Wie aus Russellaner "Bibelforscher" wurden

Der Wachtturm (1910 S. 27) beklagt:

"Von verschiedenen Seiten erhielten wir Nachricht, daß die Leiter von Bibelstunden dagegen protestieren, wenn in den Versammlungen auf Wachtturm-Artikel hingewiesen wurde; es sollte nur auf die Bibel Bezug genommen werden. Das sah aus wie Treue gegen das Wort Gottes, aber es war nicht so. Es war nur das Bestreben dieser Lehrer, sich zwischen das Volk Gottes und das von Gott vorgesehene Licht über Gottes Wort zu stellen."

Dieser für die WTG mißlichen Lage, suchte sie mit einem Grundsatzartikel in der Juli-Ausgabe 1910 des Wachtturms entgegenzuwirken. Darin konnte man lesen:

"Viele Jahre lang sind die lieben Freunde, welche sich regelmäßig in der ganzen Welt zum Studium des Wortes Gottes versammeln und die Wachtturm-Schriften als Handleitung gebrauchen, in Verlegenheit gewesen, wie sie sich nennen sollen. Wir haben fortdauernd und vor allem gewarnt, was dem Sektenwesen oder Kirchentum ähnlich sein würde, aber wir haben nicht gewußt, was wir den Freunden vorschlagen sollten.

Wo zwei oder drei versammelt sind in des Herrn Namen, da haben sie allerdings das Recht, sich als eine Kirche zu bezeichnen, wenn sie wollen. Aber wenn der Name Kirche gebraucht wird, so fragen unsere Freunde und Nachbarn: Welche Kirche? Welche Denomination? Und wir finden es unmöglich, ihnen in angemessener Zeit zu erklären, daß wir nicht eine Sekte oder Partei zum Unterschied von anderen Christen meinen. …

Wir haben jetzt durch des Herrn Vorsehung eine Bezeichnung gefunden, die, wie wir glauben, dem Volk des Herrn überall annehmbar sein wird, in jeder Beziehung - die Bezeichnung in der Überschrift dieses Artikels. Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher."

Glatte Worte zur Täuschung der Arglosen, kann man dazu nur als Kommentar sagen. Deutlicher wird der Wachtturm in der Dezemberausgabe des gleichen Jahres. dort liest man unter der Überschrift "Ist das Lesen der 'Schriftstudien' Bibelforschung?"

"Der Plan, jeden Tag zwölf Seiten der Schrift-Studien zu lesen, den so viele versucht haben, ergibt mehr Bibel-Studium, als jede andere Weise, die wir kennen. Wir glauben, daß es nicht so wohl auf die Zeit ankommt, die für Bibel-Studium verwendet wird, als vielmehr auf das Maß von Belehrung, die gewonnen wird. Wir alle kennen Leute, welche Tage und Wochen und Jahre für Bibel-Studium verwendet haben, und wenig oder nichts gelernt haben. Wir meinen, daß die Idee, es sei Bibel-Studium, wenn nur die Zeit verwendet ist, eine Bibel in der Hand zu halten und einige Verse zu lesen, eine verkehrte Idee ist.

So glauben wir, daß, weil wir jetzt in dieser besonderen Zeit leben, am Ende dieses Zeitalters, wir mit einer klaren Entfaltung geistiger Dinge gesegnet sind. Wir meinen auch, daß die gegenwärtigen Segnungen zeitlicher Art, wie das elektrische Licht, aus ähnlichen Gründen vorhanden sind. (Hervorhebung von mir. M. G.) Daher ist der einfachste Weg, die Sache zu erklären der, anzuerkennen, daß des Herrn bestimmte Zeit gekommen ist, und daß er zum richtigen Verständnis geführt hat.

Wenn uns also der Herr in unserer Zeit etwas gegeben hat, was andere Zeiten, als die der Apostel, nicht kannten, wie gut und weise sie auch gewesen sein mögen - und wir die Methode der Belehrung ignorieren wollten, welche so entwickelt worden ist, so würde das nach unserem Urteil ein Ignorieren der Vorsehung des Herrn bedeuten. Indes, jeder muß sich selbst denken, und sein Verhalten auf jede Weise einrichten.

Wenn die sechs Bände Schrift-Studien praktisch eine nach den Gegenständen eingerichtete Bibel sind, mit den biblischen Beweisstellen versehen, so möchten wir die Bände wohl 'eine Bibel in arrangierter Form' nennen. Das heißt, sie sind nicht nur Kommentare zur Bibel, sondern sie sind praktisch die Bibel selbst, da kein Verlangen besteht, eine Lehre oder einen Gedanken nach individuellem Wunsch zu bilden, oder auf individuelle Weisheit zu gründen, sondern die ganze Sache nach der Richtschnur des Wortes Gottes darzustellen. Wir halten es daher für richtig, die Art des Lesens, dieser Art der Unterweisung, dieser Art von Bibelstudium zu folgen.

Ferner, wir finden nicht nur, daß die Leute den Göttlichen Plan nicht sehen können, wenn sie die Bibel allein studieren, sondern wir sehen auch, daß, wenn jemand die Schriftstudien beiseite legt, nachdem er sie gebraucht hatte, nachdem er wohl bekannt mit ihnen geworden ist, nachdem er sie zehn Jahre gelesen hat - wenn er sie dann beiseite legt, und sie ignoriert und zur Bibel allein geht, obwohl er seine Bibel zehn Jahre lang verstanden hat, unsere Erfahrung zeigt, daß er binnen zwei Jahren in die Finsternis geht.

Auf der anderen Seite, wenn er nur die Schrift-Studien mit ihren Hinweisen gelesen hätte, und nicht eine Seite der Bibel als solche gelesen, so würde er am Ende der zwei Jahre im Licht sein, das Licht der Heiligen Schrift besitzen."

1910er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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