Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Zwischenbilanz

Einem in der Märzausgabe 1908 des "Zions Wacht Turm" veröffentlichten Rückblick über das Jahr 1907 kann man entnehmen:

Beträchtliches ist in Deutschland geschehen, doch die Erfolge sind ziemlich entmutigend angesichts der aufgewendeten Mühe und des verausgabten Geldes. Die Kolportage-Arbeit scheint dort auch nicht zu gedeihen, weil die lieben Freunde es vielleicht nicht recht anfangen, oder sonst wegen der Knappheit des Geldes, oder gar wegen beider dieser Schwierigkeiten. Ohne Zweifel leben die Leute in Deutschland gut und komfortabel, und wenn sie den Wert der geistlichen Nahrung schätzen lernten, die der Herr jetzt Seinen Geweihten darbietet, so würden sie bereit sein, sich in bezug auf natürliche Nahrung und Luxus zugunsten der geistlichen zu verleugnen. Wir möchten ganz besonders die Kolporteure dort ermutigen, mit größerem Mut und vermehrtem Eifer die Sichel der Wahrheit zu schwingen. Das, was dort erreicht wurde, geschah meist durch Verbreitung von Traktaten, und leider wurde von diesen nur ein geringer Teil durch Freiwillige verbreitet, da fast alle durch Beilagen zu Zeitungen zum Versand gelangten.

Diese Angabe ist durchaus aufschlussreich. Die Russellbewegung suchte also durch Überschwemmung mit Werbematerial in Deutschland, Fuß zu fassen. Und das was Rutherford dann durchsetzen konnte, das Treppentierrierdasein der einfachen Zeugen Jehovas; war damals jedenfalls, noch nicht so durchsetzbar.

Als Statistikzahl wird genannt, dass der deutsche Wachtturm eine monatliche Auflage von 1.800 Exemplaren habe, Wenn man bedenkt, dass Russell seinen englischen Watchtower im Jahre 1879 mit einer Startauflage von 6.000 Exemplaren begann, dann sind 1.800 Exemplare nicht viel. Zudem ist es eine Binsenweisheit. Je niedriger die Auflage, umso wirtschaftlich unökonomischer ist sie.

Immerhin wollte die Russellbewegung mit Gewalt auch in Deutschland Fuß fassen. Symptom dafür ist auch die Angabe, dass im Jahre 1907 in Deutschland 6 Millionen 4seitige Traktate verbreitet wurden, davon: 4.850.000 als Beilagen in sonstigen Zeitungen und Zeitschriften.

Es war zu jener Zeit in der Tat so, dass die externe Presse die einzig relevante Logistikbasis für die Russellbewegung in Deutschland darstellte. Ein Beleg dafür ist auch der nachfolgende Bericht in der Märzausgabe 1908 von "Zions Wacht Turm":

Der letzte Antrag beispielsweise, der an uns wegen Veröffentlichung der wöchentlichen Predigt (von Russell) gestellt wurde, besagte, daß verschiedene Brüder den Herausgeber (des Presseorgans) gebeten hatten, diese Vorträge zu veröffentlichen, und daß endlich einige von ihnen sich an den Vorsteher der Abonnements-Abteilung wandten und ihm die Versicherung gaben, daß sie seinem Journal mindestens 100 neue Abonnements garantieren könnten, wenn die Predigten darin erschienen.

So gefielt es dem Herrn, die Brüder zu gebrauchen, die nicht nur ihre eigenen Wünsche bezüglich des Lesens der wöchentlichen Predigten und die Gelegenheit des Sendens von Blättern an ihre Freunde im Auge hatten, sondern überdies auch den Gedanken, daß tausende auf diese Weise in Berührung mit der Wahrheit kämen, die sonst nicht so gut erreichbar wären. Wir empfehlen dieses Vorgehen den lieben Freunden allenthalben.

Auch empfehlen wir, daß die lieben Freunde allenthalben die Herausgeber dieser Zeitungen dadurch ermutigen, daß sie von Zeit zu Zeit kurz einige Punkte in den Predigten erwähnen, die sie besonders geschätzt haben, und dadurch das gute Werk anerkennen, welches die Herausgeber dadurch tun, daß sie die Veröffentlichung dieser Predigten unternehmen. In fast allen Fällen treten Geistliche der verschiedenen Benennungen, zuweilen einzeln und zuweilen in einer Gesamtheit, an den Herausgeber heran, und bemühen sich durch falsche Darstellungen und Drohungen die Veröffentlichung der Predigten zu verhindern. Wenn die Freunde der Wahrheit kein Interesse zeigen und die Zeitungen in der Sache nicht ermutigen, und der Widerspruch tätig ist, so mag der Herausgeber leicht zu dem Schluß kommen, daß seinen Interessen besser gedient wäre, wenn er die Veröffentlichung der Predigten unterließe.

1908er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

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