Geschrieben von Drahbeck am 18. Oktober 2004 08:40:12:
Als Antwort auf: Re: Worum es beim Fall Wolf-Ekkehard Lönnig auch
noch geht geschrieben von Drahbeck am 02. Mai 2003 15:10:25:
Die neueste Ausgabe der MIZ widmet sich als thematischen Schwerpunkt
besonders dem Streitpunkt Evolutionstheorie.
![](http://www.manfred-gebhard.de/MIZ32004.jpg)
In diesem Kontext meldet sich auch der Direktor des Ernst Häckel-Hauses in Jena, zusammen
mit einem Koautor zu Wort. Breidbach fühlte sich seinerzeit schon, durch den Fritz
Poppenberg in einem seiner Filme geleimt".
Nunmehr nimmt Breidbach, etwas erweitert, noch mal dazu Stellung.
Nachstehend sein Text:
Olaf Breidbach & Uwe Hoßfeld
Gott würfelt nicht"
Anmerkungen zu einem "evolutionskritischen" Film
Im Jahr 2001 wurde von dem Berliner Filmemacher Fritz Poppenberg ein Video auf den Markt
gebracht, das unter dem folgenden Titel angekündigt war: "Gott würfelt nicht. Ein
Film über den erbitterten Kampf zwischen Wissenschaft und Ideologie. Drei Linden Film,
Berlin ..."
In diesem Beitrag wollen wir dieses Erfolgsvideo der deutschen Kreationisten kritisch
kommentieren.
Kirche, Schöpfung und Evolution
In der Biologie mache nichts Sinn, außer man betrachte es im Lichte der Evolution. So
formulierte der russisch-amerikanische Populationsgenetiker Theodosius Dobzhansky seine
Auffassung zur darwinistischen Evolutionslehre; und Dobzhansky hat Recht. Und noch mehr,
wir beginnen heute erst zu verstehen, dass alles, was wir physikalisch/chemisch
analysieren, Resultat eines Entwicklungsprozesses der Natur ist. Nicht die Statik der
Systeme, sondern die Dynamik ihrer Entwicklung ist zu begreifen, wenn wir Natur denken.
Dabei scheint es mehr als schwierig, diese - letztlich schon von Immanuel Kant formulierte
- Einsicht auch wirklich umzusetzen. Die Kirche hatte zunächst noch die meisten
Schwierigkeiten mit einer Idee, die ihrer Hauptquelle auf den ersten Blick zu
widersprechen schien. Dieser Widerspruch hat sich heute gelöst. Schöpfung, dies weiß
auch die moderne katholische Kirche, ist kein göttliches Sandkastenspiel.
Schöpfungslehre und Evolutionslehre stehen damit nicht unbedingt gegeneinander. Um so
mehr muss überraschen, daß, nachdem wir in einem langen Weg neue Denkansätze gewonnen
haben, die uns von beiden Seiten (der Theologie wie den sciences) die Sicht unserer Welt
differenzierter zu zeigen erlauben, dieser Weg wieder verschüttet wird.
Konkret findet ein naiver Antidarwinismus, der sich mit einem theologischen
Alleinvertretungsanspruch ziert, doch wieder überraschende Resonanz. Bekannt war diese
Entwicklung des so genannten Kreationismus bisher von Amerika und wurde von unseren
akademischen Lehrern gerne als Indiz für das große Bildungsgefälle in den Vereinigten
Staaten benutzt. Nun aber findet sich solch ein kreationistisches Denken auch zunehmend im
deutschen Sprachraum auf dem Vormarsch. (1) Schule, Film und Presse sind die Medien, in
denen sich diese vereinfachende Ideologie außerhalb der Kommunikationsräume der
Wissenschaft bewegt.
Interessant daran ist nun, dass sich diese Art des kreationistischen Denkens in ihren
Argumenten nicht im Raum des eigenen gläubigen Erfahrens bewegt, sondern ihrerseits die
Wissenschaft um Unterstützung bemüht, obwohl sie sie eigentlich, d.h. in ihren Aussagen,
nicht wahrzunehmen sucht.
Darwinismus und NS-Ideologie
In dieser Denklinie entstand dann auch der Film 'Gott würfelt nicht'. Dieser Film
entspricht der benannten Wissenschaftsinterpretation und Geisteshaltung, versucht er doch
- gegen aktuelle Ergebnisse der Biologie und Wissenschaftsgeschichte - ein
undifferenziertes Bild der fast150jährigen Geschichte der Evolutionsbiologie zu
entwerfen. Die dabei angewandte Methodologie, ein Puzzle aus richtigen Details, aus dem
Zusammenhang gerissenen Zitaten vermeintlicher Autoritäten und
weltanschaulich-emotionalen Sentenzen zu einer Ganzheit zu vereinen, erscheint hierbei
mehr als fraglich.
Eine zentrale Rolle in der evolutionskritischen" Argumentation des
Filmesnimmt der Jenaer Zoologe Ernst Haeckel (1834-1919) ein. Berichtet wird hierbei nicht
über seinen Entwurf einer Biologie und dessen wissenschaftshistorische Einbindung.
Interessanterweise fehlt auch eine Diskussion der bewusst antiklerikalen
wissenschaftspolitischen Aktivitäten Haeckels. Der Film konzentriert sich vielmehr auf
einzelne ideologisch-weltanschauliche Aspekte. Haeckel wird dabei insgesamt von seinen
keineswegs unproblematischen Vereinnahmungen durch den Nationalsozialismus her begriffen,
woraus sich im Film die einfache Gleichung Darwinismus = Konzentrationslager"
ableitet. Mit wissenschaftlicher kritischer Darstellung hat dies nichts mehr zu tun. Dies
ist von zweierlei Seiten her zu bedauern. Einerseits findet sich der Film mittlerweile in
zahlreichen Schulbibliotheken, wo er auch an Schüler, die an der Biologie interessiert
sind, ausgeliehen wird; was bei der Qualität dieser Darstellung aus Sicht eines Biologen
aber schlicht unterbunden werden sollte. Andererseits macht der Film es aber auch
denjenigen, die undifferenziert gegen jeden Glauben zu Felde ziehen, zu einfach.
Vermittelt der Film doch eine derart indifferente Darstellung des Religiösen, dass es
einem engagierten weltoffenen Katholiken doch sehr erschwert wird, sich gegenüber solchen
Darstellungen religiöser Argumentationen abzusetzen.(2)
Fazit
Insgesamt vermittelt der Film ein Zerrbild, das alles andere als die Position der modernen
Biowissenschaften und der Wissenschaftsgeschichte vermittelt und hinterfragt. Die
Öffentlichkeit, insbesondere (Hochschul)Lehrer, Schüler sowie Studenten, sei
nachdrücklich vor diesem Machwerk gewarnt.
Dieser Film wird, wie bereits schon vor zwei Jahren geäußert, als eine Darstellung
bewertet, die für alle, die über die Bedeutung der Biologie für unser modernes Bild vom
Menschen nachdenken, nachhaltigen Schaden verursacht.
Weiterführende Informationen zu kreationistischen Videofilmen im deutschsprachigen Raum
der aggressiven Vorgehensweise der bibeltreuen Fundamentalisten und zum Thema
Darwin,
Haeckel und der Nationalsozialismus" finden sich in der unten angeführten
Fachliteratur.
Anmerkungen:
1 vgl. Kutschera, U.: Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design.
Lit-Verlag, Münster 2004.
2 Breidbach, 0.: Täuschung und Vereinnahmungsstrategien der deutschen Kreationisten. In:
Biologen heute 6 (2002), S. 15.
...
Junker, T./Hoßfeld, U.: Die Entdeckung der Evolution. Eine revolutionäre Idee und ihre
Geschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001.
(Text etwas gekürzt.)
Meine Meinung dazu. Wie bereits ausgeführt besteht im Falle Bredbach/Poppenberg auch
eine Art persönlicher Betroffenheit. Zustimmen würde ich dahingehend, dass die
Darstellung Haeckels in Form ihrer nazistischen Vereinnahmung - als vorgeblich
"einzig wahre" Haeckel-Interpretation mehr als fragwürdig ist. In vorstehendem
Aufsatz wird auf "weiterführende" Literatur verwiesen. Nun habe ich die
angeführten Titel in der Tat nicht selbst gelesen; kann sie demzufolge auch nicht im
Detail bewerten. Dennoch bleibt bei mir der persönliche Eindruck zurück, das Bredbach
und Co, zumindest für jemand der dem ZJ-Milieu entstammt, den Kampf zwischen
Evolutionisten und Kreationisten, mit diesem knappen Aufsatz keineswegs zugunsten der
Evolutionisten entschieden hätten.
Damit kann ich leben, dass es Fragen gibt, wo ich sagen muss. Es kann so oder auch
anders gewesen sein. Auf die vollmundige Gewissheit der Kreationisten kann ich auch aus
dem Grunde verzichten, weil sie auch etliche anderer ihrer Thesen (z. B. im Falle ZJ ihre
Endzeithesen) als Spekulationen ohne Realitätsbezug erwiesen haben.
Zu weiterem aus meiner Sicht. Siehe unter anderem auch die nachfolgenden Links
Deist
Endzeit
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