„Erasmus Pechmondl"
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 25. Februar 2015 01:24
Im Zeitspiegel
Wie man weis, braucht derjenige der den Schaden hat, für den Spott auch nicht mehr zu sorgen, der kommt dann „ganz von allein".
Einerseits verwundert der Umstand nicht, dass die 1925-Verkündigung der Bibelforscher, nicht nur ihre traditionellen Gegner, sondern auch ausgesprochene Spötter mit auf den Plan rief.
Ein solcher Fall ist auch in der damals in Wien erscheinenden Satire-Zeitschrift „Die Leuchtrakete" (Februar-Ausgabe 1925) zu beobachten. Unter rationalem Gesichtspunkten muss man jene Dosis Spott, allerdings der Rubrik „überzogen" zuordnen. Rechte „Freude" indes will selbst bei Freunden der Satire, dabei nicht aufkommen. Und sicherlich sind die Opfer jenes Spottes, letztendlich ungerecht beurteilt worden. Aber eine „sachgemäße" Bewertung lag sicherlich nicht in der Absicht des Artikelschreibers. Das sei erst mal vorangestellt.

Noch was sei einleitend erwähnt. Als Folge des ersten Weltkrieges, hörte dann auch die Österreich-Ungarische Monarchie zu bestehen auf. Das anschliessend weiter bestehende Land Österreich reduzierte sich nunmehr auf seinen Deutschsprachigen Kernbestand, andere Sprachgruppen sind dann nur noch in ihren eigenen Staatsgebilden vertreten, über welche die vormalige Hauptstadt Wien, allerdings keine Bestimmungsmacht mehr hat.
Was sich so nüchtern anhört, hatte auch eine gewaltige ökonomische „Nebenwirkung". Der vordem massiv aufgeblähte staatliche Verwaltungsapparat, musste drastisch zurückgefahren werden, einschließlich damit verbundener Massen-Entlasssungen. Einen den es so auch traf, ist der aus der Zeugen Jehovas-Geschichte bekannte Autor Dr. Hans Jonak v. Freyenwald, aber eben nicht nur er.
Letztendlich baut das Sujet jener Satiregeschichte auch auf die vorbeschriebene Massen-Entlassungswelle mit auf.
Das „zweite Standbein" jener Story bildet dann das damalige WTG-Schlagwort von den „Millionen jetzt lebender Menschen die da nicht sterben werden."
Die Story fängt mit der Angabe an:
„Erasmus Pechmondl hielt seine Entlassung aus dem Staatsdienst in den Händen. Er war der hunderttausendste Staatsbedienteste, der dem Abbruchprogramm zum Opfer fiel."

Für besagten „Erasmus Pechmondl" stellte sich nun die Frage, welche „Perspektive" er denn nun noch hätte. Und seine Selbsterkenntnis gipfelte in der Feststellung, wohl blos noch die, „sich selbst die Kugel zu geben."
Bevor er denn zu dieser beabsichtigten Tat schritt, wollte er aber noch sein bisheriges Leben durch ein „zünftiges Besäufnis" „krönen", und er erachtete die Silvesterfeier als einen geeigneten Anlass dafür.
Im Alkoholrausch tätigt er auf jener Feier auch noch so einige Entscheidungen. Unter anderem die, sich im Halbdunkel zu verloben. Er lässt aber auch durchblicken, nüchtern und bei Tageslicht, hätte er wohl jene Verlobung nicht realisiert.
Dann schritt er zur beabsichtigten Tat, und schoss gleich noch wild um sich, um noch ein paar andere mit ins Jenseits zu befördern. Die waren zwar auch alle von Kugellöchern dann durchsiebt, wie auch er selber.
Aber „wunderbarerweise" erzielte jene Massenschießerei nicht ihre Wirkung. Alle lebten „durchsiebt" „fröhlichst" weiter.
Dann geht die Story weiter mit der Angabe:
„Da stieg plötzlich ein Mann, dem Aussehen nach ein Amerikaner, auf den Tisch, klatschte in die Hände und begann im Tone eines Predigers:
„Niemand von den heute noch lebenden Menschen wird mehr sterben. Sie werden ewig leben! Die Weissagung der ernsten Bibelforscher ist mit Eintritt des heutigen Tages eingetroffen!"
Ein Jubel durchbrauste den Saal, die Leute umarmten sich. Die Ein- und Ausschußöffnungen der Verwundeten wurden mit Champagnerpfropfen verstopft und die Unterhaltung wurde in toller Stimmung fortgesetzt."

Indes bei „Pechmondl" selber stellte sich eher eine Art Katerstimmung ein. Ihm wurde bewusst, keines seiner Probleme hätte sich nun durch dieses wundersame Weiterleben gelöst. Namentlich auch seine finanziellen Probleme nicht:
„Was nun? Er war verlobt, ohne Posten, ohne Geld. Da fiel ihm in dieser Not seine Erbtante ein, die mußte ihm einen Teil ihres Vermögens, er war ja Universalerbe, vorschießen.
Er zog sich rasch an und ging zu ihr Neujahrswünsche überbringen. Dann brachte er sein Anliegen vor. Die Tante lächelte und wies ihm ein Flugblatt vor:
„Millionen jetzt lebender werden nicht sterben!"
Ich brauche ja mein Vermögen selbst, lieber Erasmus. Die Testamente sind hinfällig, es gibt kein Sterben mehr", entgegnete die Tante und Erasmus wankte wie betrunken heim."

Dann gibt es da noch diese Episode, und mit ihr schließt der Artikel:
„Am nächsten Tag besuchte er seine Braut, erzählte ihren Eltern den wahren Sachverhalt, schilderte seine schreckliche Lage und bat, ihm sein Wort bezüglich der Verlobung zurückzunehmen. Der Schwiegervater verweigerte es.
Nun bat ihn Pechmondl, daß er ihm in irgendeiner Weise helfen möge. Da entgegnete jener, daß das ausgeschlossen sei, weil er als Heizer des Krematoriums seit gestern ebenfalls brotlos sei.
„Nehmen sie ruhig meine Tochter zur Frau" schloß er.
„Dann müssen wir ja verhungern", rief Pechmondl entsetzt.
„Ausgeschlossen, es gibt kein Sterben mehr!" ..."

Aus dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek gibt es die Februar-Ausgabe 1925 der „Leuchtrakete" auch Online!
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=dlr&datum=1925&pos=17&size=45
Man vergleiche dort besonders die untere Häfte der fraglichen Seite aus jenem Heft.
http://anno.onb.ac.at/cgi-content/annoshow-plus?call=dlr|1925|0052|00000012||jpg||45|
Laut Wikipedia sind alle erschienenen Ausgaben jener Zeitschrift digitalisiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Leuchtrakete

Jonak

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