Albrecht, Gary L.

"Die Zeugen Jehovas - Die Physiognomie einer Sekte und ihr Schriftverständnis. Versuch einer fundamentaltheologischen Analyse unter besonderer Berücksichtigung exegetischer Einzelfragen".

Bochum 1990, Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung der kirchlichen Abschlussprüfung in katholischer Theologie. 166 Seiten.

Aus der Arbeit von Albrecht sei als erstes zitiert, wie er den Übergang von Rutherford zu Knorr einschätzt:

"Während sich Rutherfords Lehre eher an enttäuschte und entwurzelte Menschen, die keine Lobby hatten, wandte, änderte Knorr dies gründlich. Unter seiner Leitung wurden die Zeugen Jehovas zu Strategen, Operateuren und gewieften Taktikern; er schuf den Typ des Managers, des Diplomaten. Aufgrund der guten Schulung der Zeugen Jehovas wuchs die WTG, so dass sie heute in der ganzen Welt ihre Zweigbüros hat. Hatte man sich zu Rutherfords Zeiten noch damit gebrüstet, dass gerade die einfachen Menschen berufen seien, die Königreichsbotschaft zu verkündigen, und schaute man auf Intellektuelle als Weltweise herab, so verlangte Knorr, dass jetzt auch jeder Zeuge ein 'Studierter' werden sollte. Nicht zuletzt durch diese neue Einstellung Knorrs ist der weltweite Erfolg der WTG zu erklären. (Allerdings darf sich das 'Studium' nur auf Inhalte der WTG-Literatur stützen).

Zu der Methodik des "Wachtturmstudiums" führt er an:

"Man fühlt sich in die eigene Schulzeit zurückversetzt, wo der Lehrer auch immer eine ganz bestimmte Antwort hören wollte. Der Älteste, der ein solches WT-Studium leitet, möchte auch keine persönlichen Interpretationen haben, sondern 'die Antwort der Gesellschaft' hören; unter Umständen ruft er so viele Zeugen auf, bis die ihm genehme Antwort kommt. Mag dieses 'Studium' für Nicht-Zeugen auch absurd anmuten, so hat es doch einen gezielten Effekt. Auf die Dauer kann der Zeuge gar nicht mehr anders, als 'Systemimmanent' zu denken; die Terminologie und Sichtweise des theokratischen Kanals Jehovas wird so bald seine eigene."

Weiter schätzt Albrecht ein: "Durch diese Erziehung zum Kadavergehorsam gelingt es der Leitenden Körperschaft immer wieder, Unmenschliches von ihren Verkündigern zu verlangen. … Neben dem hierachischen Prinzip ist auf vielerlei Kontrollmechanismen zu verweisen, die zur perfekten Überwachung der Predigttätigkeit und des moralischen Lebenswandels der Zeugen gedacht sind.

Es gibt wohl keine sich 'christlich' nennende Denomination oder Kirche, die ein perfekteres Sanktions- und Ausschlusssystem hätte als die Zeugen Jehovas. Dieses perfekte System, dass von ersten Mahnungen bis zum Ausschluss von Zeugen reicht, hat die Funktion, Schismen zu verhindern, Kritiker der WT-Doktrin mundtot zu machen, die Versammlung moralisch reinzuhalten; die ZJ sollen sich also bedingungslos der WTG unterordnen. Es muss hier festgestellt werden, dass das Ausmaß normativer Kontrolle, wie es in der WTG geübt wird, zu den tragischsten Kapiteln dieser Sekte gehört und schon viel Leid über die betroffenen Zeugen und deren Angehörige gebracht hat, wie aus der einschlägigen Literatur zu ersehen ist. Jeder Zeuge ist verpflichtet, sich um den rechten Lebenswandel seines Glaubensbruders, seiner Glaubensschwester zu kümmern und Verfehlungen den Ältesten, als den Versammlungsleitern zu melden. Die Palette der Verfehlungen reicht vom verbotenen Nikotingenuss über Glaubenszweifel bis zum Verdacht des Ehebruchs, auch 'Hurerei' genannt. Sogar der Kontakt mit 'Ausgeschlossenen' kann zum Gemeinschaftsentzug führen, da nach der WT-Lehre der ZJ Anteil an den Sünden des Ausgestoßenen hat, wenn er mit diesem weiterhin Umgang pflegt. Ausgeschlossene ZJ bzw. solche, die die WTG freiwillig verlassen haben, gelten als 'geistig tot'. Die Bekanntmachung eines solchen Gemeinschaftsentzuges erfolgt öffentlich vor der Versammlung durch einen Ältesten, so das die Verbleibenden ZJ wissen, dass sie mit der betreffenden Person keinen Umgang mehr pflegen dürfen. Der 'konsequente Ausschluss abweichender Mitglieder' führt zu einer erhöhten Ähnlichkeit der verbleibenden Gläubigen und verstärkt den Zusammenhalt der Gruppe, die sich nun um so mehr als die 'wahre' Elite fühlen kann."

Unter Bezugnahme auf eine andere Publikation zitiert er aus ihr auch jenen Absatz, wo ausgeführt wird:

"Was wäre geschehen, hätten die verantwortlichen Politiker auf die von der WTG seit 1874 (dem Jahr, in welchem Russell das Ende der bisherigen Welt datierte) in die Welt gesetzten Weltende-Theorien gehört und es unterlassen, das gesellschaftliche und soziale Leben zu gestalten, zu verändern oder zu verbessern? Der Mensch ist seiner Natur nach ein soziales und damit ein politisches Wesen. … Die sozialen Bedürfnisse - Nahrung, Kleidung, Obdach … lassen es einfach nicht zu die Hände in den Schoß zu legen und auf ein Weltende oder göttliches Eingreifen zu warten. Täten das alle, würde jegliches gesellschaftliches Leben … Zusammenbrechen und in Anarchie versinken."

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