Die weltpolitische Lage nach dem Zweiten Weltkrieg

aus der Sicht der Zeugen Jehovas

Unter der Überschrift: „Was hat Russland vor?" veröffentlichte die Zeugen Jehovas-Zeitschrift „Erwachet!" (8. 5. 1949) einen programmatischen Artikel, der in besonders signifikanter weise die weltpolitische Lage aus der Sicht der Zeugen Jehovas referiert:

„Angst vor Bürgerkriegen und Anarchie macht sich breit. Auch von einem dritten Weltkrieg wird in hohen Regierungskreisen ganz offen gesprochen, schon jetzt, wo überall noch die Trümmer der letzten Kriegsverheerungen umherliegen und die in diesem Ringen umgekommenen noch nicht einmal ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Politische Führer von internationalem Ruf dringen darauf, Deutschland als Puffer gegen Russland im Westen wieder stark zu machen, und ebenso Japan als Puffer gegen Russland im Osten. Manche bezeichnen es sogar als tragischen Fehler, von den Naziverbrechern, ihren faschistischen Trabanten und den japanischen Kriegsheeren die bedingungslose Kapitulation gefordert zu haben, weil durch die völlige Niederlage Deutschlands und Japans in weite Gebiete Europas und Asiens die rote Flut hereingelassen worden sei. In den Demokratien scheinen also manche Staatsmänner der Ansicht zuzuneigen, die demokratische Welt hätte lieber mit Hitler gegen den Kommunismus, statt mit den Kommunisten gegen Hitler kämpfen sollen. Welch unglaublichen Meinungsumschwung bringen diese gefährlichen Zeiten doch mit sich!

So dringt von allen Seiten die Frage auf uns ein: Warum haben sich die Wege der drei Großmächte, Amerika, Großbritannien und Russland so schnell getrennt? Haben sie nicht vor kurzem noch gemeinsame Sache gemacht gegen den Faschismus? Kämpften sie nicht auf Zehntausenden von Kilometern Frontlinie gegen einen gemeinsamen rücksichtslosen Feind, den sie auf Kosten eines Riesenaufwandes an Material, finanziellen Mitteln und Menschenleben niederrangen? Ist nur Russland schuld an der jetzigen Zweiteilung der Welt, die den Frieden erneut bedroht?

Aus den Ratssälen geht zuweilen an Hysterie grenzende Propaganda hinaus in alle Welt. Ihre geschickten Schlagwörter und kriegerischen Lösungen sind darauf berechnet, die schläfrigen Massen zu neuen Ausbrüchen rasenden Hasses gegen andere Völker und Gruppen aufzupeitschen. In der westlichen Welt steigern sich im Chor die Haßgesänge gegen die kommunistische Gefahr, bis alle Vernunft und jedes gesunde Wort im Getöse der von Panik ergriffenen Masse untergeht. Dem Verfolgungswahn verfallen, sieht man rot auch dort, wo in Wirklichkeit alle anderen Farben vorhanden sind. Freiheitsfeindliche Elemente beuten den Kommunistenschreck dafür aus, alle als kommunistisch zu verschreien, die dem Mann aus dem Volke sein anständiges Auskommen wünschen, oder die gegen irgendeine imperialistische Regung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens Stellung nehmen, oder die auch nur sagen, dass der Faschismus immer noch sehr lebendig ist und sich wieder zu einer größeren Gefahr für den Weltfrieden entwickeln könnte als der Kommunismus.

Aber auch der sphinxhafte Kreml lässt seine Propagandamaschine auf höchsten Touren laufen und überschüttet seine einstigen Verbündeten mit Schimpfkanonaden und bösartigen Verdächtigungen. Nimmt es einen da wunder, dass Menschen in allen fünf Erdteilen von den Propagandathesen entweder der einen oder der anderen Seite dieser entzweiten Welt hypnotisiert sind?

Wer die Weltgeschichte vorurteilsfrei beurteilen möchte und dementsprechend seine eigene Meinung zum Ausdruck bringt, riskiert heutzutage in manchen Ländern, so auch in den Vereinigten Staaten, seine Anstellung. Hinweise darauf, dass die USA in ihrer Außenpolitik faschistische Mächte begünstigen, nur um Russland Einhalt zu gebieten, und dass die katholische Hierarchie einer freiheitsfeindlichen Einstellung huldigt und die Demokratien in dieser Richtung zu beeinflussen sucht - solche Hinweise sind keineswegs kommunistisch, bringen aber den, der in den Vereinigten Staaten derartige Äußerungen wagt, in den Ruf, ein Kommunist zu sein und setzen ihn einer politischen Inquisition aus, bei der der Angeklagte von vornherein als schuldig gilt und sich hernach weder angemessen verteidigen darf, noch eine unparteiische Untersuchung in aller Öffentlichkeit zugestanden bekommt. Das wäre der Charakter der 'Loyalitätsprüfungen', die Präsident Truman nicht nur für zwei Millionen Bundesangestellte gefordert hat, sondern die auch auf Privatbetriebe übergreifen. Oft fürchten sich die Richter, in solchen Fällen einen Angeschuldigten freizusprechen, um sich nicht selbst verdächtig zu machen.

In der Vorhut der antikommunistischen Kreuzfahrer marschiert die allgegenwärtige römisch-katholische Hierarchie. Sie entfacht in ihrer leichtgläubigen Gefolgschaft Fiebergluten der Kriegshysterie. Durch ihre früheren Taten ist sie bekannt als Züchterin des Hasses und als Kriegsschürerin. All die vielen bewährten, listigen und schlauen Mittel werden angewandt, um die niedrigsten Leidenschaften unwissender Menschen in Wallung zu bringen und ihre Vorurteile wachzurufen; denn es gilt, die Weltmeinung gegen Russland zu mobilisieren. Die Hochfinanz, die politischen Lakaien, die eine eingeschüchterte und willfährige öffentliche Presse und das ganze gesinnungslose Heer derer, die ihren Mantel nach dem Winde hängen und stets zu Kupplerdiensten für die geistig prostituierten Religionisten bereit sind - all diese Knechtsseelen, die nur an ihre persönlichen und politischen Interessen denken, beugen ihre Knie vor jener alten 'Mutter der Huren und dem Greuel der Erde.'

Sie alle scheinen bereit, sich mit ihr ins Bett des Faschismus zu legen. Doch dafür verlangt sie ihren Preis; man muss sich ihr im internationalen Katzengejammer gegen Russland anschließen. Es ist klar, dass die katholische Hierarchie in der Sowjetunion ihren stärksten Konkurrenten bei der Hetzjagd um die Weltherrschaft erblickt. Das totalitäre freiheitsfeindliche kommunistische Russland könnte ja vielleicht wie ein Vandale in die grünen Weideplätze der Hierarchie eindringen und die Reichtümer, welche die Hierarchie von Millionen Menschen auf unrechtmäßige Weise erworben hat, in seinen Besitz bringen. Die römisch-katholische Hierarchie ist entschlossen, unter den Nationen ans Ruder zu kommen, und will sich auf dieser Bahn von niemand aufhalten lassen.

Russland ist ihr im Wege, und sein Einfluss auf das Weltgeschehen muss darum auf ein Minimum reduziert oder aber mit den Zielen der katholischen Aktion in Einklang gebracht werden. Andernfalls bleibt nur das weitere Mittel, den Kommunismus weltweit zu verfemen.

Aus einleuchtenden Gründen wird ein kommunistischer Umsturz von der Hochfinanz ebenso gefürchtet wie von der kapitalistischen katholischen Hierarchie. Das Ganze läuft darauf hinaus, dass der Kommunismus und der Katholizismus auf dieselbe Sache erpicht sind. Sie sind beide totalitär und greifen beide zu Inquisitionsmethoden, um sich die Völker zu unterjochen. Nur darin besteht ein Unterschied, dass Russland mit eigenen Streitkräften viele seiner Ziele durchsetzen konnte, während sich die Hierarchie für ihr unsauberes Werk ein 'Schwert der Kirche' beschaffen muss.

In der Meinung, dass der unnachgiebige Kommunismus die Welt zu verschlingen droht, lassen sich die Demokratien beeinflussen, täuschen, verlocken und vergiften von den schlauen Sendlingen der katholischen Aktion, die sich mit ihren Lippen zur Demokratie bekennen, deren Herzen aber weit davon entfernt sind. Die internationalen Führer der Demokratie lassen sich dazu überreden, den Faschismus stillschweigend als das kleinere von zwei Übeln anzusehen. Unter katholischem Druck liebäugeln demokratische Länder mit dem despotischen Franco in Spanien, schmiegen sich an den faschistisch gesinnten Peron in Argentinien, stärken den freiheitsfeindlichen Regimes in China und Griechenland den Rücken, und was das schlimmste ist: sie flirten offen mit der römisch-katholischen Hierarchie, derselben Macht, die der unrühmlichen Achse Rom-Berlin eines Mussolini und Hitler zu Gevatter stand.

Dass den besiegten Achsenmächten die bedingungslose Kapitulation auferlegt wurde, machte das unheimliche Streben des katholisch-nazistisch-faschistischen Verschwörerbundes zur Unterjochung der Erde zunichte. Nach dem Fehlschlag dieses ungeheuerlichen Versuchs zur Erringung der Weltherrschaft führte die katholische Hierarchie in echt machiavellischer Missachtung ihres unheiligen Bündnisses mit Nazi und Faschisten, eine zweckbedingte, glatte Schwenkung aus und machte der Demokratie nun überschwengliche Liebeserklärungen. Die römisch-katholische Kirche setzt ihre machtvollen Propagandawerkzeuge jetzt innerhalb der Demokratien ein, verschafft ihren Anhängern staatliche und industrielle Schlüsselstellungen und schaltet durch einen Zermürbungsprozess allmählich den verfassungsmäßigen Widerstand der katholischen Aktion aus. So wird die Demokratie gefährdet. Zu diesem Zweck darf aber das Kriegsgespenst und die kommunistische Gefahr niemals dem Welthorizont entschwinden. ...

Weil alle Welt damit beschäftigt ist, über Russland und den internationalen Kommunismus Krach zu schlagen, können die Faschisten der öffentlichen Aufmerksamkeit unterdes völlig entgehen. Genau so ging es zum Schaden der Völker schon früher. ... Dieselbe Sache wiederholt sich jetzt. Die westliche Welt ist gegenüber den Gefahren des Kommunismus wachgerüttelt, scheint aber die wendigen Faschisten aus dem Augen verloren zu haben. Die verschlagenen Befürworter des Faschismus schreien 'Haltet den Dieb!', damit jedermann hinter den Kommunisten herjagt und der Faschismus ungestört die Beute einsacken kann. Darum tritt es immer klarer zutage, dass, wenn die außenpolitischen Wortführer der Demokratien gegen die bolschewistische Bedrohung geifern und gleichzeitig die Gefahr eines Wiederauflebens des Faschismus geringschätzig abtun, ja, wenn sie sogar das Vorrücken des Kommunismus durch merkwürdige, mit ein paar faschistischen Schnörkeln versehene Verträge abstoppen wollen, dies unweigerlich zu internationalen Reaktionen führt, die die Welt weiter erschüttern werden. Man inszeniert damit eine Drangsal, wie sie die Welt noch nie erlebt hat. ..."

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