In seinem eigenen dort mit enthaltenen Aufsatz schreibt er (S. 86): "Nach Einführung des Zivildienstes in Österreich im Jahre 1975 wurde zwischen dem Bundesminister für Landesverteidigung und der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas eine Vereinbarung getroffen, derzufolge Zeugen Jehovas zum Militärdienst nicht eingezogen werden, wenn es sich um getaufte und tätige Prediger der Religionsgemeinschaft handelt. Dieser Umstand wurde vereinbarungsgemäß durch schriftliche Bestätigung der Religionsgemeinschaft nachgewiesen. … Am 31. 1. 1994 erteilte der Bundesminister für Landesverteidigung - entgegen der Praxis unter seinen Vorgängern - die Weisung, ohne Rücksicht auf die bisherige Regelung alle Wehrdienstverweigerer zum Grundwehrdienst einzuberufen. Dies führte zu Dutzenden Strafverfahren gegen junge Wehrdienstverweigerer."

Im weiteren verweist K. darauf, dass seit dem "Ersatzdienstschwenk" seitens der Zeugen Jehovas (Wachtturm 1. 5. 1996) sich die Situation wieder entspannt habe. Dazu K.:
"Mir sind seit dieser Neuregelung keine Fälle von Zivildienst verweigernden Zeugen Jehovas bekannt geworden."

In der Tat, nicht nur für Österreich trifft dies zu. Und dies allein aus dem Grunde, weil die Regisseure des "vorverlagerten Gewissens", selbiges ein wenig anders programmierten. Und wie auf Kommando trat der erwartete Effekt ein. Inwieweit man angesichts dieser Sachlage überhaupt noch von "Gewissensentscheidungen" sprechen kann, ist doch sehr die Frage. "Individuell" sind sie jedenfalls nicht - eher "Roboterhaft".

Eine Nachbemerkung: Rechtsanwälte sind so "ein Völk'chen für sich". Sie nehmen sich schon mal Freiheiten, die anderen so nicht zugestanden werden. Erinnert sei daran, dass die Schweizer Wehrdiensterklärung von 1943, mit ihrer substanziellen Aussage, man leiste Wehrdienst, laut WTG-Angaben "von ihren Anwälten" formuliert sei. Diese, namentlich nicht genannt, dienen der WTG heute als billiges - zu billiges - "Alibi".

Erinnert sei an die WTG-Empfehlung, beispielsweise auch im Wachtturm-Jahrgang 1969, ihre Jugendlichen sollten doch keine universitäre Ausbildung anstreben, da dies doch nur "nutzlose Zeitvergeudung" sein könnte. Angesichts solcher, in der WTG-Literatur nachweisbaren Passagen fragt man sich, wie die Herren Hans-Hermann D., Waldemar H. oder auch Reinhard K. (beispielsweise), es diesbezüglich wohl hielten.

Na ja, es wird wohl in ihren Fällen so sein, dass etliches nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Oder noch anders formuliert. Ein Zweiklassenrecht. "Wenn zwei dasselbe tun - so sei es doch nicht das gleiche."

Wie auch immer. Im oben genannten Band 2 der "Schriftenreihe Colloqium" stellt sich der Herausgeber als gleichzeitiger "Generalsekretär der Vereins Colloqium - Gesellschaft zur Förderung zukunftsorientierter Wissenschaften" vor. Auch das nimmt man sich unverwundert zur Kenntnis. Erinnert sei daran, dass beispielsweise eine Zeugin Jehovas in Sambia, nur deshalb von letzteren ausgeschlossen wurde, weil ihr Ehemann - auch ein Rechtsanwalt - im politischen Leben Sambias als Präsidentschaftskandidat in Erscheinung trat. Und seine Ehefrau diesen Schritt wohl öffentlich auch guthieß. Also im Falle Sambia wurde mit der Ausschlusskeule um sich geschlagen.

K. hingegen darf als Generalsekretär eines sehr wohl politisch akzentuierten Vereins agieren; er darf auf Veranstaltungen der Moonsekte referieren und damit faktisch eine Sektenallianz befördern. Ein bisschen viel, was dieser K. als Zeuge Jehovas so alles "darf"!

Dies erinnert unwillkürlich an eine Aussage in Hauptmann's "Emanuel Quint":
"Am allermeisten bildete aber der Verkehr Emanuels mit einer wachsenden Anzahl gebildeter Menschen für die Seinen ein Ärgernis. Sie sahen erstens, nach Art ihrer Sektengenossen, Teufelswerk in aller Bildung und Wissenschaft und besaßen außerdem jenen Haß gegen bessere Kleider, edleres Aussehen und überlegene Lebensform, der dem Paria der Gesellschaft eigen ist."
Emanuel Quint


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