Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Mord auf dem amerikanischen Kontinent

Wer hätte das gedacht? Zu der Zeit, in der das Naziregime in Deutschland wütete, hatten die Zeugen Jehovas auch auf dem amerikanischen Kontinent ihre Märtyrer, die mit ihrem buchstäblichem Leben bezahlen mussten. Nicht direkt in den USA; wohl aber im benachbartem Mexiko. Diesen Umstand kann man der 1935 erschienenen Rutherford-Broschüre "Regierung. Ein Vortrag von weltweitem Interesse …" entnehmen.

Das man zur fraglichen Zeit auf das Naziregime nicht mehr gut zu sprechen war, liegt offenkundig auf der Hand. Und so liest man denn in dieser Broschüre auch den markigen Satz:

"Deutschland hat sich offen für den Teufel und gegen Gott und Christus Jesus erklärt."

Um daran den Fragesatz anzuhängen:

"Werden das amerikanische Volk und die anderen Nationen dem deutschen Beispiel folgen oder werden sie Jehova und seiner Regierung unter Christus dienen?"

Das es in den deutschen Gefängnissen und Konzentrationslagern auch Todesfälle der dort Inhaftierten gab, ist bekannt und bedarf keines Detailnachweises. Nun aber Mexiko. Auch dort verzeichneten die Zeugen Jehovas Märtyrerhafte Todesfälle, ohne dass es dort die Institution KZ in vergleichbarer Form gab! Würden die Zeugen nicht selbst über diesen Umstand berichtet haben, würde man das eher ungläubig beiseite schieben. Aber sie haben darüber berichtet. Zeitgenössisch in der englischsprachigen Ausgabe ihres "Goldenen Zeitalters" und erneut in dieser vorgenannten Broschüre.

Zu vorgenannten Fakt liest man dazu:

"Als Herr und Frau Carlos V. Calderon, Gatte und Gattin, eingeborene Bürger Mexikos, gegen Ende Mai 1935 im Staate Hidalgo von Haus zu Haus gingen, um den armen von den Priestern beherrschten Leuten Gottes gnädige Vorkehrung für ihre Segnung unter dem Königreich kundzutun, welches die einzige Hoffnung für die leidende Menschheit ist, wurden sie in gemeiner Weise ermordet. Ein katholischer Priester trägt die Schuld an diesem schrecklichen Verbrechen.

Diese zwei harmlosen Leute wurden erschossen und ihre Leiber auf die Straße geworfen. … Katholiken machten ihrem Werk mit Schießpulver und Bleikugeln ein Ende. …Weitere Auskunft über diesen Fall erteilt auf Wunsch die mexikanische Gesandtschaft in Washington (D. C.)."

Wenn es also schon soweit ist, dass es zu buchstäblichen Lynchmordfällen kommt; dann muss man doch wohl weiter fragen. Nur die Verkündigung der zeitgenössischen Zeugen Jehovas-Botschaft, soll den Anlaß dazu gebildet haben. Das über diese katholische Priester nicht gerade "erfreut" sind, kann man nachvollziehen. Dennoch werden sie sich deshalb, in der Regel jedenfalls, nicht zu Mordaktionen hinreißen lassen. Hier aber lag offensichtlich eine Ausnahme von dieser Regel vor.

Das wiederum beinhaltet die weitere Fragestellung: Wie sah denn die zeitgenössische Zeugen Jehovas-Verkündigung im Detail aus? War sie völlig unprovokativ? Oder ist das Gegenteil der Fall?

Was die beiden Mordopfer anbelangt, kann man mangels konkreter Nachweise keine verbindliche Aussage machen. Wohl aber kann man über ihr Haupt, J. F. Rutherford, sehr wohl eine Aussage machen. Auch in dieser Broschüre lässt er seinen Frust so richtigen Lauf.

Was Rutherford offenbar besonders "auf die Palme" brachte, war der Umstand, dass seine expansiven Radiopläne zunehmend wirksamen Widerstand erfuhren. Diesen Widerstand gab es zwar schon einige Jahre. Offenbar verschärfte er sich aber zusehends. Just im Jahre 1935 war ein diesbezüglicher Kulminationspunkt erreicht, der wie man so zu sagen pflegt, das sprichwörtliche Fass zum überlaufen brachte. Auch darüber erfährt man einiges in dieser Broschüre. Zum Beispiel dieses:

Vom 30. 5 bis 3. 6. 1935 veranstalteten die Zeugen Jehovas in Washington (USA) einen ihrer Kongresse. Dessen Hauptvortrag "Regierung" wurde von Rutherford selbst gehalten. Gemäß der Rutherforddoktrin, dass Radio sei von Jehova für die "Endzeit" für die Verkündigung "seiner" Botschaft bereitgehalten worden, wurden schon im Vorfeld umfangreiche Anstrengungen unternommen, diesen Hauptvortrag auch über diverse Radiostationen mit verbreiten zu lassen. Dazu liest man:

"Durch die Mitarbeit der Bell-Telefongesellschaft und der R. C. A. (Radiogesellschaft Amerikas) wurde der Vortrag nach allen Teilen Englands, nach Schottland, Irland, Wales, Island, Skandinavien, Belgien, Frankreich, Schweiz und ferner nach Afrika, Australien, China, den Philippinen und anderen Inseln des Meeres übertragen.

Verschiedene Zeitungen Großbritanniens waren schriftlich zur Aufnahme eines Inserats zur Ankündigung des Vortrages verpflichtet worden, aber im letzten Moment verweigerten diese Zeitungen unter allen Umständen die Annahme des Inserates. Die englische Rundfunkgesellschaft weigerte sich ebenfalls, das Programm zu übernehmen. Dagegen wurde der Vortrag mittels Telefonverbindungen in manche über ganz England verteilte Säle und an andere Orte übertragen, wo sich Menschen versammelten.

Der Vortrag wurde in Washington (D. C.) vor einer über 20.000 Menschen zählenden sichtbaren Zuhörerschaft gehalten, und gleichzeitig durch Radio ausgesendet.

Diese Tatsache war von großem Interesse für das Volk, aber die Zeitungen brachten nicht ein Wort darüber. Sie behaupten, die Nachrichten und Neuigkeiten zu veröffentlichen, ließen aber dieses Ereignis unbeachtet."

Wie eben gelesen, strafte die "große Presse" jene Rutherfordveranstaltung mit Missachtung. Ergo ging man einen Schritt weiter. Die Rundfunktätigkeit war ja nur gegen klingende Münze möglich. Also entschloss man sich auch, flankierend, entsprechende bezahlte Zeitungsinserate aufzugeben. In der Regel drucken Zeitungen, gegen klingende Münze, auch solche Inserate ab, ohne ihren Inhalt zu bewerten. Das wäre auch in diesem Fall "fast" so gelaufen. Aber eben nur "fast".

Dazu liest man:

"Zwei führende Zeitungen Washingtons, die 'Post' und der 'Star', verpflichteten sich, gegen Bezahlung den ganzen Vortrag 'Regierung' zu veröffentlichen. Die 'Post' verlangte $ 887,- und der 'Star' $ 1371,51. Dem 'Star' wurde dieser Beitrag gegen Quittung bezahlt.

Beide Zeitungen waren damit einverstanden, den Vortrag zu drucken, nachdem sie ihn sorgfältig durchgelesen hatten. Sie setzten ihn und er war druckbereit. Plötzlich wurde von irgend einer einflußreichen Seite her ein Druck ausgeübt, der beide Zeitungen veranlaßte, ihre Verträge zu brechen und die Aufnahme des Vortrages zu verweigern, oder den Vortrag zu drucken mit Ausnahme des Teiles der sich auf EINE AUSLÄNDISCHE MACHT, DIE GEGEN DIE INTERESSEN DES AMERIKANISCHEN VOLKES ARBEITET, beziehe."

Damit wäre erst einmal die "Katze aus dem Sack". Offenbar hatte sich Rutherford mit seiner antikatholischen Polemik zu weit aus dem Fenster gelehnt, was denn selbst diesen Zeitungsredaktionen unheimlich wurde. Bemerkenswert auch ihr Kompromissangebot. Abdruck des Vortrages ja, aber nur entschärft, ohne die antikatholische Polemik. Zu einem solchen Kompromiss ist es offenbar nicht gekommen, und deshalb blieben diese Rutherford-Ausführungen in der "großen Presse" ungedruckt. Seinen Frust über diesen Umstand lässt nun Rutherford auch in dieser Broschüre freien Lauf. Davor schon in seinem "Goldenen Zeitalter", dass diesbezüglich rezitiert wird.

Dazu liest man:

"Die Zeitschrift 'Das Goldene Zeitalter' (engl. Ausgabe) veröffentlichte in seiner Ausgabe vom 19. Juni 1935 einen Bericht über diesen Vertragsbruch, wie auch den Vortrag selbst, und wir entnehmen daraus folgendes:

Wer regiert Amerika?

Sind Sie dafür, dass Amerika durch seine eigenen Leute regiert werde? Oder soll die Nation durch jene FREMDE MACHT vom Vatikan in Rom aus regiert werden?

