Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Esther Gabriel Littkemann
Probleme und pädagogische Möglichkeiten beim Ausstieg aus Sekten
am Beispiel Zeugen Jehovas

Diplomarbeit zur staatlichen Abschlußprüfung als Sozialpädagogin
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Sozialwesen
Kiel 1998

Wie auch andere, stellt auch die Autorin fest: "Ein Sektenausstieg stellt einen großen emotionalen Kraftakt dar" (S. 130). An anderer Stelle vermerkt sie gleichfalls richtig:
Es "wurde am Beispiel der Zeugen Jehovas deutlich, mit welchen Mitteln die Sektenanhänger zu immer höheren Leistungen angetrieben werden. Dieser hohen, vor allem psychischen, aber auch körperlichen Belastung halten viele Sektenmitglieder nicht auf Dauer stand. Gleichzeitig nehmen sie die Doppelbödigkeit der Sekte wahr, die sich nach außen hin als homogene Gruppe verkauft, sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit aber in ganz anderem Licht präsentiert" (S. 124).

Im Kontext dieser Aussagen nimmt man mit besonderem Interesse die persönliche Biographie der Autorin zur Kenntnis, macht diese doch deutlich, dass für sie Zeugen Jehovas keinesfalls ein "Fremdbegriff" ist. 1971 geboren, als drittes von vier Kindern, bekommt sie schon im zarten Kinderalter von sieben Jahren mit, dass ihrem Vater von der örtlichen Versammlung der Zeugen Jehovas, durch das sogenannte Rechtskomitee die Gemeinschaft entzogen wird. Über ihre Mutter vermerkt sie, sie habe sich ebenfalls zurückgezogen, wurde aber nicht ausgeschlossen. "Ab diesem Zeitpunkt wuchsen meine Geschwister und ich in einem vergleichsweise liberalen Zeugen Jehovas-Haushalt auf. Wir durften an nahezu allen schulischen Aktivitäten teilnehmen und Freundschaften zu Nicht-Zeugen Jehovas-Kindern eingehen. An weltlichen Festivitäten, wie Weihnachten und Ostern, nahmen wir jedoch nicht teil."

Bis zu ihrem siebten Lebensjahr wahr auch sie im strengen Sinne im Sinne der Zeugen Jehovas erzogen worden. Dann trat vorbeschriebene Änderung ein. Die Zeugen Jehovas ließen auch in ihrem Falle nicht locker und konnten erreichen (da die Eltern das nicht mehr taten), dass mit ihr ein sogenanntes Familienbuchstudium durchgeführt wurde, eben nur mit dem "Schönheitsfehler", nicht durch die Eltern. Die permanente Beeinflussung zeitigte Früchte. Unsere Autorin ließ sich mit siebzehn Jahren, im Jahre 1988 taufen. Und sogar ihr einst ausgeschlossener Vater, kehrte nach zehn Jahren zu den Zeugen Jehovas zurück. Die örtlichen Zeugenfunktionäre konnten wohl, ob dieser Entwicklung, relativ zufrieden sein.

Die nächste Phase ihres Lebensweges beschreibt die Autorin mit den Worten:
"Nach dem Abklingen der euphorischen Phase kurz nach der Taufe wurde die Teilnahme an sämtlichen Versammlungsaktivitäten mehr und mehr zur Belastung. Da ich mich zu dieser Zeit in der Berufsausbildung befand und trotzdem allen Verpflichtungen als Zeugin Jehovas nachkommen wollte, blieb mir kaum noch Freizeit für eigene Interessen. Wenn ich dennoch Freizeit hatte, hatte ich sofort ein schlechtes Gewissen, sie nicht für die 'Königreichsinteressen' einzusetzen."

Die ZJ-Wirklichkeit hatte auch sie eingeholt!
Die nächste Phase ihres Lebensweges beschreibt sie als die zunehmende Entwicklung eines "Doppellebens". Einerseits die rigoristischen Anforderungen der WTG-Organisation; andererseits ein gewisses bremsendes Moment durch noch vorhandene Kontakte zu Außenstehenden. Nach beiden Seiten versuchte sie sich äußerlich angepasst zu zeigen. Es versteht sich, dass die diesbezüglichen Kontroversen sich in ihrem inneren abspielten. Ihre damalige Befindlichkeit kleidet sie in die Worte:

"Wünschte ich mir mehr und mehr, die Zeugen Jehovas verlassen zu können, um frei und ohne ein ständig aufkommendes schlechtes Gewissen leben zu können. Doch beim gedanklichen Durchspielen dieses Wunsches mußte ich mir eingestehen, daß ich es allein ohne Hilfe von außen nicht schaffen würde."

Sie berichtet weiter, dass die Aufnahme einer engeren Beziehung im Jahre 1990 zu einem sogenannten "Weltmenschen" in ihrem Fall die latent unterschwellig vorhandene Konfliktsituation noch weiter verschärfte. Einerseits fielen ihr die WTG-Vorgaben noch schwerer, als wie ohnehin schon vordem. Andererseits fand sie aber noch immer nicht die Kraft einen klaren Schlussstrich zu ziehen.

Eine Episode aus dieser Phase sei noch zitiert:
"Zweimal startete ich den Versuch, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, doch beide Male hatte ich das Gefühl, daß mein Problem weder ernstgenommen noch verstanden wurde. Im ersten Gespräch wurde mir geraten, mich nochmals mit meinem Vater auszusprechen, er würde mich dann bestimmt verstehen (Ratschlag eines Sozialarbeiters). Im zweiten Gespräch wurde ich zur Teilnahme an einer Bibelgruppe eingeladen (Ratschlag eines Beauftragten für Weltanschauungsfragen). Nach diesen beiden Gesprächen war mein Bedarf an professioneller Hilfe gedeckt und ich entschloß mich, die Sektenmitgliedschaft allein zu verarbeiten."

Wesentliche Hilfe bot der Autorin die wiederbelebte Bekanntschaft zu einer anderen (inzwischen auch ehemaligen) Zeugin Jehovas aus ihrer ursprünglichen Versammlung. Erst diese Kontakte gaben ihr die nötige Kraft um die noch fälligen Zäsuren in ihrem Leben durchzusetzen und auch durchzuhalten.

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