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Im Bethel (5) - Exorzismus

geschrieben von:  . +
Datum: 26. August 2009 23:54
In einem Thema fand ich es besonders schade das ich nicht offen sagen konnte / wollte um welche Person es sich bei mir handelte.

Hier in dem Thema „Im Bethel“

Teil 1 – 4 findet man hier:
http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=160443710&blogId=441890941

Der Grund warum ich nie zu den Wachtturmzeugen gepasst habe war, meine mangelnde Fähigkeit mich anzupassen.
Ich nenne es gerne meinen Nonkonformismus.

Ich war nicht der geforderte Tonklumpen in den Händen der Wachtturmorganisation.
Wer also heute überlegt sich den Zeugen des Wachtturms anzuschließen, muss wissen dass er sich der „Einheit innerhalb der Organisation“ unterordnen muss.
Der Drang zu einer eigenen Individualität offenbart, laut Wachtturmführer, den Geist Satans.

Es mag Menschen geben die sich innerhalb des grauen Einheitsbreies wohl fühlen.
Es mag Menschen geben die die uniformierte, unauffällige Masse suchen.
Ich konnte das jedenfalls nicht.

Und nach meiner Beobachtung konnte das auch kein anderer.
Nur gab es Verhaltensmuster mit denen es anderen gelang Konformationsdruck der Wachtturmgesellschaft zu kompensierten.

Da gab es dann den, der seine „Macht“ ausnutzte und andere Brüder piesackte.
Und sei es die Haushaltsschwester die unter dem Konformitätszwang litt und deswegen den Alltag nur ertrug in dem sie Streit suchte.

Ich nannte es damals so: „manche behalten durch Konflikte das Gefühl das sie Lebendig sind aufrecht“
Schmerzen spüren oder austeilen um noch zu spüren das man Lebt.

Und genau dieser Konformitätszwang innerhalb der Wachtturmorganisation lässt sich durch die kleine Anekdote sichtbar machen die ich mit meiner zukünftigen Frau als verliebtes Pärchen erlebte.

Aber eins nach dem Anderen.
Zuerst noch einmal zu dem Zimmer in das man mich im Juli 1987 steckte.

Hier beschrieb ich es schon:
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,12980,13254#msg-13254

So sahen die Typischen Bethelzimmer aus.

Die Zeichnung oben war mein Bett.
In der nachfolgenden Abbildung sah man den Bereich in dem sich der Zimmerpartner einmauerte.

Hier sei das Ganze jetzt als Fotos nachgereicht:

In dem obigen Foto sieht man mein Bett mit dem Stuhl den ich von zuhause mitgebracht hatte.
Das war mein Gesellenstück.

In dem linken Foto unten sieht man meinen Sekretär.
Im Regal das Foto meiner Schwester und rechts den Kassettenrecorder den ich zum Russischlernen verwendete.
Im rechten Foto sieht man ein Stück der beigen Couch.

Warum ich das hier noch mal zeige ist, um den Kontrast zu einem normalen Bethelzimmer und dem Zimmer das mein neuer Zimmerpartner und ich später selber gestalteten deutlich zu machen.

Im Gegensatz zu dem vorhergehenden mit Eichemöbeln voll gepfropftem normalem Bethelzimmer, war das neue Zimmer quasi leer.

Ich kam also mit einem Jazzmusiker in ein Zimmer und beschloss wieder Musik zu hören.
Da ich zwischenzeitlich in der Schreinerei als Polsterer Arbeitete Zeichnete ich mir einen Stereoanlagen Schrank und Boxen und baute sie mir in der Schreinerei selber.
Esche Echtholzfurnier zusammengenäht, in der Plattenpresse Furniert, mit schwarzer Wasserbeize gebeizt und Lackiert usw.

Ich hatte zwar noch keine Stereoanlagen Teile oder einen Fernseher, aber schon eine klare Vorstellung davon, wie das ganze mal bestückt und aussehen sollte.

Irgendwo habe ich auch noch die Baupläne – aber das tut ja jetzt nichts zur Sache.

Hier im obigen Bild, sieht man hinter den Glastüren des Stereoanlagenschrankes wieder das Bild meiner Schwester und links und rechts die Boxen mit indischer Wildseide bespannt.
Was man in dem Stereoanlagenschrank auch deutlich sehen kann, sind die von mir neutral abgepackten Schallplatten.

Links in weiß, rot, schwarz etc.
Die hier rechts nicht neutral abgepackten Platten waren noch die meines Zimmerpartners.

Neben der Stereoanlage waren in dem Raum nur ein Tisch mit vier Stühlen und eine schwarze Ledercouch.

Im Raum waren keine Schränke, weil wir Zwischenwände eingezogen hatten und einen begehbaren Schrank bauten.
Die Ledercouch baute ich in meiner Werkstatt nach Feierabend.
Sie bestand aus zwei mit Leder bezogenen Matratzen und einem Auseinanderziehbahren Lattenrost.

Abends zog ich meinen Lattenrost vor meine Stereoanlage und so hatten wir zwei getrennte Betten.

Auf dem Bild sieht man auch wieder mein Gesellenstück.
Das Gestell ist Handgeschnitzt aus Italien der Stoff kommt aus Frankreich.

Das schlimmste an dem Zimmer aber waren die roten Vorhänge.

Ich weiß nicht ob das jemanden was sagt – aber es war gecrashter dunkelroter Vorhangstoff von JAP.
30 cm auf dem Boden aufliegend.

Und dass obwohl doch im Bethel nichts auf dem Boden aufliegen darf.
Die Haushaltsschwester protestierte hefitg dass sie rote Vorhänge unpassend fände (Bordell) und sie nicht Staubsaugen könne weil die Vorhänge auf dem Boden auflägen.

Der Bruder vom Bethelbüro meinte sie solle halt den Stoff hochheben und dann darunter Saugen – er jedenfalls hätte nichts gegen rote Vorhänge.
Ich wies an dieser Stelle darauf hin, das es sich hierbei durchaus um einen hochwertigen sprich teuren Stoff handelte, der sich besonders dadurch auszeichnete, das die Wäscherei ihn nicht Bügeln bräuchte (sehr robust und pflegeleicht).

Die Schwestern von der Nähstube ließen auch ihren Unmut verlauten weil sie für das Nähen der Vorhänge zuständig wären und ich diese aber in meiner Werkstatt genäht hatte.
Dies wiederum veranlasste mich zu dem Kommentar dass ich eine viel präzisere Spezialnähmaschine (Dreifachtransport mit Starkstrom) und spezielle professionelle Nähgarne verwende (Rasant 100) und ihre Haushaltsnähmaschinen nur bedingt dafür geeignet wären.

Unter diesen Umständen muss man dann den Streit mit der Putzmittelflasche sehen.

Durch meine Zuteilung in der Polsterei war ich in Besitz der Gesamtschlüssel.
Da ich in den ersten vier Monaten in der Abteilung Haushalt Verwaltung arbeitete, kannte ich mich sowieso in deren Putzmittellager und anderen Räumen aus.

Nun verwendet man im Bethel für die Reinigungsmittel keine Schmuckflaschen wie wir es aus unseren Supermärkten kennen, sondern man kauft die Reinigungsmittel in großen Fässern oder Kanistern und füllt sie in schlichte, Standart-Kunststoffflakons.

Nun gibt es im Bethel überall Schilder mit einem ähnlichen Wortlaut wie diesen:

„Lieber Bruder, liebe Schwester!
Reibe mit diesem Handtuch bitte das Waschbecken nach. Das erleichtert der Haushaltsschwester die Arbeit und man muss für Kalkflecken keine schärferen Putzmittel einsetzen“

„Lieber Bruder, liebe Schwester!
Reinige die Dusche bitte nach gebrauch mit dieser Bürste.“

Etc. Etc. Und so weiter und so weiter.

Nun war aber meine erste Amtshandlung wenn wir in ein Zimmer neu einzogen sämtliche Schilder zu entfernen.
Ich habe eine Phobie gegen Schilder.
Keines meiner Autos hat eine Aufschrift, Werbung oder Aufkleber.
Koste es was es wolle.
Ich störe mich schon daran wenn ich morgens im Bad von Werbung an Shampooflaschen belästigt werde.
Langer Rede kurzer Sinn.

Meine Zimmer hatten keine Schilder.

Es sind aber nicht nur die Schilder.
Ordnungsgemäß gehört in eine ordentliche Betheldusche eine Wurzelbürste und besagter gut gefüllter Reinigungsmittelflakon.

Es gab aber in jedem Bad einen großen Einbauschrank.
Genug platz für alle Mittelchen und Fläschchen, Geräte und Tupferchen.
Langer Rede kurzer Sinn.
In meinem Bad steht nichts herum.
Kein Rasierapparat, kein Parfüm, kein Nippes und um Gottes Willen auch keine grobe Wurzelbürste mit einer halbvollen Einliter Reinigungsflasche.

Nun wechselte eines Tages turnusgemäß unsere Haushaltsschwester.

An dem ersten Montagmittag stand in unserer Dusche eine neue Wurzelbürste und ein Reinigungsmittelbehälter.
Ich nahm es gar nicht wahr und stellte die Flasche und die Bürste in den Badschrank neben die andere Flasche und Bürste.

Am Dienstagmittag standen wieder eine Flasche und eine Bürste in der Dusche.
Mir schwante nichts gutes.
Aber was soll’s – das Putzmittellager lag auf dem Weg und so brachte ich zwei Bürsten und zwei Reinigungsflaschen dorthin zurück.

Am Mittwochmittag standen wieder eine Flasche und eine Bürste in der Dusche und es lag ein handgeschriebener Zettel auf unserer modernen und stets sauberen Küchenzeile:

Man beachte wie stark und energisch die Schrift nach rechts ansteigt.
Normalerweise schrieb die Schwester waagrecht.
Das sieht man an den Abdrücken in Block.
Hier aber ist die Schrift triumphierend und siegessicher!
Das Ausrufezeichen musste sie regelrecht Ausmalen.

Es mochte ja sein das die Schwester diese Ansicht ist – mich interessierte es jedenfalls nicht.
Die Flasche und die Bürste landeten wieder im Badschrank.

Am Donnertag wusste ich vorher schon dass ich Mittags einen Zettel auf dem Zimmer finden würde.
Und prompt:

Auch hier kippt die Schrift förmlich um.
Ihre Buchstaben liegen alle in Schreibrichtung – es machte ihr Spaß.
Sie positionierte den Text rechts oben in die Ecke – sie war absolut zuversichtlich das sie Gewinnen würde.
Und sie war es die glaubte ein Ultimatum stellen zu dürfen.
Diese Schwester war gerne im Bethel.
Aber zumindest blieb diesmal die Dusche leer.

Meine nicht vorhandene Kinderstube verbietet es mir jetzt ausfallend zu werden.

Aber aus meiner Zeit in Haushalt-Verwaltung wusste ich dass sich die Haushaltsschwestern und Brüder am Samstagmorgen im Bethelbüro zur Arbeitsverteilung und Besprechung der vergangenen Woche treffen.

Das gewünschte Telefonat am Freitag fand nicht statt.

Ich war so frei und fand mich an besagten Samstagmorgen bei dem Bethelbüro ein, in dem sich wie immer eine große Gruppe an Schwestern (gut die Hälfte der gesamten Haushaltsschwestern und Brüdern!) zusammenfanden.
Die Tür war offen und man stand wie immer bis draußen im Flur.
So wartete ich auf dem Moment in dem der Bethelaufseher gegen Ende der Lagebesprechung die Frage stellte, ob es noch etwas zu Besprechen gäbe.

Na und ich meinte ich hätte da eine Frage:

“Ist es verpflichtend Notwendig dass in den Duschen sichtbar eine Bürste und ein Reinigungsmittel stehen?
Wenn der Inhalt der Reinigungsmittelflasche der absehbaren Neige zu geht, kann man die Flasche doch Problemlos in das Bad stellen, mit der Bitte sie wieder aufzufüllen.
Das gleiche gilt für die Wurzelbürste.“

Der Bethelaufseher meinte, das es keinen Grund gäbe warum die Flasche immer sichtbar in der Dusche stehen müsste.
Damit war das Thema gegessen.

Erst die Roten Vorhänge, dann die abgepackten Platten und diese Sache mit der Wurzelbürste – dafür hat sich die Haushaltsschwester später bitterböse gerächt.

Ich bekam einmal eine Ferienmittarbeiterin in meiner Polsterei zugeteilt.
In der Woche in der wir zusammenarbeiteten hatte ich mich in sie über beide Ohren verliebt.

Sie war Pionierin und kam aus Köln.
Vier Monate später waren wir Verheiratet.

In der Zeit vorher waren wir heftig verliebt und bauten natürlich auch unser Nest indem sie das Bethelzimmer etwas nach ihren Vorstellungen gestaltete.

An einem freien Samstag (wir waren noch nicht verheiratet) trafen wir uns in Köln und im siebten Himmel schwebend gingen wir durch die Kölner Innenstadt Schaufensterbummeln.
Wir kauften ein paar Kleinigkeiten für unser neues gemeinsames Heim.

Eines dieser Kleinigkeiten war der Kauf von einem Dali Kunstdruckkalender mit zwölf großen Bildern aus denen wir sechs auswählten, sechs Rahmenlosen Wandbilderhaltern aus entspiegelten Glas und schwarzen Passepartout.

Am Sonntag trafen wir uns wieder im Bethel und bastelten gemeinsam die Bilder.
Ausschneiden aus dem Kalender.
Einsetzen in die Bilderhalter.
Aufhängen der Bilder

Ich durfte die Nägel in die Wand schlagen – das Aufhängen von Bildern gehörte zu meiner Zuteilung.

Es war wohl dieser romantische Sonntag Abend, als ich Abends für uns beide Kochte.
Wir aßen bei Kerzenschein in unserem so gemeinsam gestalteten Zimmer nach getanem werk Flambierten Pfannkuchen.

Ich erinnere mich deswegen noch so gut daran dass es dunkel und bei Kerzenschein war, weil Bethelbesucher versehendlich in unser Zimmer kamen.
Sie suchten das Treppenhaus und waren peinlich überrascht in ein so romantischen Abend hereinzuplatzen.
Unsere Zimmertür war selbstverständlich immer offen da es Vorschrift war!
Wenn zwei in einem Raum alleine waren, durfte man nicht die Tür schließen.

Wie dem auch sei.

Montag morgens kommt die Haushaltsschwester in das so neu dekorierte Zimmer und sieht die Dali Bilder.

Sie verlässt das Zimmer ohne die Tür zu schließen und stürmt ins Bethelbüro.
Mit verschränkten Armen stand sie im Bethelbüro und sagte zu dem Aufseher dass sie sich weigere das Zimmer zu betreten weil dort die Dämonen hausen.

Der Bruder vom Bethelbüro ging also in unser Zimmer und begutachtete die „Dämonen“.

Er kam zu dem Ergebnis das an den Bildern doch nichts auszusetzen wäre.

Trotz dem Versuch, durch gutes Zureden, die Haushaltsschwester dazu zu bewegen, doch dort zu putzen, weigerte sie sich den Raum zu Betreten.

Man muss hier an dieser Stelle erwähnen dass die Buschtrommeln im Bethel sehr schnell funktionieren.

Das Gerücht dass sich ein Hort des Dämonismus – ja ein Nest der Dämonen aufgedeckt wurde, erreichte mich schon als die Haushaltsschwester noch im Bethelbüro war.
Zuerst ahnte ich natürlich nicht dass es sich um mein Zimmer handelte.

Der Bruder vom Bethelbüro holte mich in sein Büro und meinte das es gegen die Bilder nichts auszusetzen gäbe aber das wir aus Rücksicht vor dem Gewissen unserer Schwester, die Bilder doch wieder abhängen sollten.

Nach dem Mittagessen waren die Bilder abgehängt.
Und als die Haushaltsschwester Mittags ihren Triumph sah, schob sie die Vorhänge zur Seite, öffnete Fenster und Balkontür, sowie die Zimmertür, das alle ihren Sieg auch gebührend zur Kenntnis nehmen konnten.

Es war das Zimmer 4201 – direkt von dem Speisesaalfenstern einzusehen.
Und wie gesagt – die Buschtrommeln…

Ich hatte dann die Aufgabe es meiner Braut schonend beizubringen, dass ihre Dalibilder dem Exorzismus zum Opfer gefallen sind.

Stattdessen wurden es dann Delphine.

Dies also als ein Blick hinter die schöne Wachtturmfassade.
Der drang nach selbstständigen Denken ist des Teufels.
Individualität offenbart den Geist der Welt.

Die Wachtturmgesellschaft duldet es nicht das man selbstständig forscht und handelt.

Das ersticken der Individualität mag für manche ein zu vernachlässigender Grund sein die Zeugen zu verlassen.
Für mich war es der Grund innerlich nie einzutreten.
Wenn ich auch hineingeboren wurde und Äußerlich 40 Jahre dabei war.
Jeder Versuch sich mit dem bestehenden Konformationszwang in der Wachtturmsekte zu Arrangieren schlug fehl und führte nur bei dem Kind und Menschen der ich bin und war nur zu irreparablen Schäden.

 

Re: Im Bethel (5) - Polsterei
geschrieben von:  . +
Datum: 31. August 2009 00:42
Im Juli 1987 kam ich ins Bethel.

Ich war Raumausstatter Geselle und hatte von der Werkstatt meines Vaters meine eigene Werkzeugkiste mit ins Bethel mitbekommen.

Es war wohl im August als ein Maler beim Ausmahlen eines Zimmers eine Hängelampe abhängte und auf eine Couch legte die einem Bethelehepaar privat gehörte.
Die Lampe hatte einen Metalllampenschirm so dass man es nicht sah, als der Mahler die Lampe einschaltete und mit der Glühbirne so ein Loch in den synthetischen Stoff brannte.

Der Maler war aus meiner Versammlung und wusste dass ich Polsterer war.
Also bat er mich, noch bevor er sein Malöhr dem Bethelehepaar gebeichtet hatte, ob ich mir die Sache ansehen könnte.
Da der Brandfleck genau über einer Steppnaht in der Sitzfläche lag, schlug ich vor, den Brandfleck einfach durch eine neue Steppnaht zu verdecken – der Sitzfläche hätte es eh nicht geschadet wenn der Stoff wieder etwas nachgespannt würde.

Die Couch wurde nach Rücksprache mit dem Bethelehepaar ins Möbellager geschoben und der Schaden wurde von mir dort während der Arbeitszeit so behoben, das man es nachher nicht mehr sah.
Für mich war das endlich mal vernünftige Arbeit!

Ich hörte zu dieser Zeit über die Gerüchteküche dass man plante eine neue Abteilung zu gründen.

Die Polsterei.

Nun war ich zwar Raumausstattergeselle, aber im Grunde machte ich mir keine Illusionen – ich war einfach zu kurz im Bethel.
Ich wusste dass es einen anderen Polsterer im Bethel gab – jemanden mit 10 Dienstjahren oder so.

Dumm gelaufen.

Und dann wurde im September 1987 (mein dritter Monat) auch noch beim Bethelfrühstück bekannt gegeben, dass eine neue Abteilung gegründet würde – die Polsterei – und ich wusste im Vorfeld davon nichts.

Man – das wäre etwas gewesen wenn ich in meinem Beruf dort arbeiten könnte!

Noch Mal 14 Tage später - an einer Freitaglagebesprechung im Haushaltsbrüder-Raum sagte mir mein Aufseher dass ich mich nächsten Montag im Bethelbüro melden sollte.

Warum wusste ich nicht – sonderlich Außergewöhnlich war es auch nicht – wir Haushaltsbrüder waren direkt den beiden Brüdern vom Bethelbüro unterstellt.

An dem Montagmorgen fragte mich der Bruder vom Bethelbüro ob ich den Aufseher der Schreinerei kennen würde – ich verneinte und so brachte er mich zu dem Aufseher der Schreinerei und dieser eröffnete mir, dass ich ab sofort unter ihm in der Polsterei zugeteilt wäre.

Ein Raum zwischen Malerei und Schreinerei, der bisher von den Malern als Teppich und Farbenlager genutzt wurde, wurde leergeräumt und bekam eine Tür zur Schreinerei und große Schallschutzfenster.

Hier von der Schreinerei aus blickt man auf die neuen zwei Fenster

Man stellte mir den Bruder vor, der für das Organisieren des Werkzeuges und der Maschinen zuständig war und legte mir einen Werkzeugkatalog vor – ich sollte bestellen was ich benötigte.
Dito mit den Materialien – wobei ich davon Profitierte das ich bei meinem Vater in die Lehre gegangen war und dann bei ihm in seiner Firma gearbeitet hatte.
So kannte ich die Bezugsquellen.

Hier sieht man auf dem Tisch eine Werkzeuglieferung.

Ich weiß nicht ob jemand ermessen kann was das für mich bedeutete!
Ein sechser im Lotto war ein Dreck dagegen.
Ich sollte fortan eigenverantwortlich und alleine in einer Werkstatt arbeiten.

Hier der Blick von der Werkstatt in die Schreinerei – die Türen waren noch nicht gesetzt.

Ich wäre der einzige Bethelbruder der alleine (!) in seiner Zuteilung arbeiten würde.
Der Bruder der Schreinerei wäre zwar mein Aufseher, aber die Polsterei war mein Reich.

Ich stürzte mich auf die Arbeit – dankbar endlich etwas tun zu können das mich vergessen ließ wo ich war.
Ein Polsterer braucht nicht viel.
Eine Schere, ein Hammer ein paar Nadeln und schon geht es los.
Das hatte ich eh alles im meinem eigenen Werkzeugkoffer dabei.

Ich bekam eine Leitung der Fabrikdruckluftanlage gelegt, Strom, Starkstom, Böcke, Arbeitsbretter.
Die Dachluke der Werkstatt wurde umgebaut, damit ich sie zum Lüften öffnen könnte.

Und ich brauchte eine Nähmaschine.

Eine normale Haushaltsnähmaschine und eine Industriemaschine.
Auf die bestand ich.

Was hat mir der Bruder daraufhin nicht alles für Maschinen Angeschleppt.
Overlock Nähmaschinen (Ein Einfadensysthem - so was ist für flexible Unterwäschennähte) und was weiß ich noch alles.

Ich sagte immer „Mamatschi solche Pferdchen wollt ich nicht“.
;-)

Ich benötigte eine Dreifachtransport Maschine die auch gas gab wenn ich aufs Gaspedal trat.
Da verstand ich keinen Spaß.
Und er besorgte eine gebrauchte von Brüdern.

Hier sieht man die Maschinen.

Im Dezember kam mein Vater und brachte mir auch noch einiges an Werkzeug und Materialien.
Er überschüttete mich förmlich – sein Sohn – sein Beruf – sein Werkzeug – auch für ihn war es ein Hoffnungsschimmer das ganze erlittene Wachtturmelend zu vergessen

Ich kannte fortan jeden Nachtwächter – in meiner Werkstatt konnte ich soviel Lärm machen wie ich wollte und wann ich wollte.
Auf einmal war es kein Problem Dinge zu Organisieren – Ich polstere Dir (nach Feierabend) den Autositz – Du gibst mir ein Autoradio – und davon machte ich reichlich gebrauch.

Auch sollte ich den langjährig von außerhalb kommenden Schumacher ersetzen.
Dafür Arbeitete ich einmal in der Woche in der Schumacherwerkstatt.

Dieses Bild zeigt etwas das für mich sehr wichtig wurde!
Seht ihr die Instrumente und den Notenständer?

Dadurch dass ich immer nachts in der Werkstatt war wurde ich für die Musiker interessant.
Von dem Aufseher der Druckerei verjagt, suchten sie einen Platz in dem Fabrikgelände, in dem sie üben konnten – so lernte ich meinen Zimmerpartner kennen, mit dem ich zum Jahreswechsel zusammenzog.

Eines Tages lästerten die Schreiner, dass zu mir ein weiblicher Ferienmittarbeiter käme.
Ich machte mir zu der Zeit noch nichts von Frauen – ich hatte noch nie eine Freundin oder hätte gar ernsthaft über Heiraten nachgedacht.

Das Thema Ferienmitarbeiter war auch kein großer Aufreger für mich – als Schreiner hatten wir dauernd Ferienmitarbeiter.

Ich war derjenige in unserer Abteilung der sich gerne den Neuen und Ferienmitarbeitern angenommen hatte.
Ich erinnerte mich nur allzu gut an meine ersten Tage im Bethel und wollte den anderen den Spaß verderben, den Neuen bei ihrer Hilflosigkeit zuzusehen.

Ich zeigte einem Neuen wo er im Speisesaal sitzt, wie er an seinen Abendbrotbeutel kommt, wo er im Montagwachtturmstudium sitzen könnte und vor allem wo besser nicht.
Ich nahm sie mit in meine Versammlungen und in den Dienst in mein Gebiet.

An einem Montag früh am morgen – ich kam sehr früh in den Speisesaal, sah ich ein Mädchen alleine in dem noch nicht voll beleuchteten Saal sitzen und wusste auf den ersten Blick das sie die Ferienmittarbeiterin ist.

Ich sprach sie aber nicht an – hey es war wohl viertel vor Sieben!

Auf jeden Fall brachte sie der Bethelaufseher in meine Werkstatt.
Ich zeigte ihr die Arbeit (Arbeit war viel genug da) und verabschiedete mich.
Ich hatte einen Termin bei einem Zahnarzt-Orthopäden in Limburg.
Ich sagte zu ihr das es sein könnte, das ich die ganze Woche nicht mehr komme, weil ich dann im Krankenstand bin.

Das war’s.

Mittags war ich doch wieder da.
Es wurde ein OP Termin für einen späteren Zeitpunkt vereinbart.

Eine Woche Arbeite ich so mit der Schwester.
Sie meinte später ich wäre schrecklich schweigsam gewesen.
Aber mein Gott ich war konzentriert am Arbeiten.

Ich zeigte ihr aber – wie allen Ferienmitarbeitern den ganzen Bethelablauf, nahm sie in meine Versammlung mit und Organisierte eine Schwester in unserer Versammlung die sie am Donnerstag mit in den Dienst nahm (Ich gehe doch nicht mit Schwestern in den Dienst).

Diese Schwester (eine gute Bekannte unserer Familie) schenkte der Ferienmitarbeiterin eine Packung Koalabärenkekse.
Und diese Packung teilte dann die Ferienmitarbeiterin am Freitag mit mir.

Außerdem wickelten wir zusammen den Griff eines Billardkös.

Es waren ihre Hände die bei mir an diesem Freitag etwas auslösten.
Diese Hände mit den wir den Bilardkö wickelten – und die Koalabärenkekse.

Sie wollte nur eine Woche im Bethel arbeiten.
Am Samstag kam ein Pionierehepaar um sie Abzuholen und ich versprach ihr eine Spezial-Sonder-VIP-Extra-Bethelführung für ihre Freunde.
Bei dieser Bethelführung schoss die Ferienmitarbeiterin mehrere Fotos.

Dann ging die Schranke auf – sie fuhren nachhause – und mit mir war es geschehen.

Das Mädchen war 157 groß, sie wog 45 Kilo, war ein Jahr jünger wie ich, war Portugiesin und ich war über beide Ohren verliebt.

Ich rief meine Schwester an und sie meinte so etwas komme in den besten Familien vor.
Werder die Ferienmitarbeiterin noch ich wussten aber wie wir heißen.
So sagte meine Schwester – wenn Du nicht herausfindest wie sie heißt brauchst Du sie auch nicht heiraten.

Ich wusste aber in welchem Gästezimmer sie gewohnt hat und so ging ich in das Haushaltsschwester Zimmer und fand dort an der Pinwand ihren Gästezimmeranmeldungszettel.

Jetzt wusste ich ihren Namen.

Zur Sonntag Versammlung nahm ich einen jungen Bruder mit, der erzählte das er nächsten Sonntag seine portugiesische Freundin im Kongress in Luxemburg treffen würde.
Ich fragte ob ich ihn zum Kongress begleiten dürfte.
Es war abgemacht.

Am Montagmorgen ging ich ins Bethelbüro und fragte den über beide Ohren grinsenden Bethelbruder nach der Telefonnummer der Ferienmitarbeiterin.
Er hatte nur mit den VA ihre Versammlung gesprochen – Köln Venloh.

Also kam sie aus Köln.

So ging ich in die Rechtsabteilung und bat den Bruder dort, ob ich in das Telefonbuch von Köln schauen durfte.

Ich hatte Glück – den Namen gab es nur einmal – Jetzt hatte ich die Telefonnummer und die Adresse.

Ich führ mittags in das Blumengeschäft nach Niederselters und sandte per Fleurop einen Strauß Blumen an die Kölner Adresse, mit der Grußkarte, ob wir uns am Sonntag auf dem Kongress am Haupteingang in Luxemburg treffen könnten.
Dein Jörg

Am Montagabend kam sie von der Arbeit nach hause und fand den Blumenstrauß vor.
Die Mutter dachte erst er wäre für sie – aber nein der war für ihre junge Tochter.
Die aber kannte keinen Jörg.

Sie dachte ich hieße Jak weil auf meinem gesamten Werkzeug meine Initialen JAK standen.
Sie wusste also nicht von wem sie die Blumen bekommen haben konnte.
Egal – von dem Strauß und der Tochter machte die Mutter ein Foto.

