Kommentar zu den eingesannten CV-Ausgaben

CV 6

Im November 1965 war es soweit. Ein letztes mal versuchte die Stasi im Stile von 1950, das Gesetz des Handelns mit einer "Enthauptungsaktion", das heißt, der Verhaftung führender DDR Zeugen Jehovas an sich zu reißen. Das ab Oktober 1965 die
gedruckte Ausgabe der "Christlichen Verantwortung" erscheinen konnte, darf man vielleicht auch in diesem Kontext einordnen. Dies um so mehr, als es in der DDR nicht so ohne weiteres möglich war, eine neue Zeitschrift auf den "Ententeich" zu setzen.
Die Kirchen können davon in ihrem ergebnisvollen diesbezüglichen Bemühungen, ein Leideslied singen! Wenn also auf dem
Religionssektor ein neues Blatt erschien (ein äußerst rarer Vorgang), dann kann man schon sagen, das dem eine
hochbürokratische Vorbereitungsphase zugrunde lag. Oder aber, eben machtvolle Kreise, wie die Stasi, dabei im Hintergrund fördern standen. Dann konnte sich der Bürokratismus plötzlich um etliches verringern.

Am "ersten Jahrestag" ihrer Verhaftungsaktion hält die Stasi in der CV "Rückschau" und meint triumphierend registrieren zu können, das bezüglich der DDR die "Strategie der WT zusammengebrochen" sei. Da den Stasiisten mittlerweile schwante, dass dem, trotz Verhaftungsaktion, wohl doch nicht ganz so sei, werden in dieser CV-Ausgabe zugleich massive Drohungen
ausgestoßen. Namentlich werden die DDR "Rentner-Geschwister" bedroht, sich ja nicht als Kuriere, auf ihren Besuchsreisen in den Westen missbrauchen zu lassen. Ihnen wird angedroht, widrigenfalls könne das zukünftig zur Folge haben, dass diese
Westreisen nicht mehr genehmigt werden. Der Stasi war dieses Ventil der Westreisen von Bürgern im Rentneralter, ohnehin ein Dorn im Auge. Im Falle der Zeugen Jehovas "bot" es sich an, dieses Missmut einmal zu artikulieren. Und die CV war das
Werkzeug dazu!

Es ist ein weiteres "heißes Eisen", dass in der CV 6 mit angepackt wurde. Bereits aus dem Naziregime kannte man den
Vorgang. Damals betraf es vorzugsweise die katholische Kirche. Das Naziregime hatte strenge Devisenbewirtschaftungsgesetze erlassen. Sie besagten unter anderem, dass es dem Normalsterblichen nicht so ohne weiteres möglich war, Geld ins Ausland zu transferieren. Aus welchen Gründen auch immer. Nun gelang es dem Naziregime nachzuweisen, dass beispielsweise katholische Ordensangehörige sich über diese Anordnungen hinwegsetzten und zum Teil bedeutende Beträge versuchten ins Ausland zu "schmuggeln". Wie man dieser Sachlage gewahr wurde, handelte man sofort. Man Beschränkte sich nicht nur darauf, die Ertappten vor Gericht zu stellen. Das Naziregime ging einen Schritt weiter und nutzte diese Sachlage zu einer großangelegten Pressekampagne gegen die katholische Kirche. Und nun trat etwas bemerkenswertes zutage. Die Kirchenoberen versagten den Angeklagten ihren Schutz! Wäre der Schmuggel gut gegangen, wäre es ihnen Recht gewesen. Jetzt aber, wo sie dabei noch selbst in Mitleidenschaft gezogen wurden, wollten sie von allem "nichts gewusst" haben!

Im Prinzip wiederholte sich der Vorgang bei den DDR-Zeugen Jehovas. Lediglich, dass es hier keine auch für Außenstehende sichtbare Pressekampagne gab. Aufgrund entsprechender "Spickungen" durch seine Hintermänner, unterstellt die "Christliche Verantwortung", dass vor 1961 jährlich bis zu einer Million Ostmark seitens der Zeugen Jehovas in den Westen geschmuggelt wurde. Es wird der ZJ-Funktionär Oskar Thiele zitiert, der dieses Geld in Westberliner Wechselstuben zu Vorzugsbedingungen umtauschte. Das heißt, der gewöhnliche Ostler musste dort vier bis fünf Ostmark für eine Westmark berappen. Indem von Vorzugsbedingungen die Rede ist, kann davon ausgegangen werden, dass diese auf den von den Zeugen Jehovas angelieferten großen Geldmengen basierten.

Wie üblich, bei allen konfliktträchtigen Vorgängen, schiebt die Zeugenleitung das Risiko in die Schuhe der Betroffenen. In den von der CV zitierten internen Anweisungen an die DDR Zeugen Jehovas liest sich das so:

"Natürlich muss jeder in dieser Angelegenheit gemäß seinem eigenen geschulten christlichen Gewissen seine eigene
Entscheidung treffen."

Mit anderen Worten: Geht es gut, ist es der WTG recht. Geht es schief handelt sie nach dem Grundsatz: "Mein Name ist Haase - ich weiß von nichts"

Die katholische Kirche unter den Naziregimebedingungen lässt offenbar auch im Falle der Zeugen Jehovas, als deren gelehrige Schüler grüßen!

Unabhängig von meiner Kritik auch an der sogenannten "Christlichen Verantwortung", unterschreibe ich allerdings auch heute noch deren Einschätzung der Zeugen Jehovas als auf der "Stufe von politischen Untergrundorganisationen im Range von 5. Kolonnen (stehend)… wie sie im sog. kalten Krieg gegen die sozialistischen Länder auch in religiöser Hinsicht eine Rolle spielen."

Nicht "zufällig" haben die Zeugen Jehovas ihr Begehren "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" werden zu wollen, bewusst über ihre vormalige DDR-Organisation (nach der offiziellen Wiederzulassung) stellen lassen. Und dies, obwohl deren gewieften Taktikern von vornherein klar sein konnte, dass sie mit einer (unterlassenen) Antragstellung in einem alten Bundesland, weit größere Chancen dazu gehabt hätten. Aber man ging diesen Weg bewusst nicht, weil man gedachte, aus der DDR-Geschichte entsprechendes politisches Kapital schlagen zu können. Nun, man wird am 20. 9. 2000 sehen ob diese Rechnung  aufgeht.

Nicht zufällig arbeitet der um eine Promotion an der Universität Stuttgart bemühte Alt-Bundesrepublikaner Waldemar Hirch, in seinen Untersuchungen zur DDR-Geschichte der Zeugen jene Aspekte heraus, die gleichfalls einen politischen Bezug im Sinne der heute vorherrschenden Meinung haben. Etwa, wenn er in seiner Untersuchung zu den Stasi-Abschlussarbeiten mit Bezug zu den Zeugen Jehovas, deren konspiratives Verhalten zu DDR-Zeiten billigt und glorifiziert. Die Beispiele ließen sich noch vermehren

CV Christliche Verantwortung

Informationen der Studiengruppe Christliche Verantwortung

Nr. 6 Gera November 1966

Christliche Verantwortung Jahrgangsmäßig zusammengefasst 1966

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