Annotationen zu den Zeugen Jehovas

"Die ... Gesellschaft wurde der Schmach preisgegeben, weil sie kein Hospital-Werk betreibt"

Die Brooklyner Zeitung "The Eagle" hatte Furore gemacht. Das Mittel der Karikatur einsetzend, hatte sie den Bibelforschern einen "Spiegel" vorgehalten, der plötzlich ihre "schönen Gesichter" als hässliche Fratzen erscheinen ließ.

"Wenn Pastor Russell einen Dollar je Pfund Wunderweizen kriegen kann, was hätte er als Direktor der alten Unionbank für die Wunderaktien und -obligationen bekommen können?" fragte sie mittels einer Karikatur

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Journalisten sind in der Regel bemüht, gewisse weitschweifige Tatbestände, verkürzt, aber gezielt auf den Punkt zu bringen. Das galt offenbar auch für den "Eagle". Und wie dass im Leben so ist, hat der Gegner sich eine Blöße gegeben, wird gezielt an diesem Punkt angesetzt. Diese bittere Erfahrung musste schon Russell machen. Seine "Blöße" war sein euphorisches Engagement für den sogenannten "Wunderweizen". Isoliert betrachtet, kann man sich auf den Standpunkt stellen, die Sache wurde ungebührlich "hochgekocht". Geschäfte - mit oder ohne "Wunderweizen" - machen auch andere. Nicht nur Russell. Sein Geschäftsgebaren in Sachen Wunderweizen hielt sich zudem in Grenzen. Dies alles ist einzuräumen. Indes gilt auch der Spruch: "Es wird der Sack geschlagen um den Esel zu treffen."

Voll Bitternis muss Russell registrieren, dass diese Taktik auch ihm gegenüber zur Anwendung kam. Unfähig, seine Gesamtposition selbst kritisch genug zu reflektieren, musste er registrieren, dass da sich die Journalisten auf den "Wunderweizen" gestürzt hatten. Und er meinte weiter in seiner heiligen Einfalt, sich dagegen zur Wehr setzen zu sollen, worin ihn seine Anwälte (sprich: J. F. Rutherford) noch bestärkten. Und das Ende vom Lied: Er handelte sich eine Niederlage auf der ganzen Linie ein. In der "Wachtturm"-Ausgabe vom April 1913 ist ein von Russell selbst verfasster Bericht enthalten, über den Ausgang der unsäglichen "Wunderweizen"-Kontroverse. Er schreibt darin:

"Der Prozeß gegen die Zeitung 'The Eagle' wegen verleumderischer Herabwürdigung meines Rufes ist zugunsten derselben entschieden worden. Ein Kollegium von zwölf Geschworenen hat dahingehend entschieden, daß die lästernden Angriffe auf mich seitens des 'Eagle' gerechtfertigt seien, ungeachtet des Hinweises des Richters, daß nach dem Gesetz die Karikatur zum mindesten eine verleumderische, lästerliche Schmähung darstelle. Meine Anwälte sowohl als auch meine Freunde haben mich gedrängt, die Sache vor den Appellationshof zu bringen. Den Fähigkeiten und der Energie meiner Anwälte, der Herren Sparke und Rutherford, zolle ich höchste Wertschätzung.

Kurze Wiedergabe der Sache.

Ich nehme ein Interesse an allem, das den Fortschritt fördert und den Beweis liefert dafür, daß wir auf der Schwelle der Tausendjahr-Zeit der Segnung der Erde unter dem Messias stehen. In den Spalten des 'Wachtturms' habe ich von dem kommen göttlicher Segnungen als eine Erfüllung der Prophezeiung gesprochen: 'Die Wüste wird blühen wie die Rose'; 'Die Erde wird ihren Ertrag geben' usw. Vor fünf Jahren veröffentlichten wir im 'Wachtturm' Berichte in bezug auf 'Wunderweizen'. Wir veröffentlichten den Namen und die Adresse (Mr. Stoner) des Gutsbesitzers, der den neuen Weizen entdeckte, sowie seine Berichte hinsichtlich der merkwürdigen Eigenschaften des Weizens. Wir veröffentlichten auch den Bericht von Mr. Miller, dem Regierungs-Sachverständigen, der den Weizen gründlich untersuchte und seine Eigenschaften anerkannte. Einige unserer Leser kauften Samen von Mr. Stoner zu $ 1.25 (Mark 5.25) das Pfund und gaben ihrer Anerkennung Ausdruck. Im Jahre 1910 verkaufte ein Freund unsrer Gesellschaft, der von diesem Weizen gezogen hatte, denselben als Samen zu $ 1 (Mark 4.20) das Pfund, und ließ die Erträgnisse unserer Gesellschaft als Geschenk zufließen.

Im Jahre 1911 bat der Freund, nachdem er mehr Samen gezogen hatte, den 'Wachtturm', den Weizen seinen Lesern zum Preise von $ 1.- das Pfund einschließlich Porto zur Verfügung zu stellen, und die Netto-eingänge davon zugunsten des Werkes zu verwenden. Ein anderer Freund, der auch demselben Samen hatte, machte ein ähnliches Geschenk, sodaß insgesamt zwanzig Scheffel gegeben wurden.

Zur Bequemlichkeit unsrer Leser ließen wir, diesen Saat-Weizen in 1-Pfund-Packungen verpacken und posteten ihn von dem 'Wachtturm'-Kontor in der Weise, wie dies auch seitens der Regierung der Vereinigten Staaten von Washington aus geschieht.. Wir befaßten uns mit dieser Angelegenheit auf Wunsch und im Interesse anderer, und schrieben ihnen die Eingänge in unseren Büchern gut, wobei wir ihnen die Bestimmungsrechte überließen. Wir machten keine Angaben hinsichtlich des Weizens auf Grund eigener Erfahrung, sondern wir gaben lediglich den Bericht des behördlichen Sachverständigen, der Züchters und unsrer Freunde, die den Weizen versucht hatten. Wir handelten nur als Zwischenträger.

Nichts destoweniger wurde durch sachverständige Zeugen, interessierte sowohl als uninteressierte, völlig bei der Gerichtsverhandlung der Beweis für das erbracht, was hinsichtlich des Weizens gesagt war, und ihr Zeugnis konnte nicht entkräftet werden. Es wurde auch dargetan, daß der Gutsbesitzer Stones und sein Teilhaber, Mr. Knight, bis zum September 1911 keine Verkäufe dieses Weizens unter $ 1.25 das Pfund tätigten; und daß sie unter sich einen geschriebenen Vertrag gemacht hatten dahingehend, daß von diesem Weizen überhaupt nichts, zu keinerlei Preis, bis zum folgenden Jahr - 1912 - verkauft werden sollte.

Plötzlich, im September 1911, änderten sie ihre Pläne, da sie glaubten, genug Weizen angesammelt zu haben, und ermäßigten den Preis auf fünf Dollar für den Scheffel, während welcher Zeit der 'Wachtturm'-Weizen durchweg zu einem Dollar das Pfund verkauft wurde. Der Anwalt des 'Eagle' behauptete, daß darin ein Betrug seitens des 'Wachtturms' liege, der die verleumderischen Angriffe des 'Eagle' wider mich rechtfertigte.

Vergeblich suchte mein Anwalt dem Gericht zu zeigen, daß der 'Eagle' einen boshaften Hintergedanken habe, und daß er mich eigentlich auf religiösem Gebiet anzugreifen wünsche; daß er sich als der Vorkämpfer gewisser klerikaler Feinde von mir aufgeworfen habe und versuche, meinen Einfluß zu vernichten, und, wenn möglich, mich von Brooklyn zu vertreiben. Am Gericht waren etwa fünfundzwanzig meiner Freunde anwesend, die auf eigene Kosten von weither gekommen waren, um Gelegenheit zu haben, ein Wort zu meinen Gunsten zu reden. Durch einige Verwicklungen des Gesetzes in bezug auf Zeugen waren diese der Möglichkeit beraubt, zu meinen Gunsten vernommen zu werden.

Statt dessen gewährte das Gesetz dem Anwalt des 'Eagle' das Vorrecht, allerlei übles fälschlich wider mich auszusagen - um der Lehren Christi willen, die ich glaube und lehre. Es wurde ihm gestattet mich hinzustellen, wie der 'Eagle' dies in seiner Karikatur getan hatte, als einen Dieb und Räuber, der in dem Gewande eines Dieners Christi einhergehe. Es wurde ihm gestattet, den 'Wunderweizen' lächerlich zu machen, obgleich ich nichts damit zu tun gehabt hatte und ihm auch den Namen nicht gegeben hatte - ungeachtet der Tatsache, daß die vorzüglichen Eigenschaften des Weizens bewiesen worden waren.

Es wurde ihm erlaubt, es als strafwürdige Sache zu bezeichnen, daß ich das Amt des Präsidenten der Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft bekleide, und zu behaupten, daß ich das Amt auf eine verwerfliche und ungesetzliche Weise verwalte, und daß ich das Einkommen der Gesellschaft auf unerklärte Weise zu meinem eigenen Vorteil verwende.

Inzwischen würden Dutzende im Gerichtssaal und Tausende allenthalben im Lande gern bereit gewesen sein zu bezeugen, daß sie der Gesellschaft ihre Geldzuwendungen gemacht haben, weil sie das vollste Vertrauen in meine Rechtschaffenheit und meine Verwaltung als ausführendes Organ der Gesellschaft haben, und daß, wenn sonst jemand Präsident gewesen wäre, ihre Zuwendungen geringer gewesen sein würden, wenn sie denn überhaupt solche gemacht hätten.

Wahrscheinlich weil sieben von den Geschworenen Katholiken waren, nahm der Anwalt des 'Eagle' Veranlassung auf die Barmherzigen Schwestern und auf ihr edles Werk als Hospital-Pflegerinnen hinzuweisen, ohne indes die Tatsache zu erwähnen, daß diese Pflegerinnen gut bezahlt werden, und daß die Hospitäler in großem Maße aus Staatsmitteln unterhalten werden.

Die Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft wurde der Schmach preisgegeben, weil sie kein Hospital-Werk betreibt und kein Einkommen aus der Staatskasse hat, und weil die weiblichen Glieder der Gesellschaft nicht wöchentlich oder monatlich an den Lohntagen die Fabriken besuchen, um Gaben für ihr Werk zu sammeln.

Unsre Gesellschaft wurde auch der Schmach preisgegeben, weil wir nicht einen Wagen durch die Stadt senden, um Lebensmittel für den Unterhalt unsers Werkes zu sammeln; weil wir selbst Sonntags nicht irgendwelche Kollekten erheben; weil wir niemals irgend jemanden um einen Dollar angegangen haben; und weil wir niemals Bazare, Auslosungen und dergleichen veranstaltet haben. Unsre Gesellschaft wurde an den Pranger gestellt, weil sie ihre Literatur den Armen kostenfrei gibt, während andere ähnliche Gesellschaften sich von Reich und Arm für ihre Traktate und andere Veröffentlichungen bezahlen lassen. Der 'Eagle', zu deutsch 'Adler', wurde von seinem Anwalt als eine Taube geschildert, als ein Paradiesvogel.

Unser Heim, 'Bethel', wo einige der Mitarbeiter unsrer Gesellschaft wohnen, wurde der Schmach preisgegeben, indem man es mit einem Harem u. dergl. verglich. Dies hat mir wahrlich tief ins Herz geschnitten ..."

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1913er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

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