Re: Gerald H...


Rund ums Thema Zeugen Jehovas

Geschrieben von Drahbeck am 20. Oktober 2004 01:43:51:

Als Antwort auf: Re: Gerald H... geschrieben von Drahbeck am 20. Juli 2002 18:19:34:

Verwendete Quellen (und auch nicht verwendete) können einiges über einen Autor aussagen. Musste ich schon früher feststellen, beim Autor Gerald Hacke, ist es wohl mit dem "tieferschürfen" nicht besonders gut bestellt. Beleg war mir dafür der Fall des Franz-Buches, dass er in einer Form zitierte, die es nahelegt zu sagen: Er hat es wohl nicht selbst gelesen. So zitierte er dessen Titel auf einer der "Standhaft"-Veranstaltungen so, wie er in einem internen DDR-Druck selbigen formuliert war; als "Krise des Gewissens". Erweckte aber gleichzeitig den Eindruck, als meine er dessen käuflich zu erwerbende Ausgabe aus dem Claudius-Verlag, die bekanntlich den Titel trägt: "Der Gewissenskonflikt".

Im Jahre 2003 wurde nun von der Bundeszentrale für politische Bildung, unter dem Titel "Diktaturen in Deutschland - Vergleichsaspekte" ein Sammelband herausgegeben, indem auch Hacke mit einem Aufsatz vertreten ist unter der Überschrift "Zwei Diktaturen - ein Feind".

Positiv werte ich, dass Hacke in dieser knappen Überblicksdarstellung mit einflechtet:
„Für die Beantwortung der Frage, warum die Zeugen Jehovas im zwanzigsten Jahrhundert sowohl in demokratischen Staaten als auch unter autoritären und totalitären Regimen Verfolgungen ausgesetzt waren, ist aber das Wissen über die Grundzüge ihrer Glaubenslehre, insbesondere ihres Staats- und Politikverständnisses, unabdingbar. ...
Eine Radikalisierung erfuhr diese "Absonderung", als der "Wachtturm" im Juni 1929 in zwei Artikeln die frühere Interpretation der "obrigkeitlichen Gewalten" (Römer 13, 1-7) auf eine völlig neue Grundlage stellte. ... Die Konsequenzen der neuen Auslegung waren beträchtlich."

Das bewerte ich deshalb besonders positiv, weil man bei Vergleichsautoren (egal wen man jetzt da nennt, Garbe, Hesse, Dirksen, Hirch usw.) jener Aspekt nicht in der gebührenden Deutlichkeit herausgearbeitet wird, wenn nicht gar sogar fast unter den Tisch gefallen lassen wird.

Aber auch hier wiederum beginnt die Kritik an H... im Detail. Summarisch redet er vom Juni WT 1929. Fügt aber nicht hinzu. In Deutsch erst einen Monat später erschienen. Also Juli 1929. Was sich auf den ersten Blick wie billige Erbsenzählerei ausnimmt, hat durchaus einen tieferen Grund. Den Grund ungenügender Studien, der sich da offenbart. Erklärbar ist dieser Umstand deshalb, weil Hacke sich bei seiner Aussage auf die Angaben des Engländer Alan Rogerson stützt (dessen Buch auch in Deutsch erschien), der natürlich die englischsprachigen WT-Ausgaben zugrunde legte. So erklärt sich schon mal diese Differenz. Das ist aber zugleich auch ein indirekter Beleg dafür, dass Hacke die fraglichen WT-Ausgaben, und noch einiges andere, nicht selbst eingesehen hat (etwa in der Deutschen Bücherei in Leipzig).

Noch etwas ist mir bei H... Ausführungen „aufgestoßen".
So schreibt er etwa weiter:
„Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich die Glaubensgemeinschaft von ihrer konfrontativen antistaatlichen Haltung ab und ersetzte diese durch eine stärkere Abgrenzung von dem sie umgebenden gesellschaftlichen Umfeld.
Zum einen begann im November 1962 der "Wachtturm" mit einer Reihe von Artikeln über die weltlichen Autoritäten ..."

Hier wieder die gleiche Feststellung. In Deutsch erst Januar/Februar 1963 im WT erschienen. Noch bedenklicher erscheint mir die Generalisierung „nach dem zweiten Weltkrieg ...". Zu der Zeit, wo die DDR-Schwierigkeiten begannen; Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre; war noch voll das Rutherford'sche Obrigkeitsverständnis mit seinen konfrontativen Auswirkungen, dominierend. Beleg dafür auch, dass die erste, auf dem New Yorker Zeugen Jehovas-Kongress freigegebene Variante ihrer „Neuen Welt Übersetzung" (deren späteres deutsches Pendant schon eine überarbeitete Fassung selbiger ist). Das damals diese NW-Übersetzung, besonders auch durch den eigens kreierten Begriff „höhere Obrigkeiten" „glänzte". Anlässlich der von dem evangelischen Bischof Otto Dibelius in seiner Kirche losgetretenen Diskussion über das „rechte Verständnis" von Römer 13, höhnte die WTG gar noch; solche Sorgen nicht zu haben. Sie hätte schon immer das gepredigt, wohin Dibelius erst hinkommen wolle; nämlich nicht genehme weltliche Regime die Legitimation ihrerseits abzuerkennen.

Dibelius konnte sich letztlich nicht durchsetzen. Und erst in der Konsequenz dieser Niederlage, änderte auch die WTG ihre diesbezügliche Position. Nicht aber davor.

Wenn H... also von einer relevanten Lehrveränderung nach dem zweiten Weltkrieg redet; dann wäre es sachgemäßer diesen Aspekt auf die Zeit nach 1962 zu bestimmen; aber die Zeit um 1950 mit ihren Konflikten, dabei auszunehmen. Diese notwendige Differenzierung muss ich leider bei H... vermissen; wobei er mir dennoch sachbezogener erscheint als etwa der parteiliche Herr Hirch. Das ändert aber nichts an dem Umstand, auch bei H... einige nicht zu tolerierende Oberflächlichkeiten zu registrieren.


Gerald Hacke

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