Weitere Presseberichte zum "DDR" Zeugen Jehovasverbot

Unter der Überschrift "Kriegsverbrecher verrecke" berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner Ausgabe vom 13. 9. 1950:

www.spiegel.de/spiegel/print/d-44449708.html

In der gleichen Ausgabe dieses Spiegelheftes, druckte die Spiegel-Redaktion - sozusagen als Kontrast - auch jenen Artikel des "Magdeburger Generalanzeigers" vom 19. 12. 1937 ab, indem schon die Nazis gegen die Zeugen Jehovas polemisiert hatten. Zu dem Fall des darin offerierten Passus "Heiliger Vater Stalin" ist an anderer Stelle dieser Homepage schon näheres gesagt worden. Vgl. dazu unter anderem: 1938er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

Dort "Der Fall Hope Slipachuk".

Jetzt aber jener angekündigte Artikel aus dem "Magdeburger Generalanzeiger" vom 19. 12. 1937: "Die internationalen Bibelforscher sind die Mitglieder jenes verbotenen Geheimbundes, der unter religiösen Deckmantel jüdisch-kommunistische Ziele verfolgt und in Stalin seinen 'Heiligen Vater und Messias' sieht. Sie lassen sich entgegen ihren eigenen so oft verkündigten Satz: 'Als Anhänger Christi beteiligen wir uns nicht an der Politik 'gar zu leicht als Vorspann jener üblen Hetze missbrauchen, die Emigranten und Bolschewisten gemeinsam gegen Deutschland betreiben. Und hier liegt das Tun solcher Menschen in gefährlicher Nähe an der Grenze des Hochverrates, fordern sie doch die Verweigerung der grundlegenden nationalen Pflichten: wie den Einsatz für den Luftschutz, die Erfüllung des Wehrdienstes, die Bejahung des Staates.

Hier zeigt sich, wie die ganze Arbeit der Bibelforscher entweder selbst schon kommunistische Arbeit ist oder Schrittmacher des Kommunismus, und wie solche Arbeit gefährlich an Hochverrat herangeht. Und gerade in einem Flugblatt, dass gefunden wurde, offenbaren sie am deutlichsten die kommunistischen Untergründe der Bestrebungen der Bibelforscher, denn hier wird von dem 'Heiligen Vater Stalin' gesprochen. Es zeigt sich in aller Klarheit, wohin die Fahrt dieser Leute geht: nämlich in einen absoluten staats- und volksverneinenden Widerstand gegen das von der nationalsozialistischen Bewegung aufgebaute Dritte Reich."

Als weiteres Kontrastdokument, zitierte der "Spiegel" in der gleichen Ausgabe, auch jenen Kommentar der SED-Zeitung "Neues Deutschland" vom 3. 9. 1950 indem man lesen konnte:

"Bei dieser amerikanischen Sekte handelt es sich um eine ausgesprochene Spionage-und Diversanten-Organisation, die unter dem Deckmantel religiöser Schrullen ihre verderbliche Arbeit gegen den Fortschritt leistet. In dem Satz: 'Wir wollen keine Demokratie, sondern eine Theokratie' versuchen sie, die demokratische Staatsform zu verunglimpfen und die Herrschaft des Monopolkapitals zu publizieren. So haben die Bibelforscher den Auftrag, gegen die Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung in den volkseigenen Betrieben zu arbeiten. Denn die Aktivistenbewegung, die zur Steigerung der Produktion und zur Verbesserung der Lebenslage führt, passt nicht in die Welteroberungspläne der amerikanischen Imperialisten.

Der Antibolschewismus steht, wie bei jeder faschistischen Organisation, an erster Stelle. Mit diesem Gift versuchen sie, die friedliebende Bevölkerung gegen die Regierung zu hetzen. In einem Buch der Bibelforscher heißt es: 'Monarchien sind gegen das Volk hart, grausam und tyrannisch gewesen, aber Bolschewismus und Kommunismus sind noch schlimmer.'

Die Sekte arbeitet nach einem genau durchdachten Plan der amerikanischen Militärclique als Propagandist amerikanischer Ideologien gegen die fortschrittliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik."

In der kommunistischen Propaganda gegen die Zeugen Jehovas ragt besonders jener Artikel hervor, der in der einstmal pazifistischen und bürgerlich-liberalen "Weltbühne" (zu Zeiten der Weimarer Republik) erschien. Die Kommunisten hatten auch dieses Presseorgan deformiert. In der Ausgabe vom 11. Oktober 1950 verbreitete sich dort ein gewisser Leo Menter. Er hatte als Prozessbeobachter dem Schauprozess gegen die Zeugen Jehovas beigewohnt und verkaufte nun seine Eindrücke unter der tendenziösen Überschrift "Himmlers Auferstehung". Wie er zu dieser Überschrift gelangte, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben. Aber immerhin, sie sagt zugleich einiges darüber aus, wie empfindlich die Zeugen Jehovas die Kommunisten getroffen hatten. Eine seinerzeitige Anfrage an die Weltbühnenredaktion ergab, dass dieser Menter 1965 73-jährig verstorben ist. Nach 1946 war er ständiger (freier) Mitarbeiter der "Weltbühne". Beruflich war er im Henschel-Verlag beschäftigt, einem auf Theaterliteratur spezialisierten Verlag. Also, man kann ihn sozusagen in die Rubrik "Schriftsteller" einordnen. Nachstehend ein Auszug aus diesem "Schriftsteller"Erguss:

"Merkwürdige Zeugen standen in der vergangenen Woche vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik. Sie nennen sich 'Zeugen Jehovas', aber das ist eine Blasphemie. Diesmal waren die Zeugen Angeklagte, die zu sehr erheblichen und gerechten Zuchthausstrafen verurteilt wurden, denn nicht einer war unter ihnen, der etwas anderes hätte bezeugen können, als seine im vollen Bewusstsein ausgeübte Spionage, seine Spitzeldienste und seine vorsätzliche Hetze gegen Frieden und Friedenskämpfer. Alle Kriegsverbrechen werden auf solche Weise vorbereitet. Jeder von ihnen säte Hass; Hass gegen unsere junge Republik, Hass auf dem Weg unseres sicheren Aufbaus und Hass gegen die Sowjetunion als dem starken Hort unerschütterlichen Friedenswillens.

Sie trieben alle das gleiche, nach einem außerordentlich gut vorbereiteten und keineswegs überirdischen Organisationsplan. … Es waren neun Männer, 22 Jahre der jüngste und 61 der älteste, und keinem von ihnen hätte die doch nur zweifelhafte Entschuldigung religiöser Irreleitung oder Verzücktheit zugesprochen werden können. Sie wussten alle, was sie taten, und sie wussten wozu. … Noch der bescheidenste Diener fertigte Skizzen an, mit Eintragungen von Bahnhöfen, Kasernen, Unterkünften der Volkspolizei, von volkseigenen Betrieben und Schiffswerften. Oder von Rathäusern und Feuerwehrdepots.

'Auch dort können Menschen wohnen', sagte der Angeklagte Adler, und er meinte damit, dass sie vielleicht der Bekehrung durch 'Jehovas Zeugen' harrten. Als ihn aber Frau Dr. Benjamin, die als Vorsitzende in klarer Sachlichkeit den Kern der Dinge sehr schnell herausschälte, fragte, ob in den sowjetischen Kommandanturen, die damals vorhanden waren und selbstverständlich eingezeichnet wurden, auch seine Predigten habe halten wollen, musste er die Antwort schuldig bleiben.

Adressen wurden gesammelt, von Bürgermeistern, Polizeipräsidenten, Amtsleitern, mit Erläuterungen natürlich, und vor allem von Polizeioffizieren. Der Hauptangeklagte Heinicke begründete das mit Schwierigkeiten, die seit 1949 für die 'Zeugen Jehovas' eingetreten seien, aber er musste sich von seinem Mitangeklagten Suhrbier bestätigen lassen, dass er die entsprechenden Anweisungen schon 1947 weitergegeben habe. Genaue Angaben über innerbetriebliche Schulungen, Berichte über Wahlen, Auseinandersetzungen, Katastrophen, Flugzeuge und Fliegerei und Landschaften, über Oppositionen und nicht zuletzt Manöver wurden gefordert. Es wurde viel verlangt, und die Fülle erregt einiges Kopfschütteln, aber wörtlich ist alles aufgezeichnet, und unverkennbar wird im Ausdruck schon die Übersetzung aus dem Amerikanischen sichtbar. Und so gipfelt die Aufforderung an den lieben Bruder denn auch in der Belehrung: 'So bietet sich die Möglichkeit, dem Feinde zu zeigen, dass er auch in Deutschland wachsam beobachtet wird, und das nichts (!) im Verborgenen geschieht. Jehovas Zeugen haben die Aufgabe Wächter zu sein.'

Dann folgt die Bitte um Bescheid mit vielen guten Wünschen und Grüßen und darunter: 'Dein Bruder und Mitdiener Erich Frost.'

Und nun frage noch einer, was Spionage ist. …

Sein vorgesetzter Bruder wiederum war Herr Knorr. Der ist nun bereits waschechter Amerikaner. Er sitzt in der Zentrale, nämlich in Brooklyn, von wo aus die 'Watch Tower Bible and Tract Society' wie die Spionagegesellschaft in Wirklichkeit heißt, ihre Nachrichten über die Deutsche Demokratische Republik den amerikanischen Kriegsvorbereitern zuleitet.

Auch die Bezahlung für die Komplettierung der amerikanischen Kartei über Deutschland vollzog sich unter religiöser Tarnung. 20 000 Carepakete kamen allein im Jahre 1946 an, und Textilwaren gab es im Gewicht von 220 Tonnen. Das ist schon etwas, und doch ist es eigentlich ein Nichts. Diese 'Watch Tower Bible and Tract Society' ist sicherlich die billigste Spionagezentrale, die von Brooklyn bis ins kleinste deutsche Dorf reicht. Auf dem Hinweg wird Hetzmaterial druckfertig geliefert, damit die politischen Prediger den rechten Weg zum rechten Krieg finden; denn man predigte wandernd, der Weltuntergang stehe vor der Tür, schon wegen der bösen Kommunisten. Die Zeugen Jehovas aber würden ihn überstehen; denn der Weltuntergang werde ein Krieg sein, ein gerechter Krieg, und er werde natürlich amerikanisch sein. Amen.

Auf dem Rückweg aber, über den Diener Hetzprediger, die Dreierkomitees und die Gruppen-, Kreis- und Zweigdiener kommen die Landkärtchen mit angekreuzten Wohnungen, Häusern, Fabriken, Eisenbahnanlagen, damit 'Jehova' den rechten Weg erkenne. Und ihn die amerikanischen Bomber finden. Kein Carepaket wird ohne Sinn und Verstand verschickt. "

Die gesamte gleichgeschaltete Presse der DDR war in jenen Spätsommertagen des Jahres 1950 voll von Berichten zu den Zeugen Jehovas. Es gab aber in der "DDR" auch noch eine Blockpartei namens CDU. Ihr mussten die Kommunisten, wenn auch widerwillig, auch noch eigene Publikationsorgane zubilligen. Selbstverständlich unter Wahrung des Anspruches der SED die "führende" Kraft zu sein. Und so verstand es sich fast von selbst, dass die Presse der Blockparteien über den Hebel "Papierkontigent" entsprechend reduziert nur Erscheinen konnte. Aber aus "Dankbarkeit" dass man überhaupt noch ein kärgliches Dasein fristen durfte, sind gerade in dieser Blockparteipresse die diesbezüglichen Aussagen manchmal durchaus etwas substantieller als wie in dem SED-Papierwust. Also, da gab es eine Zeitung der CDU, die nannte sich "Märkische Union" und war für das Land Brandenburg zuständig. In ihr konnte man am 29. 8. 1950 lesen:

"Aus fast allen Teilen Brandenburgs … laufen Berichte über Umtriebe von Menschen, die sich als 'Zeugen Jehovas' bezeichnen (ein). Die Art ihrer Agitation, ihre politische Tätigkeit und ihr staatsrechtlicher Nihilismus im religiösen Gewande lassen die gesamte demokratische Bevölkerung aufhorchen. Dabei erhebt sich unwillkürlich die Frage, was sind das für Menschen, was wollen sie und in wessen Auftrag stören sie die aufbauenden und arbeitenden Kräfte in unserer Republik? Die Zeugen Jehovas predigen den Weltuntergang, sie fordern zur Niederlegung der Arbeit auf und raten den Menschen, sich auszuleben, weil das Ende 'unserer' Tage gekommen sei, und hetzen in gleicher Weise gegen unseren Fünfjahrplan, gegen die Nationale Front des demokratischen Deutschlands, kurzum gegen alle großen nationalen Aufgaben, Einrichtungen und Ziele, die sich unser Volk im Aufbau einer besseren Zukunft gesetzt hat. … Die Zeugen Jehovas behaupten nun, eine rein religiöse Auffassung zu vertreten und wollen angeblich von politischen Dingen nichts wissen. Das hindert sie aber andererseits nicht, eine aktive Hetze gegen die Politik unserer DDR und insbesondere gegen den Kampf für den Frieden zu entwickeln und sich als willfähriges Werkzeug des USA-Kapitals zu erweisen. Niemals sind es die aufbauwilligen, friedliebenden und demokratischen Menschen, die dieser Parole der Zeugen Jehovas folgen, sondern ihre Parolen sind denen Deckmantel, die nicht gewillt sind, konstruktiv für ein neues Deutschland und für den Kampf um den Frieden mitzuarbeiten.

Das ist insofern von großer politischer Bedeutung, weil die Leitung - und das geht aus allen Unterlagen hervor - bei amerikanischen Konsulatsbeamten liegt, die mit Hilfe dieser religiös fanatisierten Amokläufer ihre Politik z. B. in der DDR durchzusetzen versuchen. Wenn es im Jahre 1934 Mister Jenkins war, der im amerikanischen Konsulat in Berlin die zentralen Anweisungen gab, so sind es heute amerikanische Offiziere in Wiesbaden, die der Magdeburger Zentrale die klaren Anweisungen erteilen, gegen die Fundamente unserer Deutschen Demokratischen Republik, gegen das Programm der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands und gegen den Frieden zu hetzen und zu wühlen. Dabei verstehen es die Zeugen Jehovas vorzüglich, sich mit religiösen Argumenten jeder Aufbauarbeit und jeder staatsbürgerlichen Pflicht zu entziehen, indem sie erklären, dass beleidige Jehova. Aber nicht nur in staatsbürgerlicher Hinsicht ist ihre Auffassung und Haltung eine Gefahr, sondern wie zahlreiche Berichte immer wieder übereinstimmend feststellen, ist die Tendenz ihrer Tätigkeit auch unmoralisch, und die Antwort der Bevölkerung ist eine eindeutige Absage auf ihre widrigen Vorschläge.

Das ist Alarm für unser Volk. Die demokratischen Kräfte unserer Republik müssen sich stärker mit diesen Menschen beschäftigen, müssen ihre Tätigkeit überprüfen und erkennen, weshalb diese Zeugen Jehovas unzählige Care-Pakete bekommen, weshalb diese Zeugen Jehovas gegen unsere Republik und gegen das Friedenslager hetzen, und unsere Bevölkerung muss erkennen, wer die Hintermänner dieser wohldurchdachten organisierten 'ernsten Bibelforscher' sind, die von Haus zu Haus eilen und ihre staatsfeindlichen und unsere nationalen Interessen widersprechenden Parolen verkündigen. Die christlichen Menschen sind insbesondere verpflichtet, darüber zu wachen, dass mit den religiösen Symbolen und mit der religiösen Überzeugung eines Menschen nicht eine Tätigkeit getarnt wird, die in letzter Konsequenz nichts anderes ist als ein Anschlag auf den Frieden und den Aufbau unserer demokratischen Ordnung."

Die gleiche Zeitung "Märkische Union" brachte einige Zeit später, am 29. 9. 1950 noch einen weiteren zitierenswerten Artikel. In der Substanz lebt er zwar von der Wiedergabe der Ausführungen, die zum Thema bereits in einer anderen Publikation erschienen waren. Er ist auch im Eigenkommentaranteil als relativ sparsam einzuschätzen. Nichts desto trotz, ist diese Ausführung beachtlich. Also die "Markische Union" schrieb, in Zitierung:

"Zum Verbot der Sekte 'Die Zeugen Jehovas' in der Deutschen Demokratischen Republik schreibt die in Dresden erscheinende lutherische Wochenzeitung 'Der Sonntag' u. a.: 'Wir wissen es seit langem, jeder, der sich mit der Lehre der Bibelforscher einmal beschäftigt hat, weiß es. Die Bibelforscher sind nicht nur ein erklärter Feind der christlichen Kirche, sie sind auch ein Feind jeder staatlichen Ordnung ganz gleich, welcher Art diese Ordnung ist. Jeden Staat werden sie ablehnen, denn sie sehen im Staat ein Werk des Teufels. Das hängt mit ihrer Lehre zusammen, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Wir Christen denken da anders. Wir wissen, dass Gott den Staat will um der Ordnung willen, um dem Bösen in der Welt zu wehren. Das ist die Aufgabe, die Gott dem Staat zugedacht hat, auch dem nichtchristlichen Staat. Solange er diese Aufgabe erfüllt, sind wir Christen zum Gehorsam gegen den Staat verpflichtet. Dieser Gehorsam der Christen gegen den Staat hat eine Grenze nur dann, wenn der Staat gegen die Gebote Gottes handelt. Dann kann auch ein Christ nicht mehr gehorchen und muss bereit sein um seines Glaubens willen zu leiden. Wir sehen also, welch himmelweiter Unterschied besteht zwischen dem Ungehorsam der Bibelforscher gegen die staatliche Ordnung und dem Ungehorsam, zu dem auch ein Christ sich unter Umständen gerufen weiß. Dort handelt es sich um Ungehorsam auch gegen Gott, der den Staat will. Hier handelt es sich letztlich um Gehorsam gegen Gott, der auch vom Staat Gehorsam für seine Gebote verlangt.

Man hat seit 1945 die Kirche oft gefragt, warum sie sich denn mit der offensichtlichen Irrlehre der Bibelforscher nicht öffentlich auseinandersetzte. Das hat die Kirche in den zwanziger Jahren getan, damals nach dem Ersten Weltkrieg, als die Bibelforscher auch schon viel von sich reden machten. Aber gerade in den damaligen Auseinandersetzungen haben wir gelernt, dass sie zwecklos sind, und dass man damit höchstens noch Propaganda für sie macht."

Im Anschluss an diese Ausführungen kommentiert die "Markische Union" dazu:

"Was 'Der Sonntag' hier so klar und offen ausspricht, bestätigt die notwendig gewordene Behandlung der Bibelforscher durch unsere Regierung, der schließlich nichts weiter übrig blieb, als diese Sekte zu verbieten, sollte Volk und Staat nicht noch mehr in Gefahr gebracht werden mit einer vollkommen falschen Auslegung des Wortes Gottes. Das mit der Haltung der Regierung zugleich auch die Kirche geschützt worden ist, wollte man weder in Kirchenkreisen erkennen, noch bei einem gewissen Teil der Gemeindeglieder. Um so bemerkenswerter daher die Äußerung der lutherischen Zeitung 'Der Sonntag'".

Es gilt festzuhalten, dass die "Märkische Union" den "Der Sonntag", nur sehr stark gekürzt zitiert hat. Manchmal macht auch der Ton die Musik. Man wird der "Märkischen Union" vorhalten müssen, dass sie die eigentliche Tonlage des "Sonntag"-Artikels, ich unterstelle - bewusst - unter den Tisch hat fallen lassen. Nachstehend daher auch dieser Artikel aus "Der Sonntag" vom 17.9. 1950:

"Als Christen freuen wir uns nicht darüber, wenn eine Vereinigung die Gott dienen will und sich auf die Bibel beruft, einem staatlichen Verbot zum Opfer fällt, auch dann nicht, wenn diese Berufung auf die Bibel zu Unrecht geschieht und eine solche Vereinigung in einer alten Feindschaft zur Kirche und Gemeinde Jesu steht, wie das bei den 'Zeugen Jehovas' (Bibelforscher) der Fall war. Wir wissen, dass die Gewissens- und Glaubensfreiheit ein hohes Gut ist und empfinden es schmerzlich, wenn diese aus irgendeinem Grunde durch die Organe des Staates eingeschränkt werden muss. Wir haben es auch nicht vergessen, dass gerade die Anhänger dieser Sekte es gewesen sind, die während der Hitlerzeit tapfer für ihre Überzeugung gelitten und gestorben sind. Gewiss, für eine abwegige Überzeugung, aber doch immerhin für ihre Überzeugung. Viele Christen haben dieses Opfer für ihren Glauben nicht gebracht. Immerhin - wir haben uns nicht gewundert, als in den letzten Wochen durch die Tagespresse und den Rundfunk Nachrichten verbreitet wurden, die auf einen ernstlichen Konflikt zwischen dem Staat und den 'Zeugen Jehovas' schließen ließen und haben es vorausgesehen, dass es zu einem solchen Verbot kommen würde. Denn wir wissen es seit langem. Jeder, der sich mit der Lehre der Bibelforscher einmal beschäftigt hat, weiß es: Die Bibelforscher sind nicht nur ein erklärter Feind der christlichen Kirche, sie sind auch ein Feind jeder staatlichen Ordnung, ganz gleich, welcher Art diese Ordnung ist. So waren sie ein Feind des nationalsozialistischen Staates nicht deshalb, weil dieser Staat so oder so war, sondern weil es ein Staat überhaupt war. So werden sie jeden Staat ablehnen, denn sie sehen im Staat ein Werk des Teufels. Das hängt mit ihrer Lehre zusammen, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Wir Christen denken da anders. Wir wissen, dass Gott den Staat will um der Ordnung willen, um dem Bösen in der Welt zu wehren. Das ist die Aufgabe, die Gott dem Staat zugedacht hat, auch dem nichtchristlichen Staat. Solange er diese Aufgabe erfüllt, sind wir Christen zum Gehorsam gegen den Staat verpflichtet. Dieser Gehorsam der Christen gegen den Staat hat eine Grenze nur dann, wenn der Staat selbst Böses tut, dass heißt, wenn er gegen die 10 Gebote Gottes handelt.

