Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Er war bis zu seiner Emeritierung Theologieprofessor an der Universität Halle (Saale). Jene Universität an der einst auch ein Friedrich Loofs wirkte, dessen den Bibelforschern gewidmete Schrift auch im hiesigen Kontext dergestalt Relevanz hat. Von der Mehrzahl der Dritt- und Viertklassigsten zeitgenössischen Anti-Bibelforscher-Apologeten, hob Loofs sich positiv ab. Aber nicht Loofs ist ja jetzt das Thema.
H. O.
machte schon zu DDR-Zeiten von sich reden. Spektakulär seine Teilnahme an einer
von der Moon-Bewegung ausgerichteten Konferenz im (damals) westlichen Ausland.
Eine These der Religionsbewegung um San Myung Moon war, dass ein Dritter
Weltkrieg zur Niederringung des Kommunismus unvermeidlich sei. Moon aus dem
geteilten Korea stammend, war durch seine spezifischen Lebenserfahrungen zum
glühenden Antikommunisten geworden. Er hatte es erreicht mit seiner
Religionsgemeinschaft zugleich beachtliche Öffentlichkeitswirksamkeit zu
erreichen. Selbst hochrangige westliche Politiker gaben sich bei ihm "die Klinke
in die Hand". Ihm gelang es sogar in Washington eine Tageszeitung aufzukaufen,
die fortan auch als sein Sprachrohr diente.
Auch in der DDR wurde Moon
aufmerksam beobachtet. Seine These der Unvermeidlichkeit des Dritten Weltkrieges
wegen der bösen Kommunisten fand den Argwohn unter anderem auch in den Bereichen
der Stasi-Kirchenabteilung.
Ich unterstelle H. O. nichts
was ich nicht belegen kann. Immerhin dürfte es ihm schwer fallen darzulegen,
dass sein Auslandsvisum für die Moon-Konferenz nicht auch im Interesse der
untergründigen DDR-Politik gelegen hat. Der Kontakt zu einer "Koryphäe" wie H.
O., kann auf vielfältige Weise aufgebaut sein - und sei es nur über
vermeintliche Mittelsmänner.
Im Jahre 1980 machte H. O.
dann von sich reden mit der Erstveröffentlichung seines Buches "Apostel und
Propheten der Neuzeit". Man sagt nicht zuviel, wenn man hinzufügt, dass seine
darin enthaltenen Studien zum Komplex der Neuapostolischen Kirche, ohne Zweifel
seine Stärke sind. Seine diesbezüglichen Ausführungen überflügeln eindeutig die
des Kurt Hutten, der die Jahre davor, als der diesbezüglicher "Experte" gegolten
hatte.
Schon ein Jahr später gab es
eine zweite Auflage dieses Buches. Dies war für DDR-Verhältnisse, mit der
angespannten Situation der kontingentierten Papierversorgung, durchaus ein
Novum. Der Hintergrund wird aber deutlicher, wenn man sich diese zweite Auflage
näher ansieht. Darin ist nämlich, erstmals auch ein eigenes den Zeugen Jehovas
gewidmetes Kapitel enthalten!
Es gab sogar noch eine
dritte Auflage dieses Buches. Die erschien im Jahre 1990. Jenes Jahr war
bekanntlich das Jahr des (1989 begonnenen) Umbruches. Die DDR hörte im Verlaufe
dieses Jahres auf zu bestehen. Die dritte H. O.-Auflage wurde aber noch zu
DDR-Zeiten abgeschlossen, denn als Termin des Redaktionsschlusses wurde der 20.
12. 1988 genannt. Und was die darin enthaltenen Ausführungen über die Zeugen
Jehovas anbelangt. So ist festzustellen, dass sie keine erkennbaren inhaltlichen
Unterschiede zwischen der zweiten und dritten Auflage aufweisen. Da H. O. aber
die dritte Auflage inhaltlich erweitert hat, haben sich lediglich die
entsprechenden Seitenzahlen verschoben.
Auch in der dritten Auflage
wird im (Auswahl) Literaturverzeichnis das DDR-Zeugen Jehovas-Buch von 1970
genannt. Es wird auch im eigentlichen Text zitiert. Zwar nicht "euphorisch",
aber immerhin, zitiert. (Etwa auf Seite 273, 282).
Auf Seite 282 (der dritten
Auflage) macht er einen Verweis auf besagtes DDR-Buch, indem er ausführt: "Zum
Problem des Antikommunismus vergleiche ...."
