Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Nürnberg 1953

Im Jahre 1953 veranstalteten die Zeugen Jehovas auch in Nürnberg einen ihrer Kongresse. In der Zeitschrift "Zeitwende" wird unter dem Namen "Martin Lagois" darüber wie folgt berichtet:

"Invasion der 'Zeugen Jehovas'

Wie Heuschrecken fielen eines schönen Samstagsnachmittag, die 'Zeugen Jehovas' über sämtliche Häuser der Stadt Nürnberg her, um nach einem festgelegten Plan an jeder Haustür in persönlichem Gespräch für die Sekte zu werben.

Dadurch sind fast alle evangelischen Gemeindeglieder zu irgendeiner inneren Auseinandersetzung mit ihnen gezwungen worden. … Die Nürnberger Bevölkerung selbst war allerdings durch ihre auch sonst allenthalben spürbare religiöse Gleichgültigkeit weitgehend gegen eine tiefere Wirkung jenes Kongresses der 'Neuen-Welt-Gesellschaft' gefeit, der diese Heuschreckenschwärme ausgesandt hatte; sie beteiligte sich nur in geringem Maße an seinen Veranstaltungen. Aber aus allen Gegenden Westdeutschlands, aus Berlin und einigen europäischen und überseeischen Ländern waren etwa 35 000 Teilnehmer gekommen; bei der öffentlichen Kundgebung am Sonntagnachmittag mögen ungefähr 50 000 Zuhörer zugegen gewesen sein. Nach Angaben eines der Pressereferenten ist die Zahl der 'Zeugen Jehovas', die im Jahre 1933 in Gesamtdeutschland etwa 13 000 betrug, während der Nachkriegszeit allein in Westdeutschland auf etwa 45 000 gestiegen. Die stärkste Gruppe in der Bundesrepublik befindet sich mit 2500 'Verkündigern' in München.

Wenn man sich die einzelnen Gesichter anschaute, dann schienen die Kleinbürgerschicht und der gehobene Arbeiterstand vorzuherrschen.

Einige Teilnehmer, anscheinend wohlhabende Geschäftsleute, fuhren in eigenem Wagen vor. Urteilsfähige Beobachter, denen die starke Beteiligung der Jugend auffiel, gewannen den Eindruck, daß der totale Radikalismus dieser religiösen Gemeinschaft auf junge Gemüter anziehender wirke als die wohltemperierte Atmosphäre in den landläufigen Kirchengemeinden. Nach den Berichten der Vertreter aus Norddeutschland scheinen dort die meisten neu hinzugekommenen Anhänger Heimatvertriebene zu sein. Die Kälte, mit der sie in ihren neuen Ortsgemeinden aufgenommen wurden, mag sie dort keine neue religiöse Heimat haben finden lassen. In den Arbeitsberichten wurde immer wieder betont, wie schwer in allen Gebieten die einheimische Landbevölkerung umzustimmen sei. Offenbar macht die 'Neue-Welt-Gesellschaft' nur in den Städten und auf dem Lande ausschließlich in Kreisen der Heimatvertriebenen gewisse Fortschritte. Einige Reaktionen der Zuhörerschaft ließen erkennen, daß die Mehrzahl früher der römisch-katholischen Kirche angehörte.

Bis auf einige versteckte hämische Seitenhiebe trat eine offene Kirchenfeindlichkeit gegen Katholiken und Evangelische bei dem Kongreß kaum klar zutage. Es fiel aber allgemein auf, wie lebhaft die Massen sofort auf solche heimlichen Angriffe reagierten."

1953er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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