Dann kann auch ein Christ nicht mehr gehorchen und muss bereit sein um seines Glaubens willen zu leiden. Wir sehen also, welch himmelweiter Unterschied besteht zwischen dem Ungehorsam, zu dem auch ein Christ sich unter Umständen berufen weiß. Dort handelt es sich um Ungehorsam auch gegen Gott, der den Staat will. Hier handelt es sich letztlich um Gehorsam gegen Gott, der auch vom Staat Gehorsam gegen seine Gebote verlangt.

Man hat seit 1945 die Kirche oft gefragt, warum sie sich denn mit der offensichtlichen Irrlehre der Bibelforscher nicht öffentlich auseinandersetzte. Das hat die Kirche in den zwanziger Jahren getan, damals nach dem Ersten Weltkrieg, als die Bibelforscher auch schon viel von sich reden machten. Aber gerade in den damaligen Auseinandersetzungen haben wir gelernt, dass sie zwecklos sind, und das man damit höchstens noch Propaganda für sie macht. Man muss sich mit den Bibelforschern nicht auseinandersetzen, sondern man muss für sie beten, dass Gott sie von ihrem Irrtum bekehre. Und man muss eine solche Verwirrung sich auswirken lassen bis zum Ende. Nun ist dieses bittere Ende für die Bibelforscher gekommen. Wie gesagt: wir frohlocken nicht schadenfroh über dieses Verbot, aber wir haben es kommen sehen, dass die Bibelforscher wieder so enden würden."

Vorstehend zitierter Bericht aus dem "Sonntag" stellt die Kirche und ihr Verhältnis zur Zeugen Jehovas-Verbotsproblematik eigentlich in ein positives Licht. Man wird sagen können: Es war eine ausgewogene Stellungnahme. Beachtlich erscheint mir darin auch die Aussage, dass man eine solche Verwirrung bis zum Ende sich auswirken lassen sollte. Also faktisch eine Absage an Gewaltmassnahmen. Es gab aber auch andere kirchliche Stellungnahmen. Ich will ihnen nicht unterstellen, dass sie den seriösen Boden verlassen hätten. Aber nachdenklich macht es schon, dass ausgerechnet das "Neue Deutschland", bekanntlich Zentralorgan der SED, für sich den Triumph ausspielen konnte, den Bericht eines Pfarrers zu den Zeugen Jehovas zu veröffentlichen. Hat er kein anderes Publikationsorgan dafür gefunden? Ist ihm nicht bewusst geworden, dass diese Veröffentlichung zu dieser Zeit und an diesem Ort ihn und die Kirche in ein schiefes Licht stellt? Sicher hat dieser Pfarrer nichts grundlegend verkehrtes berichtet. Aber eine gewisse Unsensibilität würde ich ihm schon bescheinigen wollen. Das "Neue Deutschland" veröffentlichte am 7. 9. 1950 den nachfolgenden Bericht:

"… Über einen Besuch in dem geheimnisvollen Hause (Berliner Büro der Zeugen Jehovas) und über die Art der 'Gottesdienste' der gefährlichen Organisation berichtete uns Pastor a. D. Johannes Mau aus Berlin-Mahlsdorf.

Geheimnisvolle 'Buchhandlung'

'Oben im vierten Stock ist die 'Buchhandlung'. Eine Buchhandlung ohne Regale, ohne Bücher? An einem runden Tisch sitzen einige Angestellte mit 'Kunden' wie zu einer Konferenz. Mein plötzliches Eintreten verursacht Erstaunen. Im Hauptbüro im ersten Stock ist man entschieden vertrauensvoller. Der diensttuende Leiter spricht mich jedenfalls mit 'Du' an. Ich werde offensichtlich mit einer anderen Person verwechselt. Offenbar nimmt man an, ich will einen 'Bericht' abgeben, so wie es hier auch viele andere tun …

Auf meine Frage erfahre ich, dass auch in meinem Stadtteil in (Ostberlin) Mahlsdorf Versammlungen dieser Gesellschaft abgehalten werden, aber man kann mir hier im 'Hauptquartier' eigenartigerweise nicht sagen, wann und wo sie stattfinden. Auf jeden Fall wurde ich erst einmal zu einer Versammlung in der 'Grauen Schule' in der Gotenburger Straße eingeladen. Auf dem Wege zur Schule Gotenburger Straße traf ich denselben Herrn wieder, der mir im 'Hauptquartier' der Organisation begegnet war. Er begleitete mich und nahm sich meiner an, ohne mich während der ganzen Zeit auch nur einmal aus dem Auge zu lassen. Es ist anzunehmen, dass es sich um einen der Hauptfunktionäre handelte, viele der Anwesenden kannten ihn; doch auch er war nicht in der Lage, mir am Schluss der Versammlung den Namen des Hauptredners dieses Abends zu sagen. 'Ach wissen Sie'; sagte er, 'Namen spielen bei uns gar keine Rolle…' (!)

Die 'Versammlung'

Die Aula war voll besetzt. Das Ereignis des Abends war die etwa 50 Minuten währende 'Predigt' eines Herrn, der angeblich aus Magdeburg gekommen war und in der Organisation eine führende Rolle spielt. Er kannte die Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik sehr gut und war besonders in Sachsen und Mecklenburg viel herumgereist.

Zwar schloss die 'Predigt' mit einem 'Amen'. Aber zwei Drittel der Redezeit waren mit gemeiner Hetze gegen die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, mit Verunglimpfung führender Persönlichkeiten ausgefüllt.

Den sächsischen Innenminister, den er angeblich persönlich kennt, bezeichnete er als großen Heuchler. Ein Greuelbericht folgte dem anderen.

Noch niemals habe ich so wie dort gehört, wie die Behörden unserer Deutschen Demokratischen Republik beschimpft und verleumdet wurden. Die 'Zeugen Jehovas', dass erkannte ich an jenem Abend ganz klar, haben mit einer religiösen Gemeinschaft nicht das Geringste zu tun. Sie sind nichts anderes, als eine staatsfeindlich arbeitende politische Organisation, die sich als 'Religionsgemeinschaft' tarnt."

Eine weitere CDU-Tageszeitung, die sich mit den Zeugen Jehovas beschäftigt hat, ist das "Thüringer Tageblatt". Am 26. 8. 1950 schrieb es:

"Schon seit Jahren verfolgen wir mit wachsender Befremdung die Agitation, die von einer Sekte ausgeht die den Namen trägt: Zeugen Jehovas. Zu wiederholten Malen haben wir bei früheren Gelegenheiten Anlass gehabt, auf die antinationale Haltung der Mitglieder dieser Sekte hinzuweisen. So war es in der Zeit der Vorbereitung des 3. Deutschen Volkskongresses im Mai 1949 gerade diese Sekte, die sich gegen die Durchführung dieser Wahl wandte und innerhalb der Volkskreise versuchte, diese Wahl, die von höchster politischer Bedeutung war, herabzusetzen und zu sabotieren.

Wir haben heute allen Anlass, erneut und dieses Mal in schärfster Form gegen diese Sekte Stellung zu nehmen, denn sie versucht auch in Thüringen nicht nur Mitglieder, sondern darüber hinaus auch weitere Bevölkerungsgruppen politisch zu verwirren und schreckt nicht davor zurück, offene Angriffe gegen die Existenz der Deutschen Demokratischen Republik und gegen die Arbeit ihrer führenden Männer zu richten.

Es ist mehr als offene Opposition, es ist bewusste Sabotage, wenn z. B. ein Referent dieser Sekte am 6. Juli dieses Jahres in Arnstadt erklärt, Hitlers Herrschaft habe zwölf Jahre gedauert. Aber das heutige System werde auch bald vernichtet werden. Das ist eine bewusste Diffamierung der Deutschen Demokratischen Republik, wenn gleichfalls in Arnstadt am 18. Juli in einer Versammlung dieser Sekte von den 'Brüdern' Paul und Gerhard erklärt wurde, dass die Deutsche Demokratische Republik an einem neuen Krieg arbeite, und wenn sie sagten, man dürfe an eine menschliche Regierung überhaupt nicht glauben, sondern nur Jehova gehorchen. Es ist auch weiterhin ein gewollter und wohl überlegter Versuch der Durchkreuzung der Friedenspolitik der Deutschen Demokratischen Republik, wenn ein Mitglied dieser Sekte - Max Schulze - am 11. August in Sondershausen sagte, es sei sinnlos für den Frieden zu kämpfen, weil der Krieg schon da sei.

Das sind nur einige wenige Beispiele aus einer Fülle von einwandfreien Bezeugungen, die alle dafür sprechen, dass in dieser Sekte, der Zeugen Jehovas, ein Geist lebt, der bewusst und mit Überlegung darauf hinarbeitet, die Basis der Deutschen Demokratischen Republik zu erschüttern, dass Volk in Verwirrung zu bringen und die Frauen und Männer unserer Republik gegen ihre Regierung aufzuhetzen. Wir kennen sie genau, die Quellen, aus denen diese Sekten gespeist werden und wir kennen sie genau, die Hintermänner, die keine Summe scheuen, um diese Sekte ihr Leben fristen zu lassen. Aber unsere Geduld ist erschöpft, und wir werden unnachsichtig auf diese Gefahr hinweisen und alles daransetzen, dass diesem gemeingefährlichen Treiben unverantwortlicher Kreise ein Ende gesetzt wird."

Auch in der CDU-Tageszeitung "Die Union" sind diverse Beiträge zu den Zeugen Jehovas nachweisbar, die aber, um den Text nicht noch weiter aufzublähen, hier übergangen werden sollen. Lediglich ein Statement aus "Die Union" sei noch zitiert (5. 9. 1950):

"Dresden. Landessekretär Max Schmidt übergibt uns folgende Stellungnahme zu dem Auftreten der 'Zeugen Jehovas':

'In steigendem Maße wird die Öffentlichkeit der Deutschen Demokratischen Republik durch das Auftreten und Wirken der sogenannten 'Zeugen Jehovas' beunruhigt, einer Organisation, die sich unter dem Deckmantel einer religiösen Sekte tarnt, nach den inzwischen festgestellten Einzelheiten aber einwandfrei eine raffiniert durchorganisierte Agitationsgruppe der westlichen Kriegsvorbereitungszentralen ist. Die Christlich-Demokratische Union hat sich schon in einer Reihe von Erklärungen und Stellungnahmen von dieser gefährlichen Sekte distanziert, da es sich hier keineswegs um eine christliche Organisation handelt. Es ist festzustellen, dass unter Ausnutzung der Naivität und Torheit der einfachen Mitglieder dieser Sekte die eigentlichen Inspiratoren der 'Zeugen Jehovas' im Dienste des Anschlages auf den Weltfrieden stehen. Wenn es hierzu noch eines besonderen Beweises bedurft hätte, so ist dieser im Aufheulen der gesamten westlichen Presse gegeben, die sich nun, nachdem ihre Handlanger im Raume der DDR immer mehr entlarvt werden, schützend vor sie stellen möchte. Durch geschickte Pressemanöver ist man jetzt gewillt, den 'Zeugen Jehovas' ein Märtyreralibi zu sichern, wobei man geflissentlich übersieht, dass jeder Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, sich gegen Nihilisten jeglicher Art zu schützen. Die christlichen Kräfte unseres Volkes rücken ganz entschieden von den anmaßenden Prophezeiungen dieser überheblichen 'Weltverbesserer' ab, die mit wahrem Christentum und christlicher Moral überhaupt nichts mehr zu tun haben. Als Regierungspartei stehen wir auf dem Standpunkt, dass gegen diese staatsverneinenden Sektierer bald möglichst und mit aller Schärfe durchgegriffen wird. Wer sich außerhalb der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik stellt und deren Anstrengungen zur Wiederherstellung von Einheit und Frieden bewusst sabotiert, hat keinen Anspruch auf den Schutz dieser Verfassung."

Im Chor der "DDR"-Propaganda wurden auch diverse sogenannte "Resolutionen" und Leserbriefe veröffentlicht. Skurril, wen und was man da alles so mobilisierte. So wusste die "Berliner Zeitung" am 1. 9. 1950 beispielsweise zu vermelden:

"Die Kleingärtner- und Siedlervereinigung (Berlin) Grünau stimmt dieser Entschließung mit folgenden Worten zu: 'Der übergroße Prozentsatz unserer Siedlerkollegen erhebt ebenfalls Protest, da wir von diesen Herren belästigt werden, die unsere knappe Zeit wegstehlen. Ihr Auftreten ist auch hier als frech und herausfordernd zu betrachten."

Wenn sich die Chance bot, auch mal einen waschechten Pfarrer für die diesbezügliche Propaganda zu nutzen, dann wurde eine solche Chance natürlich mit Kusshand wahrgenommen. So verbreitete sich in der CDU-Tageszeitung "Neue Zeit" vom 12. 6. 1950 ein gewisser Pfarrer A. Katzenstein aus Berlin mit den Worten: "Legt ihnen das Handwerk. Die gemeine Art der Propaganda und die gehässige Weise der Agitation kennzeichnen diese Gesellschaft als gemeinschaftszerstörend und deshalb gemeingefährlich. … Ehemalige KZ-Insassen berichten, dass die 'Zeugen Jehovas' alles zur 'Ehre Jehovas', aber nichts für den Leidensgefährten zu tun bereit waren."

Eine weitere CDU-Tageszeitung war der in Halle/S. erscheinende "Der Neue Weg

In Parallelität auch zu anderen Presseorganen, wurde auch darin die Rolle mit angesprochen, die das Berliner Büro der Zeugen Jehovas gespielt haben soll. Laut "Der Neue Weg (5. 10. 1950) wurde darin die offenbar im Schauprozess verwandte Information weitergegeben, nachdem man zuvor betont hatte, die 1949-er Waldbühnenveranstaltung der Zeugen Jehovas habe ihnen einen Mietpreis von 380 000 Westmark gekostet. Danach folgt die Ausführung:

"Von der Geschäftsstelle in der Brunnenstraße (Berlin) gingen drei direkte Linien aus. Die eine führte zu Oberst Murphy, dem Chef des amerikanischen Geheimdienstes (in Wiesbaden), die zweite zu Oberst Hamilton, dem Chef des britischen Geheimdienstes (in Berlin) und die dritte zu dem berüchtigten Ostbüro der Schumacher-SPD in Hannover."

Bezüglich der Unterstellung einer Verbindung der Zeugen Jehovas zum in Westdeutschland ansässigen Ostbüro der SPD ist vielleicht noch die nachfolgende Meldung beachtlich, die dem in Dresden erscheinenden SED-Organ "Sächsische Zeitung" entnommen ist (2. 9. 1950):

"500 Lebensmittelpakete, die von englischen Bergarbeitern für erwerbslose Berufskollegen im Ruhrgebiet gesammelt worden waren, wurden an diese über die SPD-Zentrale in Hannover verschickt. Die Leitung der Schumacher-SPD händigte diese Lebensmittelpakete im Einverständnis mit Offizieren des anglo-amerikanischen Geheimdienstes nicht an die erwerbslosen Bergarbeiter in Westdeutschland aus, sondern leitete sie an die Berliner Zentrale der Sekte 'Zeugen Jehovas' in der Brunnenstraße 73 im französischen Sektor weiter. Die Lebensmittel dienten als Belohnung für die unter amerikanischer Anleitung von den Mitgliedern dieser Sekte in der Deutschen Demokratischen Republik geleisteten Wühlarbeit."

Gleichfalls "Der Neue Weg" veröffentlichte einen weiteren, namentlich gekennzeichneten Kommentar von Heinz Fried. Letzterer schrieb in der Ausgabe vom 30. 8. 1950:

"Im Jahre 1928 wurde im Zirkus Krone eine große Versammlung der Zeugen Jehovas durchgeführt, an der der Verfasser dieser Zeilen teilnahm und mit den Anhängern dieser Sekte diskutierte. Durch intensives Studium ihrer Schriften wurde es bald klar, dass sie nur einige Teile des Alten und Neuen Testamentes zur Unterstützung ihrer falschen Thesen heranzogen, um dadurch Verwirrung in die Gemüter hineinzutragen. Die Zeugen Jehovas sind ebenso nihilistisch, wie es vor rund 1000 Jahren die Chilitiatiker gewesen sind, die aus einer schwärmerischen weltverneinenden Ideologie heraus den Körper zerstörten, um die Seele freizumachen. Auch diese Sekte erwartete damals das Tausendjährige Reich und beachtete nicht das Bibelwort: 'Gebt dem Staate, was des Staates ist, und Gott, was Gottes ist.' Es ist eine Beobachtung, die man nach beiden Weltkriegen machen kann, dass infolge der Not und der geistigen Verwirrung, Sekten wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden schießen, und das es Menschen gibt, die um so williger diesen Parolen folgen, je weniger sie gewillt sind, positive Aufbauarbeit zu leisten. Darüber hinaus sind die Zeugen Jehovas - und das geht aus allen zugänglichen Unterlagen klar hervor - eine Sekte, die durch amerikanische Offiziere und Konsulatsbeamte geleitet wird. Im Jahre 1934 war es Mister Jenkins, der im amerikanischen Konsulat in Berlin die Anweisungen gab, und heute sind es amerikanische Offiziere in Wiesbaden, die wiederum der Zentrale in Magdeburg die Anweisung erteilen, gegen die Grundlagen und Fundamente unserer Deutschen Demokratischen Republik zu wühlen. Zur staatlich-bürgerlichen Pflicht gehört die Beteiligung an den demokratischen Äußerungen unserer Republik, an Wahlen und Demonstrationen. Beides wird von den ernsten Bibelforschern, d. h. von den Zeugen Jehovas, abgelehnt, weil sie erklären, als Bürger unserer Republik zwar die Wohltaten in Empfang zu nehmen, die ihnen die Aufbauarbeit aller bietet; aber es ablehnen, sich aktiv an dieser Arbeit zu beteiligen. Dieser Verneinung jeglicher staatsbürgerlicher Aufgabenstellung kann der Staat nicht tatenlos zusehen.

Es hilft nichts, darauf hinzuweisen, dass die Zeugen Jehovas vom Nazismus bekämpft worden sind. Nicht jeder, der einmal in der Koalition gegen Hitler stand, ist heute Antifaschist. Sonst müsste man dies von Winston Churchill auch behaupten!

Und aus diesem Grunde scheint es notwendig zu sein, diesem Nihilismus, dieser Staatsverneinung, die sich in das religiöse Mäntelchen der Zeugen Jehovas kleidet, zu beachten, damit nicht der Staat Schaden leidet und die wahren Vertreter der religiösen Belange durch diese Sekte geschädigt werden. Im Interesse der Integrität und Klarheit christlichen Willens und Wollens, müssen wir die Forderung erheben, der amerikanisch gesteuerten Untergrundbewegung, genannt Zeugen Jehovas, ein energisches Halt entgenzurufen."

In der VVN-Zeitung "Die Tat" (9. 9. 1950) verbreitete sich der gleiche Heinz Fried in ebenfalls eindeutiger Weise. Einige Sätze daraus:

"Es sind in der Presse viele Beispiele veröffentlicht worden, wie menschliches Leid und Naturkatastrophen von den 'Ernsten Bibelforschern' in skrupelloser Weise zur Einschüchterung der Menschen ausgenutzt werden, dass es an der Zeit ist, auch von Seiten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes hierzu Stellung zu nehmen. Diejenigen 'Ernsten Bibelforscher', die im Friedenskomitee und in der Aufbauarbeit der Deutschen Demokratischen Republik stehen, muss man in aller Öffentlichkeit fragen, ob sie gewillt sind, mit den Freunden des Friedens zusammen zu arbeiten oder sich auf die Seite der Feinde der Menschheit stellen. Keiner der 'Ernsten Bibelforscher', der Mitglied unserer Organisation ist, kann dieser Frage ausweichen, weil es sich um das Schicksal unserer Republik handelt und wir werden ihm keine Gelegenheit geben, eine doppelzüngige Antwort zu geben.

Wir müssen und werden ein klares Bekenntnis und eine eindeutige Einstellung zur Freundschaft mit der Sowjetunion, zur Freundschaft mit den Volksdemokratien und allen friedliebenden Menschen verlangen. Die Aufgabe aller unserer Parteien und Organisationen ist Stärkung der Fundamente unserer Deutschen Demokratischen Republik, Durchführung der demokratischen Reformen und restlose Unterstützung der Anstrengungen, den Fünfjahrplan zu erfüllen. Wer mit diesen allgemeinen politischen, für jeden Demokraten selbstverständlichen Forderungen nicht einverstanden ist, hat auch in den Reihen unserer Organisation keinen Platz mehr. Die 'Zeugen Jehovas', sofern sie Mitglied der VVN sind, haben sich zu entscheiden für den Frieden oder den Krieg.

Sind sie für den Krieg, werden wir sie aus unseren Reihen entfernen und den staatlichen Stellen mit der Bitte Mitteilung davon machen, ihnen die Anerkennung als Opfer des Faschismus zu entziehen, da sie sich in der Jetztzeit nicht würdig erwiesen haben, diese Ehrenurkunde zu besitzen."

Auch seitens einer weiteren DDR-Blockpartei, der "Nationaldemokratischen" liegt ein negatives Urteil über die Zeugen Jehovas vor. Deren damaliger Parteivorsitzender, Lothar Bolz, äußerte dazu in der "National-Zeitung" vom 29. 8. 1950:

"Wir wenden uns an Religiöse und Religionslose, an Protestanten und Katholiken, an solche, die von einer politischen Partei den Schutz ihres religiösen Bekenntnisses fordern, wie an solche, die dieses Schutzes nicht bedürfen. Wir sind fest davon überzeugt, dass das religiöse Bekenntnis keinen Einfluss auf das politische nehmen darf. Religion ist Privatsache. Die Religion verlässt aber den Boden dessen, was ihr von Staats wegen zugebilligt werden muss, wenn sie ernstlich gegen die nationalen Interessen unseres Volkes verstößt. Um zu erhärten, dass dies bei der Sekte der Zeugen Jehovas der Fall ist, genügt es, einige Aussprüche aus ihren Predigten zu zitieren, mit denen sie von Haus zu Haus werben. Nicht genug damit, dass die 'Menschheit für ihre Sünden in Zukunft durch Atomenergie vernichtet' wird, so werden sie sogar höchst politisch aktuell, weisen auf den Korea-Konflikt hin und sagen noch für dieses Jahr voraus, dass es 'das Jahr der Entscheidung' sei und damit den Untergang der Menschheit bringe.

Wenn solche Prediger wie Weißenberg, die durch Handauflegen und weißen Käse die Menschheit von ihren Leiden zu heilen versprechen, in der wirtschaftlichen Krise nach dem ersten Weltkrieg eine mehr oder weniger große Anhängerschaft erwerben konnten, so ist das bei der scheinbaren Ausweglosigkeit der damaligen Lage noch eher verständlich." Im Anschluss an diese Ausführungen finden sich bei Bolz dann die offenbar obligaten Selbstbeweihräucherungen der DDR. Der Text geht danach wie folgt weiter:

"In dieser Situation ist eine solche Propaganda nicht aus einem allgemeinen Bedürfnis nach Trost aus der Religion entstanden, sondern zum großen Teil auf die Unterstützung jener Kreise von Jenseits der Zonengrenze und des Atlantik zurückzuführen, die ein Interesse haben, unseren Willen im Kampfe um den wirtschaftlichen Aufbau und die Sicherung des Friedens zu lähmen. Die Prediger der sogenannten Sekte der Zeugen Jehovas treten daher, mögen sie sich dessen bewusst sein oder nicht, im Interesse der amerikanischen Kriegsinteressen auf. Die Erzeugung einer nihilistischen Weltuntergangsstimmung ist genau so im Interesse des Vorbereiten eines neuen Krieges wie das zeigen von Gangster-Filmen, die die Moral unseres Volkes in Westdeutschland zu untergraben versuchen. Die Tätigkeit der Zeugen Jehovas dient daher, und man muss das mit aller Deutlichkeit aussprechen, den Feinden unserer Nation. Sie ist eine antinationale Wühlarbeit, gegen die wir mit Entschlossenheit auftreten müssen, wie sie gerade die Schärfe unseres Kampfes um unsere nationalen Interessen fordert."

Noch zwei Repros aus der "National-Zeitung" 4. umd 5. Oktober 1950 (soweit technisch mφglich)

Es war offensichtlich, dass auch die Westpresse die sich verschärfende Kampagne gegen die Zeugen Jehovas aufmerksam registrierte. Ein diesbezüglicher polemischer Schlagabtausch ist besonders zwischen dem in Berlin erscheinenden Organ der amerikanischen Militärregierung, "Die Neue Zeitung" und als Antwort darauf, auch in einigen DDR-Postillen nachweisbar. Namentlich in den Zeitungen einer anderen DDR-Blockpartei, namens Liberal-Demokratische Partei", so in der "Thüringischen Landeszeitung" vom 31. 8. 1950, in der "Norddeutschen Zeitung" vom 1. 9. 1950 und "Sächsisches Tageblatt" vom 2. 9. 1950.

Dort hatte einer ihrer führenden Funktionäre, namens Herbert Täschner, die Anwürfe der "Die Neue Zeitung" zurückgewiesen. Der objektive Beobachter wird allerdings hinzufügen müssen, dass auf beiden Seiten mit Polemik nicht gespart wurde

So schrieb "Die Neue Zeitung" am 26. 8. 1950 beispielsweise:

"Die Kommunisten lieben es, ihre Kader zu spezialisieren. Für 'Sonderaufgaben im kirchlichen Sektor' wird jetzt die Ost-CDU eingesetzt. Sie scheint als christlich verbrämte Unterorganisation der 'Nationalen' Rotfront am besten geeignet zu sein, kommunistische Aktionen in dieser Richtung propagandistisch vorzubereiten. Während Otto Nuschke, der ja eine Art Kirchenminister ist, seine Unterführer die evangelische Kirchenleitung attackieren lässt, bemüht sich sein Zentralorgan, die 'Neue Zeit', die schon von den Nazis verfolgten 'Zeugen Jehovas' wieder einmal KZreif zu machen. … Die 'Ernsten Bibelforscher', wie sich 'Jehovas Zeugen' auch nennen, lehnen alle Gewalt und jede irdische Autorität ab. Da in der Ostzone Nichtbeteiligung an der kommunistischen Politik als Konterrevolution gilt, bezichtigte Nuschke's 'Neue Zeit' die Bibelforscher der 'Hetze gegen unseren Fünfjahresplan, gegen die Nationale Front des demokratischen Deutschlands, kurzum, gegen alle großen und nationalen Aufgaben, Einrichtungen und Ziele, die sich unser Volk im Aufbau einer besseren Zukunft gesetzt hat.'

Aber das ist noch nicht alles. Die 'Neue Zeit' entdeckte, dass die 'Zeugen Jehovas' Jugendliche zur Unzucht verleiten, und stellte im friedlichen Ort Bimsdorf sogar einen richtiggehenden Ritualmord fest, verübt von einem 'Zeugen Jehovas' an seiner eigenen 'pflichttreuen Gattin'; wobei noch zu beachten ist, dass besagtes Scheusal auch seine beiden Kinder mit ermorden wollte, 'ähnlich wie Abraham, der seinen Sohn Isaac opferte.' Die Folgerung aus dieser Tat eines Wahnsinnigen lautet für Nuschkes 'christliche Demokraten'; Bibelforscher sind Mörder und müssen verfolgt werden.

Herrn Zaisser's SSD soll also freie Bahn geschaffen werden, ohne das sich die Kommunisten als Scharfmacher bloßstellen müssen. Nuschkes CDU leistet dabei gute Arbeit und wird deshalb vermutlich bald neue Aufträge erhalten, die die die politische Lebensdauer ihrer ehrgeizigen Funktionäre noch ein wenig verlängern können. Es wäre nicht erstaunlich, erführe die Ostzonenbevölkerung binnen kurzem aus der 'Neuen Zeit' von Devisen- und Sittlichkeitsvergehen, die Geistliche begangen haben sollen. Das wäre zwar auch keine neue Taktik, aber für den Staatssicherheitsdienst eine ebenso wertvolle Hilfe wie der angebliche Ritualmord der 'Zeugen Jehovas.'"

Das Verbot der Zeugen Jehovas in der "DDR sollte auch noch seine indirekten Auswirkungen haben. Ein Dokument der puren Angst möchte ich jene Verlautbarung betiteln, die da in der in Chemnitz erscheinenden Zeitung "Volksstimme" am 11. 9. 1950 erschien. Davor war der gleiche Text bereits in der gleichfalls der SED gehörenden Zeitung "Freie Presse" in Zwickau am 6. 9. 1950 erschienen. Es handelte sich da um die Proklamation einer kleinen Religionsgemeinschaft, mit vorwiegend regional begrenztem Mitgliederstamm. Das heißt, sie war tatsächlich nur in einem kleinen Flecken von Deutschland vorhanden, ist aber keineswegs in Gesamtdeutschland vertreten. Offenbar herrschte dort die Befürchtung vor, dass Schicksal der Zeugen Jehovas könne sich bei ihnen wiederholen. Dem wollte man offenbar vorbeugen. Mit Stolz geschwellter Brust, konnte die "Volksstimme" daher zitieren:

"Auch die Mitglieder der Religionsgemeinschaft in Christu Jesu haben ihre Missbilligung der verbrecherischen Tätigkeit der Zeugen Jehovas zum Ausdruck gebracht.

'Besonders empört waren wir, als wir durch die Meldungen der Presse in den letzten Tagen erfahren mussten, dass die Zeugen Jehovas gerade in dieser Zeit, in der es gilt, alle Kräfte für die Erhaltung des Friedens einzusetzen eine mehr als zersetzende Tätigkeit unter der Bevölkerung entfachten. Daraus müssen wir die Schlussfolgerungen ziehen, dass die Zeugen Jehovas die Worte 'Gott' und 'Religion' auf das gröblichste missbrauchen und in Wirklichkeit gemäß den Weisungen ihrer amerikanischen Auftraggeber den anglo-amerikanischen Kriegsvorbereitungen dienen und Vorschub leisten.

Wir als Mitglieder der Gemeinschaft in Christu Jesu e. V. stehen ganz auf dem Boden der neuen demokratischen Ordnung und in Treue zur Deutschen Demokratischen Republik als einem Hort des Friedens.

Wir haben deshalb, um das kostbarste Gut der Menschheit, den Frieden zu erhalten, innerhalb der Gemeinschaft Friedenskomitees gebildet, die sich tatkräftig einreihen sollen in die große Weltfriedensbewegung. Wir sind bestrebt, am friedlichen Aufbauwerk mit allen uns verfügbaren Kräften mitzuarbeiten und insbesondere unsere Mitglieder für den Sieg der Volkswahlen am 15. Oktober zu mobilisieren und somit einen Baustein für Deutschlands Einheit und seinen Frieden zu erbringen.

Lengefeld und Schwarzenberg den 3. September 1950.

Für die Mitglieder: Der Vorstand der Gemeinschaft in Christu Jesu e. V.

gez.: Willy Lorenz, Emil Zimmermann, Rudolf Stenker.'

Die Erklärung wurde zur 800-Jahr-Feier der Stadt Schwarzenberg dem Mitglied des Nationalrates Herrn Bürgermeister Magnus Dedek übergeben. Sie zeigt, dass das Verbot der Zeugen Jehovas die Zustimmung der übergroßen Mehrheit unserer Bevölkerung hat."

Im allgemeinen machte das Verbot der Zeugen Jehovas in der "DDR", auf letztere keinen tiefen Eindruck. Zu sicher wähnte man sich in den Endzeitvorstellungen, nach dem Motto: "Es ist später als Du denkst". Also in der Regel konnten die SED-Propagandisten keine "Überzeugungsarbeit" verbuchen. Wenn einzelne Zeugen, nach dem Verbot kürzer traten, so doch eher aus Angst, nicht aber aus Überzeugung. In der gesamten zeitgenössischen "DDR"-Presse, die ich zum Thema Verbot ausgewertet habe, ist mir eigentlich nur einmal ein Artikel begegnet, wo die Kommunisten meinten sich eines gewissen "Erfolges" rühmen zu können. Der erschien in der "Lausitzer Rundschau" vom 6. 9. 1950. Er sei nachstehend auch noch dokumentiert:

"Bautzen. Mit Genugtuung stellt die Belegschaft der Lowa Waggonbau, Bautzen, fest, dass die Regierung endlich durch das Gesetz eine Agentur des amerikanischen Imperialismus in der DDR, die 'Zeugen Jehovas', verboten hat. Die Belegschaft fordert von den ehemaligen Angehörigen dieser Sekte in unserem Betriebe eine klare, unmissverständliche Erklärung zu dem Gesetz der Regierung. Zwei dieser Erklärungen können wir der Öffentlichkeit übermitteln.

I. Ich, Rudolf Mann, wohnhaft Weigsdorf-Köblitz Nr. 34 bin Mitglied der Sekte 'Zeugen Jehovas' gewesen. Auf der Grundlage der Veröffentlichungen in der Presse, der Stellungnahmen der Werktätigen in der DDR und der von der Regierung erlassenen Gesetzes zum Verbot der 'Zeugen Jehovas' erkenne ich, dass es sich bei der Sekte 'Zeugen Jehovas' um eine volks- und menschenfeindliche, amerikanische, imperialistische Spionageagentur handelt. Ich bedaure als Arbeiter der Lowa, dieser Agentur angehört zu haben, und nachdem mir die Augen geöffnet wurden, fordere ich die ehemaligen 'Zeugen Jehovas' auf, die unter Missbrauch ihres religiösen Gefühls von den Agenten des amerikanischen Imperialismus missbraucht wurden, dass Gesetz der Regierung der DDR zu begrüßen und alles zu tun, damit den Agenten des Imperialismus das Handwerk gelegt wird.

Rudolf Mann, Weigsdorf 34.

II. Ich, Herbert Zieschong habe bei der letzten Betriebsversammlung, nachdem ich schon drei Bibelabende der 'Zeugen Jehovas' besucht habe, mich mit den 'Zeugen Jehovas' solidarisiert, indem ich mit zwei anderen 'Zeugen Jehovas' gegen die Entschließung unserer Belegschaft, die zum Kampf gegen diese amerikanische Agentur aufforderte stimmte.

Ich erkläre hiermit, dass mich die letzten Veröffentlichungen in der Presse, die Stellungnahme der gesamten Werktätigen in der DDR und das von der Regierung erlassene Gesetz die Augen geöffnet haben. Ich sehe ein, dass mein Handeln in der damaligen Versammlung falsch und verwerflich war. Als ehemaliger Sympathisierender und Freund der 'Zeugen Jehovas' fordere ich alle 'Zeugen Jehovas' oder von ihnen Beeinflusste auf, das Gesetz der Regierung der DDR zu begrüßen und alles zu tun, damit diese Agenten des amerikanischen Imperialismus nicht mehr die religiösen Gefühle unserer Menschen missbrauchen können.

Herbert Zieschong, Bautzen-Burglehn 7.'

So, wie diese beiden die Kollegen die Wahrheit erkannt haben und wie sie missbraucht wurden, so sollte es allen ehemaligen Angehörigen und Sympathisierenden dieser Sekte klar werden. Werner Kirste, Volkskorrespondent."

Es gab noch einen Nachläufer dieses Artikels. In der Ausgabe vom 7. 9. 1950 der "Lausitzer Rundschau" konnte man lesen:

"Nachstehende Stellungnahme sandte uns Herr Eduard Kirsten, Bautzen, Fleischmarkt 10, zu:

'Ich Eduard Kirsten wohnhaft Bautzen, Fleischmarkt, bin Mitglied der Sekte 'Zeugen Jehovas' gewesen. Auf der Grundlage der Veröffentlichungen in der Presse, der Stellungnahmen der Werktätigen in der DDR und der von der Regierung erlassenen Gesetze zum Verbot der 'Zeugen Jehovas' erkenne ich, dass es sich bei der Sekte 'Zeugen Jehovas' um eine volks- und menschenfeindliche, amerikanische Spionageagentur handelt. Ich bedaure, jemals dieser Agentur angehört zu haben. Nachdem, mir die Augen geöffnet wurden, fordere ich alle ehemaligen 'Zeugen Jehovas' auf, die unter Ausnutzung ihres religiösen Gefühls von den Agenten des amerikanischen Imperialismus missbraucht wurden, das Gesetz der Regierung der DDR zu begrüßen und alles zu tun, damit den Agenten des Imperialismus das Handwerk gelegt wird.

Eduard Kirsten, Bautzen, Fleischmarkt 10".

In der "DDR" gab es zum fraglichen Zeitraum auch noch eine Tageszeitung namens "Tägliche Rundschau", die direkt von der Sowjetischen Militäradministration herausgegeben wurde, sozusagen das Pedant zu der "Die Neue Zeitung" der Amerikaner. In der Ausgabe vom 8. 9. 1950 findet sich in der "Täglichen Rundschau" ein umfangreicher Beitrag betitelt "Ein Zeuge Jehovas". Es wird vermerkt, dass es sich dabei um ein aktuelles Schauspiel von Otto Müller-Glösa handele. Näheres zu diesem Herrn konnte ich allerdings nicht ermitteln. Aber immerhin, selbst für Theaterstücke, wurde zu damaliger Zeit die Zeugen Jehovas-Problematik schon genutzt. Da der diesbezügliche Text anderweitig nicht greifbar ist, gebe ich ihn hier so wieder, wie ihn die "Tägliche Rundschau" abdruckte:
"Im Augenblick der Entlarvung der 'Zeugen Jehovas' als Agenten einer kapitalistischen Macht kommt uns das Schauspiel von Otto Müller-Glösa 'Zeuge Kretschmar' vor Augen, das im vorigen Jahre entstanden, diese Zusammenhänge bereits sehr klar erkannte. 'Zeuge Kretschmar' ist ein Zeitstück von starker Spannung. Es schildert die Enthüllung eines Verbrechens in einer Fabrik, das von einem Zeugen Jehovas als bezahltem Agenten ausgeführt worden ist. Wir veröffentlichen nachstehend eine Szene des Schauspiels, die eine
BGL-Sitzung schildert.

Klinger: (setzt sich, klopft mit dem Bleistift auf den Tisch).

Also! Nehmt Platz! Bis auf die Kranken sind wir alle da. …

Wir haben einen einzigen Tagesordnungspunkt: Innerbetriebliche Angelegenheiten. Einverstanden? Ja

Wir kommen zur Sache. Ihr wisst schon heute wurde ein Zettel an unsere Wandzeitung geklebt, auf dem in Schreibmaschinenschrift folgender bemerkenswerter Text zu lesen ist (liest vor): 'Vor seinem Tode war Herr Walter Lösch … (sieht auf und kommentiert) Herr … also kein Kollege … also, vor seinem Tode war Herr Walter Lösch ein Gegner der Zeugen Jehovas. Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Es ist später als du denkst! … Ein werktätiger Zeuge Jehovas … (kommentiert wieder) ein Werktätiger … Das gibt es also auch, Kollegen …

Cornelius: (dazwischenrufend): Junge, es gibt auch werktätige Dummköpfe!

Beer: In den Papierkorb mit dem Wisch!

Mende: Gib ihn her … Ich nehme ihn dorthin mit, wo jeder allein hingeht.

Klinger: Nun, Kollege Hede, die Leute, die ihn fabrizierten, dürften ganze Stunden daran gesessen haben … denn sie wussten, was sie damit bezweckten.

Hede: Was sollen sie denn besonders damit bezweckt haben?

Cornelius: Vielleicht haben sie den Blödsinn auch nur in ihrer Blödheit ausgeheckt, Robert?

Hede: Ihr nehmt auch alles gleich satirisch ernst … wenn sich andere vielleicht mal erlauben … sich bissel quer auszudrücken …

Klinger: Dieser Zettel an der Wand ist für mich ein Indiz, ein Beweisstück dafür, dass unser Kollege Walter nicht einfach verunglückt ist.

Hede: Du spinnst!

Klinger: Man kann auch etwas spinnen vom Faden der Wahrheit Kollegin Hede.

Mende: Ich halte die Zeugen Jehovas für einen Verein, der geistig Armen und Unterernährten.

Hede: Der Popanz?!

Cornelius: Du Hede, bist nämlich selber dort schon gesehen worden.

Hede: Ach, was du nicht alles weißt?!

Klinger: Also … das stimmt, unter den sogenannten Zeugen sind viele arme gutgläubige Leute … die suchen wie Schafe vor einem Gewittersturm einfach … eine … Unterkunft … Aber wenn sie dann unter Dach sind … und glauben, einen Schutz gefunden zu haben … dann hören sie Stimmen von oben … und diese Stimmen klingen dann etwa so,

… das gesungen wird … wie in einer Versammlung in Leipzig … Krieg kann es geben, denn unser Heiland steht bei uns… Oder, dass ein Prediger erklärt, der Krieg werde bestimmt bald ausbrechen, aber er wird nur die Bösen vernichten. Die Bösen … das sind wir … die wir nicht Zeugen Jehovas werden wollen … Oder in einer anderen Versammlung erklärte ein anderer Prediger … Die Atombombe ist eine von Gott gesegnete Waffe … Und da sie sich in den Händen der christlichen Amerikaner befinde (Lachen unterbricht Klinger) sei sie in guten Händen … Genügt das?

Cornelius: Und gegen diese Kriegshetze wird nichts getan? Warum lässt unsere Volkspolizei solche Kriegshetzer … frei im Lande herumreisen? Ich verstehe das nicht: Versteht ihr das Kollegen? Da heißt es, wir sollen wachsam sein.

Klinger: Nun, so einfach ist das nicht, Kollege Cornelius, wir leben in einer demokratischen Republik … in der die religiösen Vereinigungen ihr Versammlungsrecht haben …

Mende: Was haben denn solche Reden mit Religion zu tun?

Cornelius: Das möchte ich auch wissen!

Mende: Du solltest das in einem Artikel für die Wandzeitung verarbeiten … damit die Kollegen draußen erfahren, was das für Kriegshetzer sind … (Beifall der Anwesenden mit Ausnahme Hedes).

Klinger: Gut, das wird getan werden müssen.

Mende: Ich bin dafür, dass wir einen Beschluss fassen … und Mitglieder dieser Sekte bei uns nicht mehr beschäftigt werden dürfen … Wir arbeiten einfach nicht mehr mit solchen Kriegshetzern zusammen … und wer sich ihre Predigten widerspruchslos anhört, der ist für mich ein aktiver Kriegstreiber … Kollegen, ich erhebe das zum Antrag.

Beer: Das können wir nicht!

Mende: Na ja … wir sind eben auch nur Schwätzer.

Klinger: So geht es tatsächlich nicht, Kollegen …

Hede: Dann diskutiert doch mit den Leuten an der Wandzeitung … und macht nicht gleich ein so aufgeregtes Gerede …

Klinger: Diskutieren sagst du … richtig, Kollegen, aber setzt man sich vorher eine Maske auf, wenn man diskutieren will? Hm?

Hede: Verstehe ich nicht, was du damit sagen willst.

Klinger: Warum wurde der Zettel heimlich angeklebt? und anonym … Ein werktätiger Zeuge … hm?

Mende: Weil es hinterhältige Feiglinge sind!

Klinger: Kollegen, so wollen wir nicht diskutieren … das bringt uns nicht weiter … Aber ich möchte euch sagen, dass nach meinem Dafürhalten … die Person unter uns weilt, die diesen Zettel auf dieser Maschine hier (zeigt auf die dastehende Schreibmaschine) geschrieben hat. (Jetzt gibt es natürlich einen Tumult).

Mende: Namen nennen! Du weißt es?!

Klinger: Ich möchte die in Frage kommende Person die Möglichkeit geben, von sich aus … die Gelegenheit zu benutzen, sich zu rechtfertigen. Ich gebe ihr zu bedenken, dass sie bis zu diesem Augenblick sich als … im Irrtum befindlich erklären kann, als … Irregeführt von einem heimtückischen Verbrecher … dass aber von diesem Augenblick an … sich die Betreffende mit schuldig macht. (Jetzt sind die versammelten verwirrt und Betroffenheit liegt auf manchen Gesichtern).

Cornelius: Wozu dieses Versteckspiel … Weißt du etwas oder spinnst du nur? Robert?!

Klinger: Ich weiß nicht genau, ob ich etwas weiß.

Mende: Ich weiß auch schon nicht mehr, wo ich bin und was ich bin … und … was.

Klinger: (sieht Hede scharf an) Kollegen, behalten wir unsere … Geistesgegenwart. Denn, ob die betreffende Person sich jetzt freiwillig zu ihrem Irrtum bekennt … ist für sie auch nur eine Frage der … Geistesgegenwart …

Hede: Ich …?

Cornelius: Wer denn auch sonst, wenn nicht du … feine Kollegin!"

Seitens der Zeugen Jehovas wird betont, dass der in dem Schauprozess die Anklage vertretende Generalstaatsanwalt der "DDR", Dr. Melsheimer, eine beachtliche Nazikarriere hinter sich hatte. Dem mag so sein. Nazis im Justizdienst gab es nicht nur in der "DDR", auch in der alten Bundesrepublik ist dieser Fakt sicherlich auch nicht "unbekannt". Dennoch ist es meines Erachtens ein Trugschluss auf diesen Aspekt der Biographie Melsheimers abzustellen. Es kann gesichert davon ausgegangen werden, dass, wenn seitens der DDR ein anderer diesbezüglich unbelasteter Jurist mit der Anklagevertretung beauftragt worden wäre, dass dies wohl kaum etwas am Tenor der Anklageschrift geändert hätte.

Die "Tägliche Rundschau" (5. 10. 1950) veröffentlichte auch Auszüge aus der Anklagerede von Melsheimer, die hier auch noch wiedergeben werden sollen:

"Heinicke versuchte nachzuweisen, dass bei seinen Anweisungen keine politischen Hintergründe maßgebend gewesen seien. Von der Generalstaatsanwaltschaft wurde ihm jedoch das Gegenteil nachgewiesen. Von den Mitgliedern der Zeugen Jehovas hatte Heinicke Adressen von Angehörigen der Volkspolizei gefordert. Bei dieser Frage verwickelte sich Heinicke in ernsthafte Widersprüche. Er gab zunächst an, diese Adressen erst seit 1949 angefordert zu haben, als in der Spionagetätigkeit der 'Zeugen Jehovas' Schwierigkeiten auftraten. Der Angeklagte Suhrbier jedoch gab zu, bereits im Jahre 1947 von Heinicke den Auftrag zur Ermittlung von Adressen von Volkspolizisten erhalten zu haben.

Neun Zeugen, die während der Beweisaufnahme im Prozess gegen neun führende Mitglieder der 'Zeugen Jehovas' vor dem Obersten Gericht vernommen wurden, bestätigen durch ihre Aussage die verbrecherischen Umtriebe der Angeklagten. So sagte der aus der Untersuchungshaft vorgeführte 21jährige Horst Krug, der selbst hauptamtlicher Prediger der 'Zeugen Jehovas' ist, aus, dass er von dem Angeklagten Sarfert beauftragt worden sei, eine Skizze von einem bestimmten Stadtteil Quedlinburgs anzufertigen. Er sei von Sarfert mehrfach angemahnt worden, die Skizze endlich fertigzustellen.

Der 20-jährige Zeuge Erich Müller, der ebenfalls Prediger der 'Zeugen Jehovas' ist und seit 1948 dieser Organisation angehört bestätigte, dass auf einer Tagung der 'Zeugen Jehovas' in Halberstadt der Angeklagte Heinicke gegen die Volkswahlen gehetzt habe. Heinicke bestritt dies, musste dann aber die Richtigkeit der Aussage Müllers zugeben. Müller bestätigte ferner die von den Zeugen Jehovas getroffenen Vorbereitungen in die Illegalität zu gehen. "

Nachdem Verbot und Schauprozess gelaufen war, veröffentlichte die Volksstimme in Magdeburg noch eine Kommentar, der auf das inzwischen beschlagnahmte Magdeburger Anwesen der Zeugen Jehovas Bezug nimmt (30. 11. 1950; Stadtausgabe):

"Viele Magdeburger haben gewußt, daß die Sekte der Bibelforscher oder 'Jehovas Zeugen' … an der Leipziger Straße hinter dem 'Kristallpalast' größere Baulichkeiten besaß. Niemand aber, wenn er nicht zum engeren Kreis dieser 'Sekte' gehörte, hatte Gelegenheit, in den 'Betrieb' und den Umfang dieser Anlagen Einblick zu erhalten. Seltsam vielleicht, daß diese Bauten inmitten einer zerbombten Stadt von jeglicher Zerstörung verschont blieben. Aber doch nicht verwunderlich, wenn man weiß, daß sie mit dem Gelde amerikanischer Monopolkapitalisten errichtet wurden, und wenn man an den Zweck denkt, dem sie nach Beendigung des Krieges seit 1945 zu dienen bestimmt waren: Vorbereitung des Dritten Weltkrieges im Auftrage
amerikanischer Imperialisten.

Der unter dem Deckmantel religiösen Fanatismus betriebenen Spionage und Kriegshetze in der DDR wurde durch das
Eingreifen der Organe der staatlichen Sicherheit ein Ende bereitet. Der Oberste Gerichtshof hat die erwischten Agenten und Saboteure Ihrer verdienten Strafe zugeführt. Von der umfassenden Größe dieser imperialistischen Agentur aber erhält man erst einen Begriff, wenn man einen Blick tun darf in die Gebäude und ihre Einrichtungen, die an der früheren Wachtturmstraße jetzt Larischstraße, und am Fuchsberg liegen.

Da ist zunächst das sogenannte 'Bibelhaus'. Stellst du dir, lieber Leser, darunter ein Haus mit Betsälen, Lesezimmern,
Versammlungsräumen usw. vor, dann bist du sehr im Irrtum. Dieses Gebäude ist nicht mehr und nicht weniger als ein modernes Hotel, sogar eins mit allen Schikanen. Jedes der etwa 100 Zimmer ist mit fließendem warmen und kaltem Wasser ausgestattet. Hotel. Im Erdgeschoß sehr gut. Im 1. Obergeschoß gut und im 2. Obergeschoß etwas einfacher. An Mobiliar, an Bettwäsche überhaupt an Einrichtungsgegenständen, hat es den 'Zeugen Trumans' nicht gefehlt. Ihre amerikanische Auftraggeber sorgten dafür. Das wird am deutlichsten, wenn man einen Blick in die vollen Kleider- und Wäscheschränke derjenigen Leute tut, die offenbar zu den Dauerbewohnern und damit zu den 'Oberzeugen' dieser Spionagezentrale gehörten. Da hängen noch jetzt Anzüge und Kleider zu Dutzenden, da quillen die Wäschefächer über, da gibt es die Auswahl unter einem Dutzend paar Schuhen. Ausgebombte und Umsiedler, die vor solchen vollen Schränken stehen würden, fühlten sich versetzt in das 'Königreich Gottes', von dem die 'Prediger' den Gläubigen erzählen, das sie aber einstweilen verstanden mit Hilfe ihrer amerikanischen Geldgeber für sich auf Erden schon zu errichten.

Erhärtet wird dieser Eindruck bei einem Blick in die Großküche, die es in diesem 'Hotel' selbstverständlich auch gibt. Sie enthält eine moderne Einrichtung mit Riesenherd, Kessel und allem nötigen Zubehör. Die Vorräte an Mehl, Zucker, Kakao,
Bohnenkaffee, Fett, Nährmitteln usw. sind amerikanischen Ursprungs. In festen Beuteln oder Blechbüchsen mit englischen
Aufschriften verpackt. Auch hier sieht man wieder. Es fehlte den 'Zeugen Trumans' an nichts, denn die Vorräte sind gar nicht gering. Ein großer Wirtschaftsgarten beim Haus liefert das erforderliche Frischgemüse und Obst.

Während es im zerbombten Magdeburg jahrelang keinen vernünftigen Versammlungssaal gab, der Kristallpalast erst nach fünf Jahren nur mit Unterstützung der Stadt wieder aufgebaut werden konnte, hatten die Agenten der Imperialisten gleich zwei
schöne Säle zur Verfügung, einen kleineren für etwa 400 Personen bei ihrem 'Hotel', einen größeren für etwa 800 bis 1000 Besucher am Fuchsberg, dieser sogar ausgestattet mit Lautsprechern und einer Verstärkeranlage. Während die Verwaltungen
der Stadt und der Betriebe ständig unter größter Raumnot zu leiden hatten, teilweise Schulen für Verwaltungszwecke ihrer
Bestimmung entzogen werden mußten, konnten sich die 'Zeugen Trumans' in einem äußerlich unscheinbaren Hintergebäude am Fuchsberg sauber eingerichtete helle Büroräume schaffen.

Nachdem man die ausgedehnten Anlagen in Augenschein genommen hat, wird einem erst bewußt, welch raffinierte und
großzügig ausgebautes Spionagesystem hier im Herzen der DDR für den amerikanischen Imperialismus gearbeitet hat. Es war höchste Zeit, daß dieser Bande von Spionen, Agenten und Handlangern der Kriegstreiber das Handwerk gelegt wurde. Jetzt nun wird das, was für Verrat und für die Vorbereitung neuen Unglücks für unser Volk bestimmt war, für das Wohl und
das Glück unserer Jugend dienstbar gemacht. Im kommunalen Wahlprogramm der Nationalen Front stand als Wählerauftrag
die Schaffung eines neuen Kinderkrankenhauses für Magdeburg. Dieser Auftrag wird erfüllt, indem das Agentenhotel zum
Kinderkrankenhaus ausgebaut wird. Es eignet sich dazu fast ohne jeglichen Umbau. Etwa 75 Räume werden je drei bis vier
Kinderbetten Platz bieten. Die übrigen stehen für die erforderlichen Schwestern-, Arzt-, Verwaltungs- und Behandlungszimmer zur Verfügung. Küche, Keller, Toiletten usw. sind da. Die Freie Deutsche Jugend wird den sogenannten 'Königreichssaal' am Fuchsberg in Benutzung nehmen. Sie braucht dringend einen großen Versammlungsraum, da der Saal im Haus der Jugend den gewachsenen Ansprüchen der stark gewachsenen Jugendorganisation nicht mehr genügt.

Im Aufbau eines demokratischen Gesundheitswesen wird Magdeburg ein modernes und geräumiges Kinderkrankenhaus
erhalten. Unsere friedliebende, demokratische Jugend wird neuen Geist in die Räume tragen, die der Kriegsheilung dienten. Neues Leben, dem Fortschritt, dem Wohle des Volkes dienend, zieht ein, wo Ungeist und Reaktion jahrelang ihr Spiel treiben konnten."

Abgeschlossen seien diese Presseberichte noch durch zwei, die seitens der Wachtturmgesellschaft selbst in ihrer Literatur reproduziert wurden. Es versteht sich für die WTG selbstredend, dass sie nur solche auswählte, die sie aus ihrer Sicht in ein günstiges Licht stellen. (Wachtturm 1. 2. 1951) Kritische Selbstreflektion ist ja bei ihr ohnehin nicht gefragt. Der WT berichtet:

Man lese folgende Übersetzung einer Meldung, die in der Stockholms-Tidningen am 18. September 1950 erschienen ist:
"Jehovas Zeugen erleiden schreckliche Martern in der Ostzone.
Hannover, 17. Sept. - (St)
Nachdem die Volkspolizei nahezu 1 000 der bekannteren Zeugen Jehovas in der Ostzone verhaftete, sucht sie nun gründlich überall nach sämtlichen Mitgliedern dieser so starken Widerstand leistenden Sekte, um sie als solche endgültig zu liquidieren. Ihre führenden Prediger sind zu 25 Jahren Schwerarbeit verurteilt worden, ebenso die Glieder ihrer Familien, und man muss der Möglichkeit ins Auge blicken, dass, solange die Kommunistenregierung an der Macht ist, alle Zeugen Jehovas in Gefängnissen verschwinden werden.

Hochschulstudenten, die aus der Ostzone entflohen, berichten vor allem, was die Behörden - bisher ohne Erfolg - getan haben, um den offenen und fanatischen Widerstand der Sekte gegen die Kommunisten zu brechen. Jehovas Zeugen sind misshandelt und auf die entsetzlichste Weise gemartert worden, ohne dass sie ihrem Glauben entsagt hätten, was bedeutet, dass Christus als die höchste und einzige Autorität anerkannt werden muss, und dass sie sich keiner Menschenmacht unterwerfen wollen.

Durch die Massenverhaftung der Zeugen Jehovas haben diese Leute jetzt zum zweiten Mal in zwei Jahrzehnten die Märtyrerkrone angelegt - und sie wissen, was dies bedeutet. Bereits unter dem Hitlerregime wurden etwa 1 000 Zeugen Jehovas als Verräter hingerichtet, weil sie sich nicht nur weigerten, Kriegsdienst zu tun, sondern offen der Autorität Hitlers widerstanden. Weitere 1 000 Zeugen Jehovas starben in Gefängnissen und Konzentrationslagern, und alle, die später das Leben in jenen Lagern beschrieben, haben in ihren Büchern Jehovas Zeugen höchste Anerkennung gezollt.

Jehovas Zeugen haben jetzt unter dem kommunistischen Quisling-Regime geradeso gehandelt, wie während des Hitlerregimes, und in der Ostzone gewann die Sekte in letzter Zeit eine solche Anhängerschaft, besonders unter den Frauen und den Jugendlichen, dass dies für das Regime allzu erschreckend wurde.

Die Prediger der Sekte haben nie gezögert zu sagen, was sie vom Kommunistenregime halten. Sie haben die Wahlen in der Ostzone als einen Trug gebrandmarkt und das kommunistische Regime selbst als 'eine satanische Herrschaft'.

Indem sie selbst dem Schrifttext. 'Alle Macht im Himmel und auf Erden ist mir gegeben' Deckung nehmen, weigern sich Jehovas Zeugen, irgendwelche irdische Autorität anzuerkennen. Normalerweise bekämpfen sie weder den Staat als solchen noch dessen Gesetze, und das einzige, worauf in den gewöhnlichen, ehrlichen, demokratischen Staaten Anspruch zu erheben sie sich berechtigt fühlten, ist das Befreitwerden vom Kriegsdienst. Doch genau wie im Reich Hitlers sind sie in der Ostzone in ein todernstes Ringen geraten, nur weil sie öffentlich ihren Glauben verkündigen.

So wie sie sich vor 1945 zu weigern pflegten, Hitlers Hakenkreuzfahne zu grüssen und 'Heil Hitler' zu sagen, so weigern sie sich nun, die Abzeichen der Roten zu salutieren. Für die Widerstandsbewegung wider das Kommunistenregime in der Ostzone sind sie wegen ihrer kompromisslosen Haltung der Sammelpunkt geworden. Für die Massen der Deutschen in der Ostzone sind die schlichten Zeugen Jehovas in ihrem rückhaltlosen Glauben zu einem grossen Vorbild geworden, und deswegen sind sie für das kommunistische Regime eine grosse Gefahr.

Die Kommunisten haben leichtes Spiel, Jehovas Zeugen zusammenzutreiben auf Grund des neuen Fragebogens: 'Bist du willens, den Stockholmer Friedensappell wider die Atombombe zu unterzeichnen oder zu unterschreiben?' … Bisher haben sich alle von ihnen zu unterzeichnen geweigert, und wegen dieser Weigerung kommen nun alle ins Gefängnis. Angesichts der fast übernatürlichen Unnachgiebigkeit der Zeugen Jehovas kann man es für selbstverständlich halten, dass sie, wenn das Kommunistenregime in der Ostzone noch viel länger an der Macht bleiben sollte, nicht mehr lebendig aus den Gefängnissen zurückkehren werden."

Weiter zitiert die WTG eine United Press-Meldung vom 4. Oktober aus Berlin:
"Neun Mitglieder der Sekte Zeugen Jehovas wurden heute vom Obersten Gericht im kommunistischen Ostdeutschland zu langfristigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie in der russischen Zone für die Vereinigten Staaten spioniert hätten. Willi Heinicke und Friedrich Adler erhielten lebenslängliche Strafen. Die andern Strafen lauteten auf acht bis fünfzehn Jahre. Alle wurden der Anklage, 'einem Spionage-Zentrum in Brooklyn' militärische und andere Angaben gesandt zu haben, als schuldig erklärt. Auch wurden sie in Verbindung mit der kommunistischen Aktion zur Ächtung der Atombombe der Sabotage angeklagt sowie der 'Beschimpfung der Volkswahlen, die programmgemäss am 15. Oktober in der Sowjetzone stattfinden sollen."

Fand der erste große Zeugen Jehovas-Schauprozess noch ein verhältnismäßig umfangreiches Echo in den DDR-Tageszeitungen, so sah es bezüglich der nicht wenigen Nachfolgeprozesse Pressemäßig erheblich anders aus. Nur in seltenen Fällen gab es auch darüber Berichte. Einer der wenigen diesbezüglich wurde im Thüringer Tageblatt vom 4. November 1950 veröffentlicht:

16 Zeugen Jehovas auf der Anklagebank

Erfurt. In diesen Tagen begann vor der Großen Politischen Strafkammer 201 Erfurt der Strafprozeß gegen nicht weniger als 16 maßgebliche Funktionäre der Sekte "Zeugen Jehovas" aus Thüringen, die im "Kreis 12" unter dem Deckmantel religiöser Tätikeit Spionage, Boykotthetze und Kriegspropaganda zugunsten des amerikanischen Imperialismus betrieben haben. An der Spitze der Angeklagten steht der hauptamtlich als Kreisdiener für Thüringen eingesetzte Schneider Karl Födisch aus Erfurt. Um ihn gruppierten sich die "Gruppendiener", "Hilfsgruppendiener", "Pioniere", "Prediger", "Sektenprediger", "Verkündiger", die zum überwiegenden Teil aus dem Stadt- und Landkreis Weimar bzw. aus Sonderhausen und Bad Frankenhausen sztammen.

Die Anklage stellt fest, daß die "Watch Tower Bible and Trakt Society" unter dem Anschein ihrer religiösen Gemeinschaft arbeitet, tatsächlich aber eine raffiniert getarnte Spionageorganisation des amerikanischen Imperialismus ist. Als Zeugen Jehovas und damit als Mitglieder des "Watch Tower Bible and Trakt Society" in Brooklyn (USA), haben sich die Angeklagten gegen die Verfassung der DDR, Artikel 6 und nach Abschnitt II Art., III A III der Kontrollrat-Direktive 38 vergangen.

F ö d i s c h, der insbesondere für die Organisation der Spionagetätigkeit verantwortlich ist, hatte ihre Tätigkeit zu kontrollieren und die entsprechenden Berichte nach Magdeburg, der Zentrale Ost, weiterzuleiten. Er organisierte und betrieb die anttidemokratische und kriegshetzerische Tätigkeit fortgesetzt und gab den Gruppendienern seines Kreises Aufträge und Instruktionen zum Widerstand gegen die Staatsgewalt und zu anderen verbrecherischen Maßnahmen. Er richtete einen illegalen Kurierdienst und eine Sammelstelle in Erfurt ein und gab in geheimen Besprechungen den Gruppendienern die Weisung, alles belastende Material zu verstecken und zu vernichten. Nach der Anklage gilt er und alle anderen Angeklagten der ihnen zur Last gelegten Straftaten als überführt.

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1950er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte