Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 17. Mai 2014 18:12
Quasi als Vorankündigung (noch ohne eigentlichen Inhalt).
Am 18. Mai beginnt hier ein mehrteiliger Beitrag zu diesem Thema.
Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 18. Mai 2014 03:44
In den Jahren von 1781 bis 1783, erschien eine vierbändige Buchausgabe mit dem Titel "Kritische Geschichte des Chiliasmus". Untergliedert in einen Band 1, Band 2, Band 3,1 und 3,2. Der dazu gehörige Verfassername: Heinrich Corrodi. Zum formalen ist anzumerken, auf der Grundlage von in USA-Bibliotheken vorhandener Exemplare, hat Google zwei Bände davon eingescannt (als Volltexte erreichbar). Ebenfalls seitens der Bayrischen Staatsbibliothek gibt es weitere Einscannungen, mit Einschränkungen. So ist der Band I des von der Stabi München digitalisierten Exemplares zwar Online einseh- aber nicht herunterladbar. Immerhin besteht für den ernsthaften Interessenten, so er den dazu notwendigen Zeitaufwand zu investieren in der Lage ist, die Möglichkeit, sich mit allen vier Bänden, inhaltlich bekannt zu machen.

Der Verfasser, ab 1786 in Zürich eine Professur innehabend, hat in diesen vier Bänden, eine sicherlich beachtliche Materialfülle verarbeitet. Er muss auch in dem Kontext eingeordnet werden, das er der zu seiner Zeit zunehmend frech ihr Haupt wieder erhebenden "Endzeit-Fraktion" im Christentum, Paroli zu bieten die Absicht hatte. Ein solcher Gegner war etwa der Württembergische Theologe Johann Albrecht Bengel. Über letzteren etwa notiert ein Lexikontext:
"Bengel wurde weithin bekannt durch seine Werke über die Offenbarung des Johannes und sein Rechnen mit prophetischen Zahlen. Als Grundlage für seine Zeitberechnung gab er 1736 seine »Evangelienharmonie« heraus. Keinem anderen Buch der Heiligen Schrift hat Bengel so viel Zeit gewidmet wie der Offenbarung, weil er glaubte, in ihr sei ein Abriß der Kirchengeschichte bis zum Jüngsten Tag gegeben, und der Überzeugung war, ein wichtiges Stück der in der Offenbarung enthaltenen Weissagung werde sich in naher Zukunft erfüllen. 1740 erschien seine »Erklärte Offenbarung Johannis«, als deren Ergänzung 1741 die lateinisch geschriebene »Zeitenordnung« folgte. Auf Grund vieler gelehrter Untersuchungen und umständlicher Berechnungen gab er den 18.6. 1836 an als Tag der Wiederkunft Christi."

In Widerspruch zu dieser Öffentlichkeitswirksamkeit des gelehrten religiösen Narren Bengel, setzte Corrodi seine eigenen aus der Kirchengeschichte gewonnenen Erkenntnisse. Darin liegt die fortdauernde Bedeutung der Ausführungen von Corrodi, zumal er diverse Quellen verwertete, die heutztage kaum (bzw. nur sehr schwer) erschließbar wären.
Eine Kostprobe der Rechenkunststücke aus Bengels "Erklärte Offenbarung" (Zitiert nach der Auflage von 1834, die erste Auflage erschien 1740).

Oder auch diese "Weisheit"

Mit dieser Art von Technologie hat dann dieser famose Herr auch sein Ententeichdatum 1836 errechnet.
Noch eine Kostprobe, welche die Willkür der verwendeten Ausgangsdaten dieser Rechnerei veranschaulichen kann.

Der Datumszahl 1836 begegnet man in diesem Bengel'schen Buch wohl erstmalig auf der Seite 406.

Oder auch dieser Passage:

In lockerer Folge sollen, in der nächsten Zeit, einige Aussagen aus den Studien von Corrodi (als Auswahl aus dem Gesamttext) einmal etwas näher vorgestellt werden.
Die von Google digitalisierten Bände davon sind erreichbar unter:
archive.org/search.php?query=Kritische%20Geschichte%20Chiliasmus
Die von der Bayrischen Staatsbibliothek digitalisierten Ausgaben unter:

opacplus.bsb-muenchen.de/metaopac/search?&query=Kritische+Geschichte+des+Chiliasmus

Ein anderer Link, den Insider bevorzugen ist:
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html

In die Rubrik „Freitext" die entsprechenden Begriffe eingeben, bei den zu durchsuchenden Katalogen, das Häkchen setzen nicht vergessen und auch die Rubrik „Digitale Medien" beim Häkchen setzen berücksichtigen! Auch ist dieses „Häkchen setzen" individueller möglich. Man kann auch von vornherein aussichtslose Kataloge „außen vor" lassen, und sich auf die relativ erfolgversprechendsten konzentrieren.

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  sebe
Datum: 18. Mai 2014 08:34
Danke Drahbeck, Du machst Dir echt große Mühe! Die Zeiten und Jahrwochen kommen uns doch irgendwie bekannt vor, die Zahlen wurden dann von Russel und Co. noch verfeinert ausgeschlachtet!
Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 19. Mai 2014 00:34
Betrügereien inbegriffen
Einleitend formuliert Corrodi auch den Satz, der durchaus charakteristisch ist.
"Erwartungen, die zu erzeugen, und in Ansehen zu bringen alle Arten von Täuschungen, Trugschlüsse, falsche Anwendungen wahrer Sätze, gutgemeinte und auch boshafte Betrügereien geholfen haben!"  (Einleitung S. VI).
Auf die jüdischen Wurzeln der eschatologischen Erwartungen eingehend, formuliert er dann:

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 20. Mai 2014 02:32
Keinen Acker kaufen

Das sind nicht die einzigsten Datenspekulationen. Ergänzend wird ausgeführt:

"Eine Stelle des Buchs Schalscheleth Hakkabala legt nicht weniger, als zehn Meinungen vor, welche das Jahr der Erlösung durch den Messias betreffen."

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. Mai 2014 04:24
David Leemlein /Schabbatai Zephi

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 23. Mai 2014 02:40
Papias, Justinus, Montanus ... Apollinarius

Corrodi stellt im zweiten Band dann die sinngemäße These auf, "Judenchristliche Strömungen" bis ins vierte Jahrhundert nachweisbar, hätten besonders - eben im Christentum auch die Endzeit-Naherwartung forciert. Er lügt sich aber in die eigene Tasche, wenn er weiter wähnt, das sei aber nicht der eigentliche Wesensgehalt des Christentums. In der Tat Christentum heutiger Prägung hat einen anderen vermeintlichen "Joker" im Angebot, der auf den Begriff Sakramentalismus, oder eben kultische (irrationale) Elemente hört. Das erwies sich in soweit folgerichtig, als das weitere Scheitern von Endzeitspekulationen in Frühchristlichen Kreisen, eine Neuorientierung erzwang, wollten die Funktionärs-Konjunkturriter ihre einmal gegründeten Organisationen, weiter am leben erhalten, und von deren Ausbeutung auch materiell leben. Auch Corrodi wollte in diesem Sinne weiter vom Christentum materiell leben. Ergo schlug er sich auf die Seite der Gegner Judenchristlicher Strömungen.
Siehe unter anderem auch
Sakramentalismus.pdf

Gleichwohl beschreibt auch Corrodi geschichtliche Gestalten, die eben noch nicht auf diesem Level angelangt waren.

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 24. Mai 2014 04:16
Barnabas als Beispiel

Zitatstelle:
"Auch sollst du nicht essen den Meeraal, den Polypen, den Tintenfisch; ... wie diese Fischarten allein dazu verflucht sind, in der Meerestiefe zu schwimmen, und nicht bloß untertauchen wie die übrigen, sondern tief unten auf dem Meeresgrund hausen."
www.glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:b:barnabas:barnabasbrief

Die Wikipedia notiert bezüglich jenes Barnabasbriefes auch:
„Der Brief galt einigen Kirchenvätern (Clemens von Alexandria, Origenes, Hieronymus) als kanonisch und ist auch im Codex Sinaiticus ohne Abgrenzung von den anderen kanonischen Büchern des neuen Testaments enthalten. Dagegen lehnte Eusebius von Caesarea den Barnabasbrief als häretisch (von der Kirchenlehre abweichend, ketzerisch) ab ...
Der Barnabasbrief weist eine Reihe theologischer und sprachlicher Parallelen zum Hebräerbrief auf, sodass über eine gemeinsame Autorschaft spekuliert worden ist.
Interessant ist weiter, dass alttestamentliche Apokryphen als kanonische Schriften angesehen werden: In Kap. 4, Vers 3 und Kap. 16, Vers 5 wird aus dem Buch Henoch zitiert, und Kap. 12, Vers 1 zitiert aus dem 4. Buch Esra.


http://de.wikipedia.org/wiki/Barnabasbrief

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 25. Mai 2014 04:08
Martin Luther über das Bibelbuch "Offenbarung"

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 26. Mai 2014 04:24
Noch eine Meinung zur "Offenbarung"

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 27. Mai 2014 03:38
"Nur noch 470 Jahre"

Weiter äußert letzteres Zitat:
"ersten Auferstehung theilhaftig werden. Von diesen sind gegenwärtig dreihundert, undneunundsechzig Jahre verflossen. Noch sind hundert, und ein Jahr übrig. Zehn König werden herausgehen, und die Tochter Babylon verderben. Dann wird ein mächtiger König, der Drache genannt, (eine sonderbare Erklärung gewisser Apokalyptischer Stellen!) herausgehen, und einige (dieser zehn Könige) unterjochen, andere tödten.
Dann wird sich der Antichrist offenbaren, wenn er überwunden seyn wird, werden die sechstausend Jahre zu Ende seyn, und der Sabbath, (die tausend Jahre) wird folgen, nach dem sieben- und tausendsten Jahre wird der Satan aufgelöst werden, Gog und Magog werden kommen, und Jerusalem überziehen."

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 28. Mai 2014 04:04
Buchdruckerkunst und Reformation und "Papstesel"
Einen erneuten Aufschwung erhielten die Endezeitspekulationen, durch die Erfindung der Buchdruckerkunst und die Reformation. Vorher war das lesen der Bibelbücher nur verhältnismäßig wenigen möglich. Die Erfindung der Buchdruckerkunst schuf hierbei den entscheidenden Wandel.

145 Jahre nach 1620
Als zusätzlicher Exkurs (entnommen der „Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche" (3. Aufl. Band 6 S.23), auch noch der Hinweis auf diese „fromme Geistesblüte"..Artikel über Paul Felgenhauer

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 29. Mai 2014 05:08
Zum Beispiel 1532

Letzteres Zitat setzt sich dann mit der Angabe fort:

"Durch diese Weissagung wurden viele Bauern bewogen, daß sie weder pflügten noch säeten, sondern in Erwartung des jüngsten Tags in den Wirtshäusern herumschwärmten um bis zu dem angezeigten Tage das Ihrige richtig durchzubringen. Andere sollen aus den Wörtern die Zukunft des Herrn (ad Ventus Dolini) durch die Gematria die Zahl 2012 gezogen, und hierauf die Zahl die aus den Worten: Dies adbreviabuntur auf eben die Art herausgebracht wird, nämlich 517 von jener Zahl abgezogen, und noch die Zahl der Buchstaben aents, die herauskommt, wenn die Zahlen, welche anzeigen der wievielste Buchstaben jeder in Alphabet sey, zusammen addiert werden, hinzugefügt haben; so kam die Jahrzahl 1551 heraus.
Zu dieser thaten sie noch die Zahl 27, die auf eben die Weise aus den Worten Domini gezogen ward, und weißsagten den letzten Tag im Jahr 1578. Andere addierten anstatt der beyden letzten Zahlen die Zahl in den Worten propter electos gefunden wird, und setzten ihn in das Jahr 1587 in dem sie die Zahl 56 von der Zahl 1645 welche alsdann herauskömmt, abzogen..."

Re: Heinrich Corrodi
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 30. Mai 2014 02:31
"Der Papst zieht nach München um"
Unter den nicht wenigen Skurilitäten dann noch diese:

"Im Jahr 1445 ward ein Stein gen Venedig gebracht, worauf ein hieroglyphisches Gemälde, das sogleich für eine Prophezeiung erkannt ward, gefunden ward. Kapistranus, ein schlesischer Mönch, legte es aus, und weißsagte allerlei Weltveränderungen daraus, das im Jahre 1547 ein großer Krieg entstehen und viele Völker sich vereinigen würden, den christlichen Nahmen auszurotten, daß der Papst seinen Sitz nach München verlegen, daß der Friede, und die Ruhe auf die Erde wiederkehren, und eine Zeitlang die Glückseligkeit des apostolischen Alters die Kirche erfreuen werde."

Damit mag diese Blütenlese an diesem Ort ihren Abschluss finden. Wer die Zeit erübrigen kann, sich diese vier Bände mal selber anzusehen, wird noch etlichen weiteren Beispielen begegnen, von denen vorstehendes nur eine Auswahl war.


Vom Wanderprediger zum Sohn Gottes


Weitere geschichtliche Endzeiterwartungen.pdf

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