Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Ein Grundsatzartikel

Einem Grundsatzartikel, der letztendlich auch zu folgenschweren Konsequenzen, nicht selten bitterster Art führte, begegnet man in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 1. 1957.

„Wie wahre Christen die Politik ansehen" betitelt.

Einige Auszüge aus ihm. Genannter WT meint:

„Das Lehrbuch des Christentums, die Bibel, sagt uns, warum jene Christen die Politik mieden. Es zeigt, daß ein Grundprinzip des Christentums die Absonderung von der Welt ist; und die ersten Christen änderten ihr Leben, um diesem Erfordernis für die rechte Anbetung nachzukommen. Der biblische Schreiber Jakobus sagt: 'Die Form der Anbetung, die rein und unbefleckt ist vom Standpunkte unseres Gottes und Vaters aus, ist diese: für Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sorgen und sich von der Welt unbefleckt zu erhalten.' 'Ehebrecherinnen! wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer immer daher ein Freund der Welt sein will, macht sich selbst zu einem Feinde Gottes.' Politik zu betreiben würde bedeuten, Freundschaft mit der Welt zu bekunden. Und Freundschaft mit der Welt bedeutet, sich zu einem Feinde Gottes zu machen. Das ist der Grund, weshalb die ersten Christen Politik mieden."

Bevor weiteres aus genannter WT-Ausgabe zitiert wird, mag es in der Tat angebracht einen Exkurs einzulegen. Und dieser Exkurs könnte die Überschrift tragen:

Die einzigste Partei, die derzeit in diesem Lande noch echte Zuwächse erzielt, aus dem Bereich jener Parteien, die sich irgendwann in ihrer Geschichte mal als vermeintliche „Volksparteien" sonnten. Die einzigste Partei aus diesem Spektrum ist die Partei der „Politikverdrossenen". Diejenigen, die da „die Schnauze voll haben", von „denen da oben", mit ihrer nicht selten, wie es der „Michel empfindet". Selbstbedienungsmentalität.

Man kannte diese Politikverdrossenheit schon am Ende der Weimarer-Republikzeit. Dieser Staat steht gefährlich nahe, an einer ähnlichen Tendenzwende. Zu den in ihrer Selbstinterpretation „Volksparteien" gehört unter anderem (nicht nur, aber auch) die SPD

In Heft 44/2006 (S. 28) brachte der „Spiegel" unter der Überschrift „Anschluss verloren" mal ein paar Fakten, basierend auf einer internen Analyse der SPD. Selbige zwar unter Verschluss gehalten; was jedoch für findige Journalisten keine Hinderungsbarriere war, ihren Inhalt kennen zu lernen. Danach habe die SPD seit 1990 fast 37 Prozent ihrer Mitglieder verloren.

Weiteres Zitat daraus:

„Und mit Zuwachs ist vorläufig kaum zu rechnen. Im Gegenteil, die Bereitschaft, für die Partei einzustehen und neue Mitglieder anzuwerben, hat dramatisch nachgelassen. Ohnehin gelten nur 10 bis 20 Prozent der Mitglieder als 'aktiv' …

Die soziale Struktur der Partei verändert sich rasant: Im Jahre 2005, so weist die Analyse aus, sind nur noch 1406 Arbeiter in die SPD eingetreten (6,94 Prozent der Neuzugänge). Zum Vergleich: Laut Statistischen Bundesamt waren 2004 in Deutschland 13,5 Prozent der Bevölkerung Arbeiter. Auch Frauen bleiben eine Minderheit …"

Ich bin mir sicher. Ein ähnlich düstereres Szenario könnte man auch bezüglich anderer vermeintlicher „Volksparteien" zeichnen. Das ist praktisch die Gesamtgesellschaftliche „Gemengelage" in der auch die vorgenannte WTG-Doktrin mit hineinwirkt. Nicht dass sie von ihr wesentlich verursacht wäre. Das mit Sicherheit nicht. Aber skizzierte Ressentiments werden von ihr mit gestützt, wenn nicht gar - unterm Strich - gefördert.

Nun gehört es mit zu den Freiheitsrechten dieses Landes, auch solch einer Option frönen zu können. Das war in der Geschichte Deutschlands nicht immer so. Man denke nur an die Stichworte Hitlerdeutschland und Ostdeutschland, und dann wird dem Sachkundigen klar, welch enormes Konfliktpotential - gerade und besonders - der Politikversagungs-Grundsatz der Zeugen Jehovas, dort zur Folge hatte. Er war mit hoher Wahrscheinlichkeit, sogar der Hauptkonflikt, dem sich alles andere marginal als Folgewirkung unterordnete.

Es ist richtig, wie der WT ausführt, dass die Urchristen einer ähnlichen Politikversagung folgten. Damals wie heute, wirkte insbesondere der Grundsatz latenter Endzeit-Naherwartung als Hauptkatalysator dabei.

Indes ist auch richtig. Das mit der Endzeit-Naherwartung wurde schon damals nichts. Die sich etablierende Kirche musste sich arrangieren und sie hat sich arrangiert; allerspätestens zu Zeiten Konstantins des Großen. Jene Kreise, die diesen Paradigmawechsel nicht mittragen glaubten zu können, gerieten zusehends ins Abseits und atomisierten sich (was nicht ausschloss, das es von Zeit zu Zeit gewisse „Neuaufbrüche" vermeintlicherweise zum Urchristentum hin, gab). Sofern sie nicht von der Majorität gewaltsam unterdrückt wurden, ist ihre organisatorisch-etablierte Form, eigentlich - mehr oder weniger - erst in den letzten zwei Jahrhunderten wieder möglich geworden. Und zu ihnen gehören fraglos auch die Zeugen Jehovas.

Angesichts ihrer Konstantinischen Wende als „Körperschaft des öffentlichen Rechts" muss jedoch auch die Frage gestattet sein, wieweit sie - inzwischen - auf ihrem Verweltlichungswege fortgeschritten sind.

Sicherlich kann man die Zeugen Jehovas - noch - nicht mit anderen verweltlichten Kirchenformen auf eine Stufe stellen. Es gibt da durchaus noch wesentliche Unterschiede. Ein solcher Unterschied ist zum Beispiel, dass im Falle der Zeugen Jehovas, die zitierte Aussage des Jakobus: „für Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sorgen", sich weiterhin als Farce, als Blasphemie erweist.

Andere verweltlichte Kirchenformen haben ein durchaus beachtliches Engagement, man mag es Caritas oder Diakonie oder sonstwie nennen, entwickelt. Nicht so die Zeugen Jehovas.

Treppenwitz der Geschichte, dass ihre „Königreichssaal-Baukolonnen" (unter der internen Bezeichnung „Bauregionen" laufend,) gegenüber den staatlichen Organen gar noch als quasi „karitativ" verkauft werden. Die mögen in der Tat mal karitativ tätig werden (etwa bei der Elbeflut vor einigen Jahren). Dann aber auch mit vorrangiger Orientierung auf die eigene Binnenstruktur. Kaum aber im Sinne genereller Hilfsbereitschaft, ohne Ansehen des Glaubens und der Person. An diesem grundsätzlichen Manko ändert auch der Umstand nicht viel, dass man gelegentlich Pressemeldungen zu Gesicht bekommt, bei irgendwelchen örtlichen Putzaktionen, beteiligten sich "in Eintracht" (neben Kleingärtnervereinen, Sportvereinen, Schulklasssen usw,) auch Zeugen Jehovas als örtliche Gruppe. Da darf man wohl auch nicht den das Image steigernden Charakter einer solchen Zeitungsmeldung übersehen, wenn darin eben auch die Zeugen Jehovas mit aufgezählt werden.

Dieses schmähliche Versagen der Zeugen Jehovas auf karitativem Gebiete hat System. Kaum eine andere Religionsgemeinschaft praktiziert ein so ausgefeiltes Klinkenputzersystem wie die Zeugen Jehovas. Wer sich auf diesem Sektor bei den Zeugen Jehovas hervortut, der ist „dort etwas". Wer es so nicht macht, wird nicht selten - intern - „als der letzte Dreck" behandelt. Es ist nun mal so. Im „melken" verstehen sich auch andere Religionsgemeinschaften (und das nicht zu knapp). Andernorts liegt aber doch eher der Akzent mehr auf das „fiskalische Melken". Nun kann nur solange „gemolken" werden, wie eine gewisse Substanz dafür vorhanden ist. Ist die nicht mehr vorhanden, kommt der Zeitpunkt wo es heißt: „Nichts geht mehr". Auch die Klinkenputzertätigkeit verlangt den Zeugen einiges ab. Viel sogar. Würde es nun eine aktive karitative Tätigkeit in organisierter Form (und nicht nur von der Dauer des Lebens einer „Eintagsfliege" geben), würde sich bald herausstellen. Der „Melkanspruch" ist zu hoch. Eines muss zurücktreten. Entweder der Klinkenputzer-Anspruch. Oder eben die karitativen Aspekte.

Die Führung der Zeugen Jehovas hat sich bis heute - im Einklang mit der generellen USA-Politik -, die für ihre fiskalischen Interessen, gegebenenfalls auch über buchstäbliche Leichen marschiert, zu einer ähnlichen Politik entschieden.

Das ist das eigentlich tragische an den praktischen Auswirkungen dieser Zeugen Jehovas-Doktrin.

Was zu diesem Thema zu kommentieren wäre, wurde bereits vorstehend kommentiert. Nachstehend (da es sich ohne Zweifel um ein Kardinaldokument handelt) noch einige weitere (unkommentierte) Auszüge aus diesem WT-Artikel:

„Doch warum sollten wahre Christen die Politik meiden, wenn sie anscheinend viel tun könnten, um die Welt zu verbessern? Laut Bibel geht die Antwort dahin, daß wahre Christen weder die Demokratie, den Sozialismus, Kommunismus, noch irgendeine andere menschliche Regierungsform als Heilmittel für die Weltbedrängnis befürworten oder predigen.

Was Christen predigen, ist eine himmlischer Herrschaft, das Königreich Gottes, und dieses Reich ist kein Teil dieser Welt.

Die Urchristen waren sorgsam darauf bedacht, sich nicht in Politik einzumischen. Sie wußten, daß Gottes Königreich dazu bestimmt ist, alle politischen Herrschaften zu vernichten, und daß jene, die Politik treiben, Feinde Gottes sind und dadurch zur Vernichtung in Betracht kommen. Kraftvoll predigten die ersten Christen die Königreichshoffnung der Welt. Sie wiesen auf die äußerste Nutzlosigkeit hin, auf menschliche Herrscher zu vertrauen.

Wahre Christen zeigen also, daß sie Nachfolger Christi sind, indem sie nicht versuchen, diese Welt zusammenzuflicken oder sie durch Politik zu verbessern, sondern indem sie die gute Botschaft vom Königreich, daß diese Welt vernichten wird verkündigen.

Ungeachtet wie viele Stimmen für die Herrscher dieses bösen Systems der Dinge abgegeben werden, ist es zum Untergang verurteilt. Kein noch so großer politischer Feldzug, keine Zahl der Namenschristen, die sich mit Politik befassen, und keines der vielen Gebete für diese Welt, die Geistliche oder Politiker sprechen mögen, wird sie vor der sicheren Vernichtung bewahren. Heute halten sich die christlichen Zeugen Jehovas, so wie die Zeugen Jehovas in den frühen Tagen des Christentums, von der Welt unbefleckt. Aus Gewissensgründen stehen sie davon ab, an der Politik dieser Welt teilzunehmen, ja selbst an Wahlen. Sie wissen, daß die politische Beteiligung nicht nur zu nichts führen würde, sondern ihnen sogar Gottes Mißbilligung eintrüge.

Bei einer Gelegenheit wollte die Bevölkerung von Galiläa Jesus in die Politik hineindrängen. Das Volk sah, daß Jesus ein gerechter und weiser Mann war, und erkannte, welch idealer politischer Herrscher er wäre. Wie reagierte Jesus auf die Wahl der Volksmenge? 'Da nun Jesus erkannte, daß sie kommen und ihn ergreifen wollten, um ihn zum König zu machen, zog er sich wieder auf den Berg zurück.' … Jesus wollte nichts mit Politik zu tun haben. Die Haltung jener Volksmenge gibt uns einen Begriff von dem, was die Massen heute mit dem Christentum zu tun versuchen. Jene Leute waren nicht ernsthaft daran interessiert, nach dem Christentum zu leben. Aber sicherlich wären sie sehr an den Nebenprodukten des Christentums interessiert, schwerlich am Christentum selbst. Sie folgerten: Wenn er uns Brot und Fische und bessere Häuser, kürzere Arbeitszeit, höhere Löhne, leichtere Arbeitsverhältnisse und etwas mehr Muße verschafft, dann wollen wir ihm folgen und ihn zu unserem Herrscher machen. Sie wollten, daß Jesus zugunsten ihrer selbstsüchtigen Zwecke König werde."

Angesichts der nicht zu übersehenden Tendenzen in Hitlerdeutschland und Ostdeutschland, und angesichts dessen, dass es einige vielleicht mal wieder geben mag, die im erzwingen wollen, solcher Tendenzen ihr (fragwürdiges) „Heil" sehen, sei noch ein anderer Kommentar gestattet.

Wie man weis „ist nichts unmöglich". Purzelbäume kennt die Geschichte vielerlei.

Gesetzt den Fall, es gäbe irgendwann mal auch bei den Zeugen Jehovas in der Politikfrage einen weiteren Purzelbaum. Was wäre wohl seine Konsequenzen? Ich für meinen Teil wäre jedenfalls darauf nicht sonderlich erpicht. Und den Grund dafür hatte ich schon mal wie folgt zusammengefasst. Angesichts der mentalen Befindlichkeit der Zeugen Jehovas, ist wohl begründet davon auszugehen, dass in einem solchen Falle, Parteien, wie etwa die PCB (Partei Bibeltreuer Christen) im besonderen, Nutznießer davon wären.

Ein Kommentar zu letzterer:

Ihr Vorsitzender war zeitweilig ein gewisser Gerhard Heinzmann. Gibt man seinen Namen als Suchbegriff etwa bei Google ein, wird man auch dergestalt fündig, dass etwa Homosexuelle von diesem Herrn mit Sicherheit nichts zu erwarten hätten, jedenfalls nichts Gutes für sie.

Was für die Nazis die Juden, dass sind für Herrn Heinzmann die Homosexuellen.

Herr Heinzmann ist nicht umsonst bewusster Politiker. Eine seiner Forderungen. Freikirchen mögen in finanzieller Hinsicht den Großkirchen staatlicherseits gleichgestellt werden. Eine ähnliche Forderung kennen wir schon. Gleiches reklamieren auch die Zeugen Jehovas für sich.

Nur, die möchte der Herr Heinzmann bei dieser Art von Förderung wohl doch nicht mit einbezogen wissen, weil hinter selbigen in seiner Lesart der Satan steht.

So schreibt Herr Heinzmann in einem von ihm 1988 verfassten Büchlein

über die Zeugen Jehovas etwa auf S. 87:

„Daß es Satan selber ist, der durch seine Handlanger das Wort Gottes verdreht. Wo er die Menschen nicht durch blanken Atheismus, der totalen Leugnung der Existenz Gottes auf seine Seite ziehen kann, versucht er es durch religiöse Irrlehren und Halbwahrheiten."

Die Heinzmann und Co verstehen sich als „wiedergeborene" Christen. Dieser Vokabel begegnet man auch in seiner Schrift. Erzürnen tut sie besonders wie sich die Zeugen Jehovas zu der Frage stellen; ob es ein Leben nach dem Tode gäbe.

„Gibt es ein Leben nach dem Tode? Zu diesem für uns alle so wichtigen Thema lehrt die 'Neue-Welt-Gesellschaft', daß es überhaupt keine Existenz nach dem Tode gibt." (S. 23).

Als Antwort darauf belehrt sie Heinzmann:

„Jetzt, hier und heute, in diesem Leben muß der Mensch wählen, wie er die Ewigkeit zubringen will. Statt für immer beim Teufel im Feuersee zu landen (Offenbarung 20, 10.15), gilt, sich rechtzeitig für Jesus und Sein Reich zu entscheiden." (S. 27).

Wie seine Gesinnungsgenossen Wim Malgo oder Hal Lindsey etwa; glaubt auch Heinzmann prophetisches aus der Bibel herauslesen zu können. So verkündigt er etwa vollmundig:

„Lukas 21, 24: '… Und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit erfüllt ist.' Erst im Jahre 1967 erfüllte sich dieses Wort Jesu."

Im Klartext als Resultat eines arabisch-israelischen Krieges, den man dieser Logik gemäß dann ja wohl als „Gottgewollt" oder nötig betrachten soll.

Von noch mehr solcher Art Glaubensgewissheiten strotz nur so sein Buch.

Persönlich erinnere ich mich an die 4000-Mann-Partei des Herrn Heinzmann auch noch dergestalt, dass er kurz nach dem Mauerfall, Anfang der 1990er Jahre im vormaligen Ostberlin eine massive Demonstration seiner Anhängerschaft in der „Straße Unter den Linden" veranstalten ließ. Das ist jene Straße in Berlin, zu deren Anrainern unter anderem die Berliner Humboldt-Universität sowie auch die Staatsbibliothek gehören. Da ich in letzterer an jenem Tage auch im dortigen Lesesaal war, habe ich das Heinzmann-Spektakel hautnah miterlebt. Miterlebt, wie in dieser mit Lautsprecherwagen reichlich bestückten Demonstration im „atheistischen Ostberlin" immer wieder die unverblümte Forderung nach politischer Macht für ihn und seinesgleichen skandiert wurde.

Ich habe zwar nicht die Machtergreifung der Nazis am 30. 1. 1933 in Berlin persönlich miterlebt; dieweil ich da noch zu den Ungeborenen gehörte. Gleichwohl ist mir jenes Nazispektakel aus der Literatur, mit seinen Fackelzügen usw. durchaus geläufig. Beim erleben der Heinzmann-Demonstration drängte sich mir die Emotion auf. Das wiederholt sich in diesem Augenblick, nur unter anderen Vorzeichen.

In dem 1988 erschienenen Heinzmann-Buch „Lehren die Zeugen Jehovas die Wahrheit? Fragen und Antworten" ist noch nicht von der PCB die Rede. Als Mitherausgeber wird die „Internationale Zigeunermission" genannt. Offenbar war Herr Heinzmann zum Zeitpunkt des Schreibens seines genannten Buches, noch nicht Parteivorsitzender der PCB. Er ist es aber danach noch geworden.

Es war weiter davon die Rede, dass es auch eine spektakuläre Veranstaltung in Berlin gegeben habe, die durchaus in Kontext zu diesen Kreisen stand.

Die fand am 24. 6. 1994 statt und nannte sich formal „Marsch für Jesus". Ihre Veranstalter wollen (glaubt man ihren eigenen Zahlenangaben) dabei rund 50 000 mobilisiert haben. Die PCB hingegen beziffert ihre engere Mitgliederzahl auf rund 4 000. Daraus ist ersichtlich, dass bei diesem Marsch sehr wohl verschiedene, gleichwohl durchaus geistesverwandte Kreise mitgewirkt haben.

Zur Vorgeschichte dieser „Jesusmärsche" zitierte der „Materialdienst  der EZW" (1994 S. 176) einmal:

„Spektakulär war die Organisation der 'Gebetsexpedition 93 Berlin-Moskau. Eine größere Gruppe von Christen aus Europa zog eine 'Gebetsschneise der Erweckung durch Osteuropa', nachdem bereits am 23. Mai 1992 durch die Ankunft des Gebetsmarsches London - Berlin in der deutschen Hauptstadt ein 'historischer Tag der Kirchengeschichte in Deutschland' konstatiert worden war."

Der MD kommentiert weiter:

„Gerade die Jesus-Marsch-Bewegung zeigt eine eigenartige heilsgeschichtliche Gesamtstrategie im Sinne einer fragwürdigen geschichtsphilosophischen Vereinnahmung der geistlichen Gesamtsituation Problematisch bleibt der Stil und die Einordnung in ein übergeordnetes 'prophetisch' angesagtes Zeitschema, das Gottes Plan ansagen will. Ob die tägliche Arbeit der christlichen Gemeinden - insbesondere des Ostens - durch solche spektakulären Aktionen gefördert wird, ist mehr als fraglich."

Zur genannten Berliner Veranstaltung notierte die gleiche Zeitschrift noch (MD 1973 S. 300f.)

„Auf dem langen Weg wurde die Jesus-Marsch-Liturgie über einen UKW-Sender übertragen und mit Hilfe von über 40 Übertragungsfahrzeugen für alle Marschierenden hörbar gemacht. Zur Liturgie, die auf der langen Marschstrecke mehrfach wiederholt wurde, gehörten zahlreiche Proklamationen zur Verbindlichkeit und Gültigkeit der Heiligen Schrift, mit dem Ziel der 'Wiederherstellung des Wortes Gottes in Deutschland' (in Anknüpfung an die Verpflichtung des Volkes Israel auf das wiedergefundene Gesetzbuch unter dem König Josia, 2. Chr. 34).

Die unmittelbare Kommentierung dieser Aktion lautete sinngemäß so: 'In der unsichtbaren Welt geschieht etwas. Dies ist ein historischer Moment, der in die Geschichte Deutschlands eingehen wird.' Dann wurde gefragt: 'Wollt ihr eine neue Reformation in Deutschland?' Und alle riefen 'Ja' und 'Halleluja'. Die sicher begrüßenswerte Absicht, die Vergangenheit zu erinnern und 'neue Akzente' zu setzen, wurde durch vereinnahmende Sprachformen und eine missverständliche Betonung des göttlichen Handelns mit Deutschland eher ins Gegenteil verkehrt. Nach einer Gebetszeit ging es dann weiter mit der Praxis des geistlichen Kampfes: 'Im Namen Jesu zerbrechen wir die Ketten, die böse und teuflische Macht über Deutschland gelegt haben. Jesus ist Herr über Deutschland.' Mit Halleluja- und Amen-Rufen sowie weiteren prophetischen Proklamationen endete dieser Veranstaltungsteil."

Kommentierend vermerkt Herr Hempelmann von der EZW weiter an:

„Überschritten wurde das charismatische Frömmigkeitsspektrum - etwa in Richtung evangelikale Bewegung - beim Jesus-Marsch nicht wesentlich. Hierin unterscheidet sich die Jesus-Marsch-Bewegung in Deutschland durchaus von entsprechenden Initiativen im internationalen Bereich. Zugleich muß gesehen werden, daß sich viele Charismatiker - auch in Deutschland - zugleich als Evangelikale verstehen, was angesichts der breiten Überschneidung beider Bewegungen durchaus verständlich ist ....

Die Jesus-Marsch-Bewegung ist Ausdruck von charismatischen Allianzen mit konfessionsübergreifender Struktur. Das ist fraglos eine seit einigen Jahren zu beobachtende neue Entwicklung: Pfingstler, die sich von der Pfingsterweckung der Azusa-Street her verstehen, innerkirchliche Erneuerungsgruppen, Neupfingstler und Charismatiker

aus freien Werken und unabhängigen charismatischen Gemeinden schließen sich 'in Liebe und Einheit vor Gott für unsere Nation' zusammen und starten eine Versuchskoalition. Wie bedeutsam und geschichtswirksam diese Koalition sein wird, weiß niemand im voraus. Ausgangspunkt und Grundlage der Einheit der konfessionell Verschiedenen ist die gemeinsame Erfahrung des Heiligen Geistes in der Geistestaufe bzw. in der Erfüllung mit dem Heiligen Geist und der Praxis der Charismen. Gleichartige Glaubenserfahrungen erweisen sich dabei als wichtiger als konfessionelle Bindungen, die zwar nicht aufgehoben, aber relativiert werden. Weitreichende gegenseitige Anerkennung und Kooperation wird gesucht.

Hinter irritierenden Sprachformen stehen z. T. inhaltliche Akzentuierungen, die zu kritischen Fragen Anlaß geben. Dabei geht es nicht nur um die Sieges- und Kriegsmetaphorik oder die starke Identifikation der Bewegung mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Wer anfängt einzelne Aussagen, die im Zusammenhang der Jesus-Märsche von den Verantwortlichen gemacht wurden, näher zu analysieren, begegnet Tendenzen der Anpassung an die remythologisierenden Trends der religiösen Alternativszene. Jedenfalls sind Aussagen und Praktiken der Jesus-Marsch-Bewegung gegen solche Deutungen nicht ohne weiteres zu schützen:

Proklamationen werden als Machtworte aufgefaßt, die Wirklichkeit schaffen und verändern nach dem Motto: 'Glaube es, proklamiere es und du hast es.' Eigene Vorstellungen und Wünsche werden in prophetischen Proklamationen konzentriert und mit Hilfe des Glaubens an die Macht der Gedanken zu verwirklichen gesucht."

Aus der genannten Zeitschrift sei zum Abschluss auch noch aus einem Abschnitt über die „Partei Bibeltreuer Christen" zitiert (MD 1994 S. 235f.):

„Die im November 1989 gegründete Partei ist von ihrem Entstehungshintergrund wie von ihrer Programmatik einem 'pfingstlich-evangelikalen' Glaubensverständnis zuzuordnen. Ihre Gründung geht auf die Initiative des Leiters der 'Internationalen Zigeunermission e. V.' Pastor Gerhard Heinzmann, zurück, der auch Parteivorsitzender ist. In der Präambel des auf dem Gründungsparteitag verabschiedeten Programms wird das Hauptziel der Partei benannt: 'Die PBC sieht ihr Ziel darin, Gottes ewig gültiges Wort für die Menschen aller Völker, Rassen und Hautfarben in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen.'

Daß die PBC damit eher ein missionarisches als ein politisches Ziel verfolgt, verdeutlicht der Vorsitzende Heinzmann in einem Rundschreiben der Zigeunermission vom November 1989:

'Da in unseren Missionskassen sowieso nie Geld ist, können wir aber vor den großen Wahlen, zu den besten Sendezeiten, völlig kostenlos über Rundfunk und Fernsehen, auf allen Kanälen, Millionen Menschen in unserem Land erreichen.' Diese Möglichkeit blieb der PBC bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen 1990 versagt, da der Bundeswahlausschuß die Partei nicht zur Wahlteilnahme zuließ. Daher konnte die Partei bisher noch nicht auf Bundesebene antreten.

Drei Punkte seien hier herausgestellt, die die PBC von den anderen Parteien unterscheidet: die größere Professionalität im Erscheinungsbild, die Betonung des Kampfes gegen Okkultismus und Wahrsagerei und die zentrale Rolle, die der Beziehung zu Israel beigemessen wird. Die beiden letzten Punkte weisen deutlich auf den theologischen Hintergrund der Partei hin: 'Okkultismus' und 'Israel' sind wichtige Themen in Teilen des evangelikalen Spektrums. Das Verständnis weltpolitischer Zusammenhänge scheint bei der PBC durch eine endzeitlich-prophetische Sichtweise bestimmt zu sein, eine Perspektive, die, zumindest in ihrer populären Form, mehr als problematisch ist."

Eine Internetrecherche zum Thema Heinzmann ist auch noch zu entnehmen; dass ein örtlicher Vorsitzender dieser Partei, der sie in seinem regionalen Bereich mit begründet hat, nach einiger Zeit aus ihr ausgetreten und dafür in die CDU eingetreten ist. Motivierend für seinen Schritt war für ihn auch die Erkenntnis, dass die Gestaltungsmöglichkeiten via PCB nur mal sehr eingeschränkt sind. Der Betreffende, der seine prinzipielle Geisteshaltung ja wohl kaum revidiert haben dürfte, sieht in der größeren CDU bessere Entfaltungsmöglichkeiten.

Eine ähnliche Erfahrung machte ja schon so mancher, oder macht sie noch, der mit einer der kleineren Parteien sympathisiert. Dies soll hier auch nicht weiter zur Disposition stehen. Interessant ist es aber schon, was in der „Nach-PCB-Zeit" da so zu folgen pflegt. Die Assimilierung in der CDU. …

Man muss keineswegs Zeuge Jehovas sein, um ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit zu haben, und daraus ableitend vielleicht gar zu sagen. Ich wähle „die" nicht. Dies alles ist nachvollziehbar, obwohl es andererseits auch nichts zur Lösung anstehender Probleme beiträgt.

Jeder Nichtwähler überlässt somit anderen, die realen Machtverhältnisse zu gestalten. Er entmündigt sich faktisch selbst. Ob das anderen überlassen, mit seinen ureigensten Interessen wirklich übereinstimmt, mag man mehr als berechtigt anzweifeln.

Bei den Zeugen Jehovas haben wir jedoch den Fall, dass hier aus „dogmatischen" Gründen eine prinzipielle Wahlverweigerung vorliegt. Dies kann und muss man kritisch hinterfragen. Damit ist nun überhaupt noch nicht gesagt (dies mal als Sandkastenspiel) würden Zeugen Jehovas generell mitwählen, ob sie denn zu einem „Zünglein an der Waage" werden könnten. Ich befürchte eher nein. Die sind doch, ich formuliere das jetzt mal krass, politisch so dumm gehalten und erzogen, dass sie auch noch bei einer Wahlfreigabe „ihre eigenen Metzger wählen" würden. Von mir aus, kann der Haufen Zeugen Jehovas, durchaus weiterhin zu den Nichtwählern gehören. Ich meine zu wissen, wo meine Interessen am allerwenigsten vertreten werden. Und 100 000 Stimmen von 160 000 beispielsweise für eine „Partei Bibeltreuer Christen". Darauf kann ich dankend verzichten! Dann mögen sie ruhig weiter Nichtwähler bleiben

1957er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

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