Wachtturm-Studium

Für Christen aus anderen Kirchen und Gemeinschaften, aber nicht nur für sie, ist es ein ungewöhnlicher Eindruck, wenn sie das erste mal einem sogenannten Wachtturmstudium der Zeugen Jehovas beiwohnen. Da wird doch sage und schreibe, ein kompletter Zeitschriftenartikel innerhalb dieser Zusammenkunftsstunde nochmals laut verlesen, den die Anwesenden in der Regel schon im voraus bereits einmal gelesen hatten. "Gewürzt" wird das noch durch sogenannte "Fragenbeantwortungen". Nicht etwa die individuellen Fragen der Teilnehmer - mitnichten. Es handelt sich da um bereits vorgegebene Fragen, deren Zweck lediglich darin besteht, dass die Antwortenden, den Inhalt des entsprechenden Wachtturmabschnittes - bestenfalls - in eigenen Worten wiedergeben. Auch zu diesem Aspekt ist in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 1. 1939, die gewissen Organisationsanweisungen gewidmet ist, eine bemerkenswerte Ausführung enthalten. Die entsprechende Anweisung besagt:

"Lasst eine treffende Antwort geben und dann den Abschnitt im Wachtturm als Zusammenfassung des Gegenstandes vorlesen. Wenn sich jemand freiwillig zum Beantworten der gestellten Fragen meldet, so sollte der zu diesem Zwecke Erwählte den Abschnitt im Wachturm aufmerksam vorlesen. … Der Leiter des Studiums sollte keine Zeit auf zusammenfassende Bemerkungen verwenden. Zu diesem Zweck wird ja der Abschnitt im Wachtturm gelesen.

Gewisse Personen, die als Studienleiter geamtet haben, haben sehr ungerecht gehandelt, indem sie einen großen Teil der Zeit darauf verwendet haben, vor oder nach jeder Frage eine Rede zu halten. Ein solches Vorgehen ist ganz außer der Ordnung. Der Studienleiter ist da, um Ordnung zu halten die Fragen vorzulesen, Personen zum Antwortgeben aufzurufen und darauf zu achten, dass die Organisationsanweisungen ausgeführt werden. Er ist nicht da um seine eigene Gelehrtheit zur Schau zu stellen. In solch törichter Weise hat die Wahlältestenklasse, die ein großes Verlangen hat, sich wichtig zu machen, lange Zeit gehandelt" ("Der Wachtturm" 1. 1. 1939 S. 14).

Rüdiger Hauth formulierte seine Eindrücke dazu einmal so (Idea-Dokumentation 11/95

"Im Schatten des Wachtturms - Wer sind die Zeugen Jehovas?"):

„Wer zum ersten Mal ein solches „Wachtturm-Studium" als Außenstehender besucht, hat das Gefühl in einer Art Hilfsschule gelandet zu sein.

Nach einem geistlosen Frage- und Antwort-Schema wird Zeile für Zeile des Stoffes anhand vorformierter Fragen „durchstudiert", die Kleingedruckt unter jedem Artikel stehen. Die Antworten dürfen sich nur auf den eben gelesenen Absatz beziehen. Es darf keine kritische Auseinandersetzungen mit dem Inhalt stattfinden, sondern nur eine gläubige Aufnahme der Wachtturm-Gedanken. Die Indoktrination ist perfekt. Hier werden praktisch die „Tonbänder" bespielt, die dann an unseren Haustüren ablaufen."

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1939er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte