Re: Antisemitismus


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 03. November 2001 05:59:01:

Als Antwort auf: Re: Mein allerletzter Forentext geschrieben von Messias am 02. November 2001 22:09:50:

Ich habe zwar keine 1489,- DM für den käuflichen Erwerb des Talmuds ausgegeben. Aber ich habe mich auch mal für dieses Schriftstück interessiert. Zugute kam mir, dass eine 12bändige Ausgabe des Babylonischen Talmuds (jeder Band hat über 1000 Seiten) sich im Bestand der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin befindet. Eigentlich wollte ich alle zwölf Bände durchlesen. Nach dem achten Band habe ich dann dieses Vorhaben entnervt und vor allem inhaltlich völlig gelangweilt, aufgegeben. Jedenfalls habe ich in den acht eingesehenen Bänden, keinerlei Stelle inkriminierter Art vorgefunden, wie sie "Messias" (neuer Name für Hans-Werner?) glaubt hier offerieren zu sollen.

Noch eins. Das Thema Antisemitismus ist eines, dass auch mein Interesse fand. Auch aus dem Grunde, weil der bedeutende Zeugen Jehovas-Gegner in der Nazizeit (Dr. Hans Jonak von Freyenwald) ein prononcierter Antisemit war.
Von Jonak liegt nun unter anderem auch das Buch vor "Jüdische Bekenntnisse aus allen Zeiten und Ländern". Das stellt inhaltlich eine Art antisemitischer Katechismus dar. Unter anderem kann man darin auch solche von "Messias" zitierte inkriminierte Passagen in Hülle und Fülle vorfinden.

Nur eines ist bemerkenswert. Jonak, der sich doch selbst als "Kapazität" auf seinem Gebiet verstand, nennt an keiner Stelle einen wirklich nachprüfbaren Beleg für solche antisemitischen Aussagen. Jonak zitiert im gleichen Buch auch aus der WTG-Literatur. Da nennt er stets Titel und Seitenangabe und die entsprechenden Zitate kann man nachprüfen.

Damit will ich nicht sagen, dass Jonak keine Quellen angibt. Soweit er aus der Sekundärliteratur, oder aus der Antisemitenbibel "Protokolle der Weisen von Zion" zitiert, nennt er auch stets Quellen. Nur bezeichnenderweise bei den eigentlichen Talmudzitaten so nicht.

Eine nachprüfbare Quelle wäre es für mich, hätte Jonak als Quelle beispielsweise angegeben. "Babylonischer Talmud" Ausgabe Jüdischer Verlag Berlin, Band sowieso, Seite soundsoviel. Dann könnte man das mal selbst nachprüfen. Nichts von alledem. Statt dessen nur kryptische Angaben wie zum Beispiel nachfolgendes Zitat (Jonak S. 48):
"Die Worte der mündlichen Überlieferung (d. i. des Talmud) sind dem Gesetze (d. i. der Tora) gleich. Talmud, Traktat Rosch haschana 19a"
Kein Wort darüber (um beim Beispiel zu bleiben) wo kann ich genanntes Traktat nachlesen Ich welchem Talmud-Band auf welcher Seite?

Antisemitismus war schon vor der Nazizeit virulent und wurde seit ihr besonders verrucht. Es ergibt sich der dringliche Verdacht, dass da ein Antisemit vom anderen abschrieb und sich auf dubiose "mündliche Überlieferung" stützt.
Das ist unter wissenschaftlichen Kriterien eine völlig inakzeptable Sache. Noch eines. Wer sich heute zum Sprachrohr solcher nicht verifizierbaren antisemitischen Thesen macht, dem muss man fragen; wie "blauäugig" er denn eigentlich ist.

Man muss die Realpolitik des Staates Israel keinesfalls "gutheißen". Aber man kann schon voraussetzen auf diesem sensiblen Gebiet, dass der Holocaust keinesfalls außer Betracht bleibt. Und das kolportieren solch antisemitischer Thesen im vorstehendem skizzierten Sinne ist einfach nicht hinnehmbar.

Noch eines. "Werner Hodler" (offenbar ein Pseudonym für Gerd). Sorry, es gab wirklich mal einen echten Dr. Werner Hodler. Auf Seite 128 und 169 meiner "Geschichte der ZJ" kann man einiges zu ihm nachlesen. Hodler, der Rusell'schen Zionismusbegünstigung zugetan, und den Rutherford-Schwenk der Abschaffung desselben nicht mitmachend, veröffentlichte auch Broschüren mit Titeln wie: "Israel ein auserwähltes Volk" oder "Israel das Schicksal der Welt". Das stellt damit den Gegenpol zum Antisemitismus dar.

Wollten die Antisemiten den Juden alles nur denkbar schlechte andichten, so die Philosemiten die Juden metaphysisch verklären. Beide Positionen sind meines Erachtens nicht akzeptabel.

Die metaphysische Verklärung sehe ich besonders unter dem Aspekt, dass da einige unbedingt die Bibel als Prophezeiungsbuch glauben nutzen zu müssen. Die WTG-Prophezeiungen müssen sie zwar - mehr widerwillig - zwischenzeitlich als Fata Morgana hinnehmen, aber der berühmte "Strohhalm" soll es nun tun.

Es wird in der Weltgeschichte auch weiterhin gravierende Katastrophen geben. Wo steht es eigentlich "geschrieben", dass die jetzige Generation auf Dauer von ihnen verschont bleibt? Was sollten eigentlich die Generationen sagen, die den ersten und zweiten Weltkrieg erleiden mussten, oder die Generation die der Dreißigjährige Krieg erwischte?
Die Versuchung für einige ist offenbar groß, dieses Leid in die Bibel hineinzuprojizieren. Das ändert nichts daran, dass außer einem vielleicht "moralischen Trost" und den Konjunkturnutznießern, in Form von Organisationen wie der WTG, diese Thesen keinen realen Wert haben. Die Katastrophen werden kommen. Abänderbar sind sie bestenfalls durch vernünftige Realpolitik, nicht aber durch ihre metaphysische Verklärung in Form vermeintlicher "Prophezeiungen".
sauer
Fallbeispiel: L...

 


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