Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Mitten im kalten Krieg

Auch das Jahr 1953, muss immer noch der Hochphase des kalten Krieges zwischen Ost und West zugerechnet werden. Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die Kommunisten im Ostteil Deutschlands durch sowjetische Bajonette an die Macht gehievt, keinesfalls jenen Umfang an Unterstützung in der Bevölkerung hatten, den sie sich wünschten. Schmerzlich wurde ihnen das wiederum am 17. Juni 1953 demonstriert; als sie jene "Revolte" nur mittels sowjetischer Panzer wieder unter Kontrolle bringen konnten.

Auch ist es klar, dass man westlicherseits diese kommunistische Schwäche keineswegs "ungenutzt" ließ. Wo immer sich die Möglichkeit bot, wurde sie zusätzlich geschürt, auch und nicht zuletzt auf der Propagandaebene.

Was für breite, mit Religion nicht mehr allzuviel aktive Verbindung habende Kreise solche Radiosender wie beispielsweise der RIAS besorgten, lässt sich auch im spezifischen Fall Zeugen Jehovas nachweisen.

Bereits im Jahre 1951 war deren Buch "Was hat die Religion der Menschheit gebracht" in Englisch erschienen, und nun im Jahre 1953 auch in Deutsch. Es trug auf seiner Ebene auch zum Austrag des kalten Krieges zwischen Ost und West mit bei.

Schon die grundsätzliche Tendenz, den Kommunismus auch in die Rubrik Religionen, in der Lesart der Zeugen Jehovas, "falsche Religionen" mit einzuordnen, ist ein Symptom dafür.

Sicherlich begegnet man auch in den kommunistischen Regimen, wie davor schon in den faschistischen, staatsverherrlichenden Aspekten. Dieses Detail kann man, wenn man so will, durchaus als Religionsähnlich definieren.

Dennoch greift eine Definition zu kurz, die allein deswegen, glaubt auch das kommunistische System pauschal als Religion bezeichnen zu können. Religion pflegt sich nicht selten mit metaphysischen Gedankengängen zufriedenzugeben. Die Kommunisten indes waren vorrangig mit ihrem Machterhalt beschäftigt und mussten dabei auch handfeste irdische Entscheidungen treffen, die durchaus nicht als "Religion" definierbar sind.

Insofern ist ihre Pauschalierung als Religion durch die Zeugen Jehovas, eine böswilliges, dem kalten Krieg geschuldetes Zerrbild.

Symptomatisch auch der Ausspruch auf Seite 349 in jenem Buch, sozusagen die Quintessenz, die den Zeugen Jehovas damit "eingeimpft" werden sollte.

Dort liest man:

"Welche Klasse ist denn verwerflicher: die Kommunisten mit ihrer Roten Religion oder die Geistlichkeit der Christenheit? Die Bibel antwortet: die religiöse Geistlichkeit. Viele sind Kommunisten geworden und haben sich gegen die Religion der Geistlichkeit und deren Götter gewandt, weil sie sich an ihrer Heuchelei gestoßen haben. Die Geistlichkeit aber hat bekannt, christlich zu sein und für Gott zu sprechen. So hat sie über Hunderte von Millionen Menschen ihrer Herden großen Einfluss ausgeübt."

Im Klartext bedeutet diese Aussage nicht mehr und weniger als dies. Sollten ringsum andere christliche Kreise gegenüber den Kommunisten "schwach" werden. Jehovas Zeugen werden die letzten aller religiösen Antikommunisten sein. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, dass solch eine Aussage, im Angesicht des 1950-er Verbotes, auf fruchtbaren Boden fiel. Also auch jene, die sich schon vorher, auch ohne WTG, bereits als Antikommunisten sahen, nur noch zusätzlich in dieser ihrer Motivation bestärkte.

Wundert man sich eigentlich über die Reaktion darauf? Ich glaube kaum, dass es "berechtigten" Anlass zum wundern gäbe.

Jede sich bietende, noch so billige Polemik, wurde seitens der WTG zur Stärkung dieser Tendenz genutzt. Etwa wenn sie (S. 343) schreibt:

"Wenn man bedenkt, dass Satan, der Teufel, Jesus politische Macht in dieser Welt zu geben versprach, sofern er ihn als 'Herrscher dieser Welt' anbete, dann können die Kommunisten ihre politische Machtstellung nur durch den 'Herrscher dieser Welt', Satan den Teufel, für die Anbetung, die sie ihm darbringen, erlangt haben. Wie und um welchen Preis der Papst und andere religiöse Führer zu ihrer politischen Macht und ihrem Einfluss gelangten, überlassen wir dem Urteil unserer Leser.

Weil sie die Existenz des Teufels leugnen, mögen die Roten zwar bestreiten, dass sie ihn anbeten. Aber sie haben eine Staatsreligion aufgestellt, indem sie vom Volke verlangen, dem politischen Staat als seinem höchsten Ratgeber, Leiter, Fürsorger und Beschützer unbedingtem Gehorsam zu zollen."

Was den Vorhalt der Staatsreligion anbelangt, hat er einiges für sich. Es ist auch sehr die Frage, ob der ostdeutsche Staat rund ein halbes Jahrhundert "durchgehalten" hätte, wäre in ihm das Element Staatsreligion nicht vorhanden gewesen. Mutmaßlich wäre er ohne dem schon viel eher zusammengekracht. Insofern war dieser Aspekt für die Kommunisten existenziell. Auch andere Kirchen und Religionsgemeinschaften empfanden den "Staatsreligionscharakter" keineswegs als "gut". Auch sie hatten damit ihre Konflikte. Es stellt sich aber doch die Frage, inwieweit man diese Konflikte zum alles beherrschenden Non plus ultra ausufern ließ, oder ob man nicht doch nach Mittel und Wegen zu Entschärfung dessen suchte. Für die Zeugen Jehovas-Führung war die Sachlage klar. Mit Kommunisten verhandelt man in ihrer Lesart nicht. Gibt es in der Bibel Stellen die dazu anraten, friedensstiftend zu wirken. Für die Zeugen Jehovas-Führung gehören die zum "Müll" den sie ignoriert. Sie haben sich damit ihren "Ehrentitel" d i e religiösen kalten Krieger zu sein, wahrhaftig verdient!

1953er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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