Am Abend um etwa 20:00 Uhr rief ich dort an.
Erst jetzt wusste sie wem sie die Blumen zu verdanken hatte und ja, sie wäre in Luxemburg auf dem Kongress.

Am Sonntagmorgen trafen wir uns dort.
Wir brauchten dazu keinen Haupteingang.

Sie war so nervös das sie schon am Tag davor nichts essen konnte.
Mit ihrer Freundin machte sie ein Zeichen aus – eine Krawattennadel die sie mir als Geschenk mitbrachte – wenn ich die trüge…

Ihre Mutter „zog sich zurück“ sie schenkte uns ihre Essensmarken und so aßen wir (wie ich später erfuhr) neben dem Kreisaufseher Ehepaar das breit grinsend unserem Gespräch lauschte.

An diesem Sonntagmittag (unserem 7ten Tag den wir uns sahen) fragte ich sie ob sie in Portugal oder Deutschland Heiraten würde.
Sie sagte Deutschland und von dem Moment war es abgemacht.

Es gibt von diesem Kongresstag Fotos – man bat uns ob wir uns etwas näher zusammenstellen könnten – Händchenhalten war noch lange nicht drin.

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Ich gehörte fortan zu der Horde junger Brüder die unten im Keller des Wohnhauses ein Vermögen vertelefonierten.
Es standen immer eine größere Anzahl liebeskranker Brüder Schlange vor der Telefonkabine…

Es gab ein Problem.
Um in Deutschland zu heiraten hätte sie aus Portugal ein Ehefähigkeitszeugnis gebraucht.
Das hätte aber 500 DM Bestechungsgelder oder ein Jahr Wartezeit erfordert.
Beides kam für mich nicht in Frage.

Ich hörte aber von meinem ehemaligen Aufseher von Haushaltverwaltung dass man in Dänemark Heiraten könnte.
So ging ich in die Bücherei und suchte in einem Weltatlas die nächst größere Stadt an der deutschen Grenze.

Sonderburg.

Jetzt rief ich die Internationale Auskunft an und bat um die Nummer des Standesamtes von Sonderburg.
Dort rief ich wiederum an und fragte ob es jemanden gab der Deutsch spräche.
Ich fragte was ich machen könnte um dort zu heiraten.
Dort meinte man „so schnell ginge es nicht weil man leider schon Vierzehntage ausgebucht sei“.
Ich meinte „nein nein – ich wolle erst am 9 Dezember heiraten – in etwa drei Monaten.“
Für Dänemark eine halbe Ewigkeit.
Sie schickten mir kostenlos alle Unterlagen – Ehefähigkeitsbestätigungen besorgen die Dänischen beamten selber bei den Standesämtern.

Einem jungen türkisch-deutschen Bruder war schon zugesagt worden dass er mit seiner Braut im Bethel bleiben durfte.
Sie hätten mit der Heirat gewartet wenn er keine Zusage bekommen hätte.
So wurde aber alles von ihm aufgrund der Zusage vom Bethelbüro in die Wege geleitet.
Weil es aber bei mir so kurzfristig schnell ging bekam er eine Absage.
Mich behielt man – er musste gehen.
Jetzt konnte er aber die Hochzeit nicht mehr verschieben.

Und so waren wir nach kaum mehr als vier Monaten, nachdem eine Ferienmitarbeiterin bei mir eine Woche in der Werkstatt gearbeitet hatte, verheiratet und dann fortan 16 Jahre verliebt, wie am ersten Sonntag an dem wir uns noch nicht einmal trauten Händchen zu halten.

Am 9.Dezember 2009 sind wir 20 Jahre verheiratet.
Wir sind uns einig das wir diesen Tag nicht feiern werden

Re: Im Bethel (5) - Polsterei
geschrieben von:  X ~ mysnip
Datum: 31. August 2009 21:29

. +
... Das Mädchen war 157 groß, sie wog 45 Kilo, war ein Jahr jünger wie ich, war Portugiesin und ich war über beide Ohren verliebt. ...

Hallo "+",

das läßt mich an einen Beitrag von 2007 denken. Darin verlinkst du diese portugiesische Band:
http://www.youtube.com/watch?v=-rzoGIuwgHk&feature=related

Laut Wikipedia in dem Jahr gegründet, als du ins Bethel kamst.

Parsimony.23809

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