„Dr. Eisenbart" teilt in einer Sprechstunde seinen Patienten (kostenpflichtig) mit
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 10. November 2014 06:14
Im „Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
Die Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 11. 1929, fühlt sich bemüssigt ihrer Leserschaft die nachfolgende Meldung weiter zu geben:

„Henry Ford hat eine gute Verwendung für die Geistlichkeit gefunden
In einem Artikel in dem Red. Book-Magazine schreibt er:

"Die Geistlichen sollten, anstatt immer über das Trinken zu predigen, ihre Zeit lieber dazu verwenden, die Leute zu lehren, was sie zu essen haben, denn wenn sie sich über diesen Punkt richtig informieren würden, würden sie vielleicht ihre Gier nach Alkohol verlieren."

Das ist ein ganz guter Gedanke, da fände doch die Geistlichkeit auch noch eine nützliche Beschäftigung."

So so, mag man dazu nur einstweilen sagen.
Jetzt erwischte das „Goldene Zeitalter" offenbar der „Fluch der guten Tat". Mit anderen Worten, es hielt es für angemessen die eigenen Empfehlungen auch in die Praxis umzusetzen.
Was dabei herauskam, sei doch mal etwas näher kommentiert:

Dr. „Eisenbart" - Pardon, so nannte er sich ja wohl nicht selbst so. Also beschränken wir uns ersatzweise auf den Namen „Dr. Namenlos".
Besagter „Dr. Namenlos" hielt wieder einmal eine seiner heiß begehrten Lehrstunden ab.
„Heiß begehrt" dann aber wohl nur von der Klientel, für die das „Goldene Zeitalter" das „Leib- und Magenblatt" war.

„Leib- und Magenblatt", diese Bezeichnung erscheint mir so unpassend nicht zu sein; denn besagter „Dr. Namenlos" geht in der Tat „gnadenlos" mit Leib und Magen zu Gericht. Das ganze ist dann „bewunderbar" in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 11. 1929 (Magdeburger Ausgabe schon am 1. 10. 1929).

Tja und was wusste „Dr. Namenlos" diesmal so „Revolutionierendes" mitzuteilen?
Nun man kann es ja auch heute noch beobachten. Es gibt „dünne" und es gibt „dicke" Menschen. Nicht selten registriert man auch noch. So mancher der „Dicken" ist eigentlich nicht so recht zufrieden mit seinem Schicksal. Und siehe da, sieht man sich weiter um, gibt es sogar diverse Anbieter vermeintlicher „Wundermittel", welcher dieser Klientel „Abhilfe" versprechen, gegen kostenpflichtige Nutzung ihrer „Wundermittel" versteht sich.

Die Problemlage ist wohl nicht erst seit heute existent. Schon „Dr. Namenlos" hat sie offenbar mit umgetrieben. Nun kann man letzterem nicht unbedingt unterstellen, da kostenpflichtige „Wundermittel" angepriesen zu haben. Aber seinen Wunsch, eine gläubig-staunende Leserschaft für seine „revolutionären" Erkenntnisse zu bekommen. Diesen Wunsch erfüllte ihm das „Goldene Zeitalter" in der Tat. Und selbiges wollte ja zu der Zeit, eine sich in die Hunderttausende bemessende Leserschaft schon gehabt haben.

Vielleicht war das gar nicht mal so unberechtigte Kalkül dieses „Dr. Namenlos".
Gläubige Jünger, die da von seinen Thesen angetan, werden sicherlich weitere Mundpropaganda dafür betreiben. Und infolge selbiger wird es vielleicht auch einige in seiner Heilpraktiker-Praxis verschlagen, wo er sie dann so recht - diesmal dann aber kostenpflichtig - „verarzten" kann.

Es fällt schwer sich mit dem von „Dr. Namenlos" ausgeführten im Detail auseinanderzusetzen.
Man ist geneigt sich dabei auf die Linie zurückzuziehen:
Es kann so oder auch anders sein.
Aber das ist ja die eigentliche Kunst der „Dr. Eisenbarts" dass sie ihre gläubige Klientel zu betören wissen. Dass die Gläubigen tatsächlich wähnen. Jetzt haben wir „den" Wunderdoktor gefunden!
Und wenn sie denn am Ende seiner Kuren dann vielleicht mal Bilanz ziehen, dann steht dort nicht selten die nüchterne Erkenntnis, die auch heute noch so mancher Nutzer vermeintlicher „Wundermittel" zu ziehen hat. „Geholfen" hat es im echtem Sinne eigentlich nur einem. In diesem Falle eben besagtem „Dr. Namenlos".

Selbige „Hungerkünstler" wissen natürlich auch. Das Vorzeigen von „Referenzobjekten" übt eine magische Wirkung auf die Gläubigen aus. Und so bemühen sie sich in der Tat auch darum.
Also dass die Heilpraktikerszene psychologisch geschickt, sehr geschickt agiert, wird man mit Sicherheit nicht bestreiten können.

Und der „abgehängten" Schulmedizin bleibt angesichts dessen, häufig nur noch eines übrig. Am Bildungsstand der Menschheit zu verzweifeln.
Insbesondere dann, wenn diese Menschheit auf den Namen: Gläubige Leserschaft des „Goldenen Zeitalters" hört.

Da ja nun schon soviel (vorstehend) Kritik an der Heilpraktikerszene geübt wurde, muss als Ausgleich selbige auch die Chance zur Selbstdarstellung bekommen. Und da mag es in diesem Fall so gehalten werden, einfach jenes „Patentrezept", nunmehr kommentarlos vorzustellen, dass besagter „Dr. Namenlos" der Klientel der „Dicken" zu offerieren wusste.

Sofern es denn „mündige" Leser gibt, können die sich dann ja ihren eigenen Reim darauf machen. Und sei es auch nur der, dass sie nun in Scharen die Praxis des „Dr. Namenlos" bevölkern.
Letzterer wusste via „Goldenes Zeitalter" mitzuteilen:
„Niemand gefallt es, übermäßig dick zu sein, und sicherlich ist dies auch ein bedauernswerter Zustand. Trotzdem bleibt all den korpulenten Leuten nichts weiter übrig als sich damit abzufinden, weil sie ihre Fettleibigkeit als einen unvermeidlichen Zustand betrachten, für den es keine Hilfe gibt. In den letzten Jahren ist über diesen Gegenstand viel geschrieben worden, aber die Ratschläge, die erteilt wurden, haben sich entweder als nicht zufriedenstellend oder als unklug erwiesen, weil offenbar die meisten Autoritäten die Wurzel des Übels selbst nicht kennen.

Obwohl Fettleibigkeit nicht als Krankheit betrachtet wird, besonders nicht von den Fettleibigen selbst, ist es doch tatsachlich eine Krankheit. Die übermäßig dicke Person ist krank, wie gesund zu sein sie sich auch einbildet, und sie hat nur wenig Aussichten, ein hohes Alter zu erreichen. Der Versuch, sich des überflüssigen Fleisches und Fettes durch Hungern zu entledigen, ist reine Torheit.

Es mag wohl ein zeitweiliger Erfolg zu verzeichnen sein, der aber nur eine Schwächung des Körpers zur Folge hat und so die Wurzel des Übels nur verschlimmert.
Es ist völlig nutzlos, eine Krankheit damit heilen zu wollen, daß man nur die Symptome behandelt. Das Vermeiden von Speisen, die Kohlehydrate enthalten - weil diese fettbildend sind -, kann einen langsamen Selbstmord bedeuten.

Wohl essen die meisten Menschen zuviel solcher Speisen, aber ein gewisser Prozentsatz dieser Nahrungsbestandteile ist zur Erhaltung der Gesundheit notwendig, auch bei Fettleibigen. Zweifellos kann Fettleibigkeit geheilt werden, und zwar durch richtige Ernährungsweise, keineswegs aber durch bloßes Vermeiden aller Kohlehydrate.

Die Ursache von Fettleibigkeit liegt zweifellos in einer Schwachheit der die Nahrungs-Roh-Energie verfeinernden Organe des Körpers, der röhrenlosen Drüsen.
Die meisten Menschen meinen, daß die verdaute Nahrung, wenn sie in den Blutkreislauf des Körpers aufgenommen wird, sofort und ohne weiteren Prozessen unterworfen zu sein als Blut und Gewebe bildend im Körper verwendet werden könne. Aber dem ist nicht so.
Die Nahrung ist durch den Verdauungsprozeß zuerst in Rohenergic verwandelt worden, die von dem Blutkreislauf durch die röhrenlosen Drüsen getragen wird, wo sie gewissen notwendigen Veränderungen unterworfen ist, ehe sie dem Körpersystem für dessen Zwecke dienen kann. Bei Fettleibigkeit arbeiten diese Drüsen nicht richtig und versagen beim richtigen Verfeinern und Verteilen dieser Energie, was dann infolge ihrer unbrauchbaren Art zu Stauungen im Körpersystem führt. Die Anhäufung überflüssigen Fettes ist die natürliche Folge der Anstrengungen, die der Körper macht, den Einfluß dieser ungenügend verfeinerten oder geläuterten Energie zu mindern und aufzuheben.

Wenn daher Fettleibigkeit geheilt werden soll, müssen unbedingt diese Drüsen gekräftigt werden; und das geschieht, indem sie dadurch entlastet werden, daß man gewisse Speisen und Getränke vermeidet.
Die Bekämpfung dieses Übels ist ganz nutzlos, solange man Kaffee und Tee trinkt und Schweinefleisch und Fett genießt. Wer seine Fettleibigkeit loswerden will, muß tatsächlich alles Tierfett meiden und statt dessen viel frische Butter essen. Wem es nicht möglich ist, sich genügend Butter zu leisten, der kann gute Pflanzenbutter essen. Die Kost sollte meist aus Gemüse bestehen. Zur Abwechslung esse man Fisch, besonders Seefisch, auch kann man einmal wöchentlich mageres Fleisch essen; doch je mehr man sich an Gemüsekost hält, um so besser wird es sein. Milch und Eier können genossen werden, aber wir empfehlen Buttermilch statt süßer Milch, wenn diese frisch und gut erhältlich ist.
Weißes Brot sollte vermieden werden, und natürlich auch weißer Zucker. Zucker ist zur Erhaltung der Gesundheit notwendig, und fettleibige Leute brauchen ihn geradesogut wie andre, aber natürlich sollte man nur Rohzucker verwenden, da dem raffinierten Zucker fast alle wertvollen Nahrungsbestandteile genommen sind. Von Rohzucker wird man auch selten zuviel essen.

Vor allen Dingen sollten Fettleibige viel rohe Gemüse und säuerliche Früchte genießen, sie bilden einen wichtigen Bestandteil der fettreduzierenden Diät
Natürlich kann man bei Befolgung dieser hier gegebenen Ratschläge nicht einen sofortigen oder auch nur sehr schnellen Erfolg erwarten. Die Kräftigung dieser schwachen Drüsen erfordert Zeit, und erst muß dieses Übel behoben sein, ehe man eine merkliche Abnahme des Körpergewichts verzeichnen kann; doch kann man diese in sieben bis acht Monaten erwarten.

Außer Tee, Kaffee, Schweinefleisch und andrem Tierfett sind, wenn man die Fettleibigkeit bekämpfen will, auch Tabak und Alkohol strengstens zu vermeiden.

Doch ehe man versucht, Fettleibigkeit oder ein andres chronisches Leiden durch eine Reform seiner Ernährungsweise zu heilen, konsultiere man einen tüchtigen Spezialarzt für Rückenmarkleiden und lasse sich untersuchen, ob man nicht an Rumpfnervendruck leidet.
Wo dies der Fall ist, wird eine besondere Diät nicht viel nützen, irgendein Übel zu beheben. Leider sind verhältnismäßig wenig Menschen ganz frei von Nervendepressionen. Ja, man kann sagen, daß dies wahrscheinlich von 70 Prozent aller chronischen Leiden entweder die Ursache oder die Auswirkung ist."

Doktor Eisenbart

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