Auch das
DDR-Blatt "Christliche Verantwortung" findet sich in diesen Verweisen wieder. Im
Anhang seiner Ausführungen über die Zeugen Jehovas bietet H. O. noch sogenannte
"Quellentexte" an. Darin finden sich auch Texte aus dem "Wachtturm" und
"Erwachet!", deren Daten er angibt, zugleich aber auch mit entsprechenden
Hinweisen auf die Ausgaben der "Christlichen Verantwortung" versieht, aus denen
er sie entnommen hat. Nun sei es H. O. konzediert, dass er selbst nicht die
Chance hatte den "Wachtturm" und "Erwachet!" auszuwerten, dass er also die
Hinweise der "Christlichen Verantwortung" dankbar annahm. Andererseits muss ihm
entgegengehalten werden, dass er in der Deutschen Bücherei Leipzig, schon zu
DDR-Zeiten die Chance gehabt hätte (einige, wenn auch nicht alle) Jahrgänge
genannter Zeitschriften dort einzusehen. Jedenfalls finde ich bei H. O.
keinerlei Hinweis auf die entsprechenden Signaturen der Deutschen Bücherei.
Schlussfolgernd steht es für mich fest, dass die "Koryphäe" H. O. sich um die
Einsichtnahme der dort zugänglichen Bestände zu DDR-Zeiten auch nicht bemüht
hat. Es reichte ihm offenbar aus, dass was er aus der "Christlichen
Verantwortung" entnommen hatte, bzw. aus anderen "privaten" Quellen in seine
Darstellung einzubauen. Die Apologie eines seines Schüler: H. O. habe vor der
"Christlichen Verantwortung" gewarnt, wirkt angesichts dieser Sachlage etwas
deplatziert.
D. zitiert bezüglich
H. O.aus den Stasiakten der Bezirksverwaltung Gera selbiger jetzt die
sich selbst belobhudelnde Aussage:
"Durch den Kontakt zu Dr.
H. O.wurde
erreicht, daß das Ansehen von 'CV' im Bereich theologischer Wissenschaftler
gestiegen ist. Da er in seinem Buch über Sekten und destruktive Kulte die
Erkenntnisse der Studiengruppe 'CV' mehrmals als Quelle zitiert, trägt dies zur
positiven Wirksamkeit von 'CV' bei. Diese Verbindung wird auch 1985
weiterentwickelt, u. a. in der Form der Unterstützung mit Studienmaterial bei
wissenschaftlichen Arbeiten der Sektion Theologie der Martin-Luther-Universität
Halle."
Habe ich H. O. bezüglich der
Neuapostolischen Kirche überdurchschnittliches bescheinigt, würde ich diese
Einschätzung nicht auf seine Darstellung zu den Zeugen Jehovas übertragen. Ich
unterstelle ihm nicht, dass wesentliche Aussagen falsch wären. Aber sie bewegen
sich dennoch auf durchschnittlichem Niveau.
Im Jahre 2000 hat H. O. nun
sein Buch in einer vierten Auflage vorgelegt. Wieder sind inhaltliche
Erweiterungen zu registrieren. Unter dem hier besonders interessierenden Aspekt,
verdienen seine Ausführungen zu den Zeugen Jehovas besondere Aufmerksamkeit. Sie
sind als enttäuschend einzuschätzen. Jedenfalls ist ihr Substanzgehalt gegenüber
der dritten Auflage nicht wesentlich verändert. Ein Aspekt springt jedoch sofort
ins Auge. Alle Bezugnahmen auf das DDR-Buch oder die "Christliche Verantwortung"
sind in ihr nunmehr sorgfältig eliminiert. Etwa auch bei seinen schon genannten
"Quellentexten" aus "Wachtturm" und "Erwachet!" Im (Auswahl)
Literaturverzeichnis tauchen denn auch keinerlei DDR-Veröffentlichungen mehr
auf. Hatte er in der dritten Auflage noch notiert: "In der DDR und 18 anderen
Staaten ist die öffentliche Arbeit nicht erlaubt"; so fehlt in der vierten
Auflage dieser, oder ein die nachfolgende Entwicklung beschreibender Satz.
Auch Korrekturfehler sind
nicht beseitigt. So verweist er auf Seite 423 etwa auf das Cole-Buch, dass er
mit Erscheinungsjahr 1950 angibt. Tatsächlich erschienen ist es jedoch 1956. Nun
unterlaufen solche Korrekturfehler auch anderen. Auch der Verfasser dieser
Zeilen weiß sich davon nicht frei. Allerdings muss die Frage gestellt werden
können, ob dies legitimerweise auch unbedingt in einem zum dritten Mal neu
redigierten Abschnitt über die Zeugen Jehovas so sein muss? Banal wirken auch
seine Nichtssagenden Auskünfte über die Zeit nach 1933 oder 1950, über die
andere schon ganze Bücher geschrieben haben. Er stützt sich in wesentlichen
Aussagen, auf die 1971 auch in Deutsch erschiene Studie des Engländer Alan
Rogerson, ohne über diese inhaltlich hinauszugehen, oder gar dessen
Informationsgehalt zu erreichen. H. O. ist auf dem Stand von Anno Dunnemals
stehengeblieben. Man hätte von einem im Jahre 2000 erschienenen Buch mehr
erwartet!
Spieglein Spieglein an der Wand
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