Man protestiert

Die Bibelforscher waren auch in Deutschland nicht sonderlich gut gelitten. Diese Sachlage offenbarte sich auch in ihrem Kampf um das Radio. In seiner 1929 veröffentlichten Broschüre "Des Volkes Freund" schrieb Rutherford beispielsweise:

"Das Radio ist Jehovas Erfindung. Der Mensch hat lediglich herausgefunden, wie es zu gebrauchen ist. Die Zeit wird noch kommen, da Jehova Gott es seinen treuen Vertretern ermöglichen wird, von Jerusalem aus klar und deutlich vernehmbar zu allen Völkern der Erde zu reden … Daher ist es nur passend und zeitgemäß, dass Jehova Gott den größten jemals auf der Erde über ein Netz vereinigter Radiostationen gehörten Rundspruch zum Ruhme seines Namens gebrauchen ließ. Das geschah in Detroit, Michigan, am Sonntag dem 5. August 1928."

Weiter wird in der gleichen Broschüre ausgeführt:
"Radionetz von 100 Stationen stellt neuen Rekord auf. … 'Ich habe ein Telegramm von einer der New Yorker Tageszeitungen erhalten', erwähnte Richter Rutherford im Laufe seines Vortrages, worin gefragt wird, wieviel dieser Vortrag koste und wer ihn bezahle. 'Meine Antwort ist, dass er 50 000 Dollar kostet und von einer Anzahl Christen in den Vereinigten Staaten bezahlt wird, die froh sind, es tun zu können."

Trotz dieser Euphorie gelang es den Bibelforschern in Deutschland nicht, in gleicher Weise einen Fuß in die Radiostationen setzen zu können. Hier machten sich die Kirchen stark, nachdem es den Bibelforschern 1928 mal gelungen war, ein oder zwei Radiovorträge in Deutschland senden zu lassen. Hier machten sich die Kirchen stark, mittels ihrer Lobbyschiene und Protesten, eine Wiederholung dieses Vorganges zu verunmöglichen. Ein Dokument des diesbezüglichen Frustes auf Bibelforscherseite, ist auch in der 1929 erschienenen Rutherford-Broschüre "Bedrückung. Wann wird sie enden?" abgedruckt, in der man lesen konnte (S. 60, 61):

"Deutsche Leser und Radiohörer!

Durch mehr als 100 in allen Teilen der Vereinigten Staaten gelegene Radiostationen vermittelt die Internationale Bibelforscher-Vereinigung dem amerikanischen Volke die für jedermann so wichtige Aufklärung … und nach Hunderttausenden zählen auch die in Deutschland an solchen Radioveranstaltungen aufs höchste Interessierten … Dennoch aber werden in Deutschland Hunderttausende willkürlich ihrer berechtigten Ansprüche enteignet. Alle ihre an die Sendegesellschaften gerichteten dringenden Ersuchen wurden direkt oder durch Ausflüchte abgelehnt.

Protest-Resolution

11 000 auf der diesjährigen Bibelforscherkonferenz zu Leipzig (Pfingsten 1929) versammelte Vertreter der Bibelforschergruppen Deutschlands übermitteln hiermit dem Leipziger Rundfunk den Ausdruck ihres schärfsten Protestes gegen die Maßnahmen der hiesigen Sendeleitung, die eine Benutzung des Radios für die Übertragung der Kongreßeröffnung verhindert haben, und versichern dem Leipziger Sender, dass sie in ganz Deutschland die Kulturfeindlichkeit dieser rückständigen Maßnahmen gebührend bekanntgeben werden … Diese einseitige Parteilichkeit des hiesigen Senders und die an das Mittelalter erinnernde Zensur, die der deutsche Rundfunk - mit Bezug auf dem geübten Umfang dieser Zensur - zweifellos völlig unberechtigt ausübt, auch dem Auslande in gebührender Weise bekanntgeben. … Wir beauftragen hiermit die Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft als die Zentralstelle der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung, diesen Protest mit unsrer eben ausgedruckten Forderung an die zuständigen Stellen der Deutschen Regierung weiterzuleiten mit dem entschiedenen Ersuchen, uns den uns unberechtigterweise vorenthaltenen Anteil des Rechtes der Benutzung des Radios zu verschaffen:"

Unterschrieben von: Oskar Graf von Wartesleben; Baron Nicolaus v. Tornow; Amtsgerichtsrat Dr. Mütze; Alfred Zimmer, Reg.-Sekretär.

Im Rückblick wird man zu konstatieren haben, dass trotz dieser "starken" Worte, die deutsche Bibelforscherleitung ihr diesbezügliches Ziel nicht erreichte.

Man vergleiche als Kontrastprogramm dazu, ihre gegenwärtigen Bemühungen in Sachen "Körperschaft des öffentlichen Rechtes" und ihre publizistisch-juristische Darstellung!

Nicht nur die Bibelforscher protestierten, ihre Kontrahenten die Kirchen, taten es in gleicher Weise. Auch die zeitgenössischen kirchlichen Urteile waren von Vorurteilen und Ressentiments geprägt. Man wird wohl kaum sagen können, dass sie die Bibelforscher-Herausforderung wirklich "begriffen" haben. An Oberflächlichkeiten herum kratzend, offenbaren sie letztendlich nur eines. Ihre Abhängigkeit von deutschnationalistischen politischen Strömungen. Hugenberg lässt grüßen - auch und besonders bei den Kirchen! Symptom dafür ist auch jener kirchliche Kommentar, den sie dem Leipziger Bibelforscherkongress von 1929 widmeten, den die "Leipziger Neuesten Nachrichten" am 18. 5. 1929 veröffentlichten und in dem man lesen konnte:

"Von kirchlicher Seite werden wir um Aufnahme folgender Zeilen gebeten:

Eine für unser gesamtes Volksleben recht gefährliche Bewegung ist die aus Nordamerika zu uns herübergekommene Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher. Nicht genug, dass unser Volk sich wehren muss gegen den Ansturm des politischen Bolschewismus. Auch auf religiösem Gebiete mehren sich die Sturmzeichen, dass man versucht, die ganze bisherige abendländische Kultur, die im Christentum und christlicher Sitte und Lebensauffassung gerade in unserem deutschen Volke ihre besondere Vertiefung erfahren hat, über den Haufen zu werfen. Die IVEB, stellen nach ihrer Lehre keine christliche Bewegung dar. Auch ihre Zukunftserwartung nach ihrem 'göttlichen Plan der Zeitalter' ist eher eine Verherrlichung des jüdischen Volkes als ein Ausfluss christlicher Glaubensüberzeugung. Bekannt ist ihre fanatische Einstellung gegen die geschichtlich gewordenen christlichen Bekenntniskirchen. Es werden unbesehen amerikanische Verhältnisse auf die Beurteilung deutscher kirchlicher Angelegenheiten übertragen. Leicht ist das Einreißen. Positiver Aufbau zu einer Durchdringung des Volkslebens mit den Kräften des Evangeliums scheint der IVEB nicht am Herzen zu liegen. Wenn diese Bewegung in unserem Volke siegt, dann treiben wir rettungslos dem religiösen Bolschewismus zu."

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1929er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte