„Der Deutsche Weg"

Die Zeugen Jehovas haben so ihre Lieblingszitate, die sie dem unbedarften Publikum bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten unter die Nase halten. Eines davon ist das aus einer Wochenzeitung mit dem Titel „Der Deutsche Weg". Eine nähere Verifizierung zu diesem Presseorgan findet seitens der Zeugen Jehovas, in etlicher ihrer Zitate des Textes, nicht statt. Lediglich, dass der Artikel im Jahre 1938 erschienen sei, wird noch vermerkt.

Schon in der Rutherford-Broschüre aus dem Jahre 1938, "Schau den Tatsachen ins Auge", wird im Anhang unter der Überschrift "Hitler und der Papst" jenes Dokument zitiert. Gleichfalls in "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 130).

So sei denn, dass Versäumnis der Zeugen Jehovas hier erstmals richtiggestellt. Der Artikel ist in der in Lodz (Polen) seiner Zeit erschienenen Zeitschrift „Der Deutsche Weg. Kampfblatt der Deutschen in Polen". Hrsg. von Ludwig Wolff, Folge 22, Lodz 29. Mai 1938, enthalten. Es gibt aber noch eine weitere Zeitschrift mit diesem Namen. Die Zeugen Jehovas zitieren ständig nur den letzten Teil dieses Artikels, ohne jedoch die einleitenden Ausführungen auch nur eines Wortes zu würdigen. So sei denn der fragliche Artikel nachstehend im gesamten Kontext einmal zitiert:

„Ach! Schrecklich dieses Nazideutschland!

Die 'Ernsten Bibelforscher'

Ein römisch-katholischer Priester aus der Diözese Berlin schreibt uns:

Die katholische Internationale Presse-Agentur (Kipa) meldet, dass der amerikanische Oberste Gerichtshof entschieden habe, für die Verteilung religiöser Flugschriften sei keine behördliche Erlaubnis notwendig. Diese Verordnung hat die Bestimmungen einer Stadt im Staate Georgien, auf welcher mehrere 'Bibelforscher' wegen Verurteilung von Flugschriften verurteilt worden waren, für verfassungswidrig erklärt. Es handelt sich, wie die Kipa ausdrücklich feststellt, um ausgesprochen anti-katholische Flugschriften.

Die 'Kipa' meldet weiter, dass in Kanada der Appellationsgerichtshof die Flugschriften der 'Ernsten Bibelforscher' für aufrührerisch erklärte. Soweit die 'Kipa.'

Vor 1933 entwickelte die merkwürdige Gesellschaft der 'Ernsten Bibelforscher' auch in Deutschland größte Wirksamkeit. 'Richter' Rutherford kam selbst nach Deutschland und sprach u. a. im Sportpalast, dem größten Saal Berlins. Zufolge seiner amerikanischen Zirkuspropaganda war kein Platz im Sportpalast unbesetzt. Und nun sprach der große Mann! Er verleumdete die Kirchen, in erster Linie die katholische Kirche. Letztere diene nur Gott Mammon. Den Hl. Vater nannte er den 'Präsidenten des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der Dummen.' Dann blätterte er in seiner Bibel herum, als ob sie ein Hokuspokus-Buch sei. Er zählte allerorts biblische Zahlen zusammen, teilte sie durcheinander, schleuderte mit Zauberworten um sich und rechnete endlich den Menschen vor, dass innerhalb einiger Jahre die Welt untergehen würde. … Wenn man sich nicht zu Rutherford bekehrte!

Es gibt jetzt ein Land in der Welt, indem die sogenannten 'Ernsten Bibelforscher' verboten sind. Das ist Deutschland! Die Auflösung der Sekte, die in Deutschland damals bereits festen Fuß gefasst hatte, erfolgte nicht unter Brüning, obwohl die katholische Kirche in der Brüningschen Zeit darauf drängte. Der 'allerkatholischste Reichskanzler' Brüning antwortete aber, dass er kein Gesetz hätte, dass ihn ermächtigte, die Sekte der 'Ernsten Bibelforscher' aufzulösen.

Als Adolf Hitler an die Macht gekommen war und der deutsche Episkopat seine Bitte wiederholte, sagte Hitler: Diese sogenannten 'Ernsten Bibelforscher' sind Unruhestifter; sie stören das harmonische Zusammenleben unter den Deutschen; ich betrachte sie als Kurpfuscher; ich dulde nicht, dass die deutschen Katholiken durch diesen amerikanischen 'Richter' Rutherford auf eine derartige Weise beschmutzt werden; ich löse die 'Ernsten Bibelforscher' in Deutschland auf; ihr Vermögen stelle ich der Volkswohlfahrt zur Verfügung; ich lasse ihre sämtlichen Schriften beschlagnahmen. Bravo!

Dem amerikanischen Episkopat, auch Kardinal Mundelein, gelingt es indessen nicht, in den Vereinigten Staaten die Bücher Rutherfords, in denen die katholische Kirche verleumdet wird, vom Büchermarkt zu entfernen!"

Es steht auch für mich eindeutig fest, dass vorstehender Artikel ein zeitgenössischer Beleg für die katholisch-faschistische Interessengleichheit in Sachen Zeugen Jehovas ist. Dieses Dokument ist nicht zu beschönigen. Die katholisch-faschistische Liaison lässt sich auch an vielerlei anderen Beispielen festmachen. Der bedeutendste davon: Der Fall Jonak. Also in der Interpretation des Textes streite ich nicht mit der WTG. Wohl aber in der noch zu nennenden Undifferenziertheit.

„Der Deutsche Weg", nannte sich jene in Polen erschienene Wochenzeitung. Es gibt aber noch Namensvettern davon! Beispielsweise eine in Mönchen Gladbach (danach in Köln) ab Oktober 1928 erscheinende Periodika mit dem Titel: „Der Deutsche Weg. Katholische Wochenzeitung". Letztere fällt aus der Betrachtung heraus, weil man in deren Ausgabe vom 9. September 1932 lesen konnte:

„Ende dieses Monats gelangt der 4. Jahrgang unserer Wochenzeitung zum Abschluss. Vom 1. Oktober ab kann 'Der Deutsche Weg' nicht mehr durch die Post bezogen werden, wir haben ihn aus der Postzeitungsliste abgemeldet."

Dann gab es nach 1933 noch eine weitere katholische Wochenzeitung mit dem Titel „Der Deutsche Weg". Sie erschien allerdings nicht in Deutschland, war aber in deutscher Sprache geschrieben. Ihr Herausgeber war der Jesuit Friedrich Muckermann. Er, und sein Blatt waren mit eines des bestgehassten Objekte des Hitlerregimes. Die Zeugen Jehovas haben überdies keinerlei Anlass, sich über die Nazifeindliche Berichterstattung dieses Blattes zu beschweren. Ganz im Gegenteil. Sie müssten ihm sogar noch dankbar sein. So brachte Muckermann beispielsweise in der Ausgabe vom 29. Mai 1938 seines „Deutschen Weges" unter der Überschrift „Hitlerjugend und Familie" eine Nazikritische Notiz, die auf einen Sorgerechtsentzugsfall des Naziregimes in Sachen Zeugen Jehovas basierte.

Jetzt nimmt die Sache langsam kriminelle Dimensionen an! Nach 1945 meldete sich Muckermann erneut zu Wort. Er berichtete über seine tatsächliche Nazigegnerschaft. Auch die Redaktion der Zeugen Jehovas-Zeitschrift „Trost" erfuhr davon und schoss prompt eine Breitseite gegen Muckermann ab! Was hat er sich zuschulden kommen lassen? Der Historiker wird dazu sagen müssen nichts. Zuschulden kommen lassen hat sich indes die „Trost"-Redaktion die undifferenzierte Gleichsetzung des „Deutschen Weg" von Muckermann, mit jenen „Deutschen Weg", der seinerzeit in Lodz (Polen) erschien.

Das „Trost" (Nr. 561; 1. Februar 1946) schrieb dazu:

„Und wirklich bietet dass 'Basler Volksblatt' aus der Feder des Jesuitenpaters F. Muckermann den angeblichen Beweis an, dass die deutschen Katholiken 'den Heldenkampf gegen Hitler geführt haben.' (es handelt sich dabei besonders um die Herausgabe der verbotenen Zeitschrift 'Der Deutsche Weg', die jahrelang von F. Muckermann S. J. geschrieben wurde).

Unseren Lesern ist 'Der Deutsche Weg' nicht ganz unbekannt. Ein bemerkenswertes Zitat daraus erschien in dem Schriftchen 'Schau den Tatsachen ins Auge!' Von J. F. Rutherford. …

Zum Beweis, wie sehr die Kirche gegen die Hitlerregierung gearbeitet habe, können das Basler Volksblatt und Muckermann auf folgende Tatsachen hinweisen: Die Bücher, die F. Muckermann verfasst hatte, wurden durch die Gestapo verbrannt. 'Der Deutsche Weg' war verboten und musste illegal verbreitet werden. 'Der Deutsche Weg' hat die Hitlerregierung niemals anerkannt. Er brachte Aufklärung über die Konzentrationslager...."

Nach dieser Referierung kann sich die WTG es sich nicht verkneifen, sozusagen als Kommentar dazu, mit einem Gedicht zu antworten:

„Das Chamäleon.

Das ist ein Reptil

auffallend durch sein Farbenspiel.

Je nach Atmosphäre,

zeigt es sich dunkel und bald hell.

Es wechselt seine Farbe schnell.

Kommt etwas in die Quere,

und ähnlich dem Chamäleon

verändert Rom den Farbenton

Und seine fromme Lehre.

Es kann erscheinen ohne Not

in schwarz, weiß, Braun und Rot,

je nach der Atmosphäre."

Im weiteren Verlauf der „Trost"-Ausführungen kann man dann noch lesen:

„Es ist nicht nötig, zu bestreiten, dass auch im 3. Reich manche Gegner unter dem katholischen Volk und den 'Geistlichen' waren, obwohl 99,9 % hinter dem dem Führer standen. Aber die einflussreichen und verantwortlichen Beamten der römischen Kirche zählten nicht zu den Gegnern des Dritten Reiches, besonders nicht in den Tagen der gewaltigen Macht. … Am 29. Mai 1938 aber berichtete 'Der Deutsche Weg', ein katholisches Blatt, über den großen Erfolg der römischen Kirche, die schon unter dem 'allerkatholischsten Reichskanzler' Brüning darauf drängte, die Vereinigung der Zeugen Jehovas (damals Bibelforscher) aufzulösen, die aber die Durchsetzung ihres Willens erst durch Adolf Hitler bewirken konnte. Der Redaktor des katholischen Blattes ist der Jesuitenpater F. Muckermann, der seinen Bericht über Hitlers rechtswidriges Einschreiten gegen die Vereinigung und das Vermögen der Zeugen Jehovas mit einem 'Bravo!' auf Hitler beendet."

Zudem hätte "Trost" es besser wissen können. Es hätte nur sein eigenes Archiv sichten müssen. In der "Trost"-Ausgabe vom 15. 12. 1938 wurde (einmalig) verifiziert. Es handelt sich um die in Polen erschienene Zeitschrift. Nicht jedoch mehr in nachfolgender WTG-Zitierung dieses Textes.

Pech für die WTG, dass ihre Kritik den falschen getroffen hat. Bezeichnend für die WTG, dass sie diese Komödie der Irrungen und Wirrungen, von sich aus, bis heute nicht richtiggestellt hat!

ZurIndexseite

1946er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte