Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Die sieben letzten Schlussjahre

Im "Zions Wacht Turm" vom April 1908 gelesen:

Nach unserem Verständnis der Bibel ist, wie in den Tages-Anbruch-Bänden dargelegt, das Erntewerk seit Oktober 1874 im Gange, und wird im Verlauf von 40 Jahren - zum Oktober 1914, beendet sein. Wir erwarten bestimmt, daß innerhalb dieser Zeit der gesamte Weizen in die Scheune gesammelt, verherrlicht sein wird, während das Unkraut in Bündel gebunden werden wird, wenn nicht schon bis dahin das Verbrennen desselben begonnen hat.

Wir verstehen das Verbrennen des Unkrauts nicht so, als ob es mit buchstäblichem Feuer geschähe.

Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß unserm Dafürhalten nach die Christenheit im Oktober 1907 in die sieben Schlußjahre der Erntezeít eingetreten ist. genau um dieselbe Zeit setzte die gegenwärtige große Finanzkrisis ein, deren Panik der Christenheit eine krampfhafte Erschütterung brachte, und nach unsrer Erwartung werden die ganzen so begonnenen sieben Jahre Zeuge sein von aufeinanderfolgenden Paniken und Schwierigkeiten, von denen jede die Interessen der Menschheit immer empfindlicher berühren wird, die Reichen sowohl als auch die Armen, und jede wird Verhältnisse mit sich bringen, die immer etwas schwerer wie die vorangegangenen sein werden», bis mit dem Abschluß der sieben Jahre, im Jahre 1915 nach der Bibel unsrer Erwartung zufolge die Anarchie die Oberhand und Herrschaft in der ganzen Christenheit gewinnen wird, indem sie die gegenwärtigen Einrichtungen, bürgerliche und religiöse, finanzielle und soziale umstürzt, und im allgemeinen die arme Welt in die. schrecklichste Trübsal stürzt, die sie je erfahren hat.

Wir prophezeien nicht; wir sagen nur, welcherlei unsre Erwartungen sind, während die biblische Begründung für dieselben sich schon in den sechs Bänden von "Tages-Anbruch" in den Händen unsrer Leser befindet. Wir behaupten nicht einmal, daß sich kein Fehler in unsrer Deutung der Prophezeiung und unsrer Berechnung der Chronologie befände. Wir haben lediglich diese Tatsachen dargelegt, und überlassen es jedem einzelnen, seinen Glauben oder Zweifel in bezug auf sie in Tätigkeit zu setzen, wobei aber unser Glaube durch unsre Werke bewiesen werden sollte. Selbst unsre Feinde müssen zugeben, und viele von ihnen geben es auch zu, dass diese tatsächliche Entwicklung der Ereignisse von Jahr zu Jahr, seit wir im Jahre 1876 sie dargelegt haben, in sehr wunderbarer und bemerkenswerter Weise zugetroffen sind und noch fortfahren zuzutreffen.

Die Juden zum Beispiel hatten noch an keine Rückkehr in ihr eigenes Land gedacht, als wir im Jahre 1878 darauf hinwiesen, daß die Zeit der Wiederkehr der Gunst für jenes Volk chronologisch angefangen hatte. In ähnlicher Weise hat auch die schriftgemäße Darstellung der Zelt der Trübsal ihre Bestätigung erhalten. Schritt für Schritt haben sich die Verhältnisse auf den großen Gipfelpunkt hin zugespitzt, von dem die Schrift redet, Erziehung und Bildung, allgemeine Aufklärung und Erfindung - alles Segnungen, die dem jetzt anbrechenden Morgen der neuen Zeitverwaltung angehören - haben die Welt aufgeweckt und sie in die Bahnen der gegenwärtigen hastigen Entwicklung geleitet, wobei der Sinn der großen Massen sich in einem bemerkenswerten Grade der Selbstsucht und dem Mammonsdienst zugewendet hat.

Diesem Mammonsdienst wird nicht nur allein von den Reichen, sondern auch von den Armen gehuldigt. Der eine jagt nach einem Vermögen von tausend Mark, der andere nach einem solchen von einer Million, und wieder ein anderer nach hundert Millionen, aber fast alle streben nach Reichtum. Wenn man einwendet, daß dies mehr auf das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika als auf Europa zutrifft, so erwidern wir, daß dem so sein mag, weil die Amerikaner in jedem Sinne des Wortes wenigstens zehn Jahre früher erwacht sind wie Europa; doch alle Anzeichen sprechen dafür, daß die ganze Welt sehr schnell erwacht, und ihr Erwachen wird ein rauheres sein als das unsrige, mit nicht weniger einschneidenden Resultaten.

Wir tadeln das Volk nicht dafür, daß es am Morgen erwacht; auch tadeln wir die Leute nicht, weil sie in ihrem Hunger nach einem Anteil an den wunderbaren Segnungen, welche Gott für die gegenwärtige Zelt vorgesehen hat, selbstsüchtige Energie entfaltet haben zum Schutze ihrer Rechte und zur Erlangung größerer Vorrechte vermittelst Arbeiter-Vereinigungen und Bündnissen. Indes sind wir geneigt, die ungerechten und unvernünftigen Forderungen zu tadeln, deren man sich oft bedient. Und doch auch hier empfinden wir in großem Maße Mitgefühl, wenn wir daran denken, daß diese Leute, hungrig auf ihren Anteil an den gegenwärtigen Segnungen, die Leitung des Herrn, Seines Wortes und Seines Geistes nicht haben, um ihnen den richtigen und weisen Pfad zu zeigen. Einige ihrer Maßnahmen schlagen daher nicht nur verderbenbringend für sie selbst aus, sondern bereiten auch einigen der wohlwollendsten Kapitalisten und Arbeitgeber unnötige Schwierigkeiten. Andrerseits darf es uns auch nicht überraschen, wenn scharfsinnige Kapitalisten, die das Leben als einen Kampf und ein Spiel ansehen, ihre größere Intelligenz benützen, um ihre eigene Stellung zu kräftigen, damit der Vorteil in ihren eigenen Händen verbleibt und sie denselben durch Kombinationen und Bildung von Ringen vermehren, was zur

Lahmlegung der Konkurrenz, aber zur Stärkung der eigenen Vorteile dient.

Was anderes könnten wir vom natürlichen Menschen erwarten, der unter natürlichen Gesetzen sein Fortkommen sucht, wobei er mehr und mehr das göttliche Wort mißachtet, und mehr und mehr der Evolutionstheorie in die Arme treibt - daß nämlich dem Naturgesetz zufolge nur das Lebenskräftigste ein Anrecht auf Fortbestand hat, und daß man mit dem übrigen ungeeigneten Material nicht zuviel Mitgefühl haben dürfe, und dass für dasselbe nur übrig bleibe, daß es aus dem Wettlauf nach Reichtum und Stellung - auch wohl gar von der Daseinsberechtigung - ausscheide . Wir befinden uns so an der Schwelle der letzten, sieben Jahre dieses Evangeliumszeitalters.

1908er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

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