„Neue Welt"

Circa 1942 erschien erstmals das Buch „Die neue Welt". Zusammen mit den Büchern „Die Wahrheit wird euch frei machen" und „Gott bleibt wahrhaftig" wurde es in Brooklyn in Deutsch gedruckt und nach 1945 bei sich bietender Gelegenheit nach Deutschland verschifft. Sämtliche Zeugen Jehovas Versammlungen in Deutschland, wurden nach 1945 als „Erstausstattung" mit diesen Büchern bestückt. Während „Die Wahrheit wird euch frei machen" und „Gott bleibt wahrhaftig" schon der Knorr-Ära zuzuordnen ist, trifft dies für „Die neue Welt" noch nicht zu. In ihrem Impressum wird noch vermerkt, dass es von den Herausgebern der Bücher: „Kinder, Feinde, Prophezeiung, Reichtum, Regierung" usw. stamme. Alles eindeutige Rutherford-Titel. Prangte auf den zitierten Buchtiteln auch der Name Rutherford, so trat nun bei „Die neue Welt" schon eine Änderung dergestalt ein, dass kein Verfassername mehr genannt wurde.

Ein „Schmankerl" dieses Buches ist die relativ plumpe Verteidigung der Rutherford'schen Fürstenvilla „Beth Sarim". Zu diesem Aspekt wird darin ausgeführt:
„Demzufolge können jene treuen Menschen der alten Zeit jetzt irgendwann zurück erwartet werden. Die Heilige Schrift gibt guten Grund zu dem Glauben, dass dies kurz vor dem Ausbruch Harmagedons geschehen werde.

In dieser Erwartung ist im Jahre 1930 in San Diego, Kalifornien, ein Haus gebaut worden, über welches die religiösen Feinde in der breiten Öffentlichkeit böswillig vieles geredet haben. Es trägt den Namen 'Beth-Sarim', was 'Haus der Fürsten' bedeutet. Zur Zeit wird es als Wohnstätte für die zurückkehrenen Fürsten verwaltet.

Die jüngsten Geschehnisse zeigen, dass die Religionisten der gegenwärtigen, dem Untergang geweihten Welt wegen des Zeugnisses, dass durch dieses 'Haus der Fürsten' für die Welt gegeben wird, mit den 'Zähnen knirschen.' Diese Religionisten und ihre Bundesgenossen wird es nicht freuen, dass jene treuen Menschen der alten Zeit zurückkehren, um nach Recht und Gerechtigkeit über das Volk zu herrschen. Den Menschen 'guten Willens' aber, von denen die Engel gesungen haben, wird dies ein Anlass zu grenzenlosem Jubel sein, und sie werden sich um jene fürstlichen Vertreter des Reiches der Himmel scharen" (S. 104).

„Diese von Gott eingesetzten 'Fürsten' werden das auf Erden übernehmen, was die nazifaschistischen totalitären Diktatoren in verzweifeltem Ringen an sich zu reißen suchten" (S. 130).

Ein weiteres Charakteristikum jenes Buches ist die bei den Zeugen Jehovas beliebte Bibelauslegung über einen Nord- und Südkönig. Letztere hat dann im laufe der Zeit noch einige Abwandlungen erfahren. Aus der Sicht der Zeugen Jehovas des Jahres 1942 stellte sie sich wie folgt dar:

„Können wir bestimmt wissen, dass die Welt ihrem endgültigen Ende nahe ist, wie es Jehovas Zeugen so zuversichtlich erklären? Man beachte ferner die Prophezeiung:
'Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen (ihn stoßen - engl. B.), und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten' (Daniel 11:40).

Der demokratische, liberale 'König des Südens' folgte einer erniedrigenden Besänftigungspolitik gegenüber den Forderungen und Angriffen des 'Nordkönigs', gebot jedoch im August 1939 Halt.

Beim nächsten Gewaltakt seines Rivalen ergriff er am 3. September 1939 Maßnahmen gegen ihn. Die Welt weiß heute, was darauf folgte. Ein Blitzkrieg durch den 'König des Nordens', schauerliche, nervenerschütternde Bombenangriffe aus der Luft, mechanisierter Bewegungskrieg, dass trojanische Pferd: die 'Fünfte Kolonne', Überfallschiffe, Piraten-Unterseeboote, meuchlerische Überfälle ohne Kriegserklärung, teuflisch geschickte Zusammenarbeit aller mitwirkenden Teile gleich dem 'Anstürmen mit Wagen und Reitern und vielen Schiffen.'

Polen zerfällt in achtzehn Tagen; Norwegen, Dänemark, Luxemburg erliegen über Nacht; die Dämme Hollands erweisen sich als unzulänglich, die Republik Frankreich geht unter und ein untertäniger Religionist wird zum Staats-Chef erklärt, dies bedeute die Morgendämmerung eines neuen Tages für Frankreich und die ganze Welt - jawohl, worin die Demokratie untergegangen und verschwunden wäre!

In noch mehr Länder wird eingedrungen, noch weitere werden überflutet: Russland, das schwache Griechenland, Jugoslawien, Indochina, Thailand, Ostindien, Singapur, Rangun, Pearl Harbour und die Manilabucht; die weitere Geschichte davon ist bekannt" (S. 339, 340).

„Man beachte, dass 'der König des Südens' vom vierzigsten Verse an aus der Prophezeiung ausscheidet. Dies ist ein schlechtes Zeichen. Dies und andere Schriftstellen deuten darauf hin, dass vor dem endgültigen Ende alle Nationen totalitär werden und die Interessen des 'Nord'- und 'Südkönigs' - unter Religion als Bindeglied - eins werden. Es bedeutet einen Weltbund, und schon zeigen kundgegebene Worte und Zeichen an, dass dies an der Weltfriedenskonferenz stattfinden wird, für die sich das Haupt des Vatikans herausputzt" (S. 344).

„Die erstaunliche Prophezeiung, die vor langem über den 'König des Nordens' und den 'König des Südens' ausgesprochen worden ist, erfüllt sich jetzt, ja steht vor ihrer Enderfüllung, was beweist, dass wir dem endgültigen Ende dieser alten Welt der Bosheit nahe sind" (S. 347)


Zu jenem Buch "Die Neue Welt" gab es (in Englisch) noch eine Art "Werbebroschüre" unter dem Titel: "Frieden. Kann er von Dauer sein" die 1942 erschien. Ihr Schlusssatz vermerkt:
"Genauere Informationen über die Segnungen … unter Gottes Königreich sind in dem neuen Buch zu finden, das auf diesem Kongress zum erstenmal freigegeben wird und den Titel trägt: 'Die Neue Welt'".

Den meisten europäischen Staaten blieb es verwehrt, bedingt durch die Kriegsereignisse, diese "neue Wahrheit" auch zeitlich parallel offeriert zu bekommen. Das genannte Buch konnten sie erst nach 1945 kennenlernen, als seine dort niedergelegten Thesen auch schon wieder "der Schnee von gestern" waren. Immerhin ist dieses Buch wohl als das erste der neuen Knorr-Ära anzusehen.

Mitten im Zweiten Weltkrieg veröffentlicht, dessen Ende zu dem Zeitpunkt noch nicht in Sicht war, übte man sich in Spekulationen darüber, wie es denn nach dem Kriege wohl weiter gehen könne. Der (damalige) Lieblingsfeind der Zeugen Jehovas, bekam auch in der genannten Broschüre reichlich sein "Fett weg"; beispielsweise mit dem Satz:

"Die unleugbaren Tatsachen sprechen eine laute Sprache in dieser Hinsicht, dass das große Hindernis für die Weltherrschaft durch den demokratischen Lebensstil das totalitäre Religionssystem mit seiner Zentrale im Vatikanstaat ist."

Aber wie gesagt, die Broschüre erschien 1942. Und zur eigentlichen Aussage der Broschürenüberschrift enthielt sie auch eine durchaus deutliche Antwort; enthalten beispielsweise in dem Satz:

"Wenn Jehovas Zeugen völlig daran gehindert werden, die Befindlichkeiten von Religionisten und totalitären Staatsmännern zu stören, werden die Herrscher der 'Neuen Ordnung' 'Frieden' ausrufen; 'aber es wird kein Frieden sein', das heißt, keiner mit Jehova Gott und seinem Lamm, dem 'König der Könige'. Gottes Wort warnt: 'Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen' (1. Thessalonicher 5:3). Noch einmal stellen wir die wichtige Frage:

'Frieden - kann er von Dauer sein?' und Gottes eindeutige Antwort ist Nein! Der von Menschen geschaffene Frieden mit dem 'Segen' der Religion wird sehr kurzlebig sein, und die Könige und politischen Herrscher werden sich nicht lange an ihm erfreuen. Der Bericht sagt, sie 'empfangen Macht als Könige für EINE STUNDE mit dem wilden Tier.' 'Eine Stunde' bedeutet in Gottes Augen eine sehr kurze Zeit; und plötzlich werden diese zehn Hörner und das wilde Tier in die Vernichtung gehen, nicht in Frieden, sondern gewaltsam, in der Schlacht von Harmagedon."

Diese vorgebliche "eine Stunde" hat indes sogar die von den Zeugen Jehovas danach noch lancierten Datenspekulationen für 1975 und 1996 überlebt.

 

Aus dem Buch "Die Neue Welt" entnommen

Schon vor Drucklegung veraltet. Das wird man wohl zu dem in Deutsch 1946 erschienenen Buch "Die neue Welt" sagen können, dass in der "Trost"-Ausgabe vom 1. 3. 1946 euphorisch angepriesen wird. In Englisch bereits 1942 erschienen, wird es nun auch dem deutschsprachigen Publikum offeriert.
Eine dabei gewählte Zwischenüberschrift lautet: "Keine menschliche 'Neuordnung!'"
Das also glaubt man der Welt nach 1945, im Angesicht der Trümmerberge, verkünden zu sollen.
Trümmerberge, zwar nicht in den USA, wo jenes Buch geschrieben, aber eben in Europa und Deutschland im besonderen auch. Die Destruktivität solcher Thesen ist offensichtlich.
Noch immer dem Rutherford'schen Gedankengut verhaftet findet man darin auch solche Thesen wie:

"Religion ist alles das, was gegen das Tun des Willens Gottes ist".
Ein besonderes "Schmankerl" stellt auch die These auf Seite 104 dar:
"Demzufolge können irgendwann jene treuen Menschen der alten Zeit jetzt irgendwann zurückerwartet werden. Die Heilige Schrift gibt guten Grund zu dem Glauben, dass dies kurz vor dem Ausbruch Harmagedons geschehen werde.
In dieser Erwartung ist im Jahre 1930 in San Diego, Kalifornien, ein Haus gebaut worden, über welches die religiösen Feinde in der breiten Öffentlichkeit böswillig vieles geredet haben. Es trägt den Namen 'Beth-Sarim', was 'Haus der Fürsten' bedeutet. Zur Zeit wird es als Wohnstätte für die zurückkehrenden Fürsten verwaltet."

Allerdings hielt "Trost" es nicht für nötig, jenen Passus auch zu erwähnen. Zu handgreiflich kommt da doch die zweckbestimmte religiöse Einfalt, ein generelles Charakteristikum in der Frühzeit dieser Religionsorganisation, zum Ausdruck.

"Diese von Gott eingesetzten 'Fürsten' werden das auf Erden übernehmen, was die nazifaschistischen Diktatoren in verzweifeltem Ringen an sich zu reißen suchten", glauben die Narren ihrem Narrenpublikum weiter verkünden zu können.

Weinerlich meint man, unter Hinweis auf das Bibelbuch Hiob Kritik an diesem Narrenverein zurückweisen zu sollen.
Das erinnert dann doch wieder an George Orwells "Farm der Tiere", wo auch vollmundige Thesen plakatiert wurden, die dann allerdings später "ergänzt" wurden. Jene "Ergänzungen" desavouierten zwar die Kernaussage, aber formal blieb die ja bestehen.

Oder wenn Orwell berichtet, wie in seiner "Farm der Tiere" derjenige der mittels Installierung einer Windmühle das Leben leichter machen wollte, als "Verräter" an den hehren Grundsätzen verjagt wurde. Die Usurpatoren indes nacher seine Planung wieder aufnahmen, um sie als die "eigene" jetzt zu verkaufen.

Die gesamte WTG-Religion ist auf allen Ebenen ein einziger Abklatsch dessen, was Orwell schon mal mit seinen Parabeln plastisch beschrieben hatte!

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1942er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte