Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Zeugen Jehovas im Spiegel des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses

Im Oktober 1946 endete in Nürnberg der erste Prozeß gegen 24 Vertreter des Naziregimes (Hauptkriegsverbrecherprozess). Seine Materialien wurden schon zeitgenössisch in rund vierzig Bänden veröffentlicht. Danach gab es noch einige Nachfolge-Editionen, einschließlich einer CD-ROM-Ausgabe.

Im November 1998 veranstalteten die Zeugen Jehovas auch in Nürnberg eine ihrer Serien "Standhaft"-Veranstaltungen. Neben allerlei Honoratioren, die da mit Grußworten zu Wort kamen, und auch einigen Zeitzeugen-Interviews, findet man unter den Referenten-Namen auch den des Johannes W. aus Selters. Folgt man einer Videoaufzeichnung auch dieses Referats, kann man wohl das ausgeführte eher nur als Kurzreferat, nicht aber als wirklich umfassendes Referat bezeichnen. Wie auch immer, eines seines Themen widmete Herr W. auch dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess.

Er wusste zu vermelden, dass in den eingangs genannten Dokumentarbänden, auch die Zeugen Jehovas verschiedentlich Erwähnung fanden. Das W.'sche Gesamt-Resümee war aber doch eher nüchtern. Ja man merkte ihm eine gewisse Enttäuschung schon an, wenn er die These postulierte. In Nürnberg sei bereits der Anfang damit gemacht worden. Jehovas Zeugen zu vergessenen Opfern des Naziregimes zu machen. Wahrscheinlich hatte W. sich vorgestellt; ihr Schicksal im Naziregime würde sich auch in den eigentlichen Gerichtsurteilen wiederfinden, und muss nun ernüchtert registrieren: Dem war so nicht.

Etwas allerdings tat Herr W. nicht. Er erwähnte zwar: Jehovas Zeugen würden in diesen Dokumentarbänden mit vorkommen. Aber er nannte keine detaillierten Zitate dazu, die das im einzelnen belegen würden. So sei denn dieses Manko an dieser Stelle etwas korrigiert. Nachstehend einige Zitate, was von wem und wie über Jehovas Zeugen im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess ausgesagt wurde. Eine Bewertung dieser Aussagen an dieser Stelle erfolgt nicht. Sie bleibt dem mündigen Leser selbst überlassen:

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Band 2; 21. November 1945, Justice Jackson

Juden, deren Zahl in Deutschland im Jahre 1933 etwa fünfhunderttausend betrug. Sie hatten, im ganzen gesehen, Stellungen erreicht, die Neid erregten, und Besitz erworben, der die Habsucht der Nazis reizte. Sie waren wenig genug, um hilflos zu sein, aber zahlreich genug, um als eine Gefahr hingestellt zu werden.

Der Antisemitismus ist auch zutreffend als „Lanzenspitze des Schreckens" bezeichnet worden. Das Ghetto war die Versuchsstätte, Unterdrückungsmaßnahmen zu erproben. Jüdischer Besitz wurde als erster enteignet, aber der Brauch breitete sich aus und führte zu ähnlichen Maßnahmen gegen „staatsfeindliche" Deutsche, gegen Polen, Tschechen, Franzosen und Belgier.

Die Ausrottung der Juden ermöglichte den Nazis, mit erfahrener Hand in ähnlicher Weise gegen Polen, Serben und Griechen vorzugehen. Das schlimme Schicksal der Juden war ständige Drohung gegenüber dem Widerstandswillen oder der Unzufriedenheit unter anderen Teilen der Bevölkerung Europas - Pazifisten, Konservativen, Kommunisten, Katholiken, Protestanten. Sozialisten. Es war in Wahrheit eine Drohung gegenüber jeder abweichenden Meinung, es bedrohte das Leben aller Nichtnazis. Die Verfolgung richtete sich auch nicht etwa gegen einzelne Juden, die sich persönlich als Staatsbürger schlecht geführt oder mißliebig gemacht hatten. Die offen zugegebene Absicht war die Vernichtung des jüdischen Volkes überhaupt, als Selbstzweck, als Vorbereitungsmaßnahme zum Kriege und als eine Warnung für besiegte Völker.

Die Entschlossenheit, die Juden zu vernichten, war eine bindende Kraft, die jederzeit die einzelnen Teilkräfte dieser Verschwörung zusammenhielt. Über viele Fragen der inneren Politik bestanden Meinungsverschiedenheiten unter den Angeklagten. Aber es ist nicht einer unter ihnen, der nicht dem Schlachtrufe des Nazismus willig wiederholt hatte: „Deutschland erwache, Juda verrecke!"

Die Nazi-Partei war in ihrer Weltanschauung immer überwiegend antichristlich.

Nicht weil die Nazis selbst unreligiös oder heidnisch waren, sondern weil sie andere wegen ihres christlichen Glaubens verfolgten, haben sie sich eines Verbrechens schuldig gemacht. … Um jeden mäßigenden Einfluß im deutschen Volke zu beseitigen, haben die Verschwörer alle christlichen Sekten und Kirchen planmäßig unterdrückt.

Im Juni 1941 gab Martin Bormann einen Geheimerlaß über die Verhältnisse von Christentum und Nationalsozialismus.

Später übermittelte Rosenberg an Bormann sein Gutachten über einen Vorschlag des Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten, Kerrl, die Protestantische Kirche unter Staatsaufsicht zu stellen und Hitler zu ihrem Oberhaupt auszurufen. Rosenberg wandte sich gegen diesen Vorschlag und deutete an, daß der Nationalsozialismus die christliche Kirche nach dem Kriege völlig unterdrücken werde.

Alle pazifistischen und von der Staatskirche abweichenden Sekten, wie zum Beispiel die Ernsten Bibelforscher und die Pfingstvereinigung wurden besonders hart und grausam verfolgt. Die Politik gegenüber der Evangelischen Kirche bestand darin, ihren Einfluß für die Zwecke der Nazis zu benutzen.

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Band 3; 13. Dezember 1945; Thomas I. Dodd

Es gab noch viele andere Fälle, in denen man sich der Konzentrationslager bediente, um gegen Leute vorzugehen, die den Frieden wollten. Es gab zum Beispiel eine Gruppe, die sogenannten Bibelforscher, von denen die meisten als „Jehovas Zeugen" bekannt waren. Sie waren Pazifisten, und so ließen die Verschwörer sie nicht nur vor ordentlichen Gerichten verfolgen, sondern noch nach Verbüßung ihrer Gerichtsstrafen in Konzentrationslagern festhalten.

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Band 4; 7. Januar 1946; Leonhard Wheeler jr.

Das Material, das jetzt vorgelegt werden wird, erbringt erstens zusätzlichen Beweis für die Unterdrückung der Kirchen in Deutschland, der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche und der Bibelforscher, und zweitens, Beweis für Unterdrückungshandlungen in den angegliederten und besetzten Gebieten: Österreich, Tschechoslowakei und Polen. Ein großer Teil dieses Beweismaterials stammt aus den amtlichen Akten des Vatikans.

Rede Hitlers vor dem Reichstag vom 23. März 1933, welche im Völkischen Beobachter vom 24. März 1933 auf Seite 1, Spalte 5 erschien:

„Die Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen den wichtigsten Faktor der Erhaltung des Volkstums. sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren. Sie erwartet aber, daß ihre Arbeit die gleiche Würdigung erfährt. Sie wird allen anderen Glaubensgemeinschaften mit objektiver Gerechtigkeit gegenübertreten. Sie kann aber niemals dulden, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession oder einer bestimmten Rasse jemals ein Freibrief für Begehung oder Tolerierung von Verbrechen ist. Die Sorge der Regierung gilt dem aufrichtigen Zusammenleben zwischen Kirche und Staat".

Es ist, ohne daß es eines besonderen Urkundenbeweises bedürfte, allgemein bekannt, daß der neue Reichsbischof Müller, das Sprachrohr seiner Nazi-Herren war.

Die Nazis vergaßen bei ihren Bemühungen, die christliche Religion in Deutschland zu unterdrücken, auch die Sekten und Glaubensbekenntnisse nicht. Sie verfolgten die Bibelforscher.

Derselbe 8. Januar 1946

In ihrem Bestreben, die christliche Religion in Deutschland zu unterdrücken, haben die Nazis auch andere Sekten oder Konfessionen nicht übersehen. Sie verfolgten ebenso die Bibelforscher. Wir haben bereits als Beweismaterial Dokument … unterbreitet; aus ihm geht hervor, daß Mitglieder dieser Sekte nicht nur vor Gericht gestellt, sondern auch verhaftet und in Konzentrationslagern gebracht wurden; dies auch dann, wenn sie die vom Gericht über sie verhängte Strafe verbüßt hatten, oder wenn sie freigesprochen waren. …

Herr Vorsitzender. Dieses Dokument ist eine eidesstattliche Versicherung von Matthias Lex, dem Vizepräsidenten des Zentralverbandes der Schuhmacher. In seiner Aussage über seine Erlebnisse im Dachauer Konzentrationslager erklärte er; und ich zitiere von der dritten Seite seiner eidesstaatlichen Erklärung:

„Ich schließe in die politischen Gefangenen die Bibelforscher ein, deren Anzahl ich über 150 einschätze."

Weiter möchte ich die letzte Zeile dieser Seite und einige Zeilen von der nächsten Seite vorlesen:

„Die folgenden Gruppen wurden vollkommen isoliert gehalten: Die Angehörigen der sogenannten „Strafkompanien"; die das zweitenmal in einem Konzentrationslager Befindlichen und ungefähr nach 1937 auch die „Bibelforscher". Angehörige der Strafkompanien waren solche Häftlinge, die sich irgendwelche Disziplinlosigkeiten oder geringere Vergehen gegen die Lagerordnung hatten zuschulden kommen lassen. Die folgenden Gruppen waren ebenfalls getrennt für jede Gruppe untergebracht, konnten jedoch tagsüber mit den anderen Gruppen zusammenkommen, entweder bei der Arbeit oder beim Herumgehen im Lager: Politische Gefangene, Juden, Asoziale, Zigeuner, Schwerverbrecher, Homosexuelle und vor 1937 auch die Bibelforscher.

Es ist ein Befehl des Reichssicherheitshauptamtes von 1942, worin die Ermächtigung erteilt wurde, gegen Bibelforscher die verschärfte Vernehmung anzuwenden.

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Band 11; 12. April 1946

Dr. Kurt Kauffmann, Verteidiger von Ernst Kaltenbrunner

(Kaltenbrunner seit 1943 Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes und Chef des Reichssicherheitshauptamtes, des RSHA).

Dr. Kauffmann: Die Anklage macht Ihnen im Rahmen der Kirchenpolitik des Amtes IV folgendes zum Vorwurf:

Es seien die sogenannten Bibelforscher häufig zum Tode verurteilt worden, und zwar lediglich deshalb, weil sie aus ihrer inneren Überzeugung heraus es ablehnten, irgendwelchen Kriegsdienst zu tun. Ich frage Sie, ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt, und in welche Weise haben Sie an dieser Frage mitgewirkt?

Kaltenbrunner: Die deutsche Rechtsprechung hatte als Grundlage zum Vorgehen gegen die Sekte der Bibelforscher meines Wissens das Gesetz zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes angenommen. In diesem Gesetz wird jeder mit Freiheits- oder Todesstrafe bedroht, der die Wehrkraft des deutschen Volkes schädigt dadurch, daß er den Kriegsdienst verweigert. Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen haben die Gerichte, sowohl Militärgerichte als auch Zivilgerichte, auch Todesurteile gegen Bibelforscher ausgesprochen. Todesurteile durch die Geheime Staatspolizei sind natürlich nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang ist wiederholt von einer unbilligen Härte gegenüber glaubensbedingter Einstellung dieser Sektenangehörigen gesprochen worden. Ich habe sowohl an die Parteikanzlei, als an das Justizministerium, als an Himmler, als in meiner Nachrichtenerstattung an Hitler, auf diesen Umstand hingewiesen, und habe in mehreren Besprechungen bei Thierack (Justizminister) verlangt, daß diese Art Rechtsprechung eingestellt werde.

Der Erfolg ist in zwei Stufen eingetreten. Sofort bei der ersten Besprechung, nach Rücksprache Thieracks bei Bormann (Leiter der Parteikanzlei) und bei Hitler, bei dem er allerdings nicht angekommen war, wurde eine Weisung an die Oberstaatsanwaltschaften herausgegeben, daß bereits gesprochene Urteile zu inhibieren seien.

Bei einer zweiten Besprechung konnte ein weiterer Schritt erfolgen, nämlich der, daß überhaupt die Staatsanwaltschaft Weisung bekamen, keine Todesurteile mehr zu fordern.

Die dritte Stufe ist die gewesen, daß Bibelforscher nicht mehr vor Gericht gestellt wurden. Ich halte es für einen ausgesprochenen Erfolg meiner persönlichen Intervention bei Thierack, und, wie später dann auch bei Hitler selbst davon gesprochen worden ist, daß diese Rechtsprechungsart gegen diese Sekten restlos beseitigt worden ist.

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Band 11; 16. April 1946

Dr. Thoma (Verteidiger von Alfred Rosenberg)

Dr. Thoma: Herr Rosenberg! Sie werden auch der Religionsverfolgung beschuldigt, und zwar kommt sie hauptsächlich zum Ausdruck in Ihrem „Mythus des 20. Jahrhunderts". Geben Sie nun zu, daß Sie sich gegenüber den Kirchen manchmal etwas zu scharf ausgesprochen haben?

Rosenberg: Ich will selbstverständlich ohne weiteres einräumen, daß ich den geschichtlich gewordenen Konfessionen gegenüber ein persönliches scharfes Urteil ausgesprochen habe. Ich möchte dabei, daß ich in der Einleitung meines Buches dieses Werk als ein persönliches Anschauungsbuch - bezeichnet habe.

Zweitens, daß dieses Werk sich nicht an die Kirchengläubigen Schichten der Bevölkerung richtet …

Drittens, daß ich eine Kirchenaustrittsbewegung ablehne … und daß ich einen politischen Eingriff des Staates in rein religiöse Bekenntnisse abgelehnt habe, was ebenfalls in diesem Werk eindeutig ausgesprochen ist.

Dr. Thoma: Herr Rosenberg! Sie waren ja theologisch nicht vorgebildet. Glauben Sie nicht, daß Sie sich in manchem Urteil über theologische Fragen geirrt haben?

Rosenberg: Ich habe selbstverständlich nie angenommen, daß dieses Buch, das sehr viele Probleme behandelt, ohne Irrtum sei. Ich habe viele Gegenschriften zum Teil dankbar begrüßt, habe auch einige Korrekturen vorgenommen, konnte aber manche Angriffe nicht immer als berechtigt anerkennen und dachte mir später einmal selbstverständlich auch dieses Werk, das ja auch manche politisch bloß aktuelle Ausführungen enthielt, grundsätzlich zu bearbeiten. …

Ich möchte hier ausführen, daß dieses Werk zweieinhalb Jahre vor der Machtübernahme erschienen war, daß eine selbstverständliche Kritik von allen Seiten offenstand, daß aber die Hauptkampfschriften nach der Machtübernahme entstanden. Ich habe auf diese Gegenschriften in zwei Broschüren geantwortet, jedoch niemals die Polizei zur Unterdrückung dieser Schriften oder der Verfasser dieser Schriften aufgerufen. …

Ein zweites Mal, das war später, ich vermag aber nicht zu sagen, ob es vor oder nach Ausbruch des Krieges war, hat Himmler selbst mich angesprochen in der Angelegenheit der sogenannten Ernsten Bibelforscher, das heißt in einer Angelegenheit, die auch von der Anklage als eine religiöse Verfolgung vorgelegt wurde. Himmler erklärte mir nur, es sei ja unmöglich, daß man in diesem Zustand des Reiches eine Kriegsdienstverweigerung hinnehme, das müßte ja unabsehbare Folgen haben, und er erzählte weiter, daß er mit diesen Häftlingen oft persönlich gesprochen habe, um sie zu verstehen und eventuell sie zu überzeugen. Das sei aber unmöglich gewesen, da sie auf alle Fragen mit auswendig gelernten Zitaten, Bibelzitaten, antworteten, so daß nichts anzufangen sei. Aus dieser Erklärung von Himmler habe ich entnommen, daß er unmöglich, weil er mir so etwas erzählte, eine Erschießungsaktion dieser Ernsten Bibelforscher präparieren oder gar durchführen wolle.

Aus dem mir liebenswürdigerweise vom amerikanischen Kaplan in meiner Zelle übergebenen Kirchenblatt aus Columbus habe ich entnommen, daß auch die Vereinigten Staaten während des Krieges die Zeugen Jehovas festgehalten hatten, und daß 11.000 noch bis zum Dezember 1945 in diesem Lager gehalten wurden. Ich nehme an, daß hier bei solchen Zuständen jeder Staat irgendwie eine solche Ablehnung eines Kriegsdienstes in irgendeiner Form beantworten muß; und das war auch meine Haltung, und ich konnte Himmler in diesem Punkte nicht unrecht geben.

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Band 16; 12. Januar 1946; Francis A. Biddle (Richter im Verfahren)

Arthur Seyss-Inquart (Reichskommissar für das Naziregime in den besetzten Niederlanden)

Seyss-Inquart: Ich habe die Entscheidungen Heydrichs in vermögensrechtlicher Beziehung durchgeführt. Die Gesellschaft der Bibelforscher hat dazugehört.

Mr. Biddle: Oh, die Bibelforscher gehörten auch zu der Gruppe?

Seyss-Inquart: Die haben auch dazugehört.

Mr. Biddle: Und Das Vermögen der Bibelforscher wurde ebenfalls beschlagnahmt, da sie doch Reichsfeinde waren?

Seyss-Inquart: Sie werden nicht viel gehabt haben, aber was da war, wurde konfisziert, und zwar wegen ihrer Stellungnahme, der Kriegsdienstverweigerung.

Mr. Biddle: Sie weigerten sich … ich möchte das klar haben. Das ist interessant. Die Bibelforscher weigerten sich zu kämpfen oder bei den deutschen Kriegsanstrengungen Dienste zu leisten, und daher wurde ihr Vermögen beschlagnahmt. Ist das richtig?

Seyss-Inquart: Nicht ganz. Die Bibelforscher in Deutschland weigerten sich, in der deutschen Armee zu dienen. Da wurden sie zuerst dort verboten, und dieses Verbot wurde dann ausgedehnt auf alle Gebiete …

Mr. Biddle: Einen Augenblick bitte. Davon spreche ich nicht. Ich spreche von den Niederlanden. Traf das für die Niederlande zu?

Seyss-Inquart: Ja. Aber die niederländischen Bibelforscher sind nicht deshalb verboten worden, weil sie sich geweigert hätten, in der deutschen Armee zu dienen, sondern sie sind verboten worden, weil man grundsätzlich gegen die Bibelforscher war.

Mr. Biddle: Ich verstehe, aus allgemeinen Grundsätzen. Sie waren Pazifisten, daher waren sie gegen sie und beschlagnahmten ihr Eigentum. Richtig?

Seyss-Inquart: Ja.

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Band 35 (Dokumente)

Geheime Staatspolizei/ Geheimes Staatspolizeiamt

5. August 1937

An alle Gestapostellen

Betrifft: Schutzhaft gegen Bibelforscher

Der Herr Reichsminister der Justiz hat mir mitgeteilt (Müller von der Gestapo), dass er die verschiedentlich von den ihm nachgeordneten Behörden geäusserte Meinung, die Inschutzhaftnahme der Bibelforscher nach Strafverbüssung gefährde die Autorität des Gerichts, nicht teile. Die Notwendigkeit staatspolizeilicher Massnahmen auch nach Strafverbüssung sei ihm durchaus verständlich. Er bitte jedoch, die Verbringung der Bibelforscher in Schutzhaft nicht unter Begleitumständen vorzunehmen, die dem Ansehen der Gerichte abträglich sein könnten. Im Zusammenhang damit hat der Herr Reichsminister der Justiz die ihm nachgeordneten Behörden angewiesen, Schutzhaft gegen Bibelforscher, soweit sie nach Strafverbüssung oder Aufhebung eines Haftbefehls verhängt worden ist, nicht mehr in gerichtlichen Strafanstalten vollstrecken zu lassen. Gleichzeitig hat er aber auf meine Anregung den Strafvollstreckungsbehörden Anweisung gegeben, einen Monat vor der Entlassung von verurteilten Bibelforschern aus der Strafhaft den jeweils zuständigen Staatspolizeistellen von der bevorstehenden Entlassung Nachricht zu geben …

Wird von den Strafvollstreckungsbehörden über die bevorstehende Entlassung von Bibelforschern aus der Strafhaft Mitteilung gemacht, ist umgehend meine Entscheidung über Anordnung staatspolizeilicher Massnahmen gemäss meinem vorbezeichneten RdErl. v. 22. 4. 1937 einzuholen, damit die Überführung in ein Konzentrationslager unmittelbar im Anschluss an die Strafverbüssung erfolgen kann. Solange die Überführung in ein Konzentrationslager nicht unmittelbar nach der Strafverbüssung erfolgen kann, sind die Bibelforscher im Polizeigefängnis unterzubringen.

Im Auftrage gez: Müller

1946er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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