Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Rechtlos

In der Zeitschrift „Für Arbeit und Besinnung", zitierte im Jahre 1948 (S. 48) der später durch sein Standardwerk „Seher, Grübler, Enthusiasten" bekannt gewordene Kurt Hutten, auch ein Flugblatt der Bibelforscherbewegung aus deren Anfangstagen. Darin wurde zur Organisationsstruktur ausgeführt:

„Wenn in irgend einer Stadt durch einen von der Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft arrangierten öffentlichen Vortrag eine Anzahl interessierter Personen den Wunsch haben, weiteres über Gottes Absichten und Liebesplan mit der Menschheit zu wissen, veranlasst die oben genannte Gesellschaft bzw. der von ihr Beauftragte Belehrungsabende, in welchen jedermann, der es wünschst, über Gottes Absichten unterrichtet wird. Die Folge dieses Unterrichts ist dann bald, dass in dem Herzen mancher der Unterrichteten der Wunsch nach beständiger Fortsetzung dieses Unterrichts lebendig wird, sodass diese zusammengekommenen Personen, aus allen Klassen sich zusammenfinden: Arbeiter, Handwerker, Dienstmädchen, Kaufleute, Beamte, Künstler, Akademiker, Gewerbetreibende, die auch den verschiedensten Denominationen und Bekenntnissen angehören, beschließen sich zu einer in Form eines Freundschaftsbündnisses gehaltenen Ortsgruppe von Bibelforschern zwanglos zu vereinigen. Sie gründen eine gemeinsame Kasse, in die sie ihre freiwilligen Beiträge tun, und wählen sich, sobald der Fortschritt dieser Kasse dies möglich werden lässt, einen nach der Schrift Befähigten Vorsitzenden bzw. Ältesten, und beteiligen sich nun ... an dem zwiefachen Werke der Bibelforscher der ganzen Welt: erstens der eigenen Auferbauung, zweitens der Belehrung anderer.

Damit ist eine Ortsgruppe Ernster Bibelforscher entstanden. Sie wird nirgendwo angemeldet oder in ein größeres bestehendes Hauptsystem oder einen Bund. Auch die zu dieser Gruppe Gehörenden werden weder nach Namen, Stand oder Wohnung eingereiht irgendwo eingetragen oder aufgezeichnet, sondern, so völlig freigestellt wie es jedermann ist, in diese Ortsgruppe zu kommen und sich in ihr zu betätigen, so völlig freigestellt bleibt es ihm auch, ohne jegliche Zeremonie seine Betätigung einzustellen und sich wieder zu entfernen."

Hutten kommentiert dazu: „Aus dieser Freizügigkeit folgert das Flugblatt, dass die Ernsten Bibelforscher keine 'Sekte' seien. Aber tatsächlich ist ihre Organisation doch wesentlich fester, ja geradezu nach dem 'Führerprinzip' aufgebaut."

Zu dem Zeitpunkt, wo Hutten jenes Flugblatt zitierte, war das in der Tat schon „Schnee von gestern" - wenn nicht sogar Schnee von „vorvorgestern". Die tatsächliche Praxis sah im Jahre 1948 ganz anders aus.

Die Zitrone wird ausgepresst und wenn sie keinen Saft mehr gibt, weggeworfen. An diesen Vergleich wird man unwillkürlich erinnert, wenn man in dem 1948 (in Deutsch) veröffentlichten Buch „Gott bleibt wahrhaftig" lesen konnte (S. 238):

„Jehovas Zeugen führen keine sogenannten Kirchenregister, so wie dies Religions-Organisationen tun. Doch führen sie Buch über die Predigttätigkeit aller Zeugen. Ein jeder erstattet regelmäßig Bericht über seine Predigttätigkeit, und die Organisation führt Buch über die Arbeit eines jeden Dieners des Evangeliums. Indes schließt man sich dadurch, dass man ein Zeuge Jehovas wird, keiner menschlichen Organisation an. ... Wenn irgend jemand, der so von Gott gezogen worden ist, mit Gottes Dienern auf Erden in Verbindung kommt, so anerkennt die Gesellschaft einen solch neuen Diener. Sie ermächtigt ihn, in dem Gebiet zu predigen, dass ihm ordnungsgemäß zugeteilt wird. Dass jemand bei Jehovas Zeugen ist, zeigt sich aus seinem Wirken als Gottes Diener oder Prediger. Wer nicht tatsächlich als ein Zeuge Jehovas predigt, ist nicht bei dieser Organisation. Solange sich jemand mit der Organisation zusammen am Predigen beteiligt, wird er als dazu gehörend anerkannt."

Namentlich in dem Zusammenhang mit dem Bemühen, "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" werden zu wollen, wurde vorstehende Position formal aufgegeben. Jetzt läßt man verlauten, alle, die nicht eine ausdrückliche schriftliche Willenserklärung abgeben und eine örtliche Versammlung der Zeugen Jehovas besuchen, seien damit automatisch, "Mitglied" der "Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V.". Dies ist aber nach wie vor eine Formalie zum Nutzen ihrer Führungsschicht. Denn etwa ein passives oder aktives Wahlrecht für innerorganisatorische Posten, wird ihnen nach wie vor nicht zugebilligt. Die vermeintlichen "Mitglieder" sind nach wie vor rechtlose Manöveriermasse ihrer Führungsoligarchie. Sollte es mit der KdöR denn mal klappen, wird man sich ihrer dergestalt zu erinnern wissen, dass sie nunmehr eine "Rechtspflicht" zur Abführung Kirchensteuerähnlicher Abgaben hätten. Das war es dann aber auch schon.

Früher hatte man das noch unverblümter ausgedrückt. Twisselmann hat zum Beispiel in seinem Buch "Jehovas Zeugen - die Wahrheit, die frei macht" (S. 123) in Faksimile ein WTG-Schreiben vom 27. 10. 1973 abgedruckt, in der ein vermeintliches "Mitglied" belehrt wurde:

"Liebe Schwester ... Wir können unseren Unterlagen nicht entnehmen, daß Du bei uns als Mitglied geführt wirst. Es trifft zwar zu, daß die Versammlung ... einen Verein gegründet hat, um den gesetzlichen Bestimmungen Rechnung zu tragen, doch bist Du kein Mitglied dieses Vereins. Dies sind in der Regel nur Brüder.

Wenn Du allerdings annimmst, daß Du durch Deine Hingabe an Jehova, die durch die Wassertaufe symbolisiert wurde, gleichzeitig ein Mitglied bei Jehovas Zeugen geworden bist, so wäre diese Annahme nicht richtig ... "

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1948er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte