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Geschrieben von Drahbeck am 18. August 2005 07:11:39: Als Antwort auf: Re: Religiöse Überzeugung stand gegen Recht geschrieben von Drahbeck am 13. August 2005 06:35:40: Zu dem durch die Presse gegangenen Bluttransfusionsfall Adolf Zierath; siehe dazu: ist noch anzumerken, dass er als exemplarisches Veranschaulichungsbeispiel inzwischen
auch Eingang in die Rechtsmedizinische Literatur gefunden hat. So beispielsweise in dem im
Jahre 2001 erschienenen Buch von Reinhard Dettmeyer "Medizin und Recht für
Ärzte" Dettmeyer, an der Universität Bonn tätig, dokumentiert diesen Fall (S.
219f.) unter Bezugnahme auf den Bericht, den zeitgenössisch die "Neue Juristische
Wochenschrift" (1968 S. 212) veröffentlichte. Bei Dettmeyer werden einige Kernzitate aus diesem Bericht gebracht. Der Vergleich mit der NJW indes ergibt, dass nur auszugsweise zitiert wird. Nachstehend sei daher auch an dieser Stelle die "Neue Juristische Wochenschrift" zitiert. In schönstem Juristendeutsch führte sie zu diesem Fall aus: Die Zustimmung des Vaters zu einem für die Rettung des Kindes unerläßlichen Blutaustausch ist im Sinne des § 33oc StGB dann nicht erforderlich, wenn der anwesende Vormundschafts-Richter - wie der Vater weiß - bereit ist, bei Weigerung des Vaters dessen Sorgerecht dem ebenfalls anwesenden Arzt zu übertragen, so daß der Blutaustausch auch ohne Zustimmung des Vaters rechtzeitig erfolgen kann. Zumindest ist in einem solchen Fall dem Vater die Zustimmung unzumutbar, wenn er als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas fest glaubt, der Blutaustausch widerspreche den göttlichen Geboten. OLG Hamm, Urt. v. 10. 10. 1967 - 3 Ss 1150/67 Der Angeklagte ist vom L(and)G(ericht) wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt
worden. Die Str(af).K(ammer) hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte erklärte, seines Wissens gebe es noch andere Möglichkeiten, die Krankheit zu heilen. Obwohl ihn die Ärzte darauf hinwiesen, daß hier wegen des fortgeschrittenen Blutzerfalls ein Blutaustausch das einzige Mittel sei, das Kind zu retten, verweigerte er unter Berufung auf seine religiöse Überzeugung die Zustimmung. Deshalb benachrichtigte der Chefarzt den zuständigen Vormundschaftsrichter, der gegen 18,30 Uhr im Krankenhaus erschien. Dieser hielt dem Angeklagten eindringlich vor, daß er sich strafbar mache, wenn er seine Zustimmung nicht erteile. Der Angeklagte beharrte aber bei seiner Weigerung. Darauf entzog der Vormundschaftsrichter dem Angeklagten und dessen Frau das Personensorgerecht und bestellte den Chefarzt zum Sorgerechtspfleger über das Kind. Dieser veranlaßte sofort die Durchführung der Blutauschtauschtransfusion. Das Kind konnte dadurch gerettet werden. Die Revision des Angeklagten mußte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache führen. Die Revision vertritt unter Hinweis auf Peters (Überzeugungstäter und Gewissenstäter" in: Festschrift für H. Mayer, 1966) die Ansicht, die Gewissensentscheidung des Angeklagten müsse respektiert werden. Es könne von ihm nicht verlangt werden, gegen sein Gewissen zu handeln. In dieser Allgemeinheit trifft das jedoch nicht zu. Bei einem Widerstreit von Gesetz und Gewissen ist dem Gewissen daher nicht grundsätzlich der Vorrang zu geben. Im vorliegenden Fall, in dem es um Leben und Gesundheit des Kindes des Angeklagten ging, kann die im Religiösen motivierte, das Leben des Kindes aufs Spiel setzende Gewissensentscheidung des Angeklagten nicht anerkannt werden. Die Berufung auf die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit des Gewissens und der Religion geht insoweit fehl. Das Grundgesetz schützt nicht schlechthin jede religiöse Betätigung und Überzeugung, sondern nur solche, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben. Dann zu der Frage, ob der Vater zur Rettung seines Kindes aus Leib- oder Lebensgefahr auch gegen seine religiöse Überzeugung einem Blutaustausch zustimmen muß, liegen soweit ersichtlich, noch keine veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen vor, an denen sich der Angeklagte hätte orientieren können. Andererseits kann sich der Senat aber auch nicht der Auffassung von
Peters (Überzeugungstäter und Gewissenstäter", S. 278) anschließen, daß
bei Gewissenstätern stets ein entschuldbarer Verbotsirrtum vorliege, da die
Gewissensentscheidung nicht überprüfbar und daher ihre Richtigkeit zu unterstellen sei.
Eine solche Unterstellung könnte sich lediglich auf das Vorliegen einer
Gewissensentscheidung, nicht aber darauf beziehen, ob ihr ein unvermeidbarer Irrtum
zugrunde liegt. Auf keinen Fall kann die Ansicht von Peters für alle Fälle des § 330c
StGB gelten, in denen es um das Leben eines Kindes des Täters geht. Die von Peters (in
Fußnote 68) zum Nachweis angeführte nicht veröffentlichte Entscheidung des OLG
Stuttgart v. 27. 1. 1965 - 1 Ss 810/64 betrifft einen Fall der Ersatzdienstverweigerung. |