Warum der Washingtoner 'Star' und die Washingtoner 'Post' für Rom Partei ergriffen.

Sie werden sich wahrscheinlich daran erinnern, dass ich (Rutherford) vor mehr als zwei Jahren in einem öffentlichen Vortrag, der durch den Rundfunk gesendet wurde, den Beweis dafür erbrachte, Amerika durch einen Diktator regieren zu lassen. Jedermann kann das heute sehen, wenn er überhaupt etwas sehen will. Und bald wird das Volk auch erkennen, dass die Jesuitenorganisation der römisch-katholischen Hierarchie hinter dieser Bewegung steht, um das amerikanische Volk all seiner Rechte zu berauben. Die katholische Hierarchie ist heimlich am Werk, die Regierung der Vereinigten Staaten zu beherrschen. Aus diesem Grunde befolgt sie die gleiche Taktik wie alle ähnlichen ungerechten Organisationen: Sie will das Volk der Wahrheit gegenüber in Blindheit halten bis es zu spät ist.

Die Furcht der Presse, der römisch-katholischen Hierarchie zu mißfallen, hat sie in vollständige Unterwürfigkeit unter eine Handvoll Priester getrieben. Priester und Presse verstecken sich hinter der Formel 'Wir lieben den Frieden und drucken nichts, was zu Streitfragen Anlaß gibt.'"

Offenbar waren die beiden genannten Zeitungen nicht die einzigsten, die es ablehnten, Rutherford willfährig zu sein. Das kommt auch in der Notiz zum Ausdruck:

"Die Radiostation WMCA, New York schloß einen Vertrag ab, den Vortrag 'Regierung' von Washington durch Radio zu senden. Als der Redner in seinem Vortrag die 'fremde Macht mit ihrem Hauptquartier in der Vatikanstadt Rom' erwähnte, unterbrach diese Radiostation sofort das Programm und gab den Zuhörern bekannt: 'Unsere Richtlinie ist, nichts zu senden, was Streitfragen bringt.'"

Derart brüskiert holt Rutherford zum Gegenschlag aus und wirft seinen Kontrahenten vor:

"Die Presse, die großen Radiostationen, die gesetzgebenden und gesetzausführenden Behörden arbeiten Hand in Hand mit diesen großen Wucherern, die auf betrügerische Weise Geld zusammenraffen, und deshalb sind sie alle an dem Verbrechen beteiligt."

Der letztere Hieb saß denn. Man lasse sich nochmals seine Vokabeln auf der Zunge zergehen:

"Wucherer, betrügerische Weise Geld zusammenraffen, Verbrechen beteiligt …"

Da bietet sich doch eine kleine Einfügung an. Wir hier, leben (etliche) in Deutschland. Wer nicht gerade von Zeugen Jehovas-Betriebsblindheit geschlagen ist, hat die Chance, sich auch mal mit dessen Geschichte etwas näher auseinanderzusetzen. Sollte er das tun, und die Jahre vor dem Beginn des Hitlerregimes in sein näheres Blickfeld nehmen, dann kann er auch eines feststellen.

Vor Beginn des Ersten Weltkrieges gab es in Deutschland Staatskirchen. Religionskritiker hatten in dieser Zeit, in organisatorischer Hinsicht einen äußerst schweren Stand. Das Kirchenmonopol, erdrückte vieles diesbezügliche.

Nach Ende des ersten Weltkrieges, war auch in Deutschland die Welt nicht mehr die, die sie vordem war. Auch das Monopol vormaliger Großkirchen begann zu erorisieren. Vorher unbedeutende Konkurrenz, so auch die jetzigen Zeugen Jehovas, hatten in dieser Geschichtsphase eine ihrer "Sternstunden". Aber nicht nur sie. Nicht jeder, der sich nunmehr von den Monopolkirchen abwandte, wollte dafür als Ersatz "Bibelforscher" (Zeugen Jehovas) oder adäquates werden. Ein beträchtlicher Teil jener, die den Monopolkirchen ade sagten, ging weiter, und erweiterte dies generell auf die Religion. Sich organisatorisch verfestigend im sogenannten Freidenkertum. Die Monopolkirchen standen zusehends mit dem Rücken an der Wand; und in ihrer Hoffnungslosigkeit sahen einige von ihnen nur noch in dem Strohhalm namens Adolf Hitler ihre Rettung.

Wie das so mit Strohhalmrettungsangeboten zu sein pflegt. Sie erweisen sich als gigantische Selbsttäuschungen. Das sollte man noch bitter genug erfahren. Und eine Auferstehung aus diesem "Tal der Tränen" gab es denn auch erst dergestalt, dass die westlichen Siegermächte, allen voran die USA, dann nach 1945 die Religion massiv förderten, mit Auswirkungen bis in die Gegenwart.

1933 aber, als Hitler den gebeutelten Großkirchen den Köder vorhielt: Er lehne es ab, sich auf Funktionäre des Freidenkertums (inzwischen auch verboten bzw. aufgelöst) zu stützen. Damals meinten die Kirchen noch, in diesem Strohhalm, einen großen tragfähigen Balken zu erblicken. Schon nach ganz kurzer Zeit zerbrach auch dieser Strohhalm. Die Hitler'sche Ablehnung mit Freidenkerfunktionären zusammenzuarbeiten, erwies sich als Farce. Diese Ablehnung war ohnehin politisch motiviert. An den Freidenkern störte Hitler vor allem, ihre zum Teil beträchtliche Orientierung hin auf seinem Erzfeind, namens Moskau.

Einige Wendehälse erkannten die Chance. Legten sie die Moskau-Orientierung ab, und dies glaubhaft, hatten sie die Chancen ihr religionskritisches Gedankengut unverblümt weiter zu propagieren. Selbst in Hitlers engstem Umkreis (Rosenberg) saß einer, der das vor aller Welt vorexerzierte. Die Kirchen hatten sich wieder einmal, gründlich verkalkuliert.

Jetzt auf die Freidenker zurückzukommen. Rutherfords Worte bezogen auf die Kirchen:

"Wucherer, betrügerische Weise Geld zusammenraffen, Verbrechen beteiligt …", dass war doch genau das Standardrepertoir der Freidenker. Nunmehr durch einen in den USA auch propagiert (Rutherford), der da zu allem Überfluss noch vorgab, ein "Gottesdiener" zu sein. Und da sollten die Konkurrenzkirchen passiv bleiben, gegenüber solchen Attacken? Das ist wohl etwas zuviel des Guten verlangt. Oder wie es die Satire-Webseite Spiessburger einmal formulierte:

Unter Jehovas Zeugen gäbe es auch alle Arten von Menschen. Folglich auch Unterbelichtete. Das solch einer noch an ihrer Spitze stand, macht die ganze Sache auch nicht besser.

Das Rutherford in seiner Wertung der Weltgeschehnisse, sich auf dem sprichwörtlichen nicht als besonders "hoch" einschätzbarem Niveau der "Lieschen Müller" bewegt, macht z. B. auch seine Aussage in dieser Broschüre deutlich:

"Die römisch-katholische Hierarchie organisiert politische Agitatoren, wie. z. B. die Kommunisten, finanziert und fördert solche Organisationen und läßt sie in den Vordergrund treten. Solche Agitatoren benützt sie dann als Vorwand, eine andere politische Partei angeblich zur Rettung der Regierung zu organisieren, welche Partei dann die Regierung den Händen des Volkes entreißt. Das ist genau, was kürzlich in Deutschland getan wurde. Sowohl die Kommunisten, als auch die Nationalsozialisten wurden von der römisch-katholischen Hierarchie organisiert und beide gegeneinander ausgespielt, um das Volk zu täuschen und einen Grund zur Ergreifung der Regierungsgewalt in Deutschland zu haben."

Letztere These betreffend, kann man vergleichsweise auch heranziehen:

Knapke

Was die antikatholischen Ressentiments anbelangt, ist festzustellen, dass sie auch in der Nach-Rutherford-Zeit bei den Zeugen Jehovas fortleben. Mit dem Unterschied allerdings, besonders anfechtbare Aussagen zu vermeiden. Aber wenn aus aktuellem Anlaß die Möglichkeit besteht, in den Chor der Kritiker der katholischen Kirche mit einzustimmen, wird diese Möglichkeit von der WTG durchaus genutzt. Ein exemplarisches Beispiel dafür war die Erstveröffentlichung des "Stellvertreters" von Rolf Hochhuth, die in der Zeugen Jehovas-Literatur massive flankierende Unterstützung fand.

Was das "Gemeindetheologische" Niveau der Zeugen Jehovas anbelangt, dass heißt ihre vorherrschenden Meinungen, außerhalb der offiziellen Verlautbarungen, so konnte man einem markanten Beispiel dazu auch auf der seinerzeitigen Satire-Webseite "Spiessburger" begegnen, mit einem Essay über die zu "stoppende Katholikenflut".

Ein Linkhinweis zu letzterem Text ist auch enthalten in

Cartoon.

dort unter der Überschrift

"Da begab sich die Spiessburger-Webseite aber aufs Glatteis"

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