Scharfe Abrechnung

„Jehovas Zeugen im Feuerofen" nannte sich eine 1946 erschienene Schrift der Zeugen Jehovas. Auch der Verfasser bemühte sich um deren Einsichtnahme. Dabei musste er eine bezeichnende Erfahrung machen. Für die Frühzeit nach 1945 betreffend, sind die einschlägigen Schriften der Zeugen Jehovas eigentlich relativ vollständig in der Deutschen Bücherei (Leipzig) vorhanden. Mit einer Ausnahme. Eben „Jehovas Zeugen im Feuerofen" ist dort nicht vorhanden und ist auch in den einschlägigen Bibliographien der Deutschen Bücherei nicht verzeichnet. Auch die Schweizerische Landesbibliothek (Bern) gibt solche Bibliographien heraus. Auch dort taucht dieser Titel nicht auf. Aber, und jetzt kommt das bemerkenswerte, die LB Bern weist einen Titel nach „Seid fröhlich ihr Nationen", den ich in den Katalogen der DB Leipzig so nicht ermitteln konnte. Noch interessanter wird es jedoch, wenn man sich einmal „Seid fröhlich ihr Nationen" ansieht. Dann stellt man fest, dass dort plötzlich ab Seite 32 der Text (mit durchgehender Seitenzählung) mit „Jehovas Zeugen im Feuerofen" weitergeht! Dieses doch etwas merkwürdige Verhalten erinnert allzu sehr beispielsweise an politische Tarnschriften im NS-Regime, wo unter Ausnutzung dieser Taktik, ein formal neutraler Buchtitel mit antinazistischem Inhalt gefüllt war!

Weshalb diese Taktik seitens der Zeugen Jehovas nach dem Jahre 1945?

Nun der Inhalt von „Jehovas Zeugen im Feuerofen" macht es schon etwas eher verständlich. Diese Schrift stellt mit eine der schärfsten zusammenfassenden antikatholischen Abrechnungen der WTG dar. Ihre offene, direkte Publikation hätte möglicherweise Weiterungen nach sich gezogen. Also wählte man offenbar diesen indirekten Weg.

Eingeleitet wird mit der pro-katholischen Politik des italienischen Faschistenführers Mussolini. Hervorgehoben wird, dass Mussolini mit der katholischen Kirche 1929 ein Konkordat abschloss.

„Pius XI. sprach vom Diktator Mussolini als von 'einer Gabe der Vorsehung, einem Manne, frei von den Vorurteilen der Politiker der liberalen Schule.' Später im selben Jahre wurde durch die Vermittlung von Erzbischof Pacelli ein Konkordat zwischen dem Vatikan und dem militarisierten deutschen Staat Preußen geschlossen." (S. 38)

„Kardinal Pacelli wurde ein solcher Freund des Deutschtums, dass er als Il Tedosco oder Der Deutsche bekannt wurde. Durch Pacellis deutschen Vertreter, Monsignore Kaas wurden mit den mächtigen Industriellen des Rheinlandes Abmachungen getroffen, damit der katholische Führer der Nazis, nämlich Adolf Hitler, Kanzler von Deutschland werde, vorausgesetzt, dass er die katholische Kirche während seiner Amtszeit begünstige." (S. 39)

Die Ernennung Hitlers zum deutschen Kanzler wird mit den Worten kommentiert: „Wie Kardinal Pacelli es geplant hatte. Hitler machte von Papen zu seinem Vizekanzler."

Die Broschüre kommt dann auch darauf zu sprechen, dass WTG-Präsident Rutherford, durch maßgebliche Initiative katholischer Kreise aus dem USA-amerikanischen Rundfunk wieder vertrieben wurde. Die deutsche Entwicklung, wurde selbstredend auch kritisch reflektiert:

„In direkter Verletzung des Vertrages, der damals zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten und Deutschland bestand, ging Hitler gegen die Watch Tower-Gesellschaft vor, die im Jahre 1921 in Deutschland als eine gesetzmäßige Korporation zugelassen worden war." (S. 41)

Die Beschlagnahmung der Magdeburger WTG-Liegenschaften wurde mit den Worten kommentiert: „Magdeburg war die Hauptstadt der preußischen Provinz Sachsen, und man beachte, dass zwischen Preußen und der Vatikanstadt ein Konkordat bestand." (S. 41)

Die Reaktion Rutherfords auf die unliebsame Entwicklung in Deutschland wurde mit den Worten kommentiert: „Richtete der Präsident der Watchtower-Gesellschaft, J. F. Rutherford … Einen Brief an alle Zeugen Jehovas in Deutschland. … Dieser Brief besagte unter anderem folgendes: 'Im Gegensatz zu (dem) … Positiven Gebote Jehovas, Gottes, hat die deutsche Regierung Euch verboten, dass Ihr Euch versammelt, Jehova anbetet und ihm dient. Wem sollt Ihr gehorchen, Gott oder Menschen? … Kein Mensch hat das Recht, Euch bezüglich Eures Gottesdienstes Befehle zu erteilen. Ihr seid durch Euren Bund verpflichtet, Gott und Christus gehorsam zu sein. Daher nehme ich an, dass Ihr Jehova und nicht Menschen gehorchen werdet. So rate ich Euch denn folgendermaßen:

Jede Gruppe der Zeugen Jehovas in Deutschland versammle sich am Sonntagmorgen, den 7. Oktober 1934, um neun Uhr, an einem geeigneten Platz ihres Wohnortes. Dann soll diese Mitteilung der versammelten Gruppe vorgelesen werden. Darauf werdet Ihr gemeinsam zu Gott beten und ihn durch Christus Jesus, unser Haupt und König, um Führung, Schutz, Befreiung und um seinen Segen bitten. Unmittelbar darauf sollt Ihr an die Regierungsbeamten Deutschlands ein Telegramm senden, dass vorher vorbereitet wurde. … Dann sollt Ihr die Versammlung schließen und hinausgehen zu Euren Nachbarn und ihnen Zeugnis geben vom Namen Jehovas, Gottes, und von seinem Königreich unter Christus Jesus." (S. 45)

Immer wieder werden alle für die Zeugen Jehovas negativen Entwicklungen jener Jahre in Beziehung zur katholischen Kirche gesetzt. Etwa mit der Bemerkung: „Auf der andern Seite der Grenze, im katholischen Österreich, wo der Kanzler Dollfuß legaler Diktator geworden war, wurde die Watch Tower Zweigstelle in Wien geschlossen und die Gesellschaft auf Verfügung des Staates im Juli 1935 aufgelöst. Auch dort verhaftete man die Zeugen und warf sie in Gefängnisse." (S. 48)

„Jenseits des Kanals, in Frankreich, dass dem Verrat an der Republik und der Aufrichtung einer Kolloborationisten-Regierung unter einem unterwürfigen römisch-katholischen 'Staats-Chef' (dem 'guten Marschall Petain' des Papstes) entgegenging, schloss am 18. Oktober 1939 die Regierung die Watch Tower-Zweigstelle in Paris und beschlagnahmte die Literatur." (S. 50)

„In Ungarn, einem vorwiegend katholischen Lande, verfügte die Regierung am 13. Dezember 1939 die Unterdrückung der Zeugen." (S. 50)

„In neunzehn Tagen erlag Polen dem Blitzkrieg der Nazi, und dies brachte die schon verfolgten polnischen Zeugen unter neue religiöse Tyrannen. In der Slowakei, die an Hitler-Deutschland verraten wurde durch den römisch-katholischen Priester Dr. Josef Tiso, der am 26. Oktober 1939 Präsident der Slowakei wurde, benutzte dieser seine 'Hlinka-Garde' als Polizeimacht um die slowakischen Zeugen an ihrem Werke zu hindern, sie schlagen und gefangen nehmen und ihre biblische Literatur konfiszieren zu lassen." (S. 50)

Zusammenfassend äußert die WTG:

„Im Frühjahr 1940 begann das weltliche 'Schwert' der römisch-katholischen Hierarchie, nämlich der Naziführer Hitler, sich allen Ernstes den Weg durch Europa zu erzwingen. Dieser Weg war geebnet und gebahnt durch die unterirdische Arbeit der römisch-katholischen 'Fünften Kolonne.' Schnell aufeinanderfolgend gerieten daher die Zeugen Jehovas in Norwegen, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Holland und Frankreich unter die Macht der Naziangreifer. Indem Mussolini Frankreich in den Rücken fiel, wurde die Lage der wenigen Zeugen Jehovas in Italien gefahrvoller, weil die Nazi und Faschisten dort direkter zusammenarbeiteten. Mehr als 150 Zeugen wurden verhaftet, und einige blieben jahrelang in Gefängnissen. Dann folgte der Einfall in Griechenland und Jugoslawien, wodurch das Zeugnisgeben für Gottes gerechtes Königreich in jenen Ländern nur noch im geheimen weitergehen konnte. Dass die Nazi im Jahre 1941 Russland den Krieg erklärten und darauf Rumänien und Bulgarien unter die Naziherrschaft brachten, wurde den rumänischen und bulgarischen Zeugen zur großen Prüfung ihrer Hingabe an Jehova Gott und sein Königreich.

Das Jahr 1940 war das 400. Jahr seit der Gründung des Jesuitenordens. Offenbar hatte die römisch-katholische Hierarchie dieses Jahr als den Zeitpunkt bestimmt, da mittels des Nazi-Polypen, der 'Fünften Kolonne' und der Katholischen Aktion, die Herrschaft der Welt für den Vatikan übernommen werden sollte. Genau zur Frühlingsoffensive der Nazis, vom Mai 1940 an, veranlasste die römisch-katholische Hierarchie in überwiegend katholischen Gebieten der Vereinigten Staaten Gewalttaten des Pöbels." (S. 51, 52)

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1946er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte